Protocol of the Session on October 10, 2001

(Weitere Zurufe von der CSU)

Herr Hofmann, jetzt bleiben Sie doch einmal friedlich hier sitzen.

Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich nun fortfahren. Letztendlich wurde 1996 auch aufgrund von Geldmangel im Bund festgelegt, ein Moratorium zu machen und vertiefende Untersuchungen und Gutachten in Auftrag zu geben.

Diese Gutachten liegen nun vor. Die MdLs, die an der Donau wohnen, hatten schon Gelegenheit, sich im Rahmen des Donau-Forums sachkundig zu machen. Wir sind der Meinung, dass, nachdem die Gutachten vorliegen, der Bayerische Landtag und nicht alleine die Staatsregierung entscheiden sollte, für welche Variante beim Bund um ein Raumordnungsverfahren verhandelt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Bisweilen gibt es die Diskussion um die Bedeutung der Landesparlamente. Wir sind der Auffassung, dass wichtige, grundsätzliche Entscheidungen nicht per se einfach nach dem Motto abgeschoben werden können und dürfen: Die Staatsregierung wird‚s schon richten. Wir haben eine entschieden andere Meinung. Wir sind der Auffassung: Der Landtag, die gewählten Abgeordneten sollen entscheiden, was in das Raumordnungsverfahren gegeben wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, beantragen wir hier und heute, dass die Gutachten zuerst den betroffenen Ausschüssen vorgestellt werden. Das ist natürlich der Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie, das ist der Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen, und das ist letztendlich auch der Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen; denn es geht um sehr viel Geld. Gerade das sollte auch Sie interessieren; auch Sie werden gehört haben, wie viele zusätzliche Mittel in Zukunft für die innere Sicherheit

ausgegeben werden. Es geht darum, ob man eine Ausbauvariante für 825 Millionen DM oder für 1,5 Milliarden DM wählt. Es geht darum, ob man sich wegen 2,5% mehr Leistung 33% mehr Kosten aufhalst, und es geht letztendlich darum, ob wir das einzigartige Kultur- und Naturerbe schützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und deshalb, Kolleginnen und Kollegen, sind wir der Auffassung, dass in allererster Linie die Abgeordneten gefragt sind, die sich – wie gesagt – in der Vergangenheit sehr intensiv mit dem Thema beschäftigt haben. Es kann nicht sein, dass wir im Parlament einzelne Staatsstraßen, ja sogar Ortsschilder diskutieren, aber diese grundsätzliche Frage, wo es um den Erhalt des Kulturund Naturerbes geht, an die Staatsregierung abtreten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind für die Anhörung und für eine politische Entscheidung vor Einleitung des Raumordnungsverfahrens. Das ist nach dem vorliegenden Gutachten möglich. Wir stimmen dem Antrag der SPD selbstverständlich zu, der einen Teil unseres Antrags beinhaltet, nämlich die Anhörung. Wir hoffen, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, dass Sie hier und heute unserem Antrag zustimmen werden, damit die Sache, die wir schon so lange diskutieren, zu einem geordneten Abschluss im Parlament kommt. Und, wie gesagt: Staatsminister Dr. Wiesheu können wir in dieser Angelegenheit nicht vertrauen; hier sind wir gefragt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Frau Peters, bitte.

Frau Präsidentin, Kollegen und Kolleginnen! Die Donau fließt – noch – auf 70 Kilometer frei, und sie soll auch weiter frei fließen. Die Politik muss aber wissen was sie will, und sie muss entscheiden. Meine Damen, meine Herren, vor Ort haben die Herren aus dem Ministerium stets dargestellt, dass die Politik entscheiden müsse. Das ist auch verständlich. Ich kann Ihnen die Namen gerne nennen.

(Zurufe der Abgeordneten Meyer (CSU) und Reisinger (CSU))

Natürlich. Sie wissen doch, wer im Ministerium für die Donau zuständig ist; das ist Herr Kleemeier. Fragen Sie nach.

(Zuruf des Abgeordneten Meyer (CSU))

Herr Meyer, ich gehe eigentlich davon aus, dass Sie als Niederbayer wissen, dass Einvernehmen zwischen dem Bund und dem Land hergestellt werden muss – zwei Drittel Bund und ein Drittel Land. Das Einvernehmen lässt sich aber halt nicht zu ein Drittel und zwei Drittel herstellen. Das ist auch klar. Das Land muss sehr deutlich sagen, was es will und was die Kollegen vor Ort wollen. Seit zehn Jahren diskutieren und planen wir. Ich

frage Sie: Wie lange soll es noch dauern? Wie lange sehen wir noch zu?

Im Juli dieses Jahres wurden uns die Gutachten vorgelegt, fünf Varianten verglichen und die Kosten-NutzenRechnung dargestellt. Ich habe sofort den Antrag gestellt, dass dies alles dem Landtag vorzustellen sei, damit das Parlament einbezogen werde. Der Beschluss auf Drucksache 14/6892 lautet:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, die ökologische Auswertung und die vorliegenden Gutachten zum Donauausbau vor der Varianten-Entscheidung dem Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie und dem Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen vorzustellen...

Das ist einstimmig beschlossen worden.

Mit Drucksache 14/7452 haben wir einen weiteren Antrag zum Donauausbau gestellt. Dieser wäre morgen auf der Tagesordnung gewesen. Wegen des Dringlichkeitsantrags haben wir ihn vorgezogen. Ich meine, gegen eine Anhörung kann selbst die CSU nichts haben. Oder: Wen will sie vor Informationen schützen?

(Hofmann (CSU): Das haben wir doch schon oft angehört!)

Die andere Frage ist, ob Sie sich der Strategie des Ministeriums beugen müssen. Wir wissen um die geringe Wertschätzung, die das Parlament im Wirtschaftsministerium genießt. Gerade während der Ausschuss- und Parlamentsarbeit werden Veranstaltungen abgehalten. So wenig hält der Minister vom Parlament. Ich frage Sie: Lassen Sie sich vom Minister am Nasenring durch Bayern ziehen? – Der Kreistag von Passau kann sich für eine Variante entscheiden, der Landtag soll das nicht können. Ja, Herrschaft’zeiten, da haben sich die Parameter verschoben.

Die Landkreispolitiker haben die Variante C favorisiert, nachdem der wunderbare Film, der vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegeben wurde, den Eindruck vermittelt, objektiv zu sein. Er ist wirklich gut gemacht und man muss sehr genau hinschauen, um feststellen zu können, dass mit der Variante B verglichen wird, die überhaupt nicht mehr in der Überlegung ist und die niemand mehr für notwendig hält. Dieser Eindruck ist entstanden. Der Film wurde durch alle Anrainergemeinden der Donau getragen. Er vermittelt dünne Informationen, komprimierte Informationen, und aufgrund dieser Informationen ist entschieden worden – siehe Kreistag Passau. Die Kommunen und die Landkreise können entscheiden, nicht jedoch der Landtag. Erklären Sie mir bitte diese Logik.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Meyer?

Ja, wenn er so informationsbedürftig ist, soll er fragen.

Frau Kollegin, ist Ihnen bekannt, dass der von Ihnen dargestellte Film nicht nur Ihr öffentliches Lob erfahren hat, sondern dass dieser Film vom Bund in Auftrag gegeben wurde?

Herr Kollege, ich habe sehr deutlich gesagt, und das habe ich auch jetzt gesagt, dass der Film gut gemacht sei. Auch damals habe ich gesagt, dass man genau hinsehen müsse. Richtig ist, dass der Bund und das Land den Film in Auftrag gegeben haben. Wir wissen aber, wer in Bayern das macht, wir kennen das Büro. Bayern hat es ausgeführt. Dem Bund war es letztendlich egal, wer den Film produziert. Was wollen Sie uns unterstellen? – So läuft es nicht.

Ich sage es noch einmal: Das wurde vom Wirtschaftsministerium geschickt vorbereitet. Die Mehrheit des Parlaments meint, sie müsse nicht entscheiden. Sie sagen, das wollten Sie nicht machen. Dafür hätten Sie das Ministerium und die Regierungen vor Ort, die für sie entschieden.

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, Sie bekommen das Geld, weil Sie das Volk vertreten und Politik gestalten sollen. Sie bekommen dieses Geld nicht für vorauseilenden Gehorsam und dafür, dass Sie den Willen des Kabinetts oder des Ministerpräsidenten vollziehen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Wenn Sie nur einen Funken Selbstbewusstsein haben, dann müssen Sie als Parlamentarier einer Anhörung unbedingt zustimmen. Einer anschließenden Entscheidung müssen Sie sowieso zustimmen. Gemeinden und Kreise vor Ort können es, die Mehrheit im Bayerischen Landtag kann es nicht. Das müssen Sie den Bürgern vor Ort erklären. Die Politik kann nicht entscheiden, obwohl die Verantwortlichen im Ministerium immer gesagt haben, sie müssen entscheiden. Sie tun es aber nicht. Das Ministerium will die Entscheidung der Regierung von Niederbayern überlassen. Da bekomme ich das große Kribbeln. Das funktioniert dann wahrscheinlich nach der Methode: „Der Ober sticht den Unter“, und „der Unter stimmt sich mit dem Ober ab“.

Es ist grundsätzlich richtig, mehrere Varianten einzubringen und gegeneinander abzuwägen. Wir können aber nicht so tun, als müssten wir bei Adam und Eva anfangen. Wir haben zehn Jahre Planungszeit hinter uns. Die Gutachten stapeln sich auf eineinhalb Meter. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie werden nicht fertig, vor Ort immer zu beklagen, wie viel das gekostet hat – hört, hört. Jetzt wollen Sie diese Grundlagen nicht benutzen. Die Aufwendungen für diese Gutachten wurden zum Fenster hinausgeworfen. Die Gutachten müssen in ein Raumordnungsverfahren in Niederbayern einfließen.

(Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Ich zitiere unseren Fraktionsvorsitzenden, der gesagt hat: Wenn es seitens der niederbayerischen Bezirksregierung wirklich zu einem fairen Raumordnungsverfah

ren komme, kann am Ende nur die Variante A herauskommen. Ich sage es noch einmal: Ein faires Raumordnungsverfahren.

(Reisinger (CSU): Wenn man sich schon vorab festlegt, dann braucht man nicht abwägen!)

Genau damit habe ich ein Problem.

(Reisinger (CSU): Wer hat denn den Maget zurückgepfiffen? – Das wart doch Ihr! – Zuruf der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Herr Reisinger, Sie müssen lernen, genau Zeitung zu lesen.

(Lachen bei der CSU)

Ich habe Ihnen gerade ein Zitat vorgelesen. So und nicht anders, hat es unser Fraktionsvorsitzender gesagt.

(Reisinger (CSU): Der hat jeden Tag eine andere Meinung!)

Lassen Sie mich zum Essenziellen kommen. Wenn man das Gutachten der Wasser- und Schifffahrtsdirektion liest, dann schaut das so aus: Die Variante A, die flussregulierende Maßnahme, erreicht den Faktor 8,3. Die Variante B, die verschärfte Flussregulierung, von der kein Mensch mehr redet, die in diesem Film immer zitiert wird – so viel zur Objektivität dieses Films – hat den Faktor 1,9. Die Variante C, Staustufe Aicha, Durchstich Mühlham, hat den Faktor 6,4. Die zwei Staustufen Waltendorf und Osterhofen mit Seitenkanal – Variante D 1, wie es so schön heißt –, haben den Faktor 5,2. Die Variante D 2, drei Staustufen, Waldendorf, Aicha, Vilshofen, hat den Faktor 5,3. Ich wiederhole: Favorit ist ganz klar die Variante A mit einem Faktor von 8,3. So steht es in dem Schlussbericht. Weil nicht sein darf und nicht sein kann, was der Herr Minister nicht will, wurde ein neues Gutachten in Auftrag gegeben. Da spielt es plötzlich keine Rolle mehr, dass ein weiteres Gutachten wiederum Geld kostet, solange es dem Wirtschaftsministerium nutzt. Ich kann nur sagen: Seltsam, seltsam. Als Nachgutachter wird das Europäische Entwicklungszentrum für Binnen- und Küstenschifffahrt beauftragt. Sie haben Recht, dabei muss das herauskommen, was Sie wollen.

Ich frage mich, wie man zu so seltsamen Mitteln wie einer Befragung greifen kann. Es hat eine Befragung stattgefunden. Man hat 400 Interviews in ganz Bayern durchgeführt. Rund 1000 Fragebögen sind per Post verschickt worden. Davon hat man ein Drittel nach Niederbayern geschickt, ein Drittel in das restliche Bayern und ein Drittel in den Rest der Bundesrepublik. Ein Unterfranke oder ein Mittelfranke ist mit den Gegebenheiten an der Donau wenig vertraut, ganz zu schweigen von einem Bundesbürger aus einem anderen Land. Die Frage in dem Fragenbogen lautete, ob ein flussbaulicher Ausbau oder ein Staustufenbau mit ökologischem Ausgleich gewünscht werde. Man muss sich wirklich nicht wundern, dass die Staustufe mit ökologischem Ausgleich die größte Zustimmung fand. Ich denke, Sie können verstehen, wie begründet mein Misstrauen ist.

Das Europäische Entwicklungszentrum für Binnen- und Küstensschifffahrt kommt natürlich damit und mit anderen Abwägungen nur noch auf den Faktor 4,95 für die flussbauliche Ausbauvariante, während die Staustufen im Vergleich zur vorhergehenden Untersuchung deutlich über dem Faktor 5 liegen. Raumordnung ist Abwägung der einzelnen Faktoren. Misstrauen ist begründet. Die Regierung von Niederbayern wird abwägen, was das bayerische Wirtschaftsministerium abgewogen haben will. Wenn Sie dem so zustimmen, dann müssen Sie das vor Ort aber auch verantworten. Das ist so, das war so, aber das soll nicht so bleiben, dass hier beschlossen wird, was im Ministerium schon vorab entschieden wird. Entscheiden wir uns doch für eine Variante, für das Raumordnungsverfahren, und lassen Sie uns zu Risiken und Nebenwirkungen die Vertreter der Binnenschifffahrt, der Umweltverbände, die kommunalen Verantwortlichen, die zuständigen Bundesbehörden und die zuständigen Genehmigungsbehörden einschließlich der zuständigen Stellen im Naturschutz befragen. Stimmen Sie unserem Antrag zu.

(Beifall bei der SPD)