Protocol of the Session on January 30, 2002

(Zuruf der Frau Abgeordneten Hirschmann (SPD))

Frau Hirschmann, das ist keine parteipolitische Beurteilung, sondern so ist die Realität. In den Ländern, in denen mit diesen australischen DRGs bereits gearbeitet wird, weiß man, dass eben dieses die Folge ist.

Eine weitere Folge wird die Senkung der Verweildauer sein. Das bedeutet einen Kapazitätsabbau, das heißt, Bettgestelle im Krankenhaus werden abgebaut. Im weiteren Verlauf wird auch Personal abgebaut werden. Dadurch wird in der Regel die Pflege betroffen. Deswegen sind chronisch Kranke, die sich über ihre Verbände an uns wenden, in Sorge, ob bei dieser Finanzierungsform weiterhin eine adäquate Betreuung im Hospiz oder für Querschnittsgelähmte aufrechterhalten werden kann. Bei der Einführung der DRGs scheint ausschließlich die Überlegung im Vordergrund zu stehen, dass durch eine stärkere Ökonomisierung im Krankenhaus unmittelbare Hilfestellungen und Hilfeleistungen im Krankenhaus zurückgedrängt werden sollen und der Patient künftig nicht mehr so im Mittelpunkt zu stehen hat, wie das bisher der Fall war.

Damit kein falscher Eindruck entsteht, Frau Kollegin Schopper: Wir haben bisher schon Fallpauschalen, aber im jetzigen Mischsystem besteht noch die Möglichkeit, auf spezifische Gesichtspunkte in der Krankenhausfinanzierung Einfluss zu nehmen, sodass nicht ausschließlich die Ökonomisierung im Vordergrund steht. Krankenhausspezifische Entgeltsysteme scheinen uns vernünftiger zu sein als eine pauschalierte, ausschließlich auf die Diagnose bezogene Entgeltsituation.

Es ist eigenartig, dass wir uns ein Finanzierungssystem aus Australien angelacht haben. Es gibt viele Hinweise darauf, dass dort, wo dieses System angewendet wird, zum Beispiel in angloamerikanischen Ländern, die erwarteten Vorteile nicht eingetreten sind.

Wir sind der Meinung, dass dieses Gesetz einer wesentlichen Verbesserung bedarf. Die Verbesserungsvorschläge, die im Bundesrat vom Freistaat Bayern und den Ländern Sachsen und Baden-Württemberg eingebracht wurden – Stichwort: Sicherstellungszuschläge –, wurden leider von der Bundesregierung abgelehnt. Am kommenden Freitag soll dieses Thema abschließend behandelt werden. Deshalb werbe ich für unseren Antrag, auch um die Zustimmung der Opposition. Wir können nicht erkennen, dass durch die Einführung der DRGs mehr Wirtschaftlichkeit im Krankenhaus erreicht werden könnte. Schon gar nicht könnte durch den im Bundesrat anstehenden Gesetzentwurf eine stärkere Bedarfs- und Leistungsgerechtigkeit erreicht werden und erst recht nicht eine Verbesserung der Qualität der Krankenhausmedizin. Gerade aus der Sicht des Freistaates müssen wir feststellen, dass durch die diagnosebezogenen Fallpauschalen keine flächendeckende Krankenhausstruktur gewährleistet wird.

Kolleginnen und Kollegen, wir bitten darum, mit uns die Staatsregierung dazu aufzufordern, bei den Beratungen im Bundesrat das Fallpauschalengesetz in seiner derzeitigen Form abzulehnen und auf die erforderlichen Änderungen des Gesetzes hinzuwirken, damit auch künftig die bedarfsgerechte Krankenhausversorgung der Bevölkerung im Freistaat Bayern flächendeckend, wohnortnah und in guter Qualität sichergestellt werden kann. Ich bitte um Zustimmung.

(Beifall bei der CSU)

Als Nächste hat Frau Kollegin Hirschmann das Wort.

Herr Präsident, Kollegen und Kolleginnen! Herr Kollege Dr. Zimmermann, in der Tat – da stimme ich Ihnen zu – haben wir vor vielen Jahren gemeinsam im Gesundheitsausschuss der Landeshauptstadt München teilweise gemeinsame Ziele verfolgt, so zum Beispiel auch die Verselbständigung der Krankenhäuser in der Landeshauptstadt München, für die Sie seinerzeit eine größere Verantwortung hatten – ich hatte auch Verantwortung –, um zu einer anderen Kostenverteilung zu kommen und gleichzeitig mehr Selbstständigkeit für die jeweiligen Häuser zu erreichen. Genau dieses, Kolleginnen und Kollegen, beabsichtigt die Bundesregierung aufgrund der Kostenexplosion. Ich erinnere Sie alle daran, dass ein Drittel der Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in Höhe von 500 Milliarden DM an die Krankenhäuser geht. Das ist der absolut größte Sektor. Alleine die wirtschaftliche und finanzielle Situation auf diesem Gebiet erfordert es. Die Bundesregierung trägt wohl die Verantwortung, nach Möglichkeiten zu suchen, wie auf der einen Seite durch mehr Transparenz Kosten gespart werden können, gleichzeitig aber die notwendige medizinische Betreuung gewährleistet bleibt. Das ist darin enthalten.

Herr Kollege Dr. Zimmermann, es gibt noch andere Gremien, in denen Sie arbeiten. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie seinerzeit im Landesgesundheitsrat die Meinung geäußert, dass in der Tat etwas verändert werden müsse. Deshalb finde ich es nicht redlich, dass Sie in dem einen Gremium die Meinung vertreten, die Strukturänderung sei notwendig, und ein paar Wochen später hier das Gegenteil davon sagen.

Ich will es an einer weiteren Sache verdeutlichen: Ihr Kollege Dr. Höcherl, der Ihrer Partei angehört und Chef im Schwabinger Krankenhaus ist, versucht durch ein eigens eingerichtetes Kompetenzzentrum, an dessen Spitze Dr. Michael Wilke im Krankenhaus Schwabing steht, mit den DRGs umzugehen. Dies betrifft auch den Wettbewerb. Nun erklären Sie mir bitte, warum es Häuser – auf dem Land ist das etwas anderes als in den Ballungsräumen – und Parteifreunde von Ihnen gibt, die das als notwendig befürworten und meinen, dass das ein richtiger Schritt in die Zukunft sei. Trotzdem sagen Sie, wir sollten die Bundesregierung auffordern, erneut darüber nachzudenken, weil die Häuser das so nicht haben wollten.

(Dr. Zimmermann (CSU): Nachdenken ist immer gut!)

Sie irren sich, Herr Kollege Dr. Zimmermann, wir werden Ihrem Ansinnen nicht zustimmen.

Ich will einen weiteren Grund nennen: Gerade in letzter Zeit wird immer wieder beklagt – bleiben wir beim Beispiel Blinddarm, das Sie angeführt haben –, dass die Operation – vorausgesetzt, sie ist nicht mit großen Komplikationen verbunden und es ist keine Mehrzuwendung notwendig – im Krankenhaus X teurer ist als im Krankenhaus Y. Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie das begründen. Es ist notwendig, zu mehr Gleichheit zu kommen; mit dem australischen System wird die Finanzierung gelingen. Ich betone, Komplikationen sind ausgenommen, weil sie einer besonderen Betreuung bedürfen.

Ein Letztes: In der „Ärztezeitung“ – keine linke Zeitung – wurde im letzten Jahr deutlich gemacht, dass 60% der Krankenhäuser mit dem neuen System einverstanden sind. Also, malen Sie doch nicht irgendeinen schwarzen Belzebub an die Wand! Schließlich gibt es Häuser, die der Meinung sind, dass eine solche Umorganisation längst überfällig sei und angegangen werden müsse. Wer sich nicht rechtzeitig mit der Situation auseinander setzt, hat die Möglichkeit, die Veränderungen im Nachhinein durchzuführen. Das hat die Bundesregierung eingeräumt.

(Dr. Zimmermann (CSU): Wann denn?)

Auch Sie haben sich nicht rechtzeitig bemüht und zeigen auch keine Alternativen auf. Sie sagen nur pauschal: Das wollen wir nicht. Damit ist der Fall für Sie erledigt. So leicht machen wir es Ihnen nicht. Wir sind der Ansicht, dass es notwendig und längst überfällig ist.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Kobler?

Nein, ich gestatte keine Zwischenfrage.

(Kobler (CSU): Ich bin enttäuscht!)

Zur wohnortnahen Versorgung: In Sachen Perinatal-Studie erinnere ich Sie daran, dass es vor vielen Jahren darum ging, dass eine bessere Qualität nötig wäre, um in diesem medizinischen Bereich zu besseren Maßnahmen zu kommen. Heute weiß man, dass sich die Qualität verbessert hat. Viele Frauen sind damit einverstanden. Es ist zwar nicht immer eine wohnortnahe, aber eine optimale medizinische Versorgung gewährleistet.

(Dr. Zimmermann (CSU): Nicht mehr!)

Das geht so.

Ihre Sichtweise ist zu kurz. Ihnen geht es nicht darum, Veränderungen gemeinsam zu gestalten, sondern Ihnen geht es primär darum, der Bundesregierung auf die Füße zu treten und sie an den Pranger zu stellen. Sie sollten vielmehr gemeinsam mit uns überlegen, wie wir zu anderen Maßnahmen kommen können, die längst überfällig sind. Sie sollten gemeinsam mit uns daran arbeiten, anstatt Schaufensteranträge zu stellen. Dieser Antrag ist ein solcher.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt hat Frau Kollegin Schopper das Wort.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben bereits in der letzten Plenarsitzung einen Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion zum Gesundheitswesen beraten. Hier ist eine kleine Linie erkennbar, dass gesundheitspolitische Opposition betrieben wird. Ich vermisse – wie schon das letzte Mal – ein Konzept, eine Perspektive und Vorschläge im Dringlichkeitsantrag, die sich jenseits eines trotzigen „Nein“ oder einer kindlichen Blockadementalität befinden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und der SPD)

Im letzten Antrag war das Motto zu erkennen: Geldbeutel auf, Patient bitte zahle! Dieses Mal war ich versucht, auf die Rückseite des Blattes zu schauen, weil nur die Worte „ablehnen und auf die erforderlichen Änderungen im Gesetz hinzuwirken“, „künftig“, „bedarfsgerechte“ und „sichergestellt“ zu lesen sind. Was und wie Konkretes erreicht werden soll, darüber habe ich keinen Buchstaben gefunden. Sie haben es hier etwas genauer ausgeführt. Aber auch Ihre Darstellung geht – verkürzt gesprochen – dahin, Panik zu machen, dass die Versorgung nicht mehr gewährleistet sein werde. Sie versuchen, mit der These die Panik zu schüren, dass die Krankenhäu

ser reihenweise zumachen müssten und dass es keine wohnortnahe Versorgung mehr geben werde.

(Dr. Zimmermann (CSU): Das ist die Konsequenz!)

Als langjähriger Gesundheitspolitiker müssten Sie wissen, dass es keine Gesundheitsstrukturreform geben wird, die die Krankenhäuser nicht einbezieht. Sie wissen, dass das Umsatzvolumen der Krankenhäuser bei rund 100 Milliarden DM liegt. 87 Milliarden DM kommen alleine aus der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Krankenhäuser sind der größte Ausgabeblock der gesetzlichen Krankenversicherung. Mit DRG sollen Wirtschaftlichkeit, Transparenz und Qualität gefördert werden. Sogar die Deutsche Krankenhausgesellschaft versperrt sich nicht.

(Dr. Zimmermann (CSU): Sie hat größte Bedenken!)

Ja, aber sie befürwortet die Einführung des leistungsorientierten Vergütungssystems.

(Dr. Zimmermann (CSU): Dagegen habe ich auch nichts; das haben wir doch schon durch die Fallpauschalen!)

Die Verweildauer ist bei uns immer noch größer als in anderen europäischen Ländern. Sie beträgt in Deutschland statistisch gesehen 9,9 Tage, während die Verweildauer in Frankreich bei 5,7 Tagen liegt. Sie können mir nicht sagen, dass die Franzosen am Hacklstecken durch ganz Frankreich laufen. Ich bitte Sie.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Was sind denn Hacklstecken?)

Sie predigen in den Debatten immer die Beitragsstabilität und sprechen sich für Reformen im Gesundheitswesen aus. Wenn Sie aber die Devise ausgeben, die rotgrüne Bundesregierung wolle die Krankenhauslandschaft platt machen, dann verbreiten Sie die Unwahrheit.

Ihre Ausführungen über die Sicherstellungsaufträge waren differenziert und durchaus überlegenswert. Man muss auch in einem Flächenland wie Bayern versuchen, eine wohnortnahe Versorgung zu erreichen, damit die Patienten nicht Hunderte von Kilometern zu einem Krankenhaus fahren müssen. Das sehe ich genauso wie Sie. In dem Gesetzentwurf ist das aber nicht ausgeschlossen.

Sie wissen, dass wir keine Rosinenpickerei oder den Drehtüreffekt wollen, indem dem Patienten ein Kostenträger nach dem anderen vor die Tür gesetzt wird, weil er geschwind aus dem Krankenhaus entlassen werden muss.

Ab dem 1. Januar 2003 sollen die Fallpauschalen als Optionsmöglichkeit eingeführt werden können. Sie sind auch noch im Jahr 2004 budgetneutral. Perspektivisch soll die Einführung im Jahr 2007 erfolgen. Es mag für einen Landtag vielleicht komisch klingen, aber das soll ein lernendes System sein, welches eine Einführungsund eine Überführungsphase hat, damit die notwendigen Anpassungen durchgeführt werden können.

Heute haben wir einen Abrechnungswirrwarr mit Tagespflegesätzen, Basispflegesätzen, Fallpauschalen und Sonderentgelten. Wenn Sie mit den Betroffenen reden, dann hören Sie immer wieder das geflügelte Wort: Krankenhaus, das unbekannte Wesen. Wenn man über verborgene Wirtschaftlichkeitsreserven diskutiert, dann wird in erster Linie das Krankenhaus angesprochen.

Ich gebe Ihnen Recht, dass noch einige Fragen offen sind, zum Beispiel die Frage, inwieweit das australische System bundesweit auf die Bundesrepublik übertragen werden kann. Dass man sich in dieser Beziehung schwer tut, hat man an den Fallkennziffern gesehen. Es war nicht eine Idee von Rot-Grün, das australische System zu übernehmen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft hat sich über das australische System gefreut, weil die Selbstverwaltung es ausgehandelt hat. Sie tun so, als ob wir nichts Besseres zu tun gehabt hätten, als eine Dienstreise von 18000 Kilometern zu unternehmen und das DRG-System zu übernehmen.

Wir müssen im Zusammenhang mit den Fallpauschalen besonders auf die chronisch Kranken und die multimorbiden Patienten achten. Das System darf nicht auf Kosten dieses Personenkreises eingeführt werden. Weiterhin muss die Landesebene einbezogen werden. In dieser Beziehung sehe ich noch Nachholbedarf.

(Kobler (CSU): Das spricht voll für den Antrag!)

Herr Kobler, vielleicht haben Sie das im Kopf, aber Sie müssen es auch hinschreiben. Politik ist eine Sache der Worte und Buchstaben, die in einem Antrag zu formulieren sind. Es genügt nicht, sich etwas zu denken und einen solchen Pipiantrag zu stellen. Entschuldigung, das war nicht parlamentarisch.

Es ist ein klares Credo der Bundesregierung, dass das DRG-System nicht zur Rosinenpickerei führt. Die Fragen, die heute aufgeworfen werden, sind mit den alten Systemen auch nicht gelöst worden. Sie haben die Schnittstellenproblematik angesprochen. Das ist nach wie vor auch ein Problem der alten Krankenhausfinanzierung. Wir müssen das auch mit dem DRG-System zu lösen versuchen.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Zimmermann (CSU))

Reden Sie einmal mit der Krankenhausgesellschaft. Bei meinen Gesprächen mit der Bayerischen Krankenhausgesellschaft war eines der Hauptthemen die Schnittstellenproblematik.

Ich will meinem Kollegen Dr. Martin Runge nicht die Redezeit wegnehmen; deshalb komme ich zum Schluss. Ich habe momentan das Gefühl, dass Sie sich in einer Blockadehaltung befinden. Sie wollen das gesundheitspolitische Haifischbecken meiden und scheuen sich, den Interessenvertretern in den Mund zu schauen, ganz zu schweigen davon, dass Sie sich nicht trauen, diesen einen Zahn zu ziehen.