Protocol of the Session on July 11, 2002

Außerdem hat der Ministerpräsident mitgeteilt, dass die Amtszeit des berufsrichterlichen Mitglieds des Verfassungsgerichtshofs, Herrn Dietmar Klieber, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Nürnberg, am 1. August 2002 endet. Die Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs schlägt vor, Herrn Klieber als berufsrichterliches Mitglied wiederzuwählen.

Die Richterwahlkommission hat in ihrer Sitzung am 3. Juli 2002 den Vorschlägen der Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs zugestimmt und beschlossen, der Vollversammlung zu empfehlen, diese Wahlvorschläge anzunehmen. Zur Wahl von Herrn Walter Weidenkaff hat die SPD-Fraktion als Gegenkandidaten Herrn Guido Kotschy, Richter am Oberlandesgericht München, vorgeschlagen.

Alle Vorgeschlagenen sind bereit, im Falle ihrer Wahl das Amt anzunehmen.

Wir kommen damit zu den Wahlen, die in einem Wahlgang durchgeführt werden. An Ihrem Platz finden Sie drei Stimmzettel in verschiedenen Farben vor, auf denen die vorgeschlagenen Kandidaten aufgeführt sind; außerdem enthält Ihre Stimmkartentasche eine gelbe Namenskarte, die für den Wahlgang zu verwenden ist.

Urnen für die Namenskarte und für die Stimmzettel befinden sich auf beiden Seiten des Sitzungssaales im Bereich der Eingangstüren sowie auf dem Stenografentisch. Ich bitte sowohl die Namenskarte als auch die Stimmzettel nicht selbst in die Urnen einzuwerfen, sondern diese den hierfür bereitstehenden Schriftführern und Mitarbeitern des Landtagsamtes auszuhändigen. Nur so kann der ordnungsgemäße Ablauf der Wahl sichergestellt werden. Wir beginnen nun mit dem Wahlgang. Fünf Minuten stehen dafür zur Verfügung.

(Stimmabgabe von 16.09 bis 16.14 Uhr)

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, der Wahlgang ist beendet. Das Wahlergebnis wird außerhalb des Plenarsaals ermittelt und später bekannt gegeben. Wir fahren zwischenzeitlich in der Tagesordnung fort.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Tagesordnungspunkt 20

Antrag der Abgeordneten Naaß, Dr. Kronawitter (SPD)

Umsetzung des Bundesinfektionsschutzgesetzes

Freistellung von der Kostenpflicht für Beratung/Belehrung für im Ehrenamt Tätige (Drucksache 14/7294)

Tagesordnungspunkt 21

Antrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Schammann und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes bürgerfreundlich gestalten (Drucksache 14/7312)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt pro Fraktion 20 Minuten. Als erste Rednerin hat Frau Kollegin Naaß um das Wort gebeten. Bitte, Frau Kollegin Naaß.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass den in Vereinen, Verbänden, Kindergärten, Kirchengemeinden und sonstigen gemeinnützigen Organisationen ehrenamtlich Tätigen die Gebühren einer Belehrung entsprechend §§ 42 und 43 des Bundesinfektionsschutzgesetzes erlassen werden. Sie wissen, dass nach dem alten Bundesinfektionsschutzgesetz eine Untersuchungspflicht vorgesehen war. Dies hat sich seit Januar 2001 geändert. Die Untersuchungspflicht wurde von der Belehrungspflicht abgelöst.

Frau Kollegin Naaß, ich bitte um Entschuldigung, dass ich Sie kurz unterbrechen muss. Ich möchte nur bekannt geben, dass zu beiden Anträgen namentliche Abstimmung beantragt worden ist. Entschuldigung, Frau Naaß.

Das bedeutet, dass alle Personen, die in solchen Organisationen tätig sind und ein Vereinsfest, ein Kindergartenfest oder ein Kirchenfest organisieren und dazu Kuchen backen, Salate anrichten oder Semmeln belegen, sich künftig nach den geltenden Regelungen kostenpflichtig beraten lassen müssen. Das hat im vergangenen Jahr zu einer großen Verunsicherung geführt. Sie haben das sicherlich auch vor Ort erlebt. Das hat dazu geführt, dass beispielsweise Kindergärten keine Kindergartenfeste mehr veranstaltet haben, weil sie nicht wussten, wie sie mit diesen Regelungen praktisch umgehen sollten. Vereine haben darüber geklagt, dass sie es sich nicht leisten könnten, alle diejenigen, die zuhause einen Kuchen backen, kostenpflichtig beraten zu lassen.

Vereine mussten jemanden vom Gesundheitsamt kommen lassen und ließen im Rahmen einer Sammelbelehrung ihre Mitglieder belehren. Die Sammelbelehrung kostet 12,50 e. Für jedes zu belehrende Mitglied mussten weitere 2,50 e bezahlt werden. Das war eine enorme Kostenbelastung für die Vereine.

Ich bin der Meinung, dass die Vereine sehr viel für die Allgemeinheit leisten und wir froh sein müssen, dass die Vereine in unseren Gemeinden und Städten so aktiv sind. Deshalb sollten wir sie nicht unnütz mit solchen Gebühren und dem bürokratischen Aufwand belasten. Wir haben deshalb mit diesem Antrag zu erreichen versucht, dass von der kostenpflichtigen Belehrung Abstand genommen wird. Wir wollen die Belehrung und empfinden sie als notwendig, denn die Belehrung ist im Sinne des Verbraucherschutzes. Wir halten es für sinn

voll und notwendig, dass diejenigen, die an der Herstellung von Lebensmitteln teilhaben, die in Verkehr gebracht werden, Informationen über hygienische Anforderungen, die Zubereitung und den Transport sowie die Kühlung von Lebensmitteln erhalten. Wir sind aber nicht der Meinung, dass diese Belehrung mit Kosten verbunden sein muss.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb haben Frau Kollegin Dr. Kronawitter und ich den Antrag am 11. Juli 2001, also genau vor einem Jahr, gestellt. Das zeigt, wie lange es bis zu einer Lösung dauert. Wenn dieser Antrag heute angenommen wird, dann ist es eine positive Lösung. Wir haben uns diese Zeit genommen, um zu erreichen, dass unsere Vereine, Verbände und Kindergärten wirklich besser gestellt werden.

Die Staatsregierung ist mittlerweile im Sinne unseres Antrags tätig geworden. Es wurde nämlich signalisiert, die häuslichen Vereinshelferinnen und Vereinshelfer von der Belehrungspflicht auszunehmen. Diese bekommen das Angebot, sich kostenlos von den Gesundheitsämtern und den Kompetenzzentren der Landratsämter beraten und informieren zu lassen. Wichtig ist, dass die Beratung kostenlos ist. Es wurde klargestellt, dass private Veranstaltungen, zu denen noch einige wenige Personen hinzukommen, vom § 43 des Infektionsschutzgesetzes nicht erfasst werden. Belehrungspflichtig ist demnach nur derjenige bzw. diejenige, der bzw. die mit infektionshygienisch problematischen Lebensmitteln unmittelbar in Kontakt kommt. Nicht belehrungspflichtig ist – das ist auch wichtig –, wer nur bedient. Das betrifft all die Helferinnen und Helfer bei den Vereinsfesten, die zubereitete Lebensmittel verkaufen.

Damit ist unserem Antrag weitgehend Rechnung getragen worden, wenn er beschlossen wird. Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass die zeitaufwendige, teure und bürokratische Handhabung eingestellt wird. Nach monatelangen Beratungen haben wir uns im Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit darauf geeinigt, dass unser Antrag folgende Ergänzung erhält:

Weiterhin belehrungs- und gebührenpflichtig sind die Helfer bei öffentlichen Vereinsveranstaltungen vor Ort, die infektionshygienisch problematische Lebensmittel unmittelbar berühren und bei denen indirekt über die Bedarfsgegenstände eine Übertragung von Krankheitserregern zu befürchten ist.

Mit letzterem ist beispielsweise das Spülpersonal gemeint. Auf diese Formulierung haben wir uns geeinigt. Dies führt dazu, dass wir die Vereine besser stellen und sie von unnötigen Gebühren entlasten. Künftig wird nur für einen Bruchteil des ehrenamtlichen Personals diese Gebühr zu entrichten sein.

Wir sind der Meinung, dass der Antrag der GRÜNEN zu weit geht. Dieser Antrag zielt darauf ab, keinerlei Belehrung mehr durchzuführen.

Wegen der Ereignisse in den vergangenen Monaten, auch im Interesse des Verbraucherschutzes, sollten wir

darauf Wert legen, dass auch die ehrenamtlich Tätigen von der Problematik und Wichtigkeit des Verbraucherschutzes wissen. Daher wollen wir ihnen die Informationen über hygienische Anforderungen, Zubereitung, Transport und Kühlung auf jeden Fall an die Hand geben. Das ist eine freiwillige Sache.

Wenn wir heute diesem Antrag zustimmen, sind wir ein großes Stück weiter gekommen. Dann können wir den Vereinen und Verbänden sagen: Wir haben dazu beigetragen, die bürokratischen und kostenträchtigen Aufwendungen zurückzuführen.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat jetzt Frau Kollegin Tausendfreund.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Was sich hinter der Bezeichnung „Umsetzung des Infektionsschutzgesetzes“ verbirgt, hat vor Ort gravierende Auswirkungen. Die gegenwärtigen Regelungen sind zu bürokratisch und laufen an den Realitäten vor Ort vorbei. Wenn man sich den Leitfaden „Hygiene“ vom Verbraucherschutzministerium genauer ansieht, kann man nur den Kopf darüber schütteln, was da alles verlangt wird, wie die Veranstalter örtlicher Straßenfeste, Kirchenfeste und sonstiger öffentlicher kleiner oder größerer Veranstaltungen mit Auflagen geradezu überschüttet werden. Da wird vorgeschlagen, dass eine genaue Dokumentation über mitgebrachte Speisen, also zum Beispiel über die Kuchen, die zu Hause gebacken und dann am Stand verkauft werden, anzufertigen ist, dass Kuchenlisten zu führen sind. Das hat doch alles nichts mehr mit den Gemeindefesten vor Ort zu tun.

Genauso verhält es sich mit der Belehrungspflicht für die Personen, die bei solchen Veranstaltungen mit Lebensmitteln in Kontakt kommen. Diejenigen, die zu Hause den Salat schnipseln, mit der Hand die Lebensmittel anfassen, den Kuchenteig rühren und den Kuchen backen, unterliegen dieser Belehrungspflicht nicht. Diejenigen aber, die am Stand den Kuchen schneiden, ihn auf den Teller legen, den Salat austeilen oder am Grill stehen und die Würstl wenden, müssen diese Belehrung über sich ergehen lassen. Die Vereine sind doch froh, dass überhaupt irgendjemand diese Arbeiten am Stand übernimmt. Diese Arbeiten werden in Zukunft nicht mehr übernommen, wenn den Leuten diese zusätzlichen Verpflichtungen aufgebürdet werden.

Nach den Vorgaben des Bundesinfektionsschutzgesetzes gilt die Belehrungspflicht nur für diejenigen, die den Verkauf von Lebensmittelzubereitungen gewerbsmäßig betreiben. Sie alle wissen, was unter Gewerbe zu verstehen ist: Das ist eine erlaubte, auf Gewinn gerichtete und auf eine gewisse Dauer angelegte selbstständige Tätigkeit. Ist es denn eine gewerbliche Tätigkeit, wenn ein Verein an einem Stand bei einem Gemeindefest Lebensmittel verkauft? Das hat doch nichts mit einer gewerbsmäßigen Tätigkeit zu tun! Ein heftiger Streit über den Gewerbebegriff ist im Gange. Im Lebensmittelrecht wird er zwar etwas weiter gefasst, aber sämtliche Kommenta

toren, auch diejenigen aus dem Bundesgesundheitsministerium und aus verschiedenen Länderministerien, kommen zur Auffassung, dass einmalige Veranstaltungen – Straßenfeste, Trödelmärkte, Vereinsveranstaltungen – keine gewerbsmäßigen Tätigkeiten sind und nicht unter den lebensmittelrechtlichen Gewerbebegriff fallen. Wenn allerdings eine bestimmte Schwelle überschritten wird, wenn also die Feuerwehr regelmäßig die Festveranstaltungen ausrichtet, greift der Begriff der gewerbsmäßigen Tätigkeit.

Im bayerischen Verbraucherschutzministerium sitzt ein Herr Erdle, der eine Mindermeinung vertritt. Er meint, alles, was auf Straßenfesten geschieht, auch wenn sie noch so klein sind und nur einmal jährlich stattfinden, fällt unter den Begriff der Gewerbsmäßigkeit. Er ist der Einzige, der die Auffassung vertritt, dass die Personen, die bei derartigen öffentlichen Veranstaltungen Lebensmittel zubereiten und verkaufen, unter das Infektionsschutzgesetz fallen und belehrt werden müssen.

In den meisten anderen Bundesländern wird es so gehandhabt wie in Baden-Württemberg und so, wie wir das beantragt haben. Das heißt, die Belehrung ist nicht notwendig. Es ist realitätsnäher, wenn den Leuten nicht noch eine zusätzliche Verpflichtung aufgebürdet wird. Das hat meines Erachtens auch nichts mit Gesundheitsschutz zu tun. Man kann an die Vereine Information auf freiwilliger Basis geben; das ist effektiver, als jemandem eine Belehrung zur Pflicht zu machen, zu der er wahrscheinlich nur widerwillig hingeht; beim Gemeindefest fällt er dann vielleicht sogar aus.

Es wurde oft gesagt, dass die Vereine mit ihrem Lebensmittelangebot die Gastronomie verdrängen. Das ist doch kein Anlass, um mit dem Gesundheitsschutz zu argumentieren. Das muss man vor Ort anders regeln. Wir wollen, dass das unbürokratisch und so wie in den meisten anderen Bundesländern gehandhabt wird. Das Bundesgesetz lässt diese Möglichkeit offen. Die Länder können selbst entscheiden, wie sie das regeln wollen; dafür ist genügend Spielraum. Die Kommentarliteratur und die Artikel in den Fachzeitschriften gehen alle davon aus, dass einmalige Veranstaltungen vor Ort, Straßenfeste usw., nicht unter den Begriff der gewerbsmäßigen Tätigkeit fallen.

Dieser Streit ist deshalb eigentlich überflüssig. Mir geht es nicht um eine Befreiung von den Kosten der Belehrung, sondern um eine realitätsnahe Regelung, die nicht zu bürokratisch ist und die nicht dem Spleen des Herrn Erdle im Verbraucherschutzministerium folgt, der am liebsten alles registriert hätte, der gerne jeden einzelnen Kuchenkrümel auf eine Liste setzen würde.

(Zurufe)

Die Kuchenliste ist nicht meine Erfindung, sondern sie steht tatsächlich im Leitfaden.

Ein Beispiel, um zu verdeutlichen, dass diese Regelung an der Realität vorbeigeht. Wir haben in unserer Gemeinde eine Partnerschaft mit einer Gemeinde in Frankreich. Einmal im Jahr findet bei uns ein schönes großes Straßenfest statt. Am Freitagabend kommt eine

Delegation aus Frankreich an. Diese Delegation hat auf diesem Fest eigene Stände und verkauft dort. Am Sonntagabend fliegen diese Leute wieder zurück. Wir haben gar keine Möglichkeit, eine Belehrung nach den Vorgaben des Verbraucherschutzministeriums durchzuführen. Somit wäre diese Form der Partnerschaft nicht möglich.

Fragen Sie einmal bei einem Kirchenfest, bei einem öffentlichen Kindergartenfest oder bei einem Straßenfest nach, ob die geforderte Belehrung durchgeführt worden ist. Mit einer 99%igen Wahrscheinlichkeit wird das bei den wenigsten dieser Feste der Fall gewesen sein. Vielleicht finden Sie einen Fall, bei dem diese Belehrung erfolgt ist.

(Gartzke (SPD): Bei den Biobauern ist das so!)

Das hat mit den Biobauern überhaupt nichts zu tun. Hier geht es um öffentliche Straßenfeste, bei denen Vereine Lebensmittel verkaufen. Fragen Sie doch einmal Angehörige dieser Vereine, ob sie wissen, dass es diese Belehrungspflicht gibt. Ich habe zu diesem Antrag namentliche Abstimmung beantragt, damit Sie noch einmal in sich gehen können. Sie können sich dann vor Ort fragen lassen, ob Sie für eine bürokratische oder für eine unbürokratische Regelung gewesen sind. In den meisten anderen Bundesländern wird das nämlich unbürokratisch gehandhabt. Sie können dann sagen, ob Sie für einen überkandidelten bayerischen Weg sind, der es den Leuten vor Ort nur schwer macht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich nehme den Rednerwechsel zum Anlass, zwei Dinge bekannt zu geben. Die Niederschriften der heutigen Sitzung sind nicht mehr bis zum Sitzungsende fertig zu stellen, weshalb sie den Rednern im Plenarsaal auch nicht mehr zugestellt werden können. Aus diesem Grunde bitte ich die folgenden Redner, von den am Rednerpult aufliegenden Formularen Gebrauch zu machen, falls sie die Niederschriften an eine Adresse außerhalb des Hauses zur Korrektur übermittelt haben wollen. Außerdem bitte ich Sie, draußen Ihre Fächer zu leeren, damit Ihnen zugeht, was für Sie bestimmt ist. Der nächste Redner ist Herr Kollege Dr. Zimmermann.