Ich will Ihnen ein paar Dinge vorhalten, und da bin ich durchaus in guter Gesellschaft. Heute beklagen 93% der Deutschen einen Verlust an sozialer Gerechtigkeit in Deutschland. In den Reihen der Gewerkschaften, die uns im Moment nicht unbedingt besonders gut gesonnen sind, wird dies genauso gesehen. Nach der Steuerreform, die Sie durchgeführt haben, hat Herr Schulte gesagt: Reichtum und Armut driften jetzt weiter auseinander. Das ist ein Stück Realität. Klaus Zwickel hat erst kürzlich gesagt – in „Metall“, Nummer 4, 2002 steht es –, dass die rot-grüne Politik bisher nicht zu mehr sozialer Gerechtigkeit geführt hat. Kollege Lang von der IG Metall hat gesagt, die rot-grüne Steuerreform habe die Verteilungsgerechtigkeit nicht vergrößert, sondern verringert. Das halten Ihnen Ihre eigenen Gesinnungsfreunde vor, und das, obwohl Sie versuchen, die Dinge mit einem immer größer werdenden Staatsanteil zu regeln.
Meine Damen und Herren, zur Rentenpolitik, da Sie sie schon angesprochen haben. Sie haben eine Rentenpolitik gemacht, die unsozial ist. Hätten Sie wenigstens das fortgeschrieben, was Ihnen die Union hinterlassen hat, hätten Sie ehrliche Berechnungen gehabt. Ihr Rentenreformminister muss jetzt schon im ersten Reformjahr wieder korrigieren, das heißt, er muss die Schwankungsrückstellungen von 100% auf 80% reduzieren, um 3,6 Milliarden e an Spielraum zu gewinnen, um über den Herbst 2002 zu kommen. Das ist doch unseriös, das ist doch nicht korrekt.
Nehmen wir Ihre private Rente. Was soll denn daran sozial gerecht sein, wenn eine Verkäuferin mit 15000 e Jahreseinkommen 154 e an Zuschuss zu dieser Privatrente bekommt, während ihr Chef mit 50000 e Jahreseinkommen 800 e erhält? Ist dies etwa das, was Sie als sozial gerecht bezeichnen? Denken wir an die ÖkoSteuer. Jedes Jahr kassieren Sie 3,5 Milliarden e ab, und trotzdem steigen die Rentenbeiträge. Daran führt doch überhaupt kein Weg vorbei.
Hören Sie einmal: Wenn Sie den Trick mit der Schwankungsrückstellung nicht gemacht hätten, wären Sie schon gestiegen.
Ich muss Ihnen die Tricks vorhalten, weil die Tricks unsauber sind. Das ist der Punkt. Dass Sie das nicht gerne hören, ist ganz klar.
(Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SPD): Wie viel haben Sie bei den Autofahrern abkassiert, um die Haushaltslöcher zu stopfen?)
Wir haben damals das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit geschaffen, und das ist mit diesem Geld finanziert worden, während Sie das Geld, das jetzt den Autofahrern abgenommen wird, in die Haushalte schleusen, aber nichts in die Verkehrsinfrastruktur geben.
Meine Damen und Herren, auch die Steuerreform verursacht eine soziale Schieflage. Im Jahr 2000 haben die Kapitalgesellschaften in Deutschland noch 23 Milliarden e an Körperschaftsteuer an den Staat abgeführt. Im Jahr 2001 haben die Finanzminister 400 Millionen e aus
bezahlt. Aus einer Einnahmequelle ist ein Ausgabeposten geworden. Wo ist denn das noch sozial korrekt?
Sie haben die Kommunen mit den Verschiebebahnhöfen, die Sie geschaffen haben, in eine ungeheuer schwierige Situation gebracht. Ich sage: In den Städten und Gemeinden hat es noch nie, zu keiner Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg, so viel öffentliche Armut gegeben wie derzeit.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Mittelstand zusätzlich belastet. Sie werden das abstreiten – das ist ganz klar, das tun Sie immer wieder. Es ist aber so, dass das, was Lafontaine zunächst draufgelegt hat, bis heute noch nicht abgetragen ist. Sie haben den kleinen Leuten geschadet. Sie haben den Haushaltsfreibetrag für Alleinerziehende gestrichen. Sie haben den Sparfreibetrag halbiert. All das soll sozial gerecht sein? – Sie haben die Großen von den Steuern freigestellt, wenn Sie ihre Kapitalbeteiligungen verkaufen, während Sie die Besteuerung für die Abfindungen der Mitarbeiter, die dadurch freigestellt werden, erhöht haben. Das soll soziale Gerechtigkeit sein? Sie müssen sich dafür wirklich schämen. Den Bürgern wird dies deutlich. Deswegen sagen auch so viele Bürger, dass es mit der sozialen Gerechtigkeit nicht mehr stimmt. Deswegen sagen wir: In dieser Republik muss sich etwas ändern; denn so kann es nicht weitergehen.
Die Steuerbefreiung der Großen werden wir deshalb zunächst einmal auf den Prüfstand stellen – das ist ganz klar. Wir werden auch darauf achten, die Steuerbelastung unter 40% zu drücken. Niemand hat aber gesagt, dass dies morgen geschehen wird. Jeder weiß, dass dies nur in Schritten gehen kann; denn das Erbe, das Sie uns hinterlassen, erlaubt einfach nicht, das umzusetzen, was wir uns noch für das Jahr 2000 vorgenommen haben.
Meine Damen und Herren, die größte soziale Ungerechtigkeit, die Sie sich vorhalten lassen müssen und die wir mit unseren Programmen beseitigen wollen, ist die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland.
Hier hat Rot-Grün am meisten versagt. – Das muss auch immer wieder gesagt werden, weil es leider Gottes auch in den Medien immer wieder verschwiegen wird.
Ich darf Ihnen eines sagen. In den letzten drei Jahren sind über 600000 mehr Menschen aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden, als aufgrund der demografischen Entwicklung hinzugekommen sind. Hätten Sie die Zahlen der Neunzigerjahre gehabt, in denen Zuwachs stattfand, dann sähen Ihre Statistiken noch schlechter aus. Das ist die Realität.
Sie haben hier versagt; das ist keine Frage. Deshalb muss etwas verändert werden. Wir haben eine Wirtschaft, die sich in einem globalisierten Wettbewerb behaupten muss, die Flexibilität braucht, damit sie sich an die veränderten Wettbewerbsverhältnisse anpassen kann. Der Arbeiter in München konkurriert nicht mehr mit dem Arbeiter in Köln, sondern konkurriert mit vielen Arbeitnehmern irgendwo in der Welt. Deshalb müssen den Unternehmen Möglichkeiten gegeben sein, sich anzupassen. Sie haben aber den Arbeitsmarkt zubetoniert und damit immer mehr Arbeitslose geschaffen.
Meine Damen und Herren, Arbeitslosigkeit kostet viel Geld. Allein 100000 Arbeitslose kosten den Staat aufgrund der zuzuschießenden Leistungen zur Arbeitslosenversicherung und durch entgangene Steuern und Sozialabgaben rund 2 Milliarden e pro Jahr. Hätten Sie das geschafft, was Sie sich vorgenommen haben, nämlich die Arbeitslosigkeit um 500000 zu senken, dann hätten Sie allein damit über 10 Milliarden e Geld zusätzlich im Portemonnaie des Bundes. Dieses Geld fehlt heute. Von daher denke ich, dass es notwendig ist, etwas zu verändern.
Die Leidtragenden der Politik, die Sie betreiben, sind nicht die Vorstandsmitglieder großer Unternehmen. Ein Ron Sommer wird es verkraften, dass er für seinen Rücktritt, wie man hört, 18 Millionen e Abfindung erhält. Die Leidtragenden sind in erster Linie die kleinen Leute, sind die Arbeitnehmer. Sie sind davon betroffen. Es ist immer schon eine Stärke der CSU gewesen, sich dieser Leute in besonderer Weise anzunehmen und sich um sie zu kümmern.
Meine Damen und Herren, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit können nicht umverteilt werden, sie müssen erwirtschaftet werden. Das ist der entscheidende Punkt.
Ohne mehr Wachstum werden wir keine der gegenwärtigen gesellschaftspolitischen Herausforderungen bewältigen. Hierin haben Sie versagt. Das ist das eigentliche Problem, auf das man immer wieder hinweisen muss. Ohne mehr wirtschaftliche Leistungsfähigkeit keine soziale Sicherheit. Ohne mehr wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird es eben auch keinen Aufschwung geben können. Sie können noch so viel Hartz-Papiere machen – wenn Sie keine Arbeitsplätze haben, werden Sie auch durch bessere Vermittlung die Probleme nicht lösen können.
Lassen Sie mich nun noch einige Worte zur Finanzierung sagen. Die angesprochenen Maßnahmen, die unmittelbar in der letzten Woche vom Kanzlerkandidaten der Union dargestellt worden sind, belasten die öffentlichen Haushalte unter dem Strich mit 9 bis 10 Milliarden e. Dieser Betrag ist solide finanzierbar; denn 10 Milliarden e machen rechnerisch rund 4% des Bundeshaushaltes aus.
Der Bundeshaushalt hat ein Gesamtvolumen von 250 Milliarden Euro. Somit sind die genannten 10 Milliarden Euro eine beherrschbare und zu bewältigende Größe, wenn die Prioritäten richtig gesetzt werden.
Unser erklärtes Ziel und unsere erklärte Absicht ist es, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Dies wird auch die Finanzierung erleichtern. Wir werden jedoch eine Reihe von Umschichtungen vornehmen. Die Rückflüsse aus Europa dürfen nicht einfach verschwinden. Sie müssen für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland investiert werden. Darüber hinaus erwarten wir ein zusätzliches Wachstum von 1%, wenn wir die Strangulierungen des Arbeitsmarktes beseitigen und den Unternehmen wieder mehr Freiheit lassen, sich anzupassen. Dies bestätigen die Erfahrungen aus der Wirtschaft und Umfragen bei Sachverständigen der OECD und der Europäischen Union. Dieses zusätzliche Wirtschaftswachstum wird zu Steuermehreinnahmen in der Größenordnung von gut 5 Milliarden Euro führen. Wir haben das sehr sorgfältig überlegt.
Meine Damen und Herren, jetzt ist die Zeit für Taten. Wir müssen endlich energisch für mehr Arbeit und Aufschwung sorgen. Wir dürfen nicht nur reden und mit ruhiger Hand darauf warten, dass die Amerikaner, die von einigen von Ihnen nicht sehr geliebt werden, die Konjunktur nach oben bringen und wir dann im Sog mitschwimmen. Wir wollen selbst eine Leistung erbringen. Wir erwirtschaften 30% der Gesamtwirtschaftsleistung der EU. Wir haben nicht nur für unser Land, sondern auch für die Europäische Union eine Verantwortung. Deshalb brauchen wir ein Programm, um damit Deutschland wieder nach vorne zu bringen.
Herr Präsident, meine Herren und Damen! Eigentlich könnten wir zu diesem Dringlichkeitsantrag die Reden der aktuellen Stunde von gestern halten. Trotzdem finden wir es gut, dass die SPD noch einmal die Finger auf die Wunde der Wirtschafts- und Sozialpolitik der CSU und des Herrn Dr. Stoiber legt. Wir hatten gestern in unseren sehr kurzen Redebeiträgen kaum die Möglichkeit, auf dieses sehr komplexe Thema intensiv einzugehen. Wir sehen uns bestätigt: Was gestern und heute vorgelegt wurde, zeigt eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die wir als Modell in Deutschland nicht haben wollen. Eigentlich dürfte man die Sozialpolitik gar nicht so nennen. Da nützt es auch nichts, wenn Sie ein „sprechendes
Wenn das umgesetzt würde, was uns Herr Dr. Stoiber im Wahlkampf verkauft, würden unheilvolle Zeiten anbrechen. Dann wäre von Schuldenabbau oder der Rückführung der Neuverschuldung überhaupt nicht mehr die Rede. Alleine das Hoffen, mit ein paar Maßnahmen werde es wieder mehr Wachstum geben, ist für diesen Haushalt, nachdem wir von Ihnen 745 Milliarden Euro Schulden übernommen haben, eindeutig zu wenig.
Dem Bund bliebe bei der Umsetzung all dieser Vorschläge kein finanzieller Spielraum mehr, mit dem wir zum Beispiel Gesellschaftspolitik gestalten könnten. Wir sehen auf Deutschland in der Zukunft eine Reihe von wichtigen Herausforderungen zukommen, für die wir Geld brauchen. Rot-grün hat es geschafft, die Neuverschuldung zurückzufahren. Deshalb haben wir es auch geschafft, Geld für die Modernisierung und für die nötigen Reformen zur Verfügung zu stellen.
Ich denke dabei an die ökologische Modernisierung und die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger von Abgaben.