Protocol of the Session on October 25, 2001

Sie sollten private Planer einsetzen! – Herr Müller, ruhig Blut. Deshalb hat die Bundesregierung beschlossen, 460 Millionen DM für Planungsarbeiten bereitzustellen. (Dr. Bernhard (CSU): Die sind doch unfähig!)

Der Rest wird nicht etwa für den Straßenbau umgeschichtet, sondern wird als Haushaltsausgaberest übertragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Unruhe – Glocke der Präsidentin)

Es ist doch alles ganz einfach. Man kann das alles in dem Bundeshaushalt nachlesen, der im Dezember verabschiedet wird. Können wir uns darauf einigen? – Es ist gut, dass es Haushaltspläne und Zahlen gibt.

Ich habe vorhin schon gesagt, dass wir in Bayern große Sorgen wegen der schadstoffbelasteten Schulen in Nürnberg, Waldsassen, Wunsiedel, Hollfeld und in vielen Orten in Oberbayern haben. Wir wollen, dass die Kommunen Zuschüsse und Darlehen bekommen, um die Schulen schnellstmöglich sanieren zu können, damit die Schüler nicht länger als notwendig in Containern sein müssen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Erhalt der bayerischen Regionalbahnen ist aus umwelt- und verkehrspolitischen Gründen, aber auch aus Gründen der Gleichbehandlung der bayerischen Bürgerinnen und Bürger erforderlich. Wir dürfen nicht zulassen, dass ganze Regionen Zug um Zug zur eisenbahnfreien Zone werden mit der Folge, dass diejenigen, die kein Auto besitzen oder nicht mehr fahren können, zur Immobilität verdammt werden.

Ich bitte Sie, dabei gerade auch an ältere Menschen zu denken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir nehmen es nicht hin, dass Herr Wiesheu im Flächenstaat Bayern, im Gegensatz zu den Bundesländern Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, seine Flächenbahn verkommen lässt. Es ist vieles möglich, wenn man nur will. Wir haben Fachgespräche dazu mit den Landeseisenbahngeschäftsführern aus Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz geführt. Dort werden die Initiativen und Kommunen unterstützt, etwa dadurch, dass der Staat über die Regionalisierungsmittel mehr Zugleistungen bestellt und Zuschüsse aus den GVFG-Mitteln für Investitionen im Bahnbereich gibt.

Die Kommunen sind da viel weiter. Die kleine Gemeinde Langenneufnach, die einen Haushalt von nur 2 Millionen DM hat, ist bereit, 500000 DM für die Reaktivierung der Bahn zu geben. Ich kann Ihnen nur sagen: Davon können Sie sich eine Scheibe abschneiden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es schlägt dem Fass den Boden aus, dass das Projekt Neu-Ulm 21 aus Regionalisierungsmitteln für den Schienennahverkehr zum Teil vorfinanziert werden soll. Das habe ich gleich gesehen, Herr Finanzminister. Ich kenne die Verkehrspolitik in diesem Hause. Ich wiederhole: Sie weigern sich, Zugleistungen bei reaktivierten Regionalbahnstrecken zu bestellen. Bei der Staudenbahn ginge es um eine Leistung von etwa 500000 Euro im Jahr. Gleichzeitig wird eine Verpflichtungsermächtigung über 66,5 Millionen Euro für die Vorfinanzierung einer Fernverkehrsstrecke ausgebracht. Das geht so nicht. Das ist eine Unverschämtheit und auch unzulässig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In der Bildungspolitik – das habe ich schon angesprochen – setzen wir auf ein vielfältiges pädagogisches Angebot, das auf die Bedürfnisse der am Schulbetrieb Teilnehmenden zugeschnitten ist. Ganz bewusst wollen wir ein Angebot an Ganztagsschulen ermöglichen; denn uns geht es nicht nur um die Betreuung der Schülerinnen und Schüler, sondern auch um andere und bessere pädagogische Konzepte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zum Beispiel wollen wir den Schulen durch Budgets mehr Freiheiten einräumen, Fachkräfte für den Projektunterricht von außerhalb zuzuziehen. Besondere Aufmerksamkeit gilt auch der Betreuung von Kleinkindern im Vorkindergartenalter und in der Jugendarbeit.

Mit Befriedigung nehmen wir zur Kenntnis – das ist erfreulich –, dass seit neuestem die CSU, nachdem wir 20 Jahre dafür gekämpft haben, auch Kinderkrippen für förderungswürdig hält.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier gibt wirklich die Schnecke das Tempo vor. Wir werden hierzu unsere eigenen Vorschläge zu Förderrichtlinien, die Qualität und Finanzierung betreffend, einbringen.

Gerade in finanziell schwierigen Zeiten darf die Förderung der Integration von Ausländerinnen und Ausländern nicht vernachlässigt werden. Dabei kommt dem Sprachunterricht ein besonderes Gewicht zu. Vor allem die Deutschkurse für Mütter, die an einigen Schulen mit großem Erfolg durchgeführt werden, müssen ausgebaut und für alle Nationalitäten zugänglich gemacht werden. In Zusammenarbeit mit den Ausländerbeiräten sollten für so genannte Altausländer spezielle Kurse angeboten werden; Unternehmen, die ihrer Arbeitnehmerschaft Sprachkurse anbieten, sollten als Anreiz einen Zuschuss erhalten. Sprache allein ist zwar noch keine Integration, jedoch eine wichtige Voraussetzung dafür.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das sollte in einem Nachtragshaushalt bedacht werden.

Herr Finanzminister, dieser Nachtragshaushalt bietet die Chance, mit den Erlösen aus dem E.ON-Aktienverkauf, immerhin 479 Millionen Euro, Weichenstellungen für die Zukunft vorzunehmen. Nutzen wir die Gelegenheit, denn allzu oft wird es nichts mehr zu verkaufen geben, nachdem die Regierung Stoiber seit ihrem Antritt bereits für knapp 9 Milliarden Mark Staatsbeteiligungen verkauft hat.

Nutzen Sie die Chance und steigen Sie mit uns intensiv in die Beratungen ein. Es gibt im Freistaat Bayern sehr viel für eine ökologische Modernisierung, für eine Verbesserung des Bildungsangebots und für die Integration von Ausländerinnen und Ausländern zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Zu einer zusammenfassenden Stellungnahme erteile ich nun das Wort Herrn Staatsminister der Finanzen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst etwas sagen zur zweimal vorgetragenen Klage, der Nachtragshaushalt wäre zu spät vorgelegt worden in diesem Haus und der Landtag könnte sich deshalb nicht intensiv genug mit diesem Haushaltsentwurf befassen.

Es freut mich, dass hier zum Ausdruck kommt, dass das Haus sich so intensiv mit dem Haushalt befassen will. Allerdings, wenn ich hier in die Runde schaue, insbesondere in die SPD-Fraktion, bin ich erstaunt, dass die SPDFraktion heute für eine lange Zeitspanne bei der Wahrnehmung ihres Königsrechts, nämlich dem Haushaltsrecht, in einem Umfang vertreten ist, der bedenklich ist. Als Frau Kellner ihre Rede begann, waren neun Mitglieder der SPD-Fraktion im Raum. So groß kann das Interesse der Opposition am Haushalt also nicht sein.

(Dr. Eykmann (CSU): Wo ist der Strasser? – Widerspruch bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Gartzke (SPD) – Dr. Eykmann (CSU): Wir sind wenige, aber er ist gar nicht da! Das ist ein Unterschied!)

Frau Kollegin Kellner, ich will zur Erläuterung hinzufügen: Wir haben den Verkauf von 1% der E.ON-Anteile zu je 64,40 Euro am 16. Juli durchführen können. Sie wissen aus Vorgesprächen, dass der Termin nicht berechenbar war. Es war ein glücklicher Umstand, dass der Kurs auf diesem hohen Niveau war. Ich habe gesagt: zuschlagen. Ich habe damit Recht behalten. Das Parlament war damals bereits in den Ferien.

Die Abwägung, wie man einen Betrag von 938 Millionen DM verwendet, benötigt Zeit. Ich glaube, dass wir das insgesamt sehr schnell hingekriegt haben, wenn man bedenkt, wie viel für Bildung, für Familie, für die Infrastruktur usw. ausgegeben wird. Ich glaube, man sollte die Administration nicht überfordern, dies vorzubereiten. Die Politik sollte nicht vorschnell aus der Westentasche heraus entscheiden. Die Staatsregierung hat die Fraktion sehr intensiv eingebunden. Erst nachdem wir das gemacht haben, konnten wir den Haushalt vorlegen.

Ich glaube, dieser Sachverhalt musste ausreichend transparent sein. Deshalb sind wir damit etwas später in den Landtag gekommen, als wir das üblicherweise tun. Ich weise aber darauf hin: Irgendwelche rechtlichen Verfehlungen hat es dabei nicht gegeben. Es besteht nur die gesetzliche Verpflichtung, dass wir den Nachtrag noch in diesem Jahr einbringen. Ich glaube, es ist noch genug Zeit, um über diesen Haushalt deftig und heftig zu streiten.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Vorsitzenden des Haushaltsausschusses Manfred Ach, insbesondere im Hinblick auf seine Darlegungen zur Rücklage; das ist in den letzten Wochen durch die Gazetten gegeistert.

Ich will diesen detaillierten Darlegungen über die Größenordnung und den Sinn und Zweck der Rücklagen auf der Basis von Artikel 25 der Haushaltsordnung hinzufügen: Wir haben die Rücklagen in erster Linie für die Absicherung der Ausfälle aufgrund der Steuerreform. Frau Kellner, Sie haben Recht, dass man die Rücklagen auch zur Abfederung konjunktureller Einbrüche benutzen kann. Ich schließe nicht aus, dass wir in diesem Jahr, wenn die Steuerschätzung im November entsprechend ausfällt und die Steuereinnahmen entsprechend gering sind, die Rücklagen in Höhe von 4,6 Milliarden DM Stück für Stück in einem Maße in Anspruch nehmen müssen, dass es mir eigentlich zuviel ist mit Blick auf die Steuerausfälle, die 2005 und 2006 auf uns zukommen.

Ich verweise auf die Mappe, die Ihnen vorliegt und die eine Reihe von Übersichten enthält. Auf einer Übersicht sind im Rahmen eines Säulendiagramms die Steuerausfälle in den jeweiligen Jahren dargestellt. Sie werden sehen, dass im Jahr 2005 4 Milliarden DM an Steuerausfällen allein aufgrund der Steuerreform auf uns zukommen. Im Jahr 2006 sind es 4,2 Milliarden DM. Wie will man einen Haushalt von mittlerweile fast 69 Milliarden DM bewältigen, wenn man nicht durch Rücklagen

vorsorgt? Mit was denn sonst? Herr Strasser, Sie wollen dieses Geld ständig schon heute verteilen. Das ist ein Ausdruck von Unsolidität. Mit mir nicht.

(Beifall bei der CSU)

Ich will zu einigen Punkten, die vorgetragen wurden, etwas sagen. Frau Kellner, Sie haben sich kritisch zur Vorfinanzierung des Bauvorhabens in Ulm geäußert. Ich nehme an, Sie meinen die Gesamtstrecke von Neu-Ulm nach Augsburg. Warum müssen wir das denn machen? – Weil der Bund sich verweigert. Das ist der Punkt. Deshalb haben Baden-Württemberg und Bayern gesagt, ausnahmsweise gibt es eine Vorfinanzierung. Insgesamt wird uns das zwischen 280 und 320 Millionen DM kosten. Ich weiß es nicht genau. Das hängt davon ab, wie sich die Investition und die Zinsen entwickeln werden.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Kellner?

Selbstverständlich.

Herr Staatsminister, sind Sie der Auffassung, dass für die Bestellung von Nahverkehrsleistungen aus Bundesmitteln eine Fernverkehrsstrecke vorfinanziert werden soll?

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Staatsminister, bitte.

Ich darf Sie dahin gehend korrigieren, dass die Vorfinanzierung nicht aus Mitteln des Nahverkehrs erfolgen wird. Ich stelle nur fest, dass der Bund seiner Verpflichtung, im Fernverkehr entsprechende Investitionen vorzunehmen, nicht nachkommt. Kunststück: Wenn der Bund ständig die Investitionsquote reduziert und Herr Eichel falsch plant, dann kann es nicht anders kommen. Das ist die Realität. Bayern und Baden-Württemberg springen in dieser Situation ein. Ich halte es für einen Skandal, dass die Situation so ist. Aber sollen wir den Bürgern etwa sagen, es tut uns leid, dass es zwischen den beiden Leistungszentren München und Stuttgart immer noch eine miserable Eisenbahnverbindung gibt, die der heutigen Zeit nicht mehr angemessen ist, aber wir tun nichts? Das ist nicht die Philosophie des Freistaates Bayern und von Edmund Stoiber. Deshalb finanzieren wir vor, und ich glaube, das ist gut so.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war keine Antwort auf die Frage!)

Bei dieser Gelegenheit will ich noch etwas zum Thema „Anbindung nach Schwaben“ sagen. Es geht um die Autobahn. Herr Bodewig hat verkündet, dass es eine Vorfinanzierung geben soll, und zwar eine private Vorfinanzierung, weil er das aus Bundesmitteln nicht bezahlen kann. Das wurde mit Beifall aufgenommen. Wenn

Sie genauer hinschauen, stellen Sie fest, dass Folgendes dahintersteckt:

Erstens. Herr Bodewig finanziert Strecken, die planerisch noch nicht festgelegt sind. Da ist noch lange hin. Es geht um die Strecke zwischen Augsburg und Stuttgart. Diese Strecke will er finanzieren, obwohl die planungsrechtlichen Voraussetzungen noch nicht erfüllt sind.

Zweitens. Wenn ich es richtig im Kopf habe, bekommt Nordrhein-Westfalen aus dem Gesamtpaket, das der Bundesverkehrsminister vorgeschlagen hat, 156 Kilometer zugestanden. Die bösen Südländer Baden-Württemberg, Hessen und Bayern bekommen zusammen nur 102 Kilometer vorfinanziert. Da wird Parteipolitik mit Steuergeldern betrieben.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Der Gipfel des Skandals ist, dass die Bundesregierung, die den Staat repräsentiert – Herr Bodewig hat ein Staatsamt –, dies nicht der Bayerischen Staatsregierung bzw. auf dem Amtsweg Staatsminister Dr. Wiesheu oder dem Ministerpräsidenten mitteilt, sondern den SPD-Abgeordneten. Die SPD-Abgeordneten teilen es via Presse der Bayerischen Staatsregierung mit. Dazu kann ich nur sagen: Der Staat ist doch keine Parteiveranstaltung.