Protocol of the Session on June 27, 2001

(Beifall der Frau Abgeordneten Radermacher (SPD))

Wenn die Staatsregierung die Kosten für die so genannte Schulreform offensichtlich falsch eingesetzt hat, kann und darf sie das nicht anderen anlasten und den betroffenen Kommunen die längst überfällige Entlastung weiterhin verwehren.

(Beifall bei der SPD)

Die betroffenen Kommunen müssen es doch geradezu als Hohn empfinden, dass sie, statt entlastet zu werden – worauf sie zum Teil über 30 Jahre lang warten – von der Regierung und der CSU-Fraktion weiter und noch mehr belastet werden. Sie werden mit der Einführung R 6 mit zunehmenden Schulwegkosten und mit Nachmittagsbetreuung anstatt wünschenswerter Ganztagsschulen in die Pflicht genommen und müssen auch noch die so genannte Schulreform zu großen Teilen mitfinanzieren. Gleichzeitig wird aber die ungerechte Lastenverteilung fortgeschrieben.

Es gibt Kommunen und Regionen, in denen gewartet wurde, bis der Freistaat die erforderlichen Schulen eingerichtet hat. Dort trägt der Freistaat demzufolge auch die Kosten ohne Diskussion und seit Jahrzehnten, weil dies der Normalfall ist.

Es gibt andererseits aber Kommunen, die frühzeitig notwendige Qualifizierungsangebote geschaffen haben. Die Kommunen, die für die ganze Region wichtige Bildungseinrichtungen geschaffen und vorfinanziert haben werden seit zig Jahren vom Staat im Stich gelassen. Das Ergebnis ist, dass eine landesweit einigermaßen gleichmäßige Lastenverteilung seit Jahrzehnten nicht gegeben und der von Ministerpräsident Dr. Stoiber gestern so hochgelobte Wettbewerb als Motor innerhalb Bayerns untereinander gar nicht möglich ist, weil die ungleichen und verzerrten Wettbewerbsbedingungen dies nicht zulassen, da von vornherein keine Chancegleichheit besteht.

Die beiden heute vorliegenden Anträge zielen deshalb darauf ab, das Missverhältnis zwischen den bayerischen Kommunen zumindest etwas zu vermindern. Dazu gehört an erster Stelle ein gerechterer Finanzausgleich als der, den wir zur Zeit haben. Darauf warten wir dringend. Dazu gehörte auch eine gerechtere Regelung der Stadt-Umland-Problematik aber eben auch eine gerechte Verteilung der Schulkosten. Wir haben schließlich – ich habe das in den Ausschüssen klar gemacht – auch in Bayern Schulpflicht, und der Staat muss seine Aufgaben wahrnehmen und die Kosten hierfür übernehmen.

Ich möchte an dieser Stelle das Schulfinanzierungsgesetz nur am Rande und der Vollständigkeit halber erwähnen, weil es ein bayerischer Sonderweg ist, die Personalkosten der Lehrkräfte nicht im vollen Umfang zu übernehmen. Die anderen Bundesländer, die Sie gerne als

Vergleich nehmen, übernehmen diese Personalkosten in voller Höhe. Bayern – wie gesagt – nicht. Dies, Kolleginnen und Kollegen, führt dazu, dass nicht nur die kommunalen Schulträger hoch belastet werden, sondern auch die jeweilige Region durch höhere Gastschulbeiträge benachteiligt wird. Es spricht wirklich alles dafür, den beantragten Verstaatlichungsanträgen endlich zu entsprechen, zumal die Antragssteller – ich habe das vorhin gesagt – teilweise seit Jahrzehnten hingehalten werden.

Alle drei kommunale Spitzenverbände haben den Antrag einmütig unterstützt. Sie weisen in ihrem Schreiben und ihrer Stellungnahme mit Nachdruck darauf hin, dass dringender Handlungsbedarf bestehe und die betroffenen Kommunen mitunter seit Jahren nicht mehr in der Lage seien, neues Lehrpersonal einzustellen. Damit kommt es zu negativen in unserer Ausbildung. In Verbindung mit der Tatsache, dass wegen der Kostenbelastung im Personalbereich auch der Bauunterhalt leidet, dass neue Investitionen ausbleiben und an der Schulausstattung gespart werden muss, geht dies in den betroffenen Regionen eindeutig zulasten unserer Kinder, denen deswegen keine optimale Unterrichtssituation geboten werden kann.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Damit keiner der Kolleginnen und Kollegen insbesondere aus der CSU-Fraktion sagen kann, sie oder er habe nicht gewusst, dass seine Region auch betroffen ist, zähle ich sie auf. Zur Zeit haben folgende Gebietskörperschaften Anträge gestellt: Amberg, Ansbach, Augsburg, Bad Wörishofen, Bamberg, Bayreuth, Eggenfelden, Fürth, Kempten, Memmingen, Münnerstadt, Nürnberg, Prien, Rosenheim, Schwabach, Schweinfurt, Tirschenreuth, Vilshofen, Weißenhorn und Würzburg. Die Aufzählung ist ohne Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist also, Kolleginnen und Kollegen, ein bayernweites Problem, das mindestens die 20 von mir aufgezählten Gebietskörperschaften und ihre Regionen direkt betrifft, sodass es von uns nach so langer Zeit endlich gelöst werden muss.

Gestatten Sie mir eine Anmerkung zu den Kosten. Die bisher beantragte Verstaatlichung der Schulen, also all derer, die ich gerade aufgezählt habe, würde zirka 73 Millionen DM erfordern, wohlgemerkt alle beantragten Verstaatlichungen auf einen Schlag. Die Beträge von 500 Millionen DM und mehr, die herumgeistern, treffen definitiv nicht zu. Würden alle 425 kommunalen Schulen verstaatlicht, die es zur Zeit in Bayern gibt, also auch die, für die noch gar keine Anträge vorliegen oder gar keine gestellt werden, würde das nach Auskunft des Ministeriums zirka 358 Millionen DM Mehrkosten im Staatshaushalt bedeuten. Das ist dann auch der Betrag, mit dem unsere Kommunen seit Jahren belastet werden. Daher ist die Aussage richtig, dass der angestrebte ausgeglichene Haushalt zum Großteil von den Kommunen finanziert werden muss, wenn wir das nicht ändern.

Nun zu den beiden vorliegenden Anträgen: In Anbetracht der Gesamtsumme, die im Raum steht, schlagen wir vor, der Anregung der drei kommunalen Spitzenverbände zu folgen, die zumindest einen Stufenplan einfordern, um für die Kommunen Planungssicherheit zu

erhalten. Der Antrag auf Drucksache 14/5179 soll mit dem Zusatz ergänzt werden: „Dem Landtag ist hierüber bis zum 30. September ein entsprechender Stufenplan vorzulegen“. Wir verlangen also nicht die sofortige Umsetzung, sondern einen verbindlichen Stufenplan, der gewiss innerhalb von drei Monaten vorgelegt werden kann. Dem Antrag auf Drucksache 14/5758 kann hingegen heute entsprochen werden, dies deshalb, weil auf Verstaatlichung beruflicher Schulen lediglich von zwei Städten Anträge gestellt sind. Der erste Antrag stammt aus Würzburg aus dem Jahr 1975, der zweite Antrag aus Augsburg aus dem Jahr 1991. Wenn wir über den heute vorliegenden Antrag positiv abstimmen, kann für den zweiten Antrag aus Augsburg ergänzend zum Stufenplan eine Aussage gemacht werden, wann dort dem Antrag entsprochen werden kann.

Nach 26 Jahren kann man wahrlich nicht von einer überstürzten Reaktion oder einer Ad-hoc-Entscheidung sprechen.

(Beifall bei der SPD)

Es stünde uns allen, insbesondere der Mehrheitsfraktion, gut an, wenn wir wenigstens dieses Trauerspiel heute beenden würden. Würzburg hat in Bayern mit Abstand die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben für Schulen; das geht aus der amtlichen Statistik von 1998 hervor, nämlich zirka 950 DM pro Einwohner und Jahr. Regensburg, das praktisch gleich groß ist, hat lediglich 650 DM Aufwendungen, also 300 DM pro Kopf und Jahr weniger. Sie können sich ausrechnen, was eine solche Mehrbelastung für eine Kommune wie Würzburg bedeutet. Ingolstadt hat mit 418 DM deutlich weniger als die Hälfte aufzuwenden. Würzburg hat also gegenüber vergleichbaren Städten jährlich deutlich zweistellige Millionenbeträge Mehraufwendungen bei sehr viel schlechteren Einkommensmöglichkeiten.

Würzburg hat die Verstaatlichung der beruflichen Schulen bereits vor 26 Jahren – ich habe schon erwähnt, 1975 – beantragt. Bis 1973 waren all diese Schulen in kommunaler Trägerschaft. Erst 1973 wurde durch ein Gesetz die Möglichkeit geschaffen, diese Schulen in die Obhut des Freistaates zu geben. Zu diesem Zeitpunkt hatte die CSU in Würzburg die Mehrheit. Es hat eineinhalb Jahre gedauert, bis 1975, bis der Stadtrat beschlossen hat, diesen Antrag auf Verstaatlichung zu stellen. Ich habe schon erwähnt, dass außer Würzburg nur noch Augsburg die Verstaatlichung beantragt hat. Damit wäre sichergestellt, dass eine positive heutige Entscheidung nicht dahin gehend präjudiziert, dass sofort umfangreiche Ansprüche abgeleitet werden können. Insbesondere deshalb bitte ich herzlich um Zustimmung zum zweiten vorliegenden Antrag. Dafür bedanke ich mich bei Ihnen im Voraus. – Ich beantrage eine namentliche Abstimmung über den Antrag auf Drucksache 14/5758.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, Sie haben mitbekommen, dass namentliche Abstimmung über

Tagesordnungspunkt 15 beantragt wurde. – Als nächster hat Kollege Donhauser das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! An unserer Auffassung hat sich bisher nichts Wesentliches geändert, auch nicht durch die vorgetragenen Argumente. Die Möglichkeit, kommunale Schulen zu verstaatlichen, gab es, wie bereits erwähnt wurde, vor 26 Jahren. Damals hatten die Kommunen und Landkreise die Möglichkeit, ihre Schulen verstaatlichen zu lassen. Viele haben diese Möglichkeit wahrgenommen, andere wiederum nicht. Hier muss eine klare Linie beibehalten werden. Auf den Freistaat Bayern würden dadurch enorme Kosten zukommen. Dafür müssten Mittel im Kultushaushalt bereitgestellt werden mit der Folge, dass die staatlichen Schulen letztlich kürzer treten müssten.

Ich habe dazu einen Vorschlag. Es gäbe durchaus die Möglichkeit, Teile von Schulen, die derzeit in kommunaler Hand sind, in staatliche Schulen zu verlagern. Im Falle Würzburgs wollte niemand Teile der staatlichen Berufsschulen ins Land hinaus geben. Die Berufsschule in Würzburg wurde in den letzten Jahren immer größer, weil alles aus der Region eingesammelt wurde. Warum kann man nicht den umgekehrten Weg gehen und bestimmte Sprengel dieser Schulen ins Land hinaus verlagern? So manche kleine Berufsschule wäre sehr dankbar, wenn sie die eine oder andere Abteilung bekommen würde.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist doch nicht die Aufgabe der Stadt Würzburg!)

Deshalb können wir nichts anderes tun, als diesen Vorschlag zu machen, der bisher noch gar nicht gemacht wurde.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist doch Aufgabe des Ministeriums!)

Ich weiß, dass es eine ganze Reihe von Berufsschulen gibt, die gerne bereit wären, Abteilungen der Berufsschule in Würzburg aufzunehmen. Diese will aber nicht abgegeben. Solange dieser Weg nicht beschritten wird, bleiben wir bei unserer Auffassung, den Antrag abzulehnen.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Münzel.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wir unterstützen die Anträge der SPD. Die Verstaatlichung von Schulen ist ein Anliegen der Stadt Würzburg, das sie seit 30 Jahren kontinuierlich verfolgt und das durch die aktuelle Finanznot der Stadt Würzburg besonders akut wurde.

(Zuruf von der CSU)

Selbstverständlich! Es gibt eine Chronologie, der zu entnehmen ist, dass die Stadt Würzburg diesen Weg seit 30 Jahren verfolgt. Es kann nicht die Rede davon sein, dass vor 26 Jahren der Zug abgefahren sei; das lässt sich am Beispiel der Stadt Würzburg widerlegen.

Durch die Finanznot der Stadt Würzburg ist das Problem akut geworden und damit auch wieder Thema im Bayerischen Landtag. Nach Einschätzung der GRÜNEN ist die Krise der Stadt Würzburg nicht selbst verschuldet, wie das Kollege Spaenle im Bildungsausschuss gemeint hat. Der Grund für die Krise des Verwaltungshaushaltes liegt im Wesentlichen in dramatischen Rückgängen der Gewerbesteuer und in der außergewöhnlich hohen Belastung durch die Trägerschaft einer Vielzahl von kommunalen Schulen.

Dazu muss man sagen, dass die Arbeitsmarktsituation in Würzburg im Landesvergleich so erfreulich ist, dass der Freistaat dort keine Ansiedlungsförderung betreibt, sich allerdings eine hohe Zahl von Arbeitsplätzen in der Universität, in der Verwaltung, in karitativen Einrichtungen und in freien Berufen befindet, für die keine Gewerbesteuer erhoben wird. Der Weg über die Gewerbesteuer ist der Stadt Würzburg verwehrt, vor allen Dingen auch, weil Würzburg keine großen ebenen Flächen für die Ansiedlung von großen Firmen anbieten kann.

Auf der anderen Seite ist die Belastung durch die kommunalen Schulen sehr hoch. Das hat uns der Herr Oberbürgermeister im Nachgang zu unserer Ausschusssitzung geschrieben. Er hat uns Zahlen von 1999 genannt:

Der Zuschussbedarf pro Einwohner für die beruflichen Schulen liegt in Würzburg bei 172,64 DM, in Regensburg bei 87,26 DM und in Ingolstadt bei 17,73 DM.

Nicht nachvollziehen kann ich Ihren Vorschlag, Herr Kollege Donhauser, Teile ins Land auszulagern.

(Frau Radermacher (SPD): Das muss auch finanziert werden!)

Eben. Diese Teile würden kommunal ausgelagert und dem Staat gegeben. Der Staat würde letztendlich die Kosten für diese Teile übernehmen.

Mir drängt sich der Eindruck auf, dass es Ihnen nicht darum geht, dass die notwendigen finanziellen Mittel nicht zur Verfügung stünden, sondern Sie zielen auf eine Schwächung der Stadt Würzburg ab.

(Frau Radermacher (SPD): So ist es auch. Anders kann man es nicht verstehen!)

Sie zielen mit Absicht darauf ab, dass die Stadt Würzburg an die Wand fährt. Das kann man aus Ihrem abstrusen Vorschlag ableiten.

Wir GRÜNEN sind der Ansicht, dass ohne die Verstaatlichung von kommunalen Schulen in absehbarer Zeit die Leistungsfähigkeit der Stadt nicht dauerhaft wiederhergestellt werden kann. Ich wiederhole: Ich habe den Eindruck, dass die CSU nicht will, dass die Stadt Würzburg

auf Dauer ihre Leistungsfähigkeit wiedergewinnt. Damit schaden Sie den Bürgerinnen und Bürgern aus Würzburg und den Schülerinnen und Schülern der betroffenen Schulen. Das ist für mich eine Politik, die nicht zu verantworten ist.

(Beifall der Frau Abgeordneten Schopper (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN) und der Frau Abgeordneten Werner-Muggendorfer (SPD))

Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

(Abgeordneter Boutter (SPD) meldet sich zu Wort)

In der Regel muss man die Rede anmelden, solange die Aussprache noch im Gange ist. Bitte sehr, Herr Kollege.

Herr Präsident, ich bitte um Entschuldigung, denn ich habe es nicht für so schlimm erachtet, weil die Viertelstunde noch nicht um ist. Vielen Dank, dass Sie mir das Wort noch einmal erteilt haben. Ich wollte die Möglichkeit nutzen, Herrn Donhauser zu antworten.

Sie sagen, Herr Donhauser, die Kommunen hätten die Möglichkeit zur Verstaatlichung gehabt. Dies war 1973. Zu diesem Zeitpunkt hatte die CSU im Würzburger Stadtrat die Mehrheit. Die Diskussion in Würzburg hat eineinhalb Jahre gedauert bis man sich durchgerungen hat, der Verstaatlichung näher zu treten. 1975 sind die Anträge gestellt worden. Herr Kollege Donhauser und liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, wie lange wollen wir dieses Argument noch vor uns herschieben? Das ist jetzt 26 bzw. 28 Jahre her.