Protocol of the Session on December 13, 2001

Daher warte ich schon seit einiger Zeit darauf, dass die SPD etwas zur Ansiedlungspolitik der Landkreise sagt. Auch die roten Landräte treten dafür ein, derartige Unternehmen nicht in den Städten, sondern auf der grünen Wiese und an Autobahnkreuzen anzusiedeln.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Das sagen auch Ihre Leute. Da gehört das schon gleich gar nicht hin, weil die Wettbewerbsverzerrung dann perfekt wäre. Notwendig ist eine Belebung der Innenstadt.

(Zurufe von der SPD)

Ich rate Ihnen zuzuhören; ich habe Ihnen vorher auch zugehört. Wir brauchen vergleichbare Wettbewerbsbedingungen. Deswegen waren wir uns im Gespräch mit dem Einzelhandelsverband – das ist insofern eine Fortentwicklung, auch bei der Auswertung der Anhörung – darin einig, dass die städtebauliche Randlage nur ein strikter Ausnahmefall sein kann und nicht der Regelfall. Es ist entscheidend, dass die städtebauliche Randlage nicht der Regelfall werden kann, sondern dass die integrierte Lage der Regelfall sein muss. Eine Ausnahme kann es im Einzelfall nur dann geben, wenn alle Umstände das erfordern.

Wir waren uns auch darin einig, dass über diese Ausnahme vom Minister entschieden werden muss und

dass es auf die Genehmigung keinen Rechtsanspruch geben kann. Eine Kommune kann also nicht einfach behaupten, dass es keine integrierte Lage gäbe und ein Unternehmen deshalb an den Ortsrand müsse. Einen Rechtsanspruch kann es nicht geben, sonst würde das wie folgt ablaufen: Wenn ein FOC in Randlage genehmigt wird, zum Beispiel im Falle Ingolstadt, würde dann der Nächste fordern, dass sein Einzelhandelsgroßprojekt auch dorthin kommt, weil ja schließlich nachgewiesen sei, dass in der Innenstadt keine geeignete Lage vorhanden sei. Dann käme der Nächste und würde ein großes Freizeitzentrum am Rand daneben ansiedeln wollen. Wenn es darauf einen Rechtsanspruch gäbe, käme es zu einer deutlichen Fehlentwicklung. Dann käme es zu Agglomerationen und zur Aushöhlung der Innenstädte. Das kann’s nicht sein. Das muss im weiteren Verfahren klargestellt werden.

Das bedeutet auch, dass FOCs und Einzelhandelsgroßprojekte generell gleichbehandelt werden müssen, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu haben. Für beide muss gelten, dass die Randlage, die Lage auf der grünen Wiese, ein strikter Ausnahmefall ist. Der Regelfall ist die integrierte Lage. Darin waren wir uns mit dem Einzelhandelsverband einig. Deswegen muss es auch bei uns so etwas Ähnliches wie ein Zielabweichungsverfahren geben, wie es das in anderen Ländern gibt. Das muss näher definiert werden. Das ist auch eine Aufgabe bei der Auswertung der bisherigen Ergebnisse der Anhörungen.

(Frau Biedefeld (SPD): Steht nicht im LEP drin!)

Das steht noch nicht drin, aber das wird noch kommen. Es wird nicht beim letzten Ministerratsbeschluss bleiben. Er wird noch durchdiskutiert und erweitert werden müssen. Nach Abschluss des Anhörungsverfahrens kommt die endgültige Festlegung, und dann soll vorgeschlagen werden, was in das LEP hineinkommt. Genau darum geht es hier. Das können Sie auch in der Presseerklärung von Staatskanzlei und Einzelhandelsverband nachlesen.

Die Aufregung, die hier fabriziert wird, ist vor dem Hintergrund des Wahlkampfs verständlich.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch bei euch, ihr habt euch aufgeregt!)

Herr Dürr, was Sie hier hochziehen wollen, ist vor dem Hintergrund des Wahlkampfs zwar verständlich, aber in der Sache völlig daneben, wie auch manche Ihrer Äußerungen.

(Beifall bei der CSU – Hoderlein (SPD): Glückliches Bayern, dass immer nur die CSU sagt, was richtig ist! Das ist schlicht!)

Sie wollen diese Debatte nutzen, um daran das Thema der Mittelstandspolitik hochzuziehen. Daher muss ich an Sie einige Fragen stellen. Was spielt in den Städten eine große Rolle? – Eine attraktive Innenstadt, das heißt auch, eine freundliche Verkehrsgestaltung. Was läuft denn da in Städten, die von der SPD und den GRÜNEN regiert sind?

(Beifall bei der CSU)

Vieles, was in die Innenstadt will, wird dort von der Innenstadt fern gehalten. Der Anlieferverkehr und der Kundenverkehr werden boykottiert, um nicht zu sagen sabotiert.

(Zurufe von der SPD und vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Selbstverständlich. Erkundigen Sie sich doch einmal danach, welchen Betrag an Stellplatzgebühren München in den letzten zehn Jahren kassiert hat und wie viel es für Parkplätze ausgegeben hat.

(Beifall bei der CSU – Frau Radermacher (SPD): Deswegen ist die Innenstadt in München auch so öde!)

Fragen Sie einmal nach, welcher Betrag da übrig bleibt.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist München unattraktiv, oder was?)

Hören Sie doch einmal zu, Herr Dürr, ehe Sie wieder kommentieren. Das war doch ein scheinheiliges Spiel: München hat mit BMW zusammen ein schönes Verkehrskonzept entwickelt. Die Innenstadt sollte verkehrsberuhigt werden, und an den Rändern der Innenstadt – nicht am Stadtrand – sollten Parkhäuser, Tiefgaragen und Ähnliches gebaut werden. Was hat man gemacht? Man hat das Zentrum beruhigt, aber die Parkhäuser nicht gebaut.

Deshalb können Sie nicht von der Attraktivitätssteigerung der Innenstadt reden. Das ist eine falsche und scheinheilige Politik.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alle wollen in die Innenstadt!)

Wenn Sie die Kunden daran hindern oder es ihnen massiv erschweren, die Stadtzentren und die Einkaufszentren zu erreichen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass manche Kunden andere Standorte haben wollen. Das ist doch die Scheinheiligkeit und Paradoxie Ihrer Politik.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Abstimmung mit den Füßen!)

Wo waren denn SPD und GRÜNE, als die alte Koalition vor drei Jahren eine vernünftige Fusionskontrolle, insbesondere für den Einzelhandel, herbeiführen wollte? – Es ging um den Schutz der mittelständischen Betriebe und der mittelständischen Lieferanten. SPD und GRÜNE waren von der Bildfläche weg. Dort hat sich überhaupt nichts abgespielt. Der Konzentrationsprozess im Einzelhandel geht seitdem weiter. Das ist weder mittelstandsfreundlich noch kundenfreundlich. Damals waren Sie nicht da. Darüber sollten Sie reden. Sie machen bis jetzt nichts. Wo waren denn die Mandatstäger der SPD und der GRÜNEN, als ein mittelstandsfreundliches Steuerrecht geschaffen werden sollte? – Die meisten Kleinund Mittelbetriebe sind Personengesellschaften, die

nach wie vor vom Steuerrecht massiv benachteiligt werden.

(Beifall bei der CSU)

Da reden Sie nicht von der Mittelstandspolitik.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist euer Steuerrecht! – Dr. Bernhard (CSU): Jetzt wird es absurd!)

Euer Steuerrecht – so ein schwachsinniges Zeug!

(Beifall bei der CSU)

Wer hat denn die Steuerreform gemacht? – Man muss doch leer im Kopf sein, wenn man so blödsinniges Zeug erzählt.

(Beifall bei der CSU – Allgemeine Unruhe)

90% unserer Klein- und Mittelbetriebe sind definitiv Personengesellschaften. Gerade die Gesellschaften des Handels sind Personengesellschaften.

(Dr. Scholz (SPD): Das ist doch kein Vergleich!)

Diese Gesellschaften werden von Ihrem Steuerrecht massiv benachteiligt. Reden Sie mit denen und fragen Sie nach, warum einige Pleite machen. Sie sind auch nicht in der Lage, das entsprechende Eigenkapital zu bilden, das sie benötigen. Dann kommt man weiter. Reden Sie – –

(Dr. Scholz (SPD): Wir haben die Steuern für den Mittelstand gesenkt!)

Sie haben gesenkt; ach Gott und Herr! Fragen Sie die Betriebe, die zahlen jetzt noch 48% Einkommensteuer. Gehen Sie einen Schritt weiter. Reden Sie mit den Kleinund Mittelbetrieben.

(Hoderlein (SPD): Die Steuern wurden gesenkt, weil sie zu hoch waren. Wären sie nicht gesenkt worden, wäre der Mittelstand am Ende gewesen!)

Fragen Sie nach den Auswirkungen des Rechtsanspruchs auf Teilzeit. Der Großbetrieb kann sich das einteilen. Der Klein- und Mittelbetrieb kommt mit dem Rechtsanspruch auf Teilzeit nicht zurecht. Dieses Problem haben Sie verursacht.

(Beifall bei der CSU)

Sollten wir in nächster Zeit ein Ladensterben erleben, dann sind Ihr Steuerrecht, der Rechtsanspruch auf Teilzeit und die völlig missratene Mitbestimmungs-Neuordnung schuld, die sich insbesondere für die Klein- und Mittelbetriebe verheerend auswirkt.

(Frau Biedefeld (SPD): Thema verfehlt!)

Nein, Sie haben von der Mittelstandspolitik geredet. Nun wollen Sie nichts mehr davon wissen. Ich glaube Ihnen, dass Sie das stört, bitte Sie aber um die Disziplin,

die von jedem gefordert wird, nämlich zuzuhören, wenn ein anderer redet. Das habe ich auch gemacht.

Die Veränderung des Mitbestimmungsrechts stört am meisten die Klein- und Mittelbetriebe.

(Frau Biedefeld (SPD): Die Auswirkungen der FOCs auf den Mittelstand!)

Vorhin wurde ein Fall angesprochen. Ich kann es mir nicht verkneifen, dazu etwas zu sagen. Wo waren Sie denn, als es um die Schmidt-Bank in Hof gegangen ist? – Nachdem die Rettung gelungen war, gab es von Ihnen große Sprüche. Vorher war von der SPD keiner da. Was wäre geschehen – das Beispiel möchte ich bringen –, wenn die Bankenaufsicht mir unterstehen würde und gleichzeitig der Kontakt zu einer Reihe von Banken vorhanden wäre? – Der Bundesfinanzminister hat die Rechts- und Fachaufsicht. Das Bundesaufsichtsamt für Kreditwesen untersteht ihm. Diese will eine Bank schließen. Der Bundesfinanzminister, der mit vielen Banken zu tun hat – neben der Bundesbank und der Bankenaufsicht – macht keinen Finger krumm, um eine Lösung zur Rettung zu erarbeiten. Gar nichts macht er, obwohl – –