Protocol of the Session on April 9, 2002

(Beifall bei der SPD)

Konkurrenz zwischen Bundesländern ist gut und recht. Fatal aber war der blinde Ehrgeiz, mit dem die CSUStaatsregierung und Sie, Herr Stoiber, versuchten, andere Bundesländer, insbesondere Nordrhein-Westfalen, um jeden Preis zu überflügeln. Dafür wird jetzt die Rechnung präsentiert.

Sie, Herr Faltlhauser, werfen dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Clement vor, er habe nichts zustande gebracht. Lieber Herr Faltlhauser, was haben denn Sie zustande gebracht? – Eine Megapleite, wie wir sie noch nicht erlebt haben.

(Beifall und Lachen bei der SPD)

Meine Damen und Herren, was hier vorgetragen wurde, ist doch nun wirklich dummdreist.

Im Übrigen hat die einseitige Förderung von Kirch auch zur Medienvielfalt in Deutschland wenig beigetragen – im Gegenteil: zur Konzentration.

Der Zeitpunkt, ab dem es mit Kirch bergab ging, lässt sich exakt bestimmen: Es war, als 1999 das ungleich finanzstärkere Haus Bertelsmann – auch das ist interessant – aus dem Premieregeschäft ausgestiegen ist.

(Hoderlein (SPD): Warum?)

Das ist eine gute Frage. Dieser Ausstieg wurde damals von CSU-Politikern als großer Sieg Kirchs gefeiert, der sich damit das Monopol auf das Bezahlfernsehen in Deutschland gesichert habe. Tatsächlich hat er sich das Monopol auf die größte Geldvernichtungsmaschine der Republik hierher geholt.

(Beifall bei der SPD)

Zwar ist es noch gelungen, für diese Abenteuerfahrt Herrn Murdoch mit ins Boot zu holen. Aber er hatte im Gegensatz zu Kirch ausreichend Schwimmwesten angelegt und immer ein Rettungsboot in Reichweite gehabt.

Dass die Zahl von vier Millionen Abonnenten bis zum Ende des Jahres 2002 für das Bezahlfernsehen ein Ziel war, das im Lande Utopia angesiedelt ist, kann deshalb niemanden, der sich für medienkompetent hält, überraschen. In Deutschland gibt es 30 Sender, die frei zu empfangen sind. Daher ist die Bereitschaft der Bürgerinnen und Bürger, zusätzliches Geld für Pay-TV auszugeben, eben gering. Vor diesen Realitäten hat man im Hause Kirch, aber auch bei Ihnen in der Staatsregierung, die Augen fest verschlossen. Doch nicht nur das. Ungeachtet der für jedermann sichtbar prekären finanziellen Lage – Premiere macht immerhin täglich zwei Millionen e Verlust – hat man im Februar 2001 sicher nicht ohne Wissen und Billigung von Herrn Stoiber daran mitgewirkt, dass die Landesbank noch einmal 500 Millionen Dollar für das Abenteuer Formel 1 auf den Tisch blätterte. Was damals Herr Huber einen „Big Point“ der bayerischen Medienpolitik nannte, war in Wahrheit ein dicker Hund

(Zuruf des Abgeordneten Glück (CSU)

so ist es doch, Herr Kollege Glück – und der letzte Tropfen, der das Schuldenfass Kirch schließlich zum Überlaufen brachte. Bedenken und Anfragen der Opposition hinsichtlich der finanziellen Entwicklung haben Sie wochen- und monatelang als parteipolitisch gefärbte Panikmache abgetan. Sie haben alle konkreten Auskünfte verweigert. Als einziges Beispiel nenne ich nur meinen Brief vom 7. Februar dieses Jahres an Sie, Herr Innenminister Beckstein mit der Frage, wie es mit den Sicherheiten der Landesbank aussehe. Ich habe Sie gebeten, eine rechtsaufsichtliche Prüfung der Landesbankkredite zu veranlassen. Bis zum heutigen Tage habe ich darauf nicht einmal einen Eingangsvermerk, geschweige denn eine Antwort erhalten. Das ist kein Umgang mit der Öffentlichkeit und keine Transparenz, das widerspricht auch demokratischen Gepflogenheiten.

(Beifall bei der SPD)

Was gestern von den Insolvenzberatern und den Banken vorgelegt wurde, lässt sich mit zwei Worten zusammenfassen: Prinzip Hoffnung; im Kern die Hoffnung darauf, dass sich jemand findet, der für die Kirch-Media einen vierstelligen Millionen-Eurobetrag, also mindestens eine Milliarde e zur Verfügung stellt. Von einer Entwarnung kann überhaupt keine Rede sein. Ein plausibles Sanierungskonzept oder eine tatsächlich existierende Auffanggesellschaft ist nicht in Sicht. Deshalb stehen wir jetzt nicht am Ende, sondern erst am Anfang einer schwierigen wirtschafts- und finanzpolitischen Entwicklung.

Lassen Sie mich noch zu einem anderen Aspekt kurz Stellung nehmen. Bei den Konsequenzen aus der KirchPleite stand in den letzten Tagen vor allem das Thema „Fußball“, konkret die Auswirkungen einer möglichen Zahlungsunfähigkeit der Bundesliga, im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Hierüber ist oftmals wider besseres Wissen viel Unsinn geredet und geschrieben worden.

(Zuruf von der CSU)

Von wem? – Zum Beispiel von Ihrem Ministerpräsidenten. Er hat mit seiner wiederholten Behauptung, der Bundeskanzler habe sich für eine Subventionierung der Spitzengehälter von Bundesligaspielern durch Steuergelder ausgesprochen, den Vogel der Unwahrhaftigkeit abgeschossen. Herr Stoiber, das ist eine glatte Lüge.

(Beifall bei der SPD)

Tatsächlich ging es allein darum – das wissen Sie in Wahrheit ganz genau –, im Falle einer plötzlichen Zahlungsunfähigkeit von Kirch finanzschwächeren Erst- und Zweitliga-Vereinen eine Überbrückungshilfe zu gewähren; fragen Sie Herrn Kupka, was er davon hält.

(Zuruf von der SPD: Herrn Beckstein auch!)

Auch Herrn Beckstein mit Blick auf die Möglichkeit, dem Club oder Greuther Fürth eine Überbrückung zu verschaffen. Das Risiko einer solchen Überbrückung wäre gleich Null gewesen, weil die Bundesliga in Zukunft Verwertungsmöglichkeiten hat. Wenn es in der laufenden Saison nicht dazu kommt, wie wir nach der gestrigen Garantieerklärung des Herrn Betteray hoffen, ist es umso besser. Ich will aber auch klar bekennen, dass ich die Überlegungen nach Bürgschaften für die Bundesliga von Anfang an für falsch und unverantwortlich gehalten habe.

(Beifall bei der SPD)

Die Bundesliga ist ein großer, privatwirtschaftlich organisierter Unterhaltungsbetrieb mit hohen Gagen und gewaltigen Umsätzen geworden. Er muss sich selbst helfen und finanzieren und auch einmal kürzer treten, wenn es der Markt erfordert. Dies wird auch in Italien oder England nicht ausbleiben.

Dass aber ausgerechnet Sie, Herr Ministerpräsident, im gleichen Atemzug die Bundesligaprofis dazu auffordern, den Gürtel enger zu schnallen, klingt zwar gut, über

schreitet aber die Grenze zur Frivolität. Sie, Herr Stoiber, sind ausgerechnet im Verwaltungsbeirat des Bundesligavereins Mitglied, der die höchsten Gehälter der Liga bezahlt.

(Beifall bei der SPD)

Der Höchstverdiener dieses Vereins erklärt im gleichen Atemzug mit Ihnen, dass er überhaupt nicht daran denkt und einsieht, auch nur auf eine Mark zu verzichten. Ein anderer Spitzenverdiener des gleichen Vereins, hat vor einiger Zeit mit seinem Weggang gedroht, wenn der Ministerpräsident nicht persönlich dafür sorgt, dass er seine brasilianische Putzfrau entgegen geltendem Recht beschäftigen kann. Herr Stoiber, Sie haben bei Ihrem Verein wirklich ein breites Betätigungsfeld für Appelle zum Maßhalten.

(Beifall bei der SPD)

Ich rate Ihnen: Anstatt sich am Gürtel anderer Vereine zu schaffen zu machen, nehmen Sie den, auf den Sie am ehesten Zugriff haben. Halten Sie sich an die alte Volksweisheit: Ein jeder kehrt vor seiner Tür und sauber ist das Stadtrevier.

Richtig wäre es jetzt, ARD und ZDF zur Übernahme der Übertragungsrechte zu bewegen. Es wäre gut, wenn damit gleichzeitig der Bundesligafußball wieder frei zugänglich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen wäre.

(Beifall bei der SPD)

Das wäre endlich einmal eine vernünftige Lösung. Wenn man in dieser Zeit schon so viel von Chancen spricht, muss man sehen, dass das eine Chance ist, die man ergreifen sollte. Ich rege an, eine Initiative der deutschen Ministerpräsidenten zu starten. Bei dieser Initiative dürfen Sie ruhig an der Spitze stehen.

Die Auswirkungen des Kirch-Debakels auf den bezahlten Fußball stehen in einem krassen Gegensatz zu den sozialen Folgen, die mit dem drohenden Verlust vieler Arbeitsplätze verbunden sind. Mich wundert schon, wie leichtfertig vielfach über die Angst um einen Arbeitsplatz und über die Enttäuschung der Menschen hinweggegangen wird. Die Beschäftigten bei Kirch haben persönlich und beruflich gute Arbeit geleistet. Viele Tausende sind nach München gezogen, um hier zu leben und zu arbeiten, in der Hoffnung und der Erwartung, hier werde eine gute und erfolgreiche Medienpolitik betrieben. Leider wurden genau diese Erwartungen nicht erfüllt. Die Wahrheit ist, dass immer mehr und immer fahrlässiger das Geschäft bei Kirch aufgebläht und in eine Blase investiert wurde, die jetzt geplatzt ist.

Vieles wird jetzt davon abhängen, ob und wann es gelingen wird, einen Investor zu finden. Ohne einen solchen und ein damit verbundenes wirklich überzeugendes Konzept wäre es völlig unverantwortlich, der Kirch-Media frisches Geld in der genannten Größenordnung zur Verfügung zu stellen.

Auch wenn es nicht unsere Wunschvorstellung ist, kommt dabei auch ein ausländischer Investor in Frage, auch wenn viele von uns und auch ich stets eine nationale Lösung befürwortet haben. Eine Untersagung der Übernahme von Anteilen an der Kirch-Gruppe durch Murdoch oder Berlusconi wäre unter wettbewerbsrechtlichen oder kartellrechtlichen Gesichtspunkten derzeit sicherlich nicht begründbar, denn eine marktbeherrschende Stellung – das ist so; es sagt niemand etwas anderes, denn in diesem Fall, so glaube ich, stimmen wir hundertprozentig überein – auf dem deutschen Medienmarkt würde dadurch nicht erreicht. Allerdings halte ich es generell nicht nur für wünschenswert, sondern sogar für dringend geboten, international zu Regelungen auf Gegenseitigkeit zu kommen – darauf verweist Herr Clement –, die zur Folge haben, dass ein Investor aus dem Ausland bei uns keine höheren Beteiligungen als ein deutscher Investor in seinem Land halten kann. Zu solchen Regelungen muss es kommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben in Deutschland eine funktionierende Gesetzgebung – auch Mediengesetzgebung –, der jedermann in gleicher Weise unterworfen ist. Deshalb halte ich diesbezügliche Befürchtungen, beispielsweise gegenüber einem möglichen Engagement von Herrn Murdoch, in der Tat weitgehend für gegenstandslos. Anders – das will ich offen bekennen – sieht das bei Herrn Berlusconi aus, dem Sie sich persönlich und politisch so verbunden fühlen. Die Art und Weise, wie Herr Berlusconi Politik und Geschäft miteinander verknüpft, ist mit den Maßstäben, die wir in Deutschland an demokratische Kontrolle und Pressevielfalt anlegen, absolut unvereinbar.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt selbst für die Verhältnisse in Bayern. Ich sage Ihnen schon heute, Herr Ministerpräsident: Sollten Sie mit dem Gedanken spielen, den Medienstandort Bayern mit dem Namen Berlusconi zu verbinden, werden Sie auf unseren schärfsten Widerstand stoßen.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen für Bayern die hellsten und nicht die finstersten Köpfe, lieber Herr Kollege Dr. Bernhard.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ansonsten gilt, dass es jetzt vor allem um konstruktive Lösungen für die gewaltigen und vielfältigen Probleme geht, die das Kirch-Debakel verursacht haben. Eine gewisse Chance dazu bietet übrigens das neue Insolvenzrecht, das die jetzige Bundesregierung verabschiedet hat und das es früher nicht gegeben hat, weil Sie es in Ihrer 16-jährigen Regierungszeit nicht zustande gebracht haben.

(Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Uns liegen die Arbeitsplätze in der bayerischern Medienwirtschaft und auch der Medienstandort Bayern nicht weniger am Herzen als Ihnen. In den vor uns liegenden Wochen werden wir vertiefende Diskussionen in den Ausschüssen haben. Ich rege an, die drei Anträge, die heute eingereicht wurden, zur Beratung an die Ausschüsse weiterzuleiten. Ich bitte darum, dann auch die konkreten Sanierungspläne vorzulegen und dafür zu sorgen, dass Herr van Betteray für die Beratung und die Bewertung der Sachlage zur Verfügung stehen kann. Schließlich hängt davon entscheidend die Zukunft des bayerischen Medienstandorts München ab.

Wenn der Medienstandort Bayern trotz allem Hoffnung auf eine gute Zukunft hat, dann liegt das an der hervorragenden Qualifikation und Professionalität der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Kein Investor – wer immer es auch sein wird – wird auf die Qualifikation und das in vielen Jahren erworbene Know-how verzichten wollen oder verzichten können. Bayern wird deshalb auch weiterhin ein führender Medienstandort in Deutschland und Europa bleiben, allerdings nicht wegen der Politik der CSU-Staatsregierung, sondern trotz ihrer in diesem zentralen Punkt gescheiterten Politik.