Protocol of the Session on June 13, 2002

Die Verhandlungen mit Herrn Scholz und Veneto wurden bei mir stunden- und tagelang geführt. Wir haben diesen Unternehmen klargemacht, dass wir alles tun werden, was EU-rechtlich möglich ist. Was EU-rechtlich nicht geht, können wir nicht machen. Wir verfügen über gewisse Erfahrungen mit der EU, sodass wir ziemlich genau sagen können, was geht und was nicht geht. Beide Unternehmen haben die Verhandlungen in die Länge gezogen und am Ende erklärt, dass sie kein Interesse mehr hätten. Der Insolvenzverwalter geht davon aus, dass es sich bei einem potenziellen Investor aus Kanada um eine Luftnummer handelt.

Den nächsten Punkt möchte ich ohne Vorwurf erwähnen: Vor mehreren Monaten hat der Betriebsrat eine Restrukturierung vorgeschlagen, die die Entlassung von 200 Leuten zur Folge gehabt hätte. Alternativ sollte für diese Personen eine Beschäftigungsgesellschaft eingerichtet werden. Dies ist der Hintergrund für den Antrag, der derzeit bei der EU läuft. Wir haben uns damit einverstanden erklärt und angekündigt, dass wir diesen Weg, soweit er sinnvoll ist, finanziell unterstützen werden. Der Haushaltsausschuss hat trotz der hohen Kosten meines Wissens einstimmig für diesen Weg votiert. Auch Herr Kollege Nentwig, der jetzt Landrat ist, hat seine Zustimmung signalisiert. Brüssel spricht sich jedoch gegen diesen Weg aus und will ein Hauptprüfverfahren einleiten. Ich habe dort angerufen und vorgeschlagen, dieses Verfahren nicht durchzuführen, da die Maxhütte in absehbarer Zeit schließe. Die Situation wird sich dadurch grundlegend ändern.

Ich frage mich, warum im Jahr 2002 etwas gemacht wird, was noch in den Jahren 1994 und 1995 strikt und rigoros verweigert wurde, obwohl sich die Situation nicht geändert hat und obwohl man mit einem solchen Schritt seinerzeit hätte erreichen können, dass die Maxhütte schwarze Zahlen schreibt.

(Maget (SPD): Vielleicht!)

Sicherlich. Sehen Sie sich einmal die Bilanzen der verschiedenen Jahre und die mögliche Kostenreduzierung an. Herr Kollege Maget, Herr Kollege Schösser und ich waren uns damals einig, dass man aus der Maxhütte 300 Leute herausnehmen könnte. Damals ging es um die Frage, ob ein Sozialplan im Umfang von 10 Millionen oder 20 Millionen DM aufgelegt werden sollte. Das war jedoch nicht durchsetzbar.

(Maget (SPD): Sie haben dafür nicht die Zustimmung des Betriebsrates bekommen!)

Dies wurde verweigert. Wenn Sie sich die Bilanzen der letzten sechs bis acht Jahre ansehen, werden Sie feststellen, dass mit einem solchen Schritt – trotz der Anfangskosten von 20 Millionen DM – eine Kostenersparnis erreicht worden wäre, die die Maxhütte in die schwarzen Zahlen gebracht hätte. Dadurch hätten auch die nötigen Umweltinvestitionen sukzessive getätigt werden können. Dieser Weg ist damals gescheitert. Ich kann dies im Nachhinein nur feststellen. Ich sage das ohne Kritik und Bitterkeit.

(Glück (CSU): Der Eigentümer konnte nicht handeln!)

Der Eigentümer kann in einem voll mitbestimmten Metallbetrieb keine Entlassungen vornehmen.

Ich muss feststellen: Im Jahre 2002 war das auf Vorschlag des Betriebsrats möglich, was vom gleichen Betriebsrat in den Jahren 1994 und 1995 verweigert worden ist.

(Glück (CSU): So ist es!)

Das hat dazu geführt, dass man aus den schwierigen Situationen nicht herausgekommen ist.

(Zuruf des Abgeordneten Wörner (SPD))

Herr Wörner, lassen Sie sich doch mal etwas erklären. Der Wörner wenn schon wieder redet, der versteht von allem etwas, aber von den meisten Dingen dann doch nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Man hat dort die Hoffnung gehabt, dass man durch einen anderen Eigentümer die Probleme elegant lösen kann. Das war dann aber nicht möglich.

Im jetzigen Jahr war die Restrukturierung zu spät. Warum? Weil man in eine allgemeine Konjunktursituation auf dem Stahlmarkt hineingekommen ist, wo das Ganze nicht mehr zu bewältigen ist. Das ist das Pro

blem. Schauen Sie sich doch einmal die Situation auf dem Stahlmarkt an, und zwar deutschlandweit, europaweit und weltweit. Warum machen die Amerikaner ihre Boykott-Politik? Weil der Stahlmarkt von allen Ländern überschwemmt wird, weil nichts mehr geht. Die Preise gehen runter, die Kosten aber nicht. Damit war das Resultat vor ein paar Wochen absehbar, dass Betriebsrat, IG Metall und Insolvenzverwalter zu mir gekommen sind und gesagt haben: Wir kommen nicht mehr weiter.

(Zuruf von der SPD)

Ich komme gleich zu Nordrhein-Westfahlen.

Sie haben gesagt: Es geht nicht mehr. Wir bekommen in der Insolvenz auch nicht die Preise, die ein normal laufender Betrieb bekommt. Das ist die Erfahrung. Darum habe ich auch seinerzeit die Insolvenz für falsch gehalten, weil man sich damit in eine ganz andere wirtschaftliche Situation begibt. Diese Situation schlägt jetzt durch. Reden Sie doch bitte mit Herrn Wellensieck, der Ihnen ganz exakt erklären kann, warum ein Betrieb in der Insolvenz am Markt nicht die Preise bekommt, die ein normal wirtschaftender Betrieb erhält. Damit kommt der Betrieb nicht aus den roten Zahlen heraus. Das ist das Problem. Die Sanierungsmaßnahmen helfen auch nicht weiter. Darum sind alle drei gekommen und haben gesagt: Wir kommen nicht weiter. Das ist die Situation. Jetzt geht es darum – das ist das Thema, es nützt keine billige Polemik, Herr Hoderlein –, dass für die Region ein Konzept entwickelt wird, das beinhaltet:

Erstens. Wie viel Leute können wir weiterbeschäftigen, wenn die Maxhütte zurückgebaut wird? Man kann einen Teil der Anlagen abbauen und noch stahlmäßig verarbeiten.

Zweitens. Abbau Maxhütte: Wenn man etwas stehen lassen will, dann den Hochofen, aber nicht das ganze Werk, wie es in einem Antrag heißt. Es wäre vielleicht interessant, es unter Denkmalschutz zu stellen. Meinetwegen auch den Schlackenberg, aber nicht das ganze Werk.

Drittens. Altlastenuntersuchung und Altlastenbeseitigung.

Viertens. Ausweisung neuer Industrie- und Gewerbegebiete und damit Ansiedlung neuer Betriebe. Damit schaffen wir neue Arbeitsplätze und neue Chancen. Darum geht es. Dafür haben wir sofort nach dem Gespräch eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die sich damit befasst. Das kann man nicht alleine im Wirtschaftsministerium tun, auch wenn bei uns natürlich die Federführung liegt; man muss das zusammen mit dem Insolvenzverwalter und unter Einbeziehung des Betriebsrats und der Kommune machen. So ist das auch gelaufen. Dadurch ist die Sache an die Öffentlichkeit gekommen.

Ich stelle fest: Abgemacht war zwischen Herrn Neugebauer, Herrn Vetter, Herrn Wellensieck und mir, dass wir erst das Konzept ausarbeiten, dann damit ins Kabinett gehen, um dann gemeinsam in die Betriebsversammlung zu gehen und es gemeinsam der Öffentlichkeit vorstellen, auch mit der möglichen Weiterentwicklung für

die Zukunft. Ein solches Konzept lässt sich zwar in groben Strichen einfach aus dem Ärmel schütteln. Wenn man es aber untermauern will, wann was geht, was das kostet und was man braucht, muss man es sauber durchrechnen. Es fehlen uns auch noch die Daten von der Maxhütte, die wir brauchen. Hätten wir sie frühzeitiger gehabt, wären wir schon weiter. Wir wollten erst dann mit dem gesamten Konzept an die Öffentlichkeit gehen. Dass dann der Betriebsrat sagt – unter welchem Druck auch immer –: „Wir machen eine Betriebsversammlung“ habe ich dann den Medien entnommen; im Übrigen auch Herr Neugebauer, wie er mir gesagt hat.

(Glück (CSU): Könnte das mit dem Datum für Abfindungen etwas zu tun haben?)

Das weiß ich nicht, das wird sich zeigen.

Ich gehe noch ein Stück weiter: Herr Hoderlein hat von Textil und Porzellan gesprochen. Ich würde hinzufügen: Stahl und Kohle. Er sagt, in Bayern sei hier ein Problem vorhanden. Herr Hoderlein, schauen Sie sich einmal die Entwicklung im Textilbereich in ganz Deutschland an. Wenn Sie es noch nicht gemerkt haben, sage ich es Ihnen jetzt: Es gab überall die gleichen Probleme. Warum hatten wir mit den Wirtschaftsministern von Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen – seinerzeit noch Clement – gemeinsame Gespräche mit der Textilindustrie? Warum haben wir uns darauf geeinigt, Forschungsthemen gemeinsam voranzutreiben, was auch heute noch läuft? Weil überall die gleichen Probleme vorhanden waren. Diese Probleme waren seit Öffnung der Grenzen nach Osten international beeinflusst, wie auch Sie wissen.

(Zuruf von der SPD)

Warum reden Sie dann so kariert daher, dass das speziell ein bayerisches Thema sei?

(Zuruf des Abgeordneten Hoderlein (SPD))

Das haben Sie sehr wohl gesagt. Ich habe es mitgeschrieben.

Der zweite Vorwurf ist, dass das Thema Stahl in Bayern nachlässig behandelt werden würde. Ich will Ihnen sagen, dass schon Dreiviertel der westdeutschen Stahlwerke in den 70er und 80er Jahren geschlossen wurden. Ich will Ihnen auch sagen, dass zwischen 1974 und 1980 die Beschäftigtenzahl in der Stahlbranche von 344000 auf 175000 gesunken ist. In Nordrhein-Westfalen waren 1980 noch 200000 Menschen in der Stahlindustrie beschäftigt, 1998 waren es noch 62000. Was war denn da das große Versagen der Landespolitik? Erinnern Sie sich an die Heinrichshütte in Hattingen – 5000 Arbeitsplätze auf einen Schlag weg –, Duisburg-Rheinhausen – 4000 auf einen Schlag weg – oder Saarwerk-Völklingen – 2150 auf einen Schlag weg? War es dort auch Versagen der Landespolitik – wenn man schon solche Maßstäbe anlegt – oder war es die Entwicklung des Marktes, die bestimmte Opfer fordert?

Deshalb verstehe ich es nicht – unabhängig davon, dass das sowieso daneben geht & , dass man solche Dinge wahlkampfmäßig ausschlachten will.

(Beifall bei der CSU)

Sonst muss man behaupten, dass es dort auch das Versagen der Landespolitik war, durch das in einem dramatischen Ausmaß 140000 Menschen ihre Arbeitsplätze verloren haben, und zwar dank einer falschen Landespolitik in Nordrhein-Westfalen, dank Rau und Clement. Ist das die richtige Argumentation? Ist es nicht richtiger, eine derartige Polemik bleiben zu lassen und sich sachlich zu unterhalten?

(Beifall bei der CSU)

Damit Sie es noch einmal hören: Das Thema Hightech und Innovation war und ist notwendig, und zwar nicht nur für die Arbeitsplätze in der Biotechnologie, die wir in wachsender Zahl haben, und nicht nur für die Tausende von Software-Entwicklern und Beschäftigen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnik. Bei einer Veranstaltung von Professor Sinn am letzten Wochenende hat ein amerikanischer Professor dargelegt, dass die informations- und kommunikationstechnologische Entwicklung am Anfang und nicht am Ende steht. Das bedeutet auch eine Chance für Bayern. Genauso ist es bei den neuen Materialien. Genauso ist es bei der Medizintechnik. Genauso ist es bei der Umwelttechnik. Wenn Sie diese Themen – Information, Kommunikation oder neue Materialien – anschauen, dann müssen Sie sich auch zum Beispiel den Maschinenbau betrachten. Warum sind die denn – entgegen früherer Voraussagen – wieder wettbewerbsfähiger? Man hat 1993/94 gesagt, in zehn Jahren werde es bei uns keine Firmen des Maschinenbaus mehr geben. Man hat durch Innovationen bei neuen Materialien, durch bessere Steuerbarkeit und durch den Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik die Produkte so modernisiert, dass wir heute einen größeren Anteil am Weltmarkt als vor zehn Jahren haben. Warum geht es bei uns den Automobilfirmen nach wie vor gut, obwohl die Automobilkonjunktur in Deutschland dank Ihrer Politik in Berlin zurückgeht? Weil man durch Innovationen im Fahrzeug – heute besteht mehr als ein Drittel der Fahrzeuge aus Elektrotechnik und Elektronik – die Fahrzeuge so aufgepeppt hat, dass sie sich international gegen die Franzosen, Japaner und Amerikaner am Markt behaupten können.

(Beifall bei der CSU)

Das sind die Erfolge der Hightech-Politik. Ich könnte Ihnen weitere Beispiele aufzählen: Warum entfielen denn 25 Prozent der in den letzten Jahren in Deutschland neu entstandenen Arbeitsplätze auf Bayern? Warum haben wir einen großen Teil der Betriebsneugründungen in Bayern gehabt? Warum entfallen 25 Prozent des Einsatzes auf Bayern? Warum entfallen denn 25 Prozent der Anmeldungen beim Deutschen Patentamt auf Bayern? Warum haben wir in Bayern denn von allen Ländern die größte Betriebsdichte? Warum haben wir in Bayern die höchste Zahl der Existenzgründer? Dank dieser Politik. Wir machen diese Politik, weil in manchen Branchen – –

(Zuruf von der SPD)

Das hören Sie nicht gerne, aber das hätten Sie in Berlin auch machen sollen. Schröder hat es 1998 kapiert, aber dann nicht umgesetzt.

(Beifall bei der CSU)

Schröder hat 1998 von Innovation und Gerechtigkeit gesprochen. Beides hat er vergessen. Er hat gesagt: Die Ausgaben im Bereich Forschung und Bildung werden wir verdoppeln. – Nichts hat er gemacht. Daran mangelt das Ganze. Dann kommen Sie damit, wir hätten in Bayern 4000 Pleiten. Ich darf Ihnen, Herr Hoderlein, sagen: Im letzten Jahr hatte Nordrhein-Westfalen, das 50 Prozent mehr Einwohner als Bayern hat, 10000 Pleiten. Was sagen Sie denn da? Ist das auch ein Versagen der dortigen Landespolitik?

Noch einmal: In Bayern sagen Sie: 4000 Pleiten. Nordrhein-Westfalen hatte im letzten Jahr 10000 Pleiten. Ist das ein Versagen der Landespolitik in NRW? Wir werden das gleich weitergeben. Aber ich sage Ihnen eine andere Zahl: Im letzten Jahr gab es in Deutschland 28000 Pleiten, in dem Jahr werden es 40000 Pleiten sein. Und dazu sage ich Ihnen: Dieser Zuwachs ist Herrn Schröder und seiner versauten Wirtschaftspolitik zu verdanken.

(Beifall bei der CSU)

Da passiert nichts, wenn 40000 Pleiten kommen. Da tut man so, als hätte damit die Bundesregierung nichts zu tun. Die Zahl der Pleiten ist in den letzten beiden Jahren sprunghaft angewachsen, und da sage ich: dank der Bundesregierung. Und dann zur Arbeitslosigkeit: Wenn Sie nochmals mit Ihrer Zahl kommen, Herr Hoderlein, erkläre ich Ihnen das kleine Einmaleins.

Wenn in Bayern die Arbeitslosigkeit – jetzt nehme ich es pauschal, damit auch Sie es verstehen – von 5 auf 6 Prozentpunkte steigt, steigt sie um 20%. Wenn sie in Nordrhein-Westfalen von 10 auf 11 Prozent steigt, steigt sie nur um 10%. Da sind nach Ihrer Berechnung die in Nordrhein-Westfalen im Bereich der Beschäftigung viel besser als wir in Bayern. Das ist SPD-Logik.

(Heiterkeit – Beifall bei der CSU)