Protocol of the Session on June 26, 2002

Brüllen Sie ruhig weiter, aber jede Mark kann nur einmal ausgegeben werden.

Wir wollen, dass Sie unserem Antrag zustimmen und dass Sie damit signalisieren: Die Staatsregierung nimmt Abstand von den eben aufgezeigten Projekten und macht damit den Weg frei für eine nachhaltige Verkehrswege-Investition.

Herr Kollege Hofmann, Sie haben, obwohl Kollege Meyer dazwischengeplappert hat, eine Frage gestellt. Ich habe auch diese Frage verstanden. Ich kann also zwei, drei Fragen gleichzeitig verstehen.

(Dr. Bernhard (CSU): Sie sind ja gut!)

Konkret: Eine Machbarkeitsstudie ist nicht angesagt. Darüber können wir reden, wenn es definitiv heißt: Es ist Geld da, und die politischen Mehrheiten – wir müssen uns ja auch den politischen Mehrheiten beugen – sind

für eine neue Hochgeschwindigkeitsstrecke, die von Nürnberg in Richtung Berlin führt. Wenn dieser Beschluss definitiv feststeht und die Mittel dafür vorhanden sind, dann müssen wir uns den Gegebenheiten anpassen und können darüber reden. Jetzt ist das mit Sicherheit nicht spruchreif. Deswegen bitte ich Sie, auch im Interesse einiger Bezirke, die ich angesprochen habe, im Interesse der Umwelt und im Interesse der Fahrgäste in der Fläche, aber auch im Interesse der Fahrgäste in Ballungsgebieten, unserem Antrag zuzustimmen. – Herzlichen Dank. Ich freue mich über Ihr zustimmendes Signal, Herr Kollege Heike. Ich weiß es zu würdigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Als Nächster hat Herr Kollege Dinglreiter das Wort.

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich will meine Anmerkungen zu dem Antrag der GRÜNEN in zwei Teile gliedern, zunächst einige grundsätzliche Anmerkungen machen und danach kurz zu den Projekten Stellung nehmen.

Bevor ich zu den grundsätzlichen Feststellungen komme, ein paar Anmerkungen zur Einleitung Ihres Antrages, meine Kollegen und Kolleginnen von den GRÜNEN. Dort heißt es: „Verkehrspolitik in Bayern muss sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren.“ Es heißt weiter, Bayern sei mit Autobahnen in ausreichendem Maße erschlossen.

Herr Kollege Dr. Runge, ich gebe Ihnen gern einmal die Zahlen zur Ausstattung mit Autobahnen in den Bundesländern.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der sitzt im Moment dort!)

Wo ist er? – Ach so, dort ist er. Er weiß, wo der Sachverstand ist. Deswegen sitzt er bei der CSU-Fraktion und informiert sich.

Also, wenn es darum geht, zu wissen, wie wir mit Autobahnen ausgestattet sind: Sowohl im Verhältnis zur Fläche als auch zur Einwohnerzahl ist Bayern gegenüber anderen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland unterdurchschnittlich mit Autobahnen ausgestattet. Deshalb sollte man nicht solche Behauptungen aufstellen.

„Große Straßenneubauprojekte“, heißt es, „sind weder ökologisch noch ökonomisch zu vertreten.“ Also wenn Sie nur „ökologisch“ gesagt hätten, hätten ich ja noch Verständnis gehabt.

Aber zunächst einmal zu den grundsätzlichen Anmerkungen. Welches Leitbild haben Sie von den GRÜNEN eigentlich von der Mobilität von Menschen und Gütern in der Zukunft vor dem Hintergrund der Europäisierung und Globalisierung unserer Welt? Das muss man sich ernsthaft fragen, wenn man die Dinge liest, die Sie da vorgeben. Orientieren Sie sich immer noch an Ihrem ideologischen Wunschdenken, oder orientieren Sie sich an der Realität?

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): An den Menschen und ihren Bedürfnissen!)

Die Realität ist mit einigen Zahlen exakt beschrieben: 90% der Verkehrsleistung für Personen finden auf der Straße statt, 7% werden von der Schiene erbracht. Das ist Realität. Wir wollen zwar etwas verändern, aber man muss die Realitäten sehen, um zu wissen, in welchen Größenordnungen wir verändern können. Der Güterverkehr im Fernverkehr rollt zu zwei Dritteln über die Straße, und im Nahverkehr ist der LKW ohnehin durch kein anderes Verkehrsmittel zu ersetzen.

Nehmen wir die Wachstumsprognosen für die nahe Zukunft hinzu. Haben Sie die als eine realistische Größenordnung zur Kenntnis genommen? Meine Damen und Herren, ich kenne das jetzt über einige Jahrzehnte, dass man stets sagt: Nun ja, die Prognosen, was soll das?! In der Vergangenheit war die Situation stets die, dass nach zwei Dritteln des Prognosezeitraums die vorhergesagten Werte erreicht worden sind, danach sind sie überschritten worden. Wer also an den Dingen wie Sie vorbeigeht, der macht eine ideologische Planung, aber keine, die auf die Realitäten abgestimmt ist.

Deshalb, meine Damen und Herren, müssen wir fragen: Welchen Erfordernissen muss Mobilität gerecht werden, wenn wir über die Fragen im Detail diskutieren, die Sie hier ansprechen? Lassen Sie mich auch diese Zahl noch nennen: Die Verkehrsentwicklung hat in den vergangenen fünf Jahrzehnten um knapp 1000% zugenommen. Unsere überregionale Verkehrsinfrastruktur auf der Straße ist dagegen nur um gut 50% gewachsen; auf der Schiene ist die überregionale Verkehrsinfrastruktur noch weit weniger gewachsen, weil kaum neue Strecken gebaut worden sind.

Deshalb ist die Frage: Kann das so weiter hingenommen werden, wenn unser Land nicht erheblichen Schaden für die Zukunft nehmen soll? Mobilität ist nicht nur Folge von Wohlstand, sie ist auch Voraussetzung von Wohlstand, und deshalb muss man sehen, dass der Personenverkehr auch in den nächsten Jahren bis 2015 um etwa 25% wachsen wird, dass der Güterverkehr in Bayern – wie wir aus der Ifo-Studie wissen – um 85% wachsen wird, dass er von Bayern ins Ausland um etwa 130% wachsen wird und dass er aufgrund der Osterweiterung der EU im Ost-West-Bereich im Durchschnitt um etwa 200% wachsen wird, in einigen Bereichen des Grenzlandes noch sehr viel stärker.

Angesichts dieser Prognosezahlen für die Verkehrsentwicklung muss man fragen: Wird die Mobilität zum Engpass wirtschaftlicher Entwicklung in Deutschland, wenn wir nicht besser vorankommen, erst recht, wenn wir Ihren Vorstellungen folgen würden?

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Was produziert wird, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, muss auch transportiert werden. Deshalb muss man auch erkennen, dass das, was als Rohstoff zu den Fabriken, als Halbfertigwaren und Produktteile in einer arbeitsteilig angelegten Wirtschaft zunehmend über Grenzen hinweg

transportiert werden muss, auch entsprechende Verkehrswege braucht. Es bedarf auch neuer Verkehrswege, wenn wir Verkehre aus den Orten, wo sie Menschen schädigen und belästigen, herausbekommen wollen. Auch das ist ein wichtiger Punkt.

Lassen Sie mich nun zu den konkreten Maßnahmen kommen. – Auf den Südring, Herr Kollege Dr. Runge, gehe ich nicht ein; den haben Sie nicht in Ihrem Antrag genannt, den haben Sie zusätzlich aufgenommen.

Ich komme zum Thema Fichtelgebirgs-Autobahn, wie Sie es nennen, oder, konkreter gesagt, der B 303 (neu), einer vierspurigen Straße, die neu trassiert werden soll über das Fichtelgebirge hinweg anstelle der B 303. Angesichts der Zuwachszahlen, die ich gerade für den Ost-West-Vergleich im Zusammenhang mit der Osterweiterung dargestellt habe, ist es unverzichtbar, dass wir auf diesem Sektor in diesem Gebiet auch leistungsfähige Verkehrswege herstellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, es ist unverzichtbar deshalb, weil wir wissen, dass die Ost-West-Verkehre über zwei Generationen hinweg nicht stattgefunden haben, dass Verkehrswege in den Fünfziger-, in den Sechziger- und in den Siebzigerjahren zwischen Ost und West nicht entwickelt worden sind, weil eben keine Verkehrsverbindungen bestanden haben. Jetzt, wo diese Verkehrsverbindungen Realität werden, wo davon die wirtschaftliche Entwicklung für viele Teile dieses Raums abhängt, müssen wir diese Wege schaffen, wenn wir diesem Raum gerecht werden wollen. Das ganze Gerede von der Benachteiligung Oberfrankens hilft überhaupt nichts, wenn wir nicht Verkehrswege schaffen, die wirtschaftliche Entwicklung dort möglich machen.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der CSU: So ist es! – Jawohl!)

Ich darf auch sagen: Die regionalen Vertreter der dortigen Wirtschaft und der Politik haben in einer Verkehrskonferenz am 17. Mai in Marktredwitz ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie dringend diese Verkehrsverbindungen haben wollen und brauchen. Deshalb steht es uns nicht an, denen zu sagen, was wir dann für besser hielten. Es ist das gute Recht derjenigen, die dort Verantwortung tragen, dass sie selbst bestimmen, was sie haben wollen.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb stimmen wir in diesem Teil Ihres Antrags nicht zu.

Nun komme ich zur A 94 auf der Trasse Isental. Herr Kollege Dr. Runge, beide Varianten – die Variante Haag und die Variante Dorfen – wurden lange und ausführlich untersucht. Wir haben uns auch im Wirtschaftsausschuss über ein Jahrzehnt lang mit diesen Fragen immer wieder beschäftigt.

Im Raumordnungsverfahren wurden beide Trassen untersucht; beide Trassen wurden mit gewissen Maßga

ben landesplanerisch positiv bewertet. Bei der Abwägung dieser beiden Raumordnungsverfahren zeigt sich allerdings, dass bei der Trasse Dorfen alle Maßgaben erfüllbar sind, bei der Trasse Haag nicht. Das ist für uns von Anfang an ausschlaggebend gewesen, auf die Trasse Dorfen zu setzen. Ich habe den Verdacht – und den äußere ich hier nicht das erste Mal –, dass es den GRÜNEN nicht nur darum geht, die Trasse Dorfen zu verhindern; es geht ihnen auch darum, die Trasse Haag zu verhindern – das ist der Hintergrund –, weil man weiß, dass die Trasse Haag eine ganze Menge ökologische Probleme machen würde. Es hat deshalb keinen Sinn, jetzt von einer Trasse Abstand zu nehmen und dann in ein nächstes Schlamassel zu schlittern, das uns noch mehr Probleme bereitet.

(Beifall bei der CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Bund hat die Linienführung so festgelegt, und deshalb ist es so, dass wir zunächst einmal das Planfeststellungsverfahren eingeleitet und mittlerweile auch abgeschlossen haben. Es sind dazu Klagen eingereicht worden, und wir werden abwarten müssen, wie das Gericht entscheidet.

Wir wollen zügig vorankommen, weil wir die A 94 für wichtig halten. Sie ist eine wichtige Erschließungsautobahn für Niederbayern, für den ostbayerischen Raum insgesamt, sie ist eine wichtige Erschließungsautobahn für das Chemiedreieck, von wo Firmen abwandern werden – das sagt der SPD-Bürgermeister von Mühldorf –, wenn wir nicht baldmöglichst zu einer Lösung kommen. Sie ist auch eine Erschließungsautobahn für den nördlichen Raum Mühldorf und auch den östlichen Raum Erding, der wirtschaftlich in Oberbayern unterentwickelt ist. Auch da brauchen wir dringend eine solche Lösung, und sie ist eine wichtige Ost-West-Achse im Konzept des europäischen Straßennetzes.

Zur Westumfahrung Würzburgs: Die aktuellen Verkehrsprognosen für den Großraum Würzburg haben deutlich gezeigt, dass mit dem sechsstreifigen Ausbau der A 3 und der A 7 allein die Verkehrsprobleme im Raum Würzburg nicht gelöst werden können. Der nordwestlich von Würzburg gelegene Main-Spessart-Raum Lohr – Gemünden – Karlstadt – ich hoffe, Dr. Kaiser hört gut zu –

(Dr. Kaiser (SPD): Ich bin da!)

liegt autobahnfern und hat zu den Autobahnen A 3 und A 7 nur unzureichende Zubringer. Ich habe mich erst vor kurzem selber davon überzeugt.

Um die infrastrukturellen Standortbedingungen für diesen Wirtschaftsraum zu verbessern, bedarf es leistungsfähiger, ortsdurchfahrtsfreier Straßenverbindungen zu den Autobahnen A 3 und A 7. In einer Machbarkeitsstudie wurde auch festgestellt, dass es da eine ganze Menge Wechselwirkungen gibt und dass es insbesondere notwendig würde, die A 3 achtstreifig auszubauen, wenn wir nicht zu einer solchen Verkehrsverbindung kämen, und dass zumindest die A 7 bis Schweinfurt vom Biebelrieder Dreieck aus sechsstreifig ausgebaut wer

den müsste, wenn wir zu dieser Verbindung nicht kommen.

Darauf kann verzichtet werden, wenn diese Verkehrsverbindung kommt, die ohnehin dazu beiträgt, dass die Räume besser erschlossen werden. Damit wird dann auch eine ganze Menge Orte vom Verkehr entlastet. Aus diesem Grunde halten wir diese Maßnahme für dringend notwendig und sehr sinnvoll.

Zur Bundesstraße B 15 neu. Die B 15 neu ist die Fortsetzung der A 93 von Hof nach Regensburg, die mittlerweile fertiggestellt ist. Sie ist eine östliche Nord-Süd-Verbindung neben der A 9, die in den vergangenen Jahrzehnten auch nicht so notwendig war, die aber jetzt notwendig wird, wenn die Ostverkehre stärker auf die Nord-SüdVerbindungen drängen, die durch den Bayerischen Wald nicht machbar sind.

Deshalb ist gerade im Zuge der Osterweiterung diese Nord-Süd-Verbindung außerordentlich wichtig. Sie ist von Regensburg bis zur A 94 in der ersten Dringlichkeitsstufe und von der A 94 bis zur Autobahn A 8 im weiteren Bedarf vorgesehen. Weil wir nicht die Betonfetischisten sind, als die wir manchmal dargestellt werden, haben wir uns dafür entschieden, von Haag bis zur A 8 bei Rosenheim zunächst die alte B 15 auszubauen, sie zu erneuern und mit Ortsumgehungen zu versehen, aber bis zur A 94 brauchen wir diese B 15 neu unbedingt. Ebenfalls beim Bund angemeldet ist, dass diese Bundesstraße von Schwindegg bis nach Haag auf der raumgeordneten Trasse zumindest einstreifig ausgebaut wird.

Dass es da natürlich da und dort zu Eingriffen kommt, ist nicht zu vermeiden. Die Frage ist jedoch – um auf Ihren Antrag zu kommen –, ob sich das, was wir hier machen, an den Bedürfnissen der Menschen orientieren soll oder nicht. Wenn wir uns an den Bedürfnissen der Menschen orientieren, ist es dringend notwendig; denn die alte B 15 führt – wie Sie selbst festgestellt haben – durch 30 Orte, deren Bewohner allein durch den Durchgangsverkehr mit 10000 Fahrzeugen täglich belastet werden. Das können wir diesen Menschen nicht länger zumuten. Wir stehen also nach wie vor zum Ausbau dieser B 15 neu.

Nun zur ICE-Neubaustrecke Nürnberg-Erfurt. Herr Dr. Runge, die GRÜNEN hier stellen sich mit ihrer Haltung eindeutig gegen eine Entscheidung der rot-grünen Bundesregierung.

(Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ja, das ist ein Hammer. Sie müssten eigentlich mit Protestplakaten in Berlin aufmarschieren und dort Ihren Unmut deutlich machen.