Protocol of the Session on June 26, 2001

Ich will das Hohe Haus darauf hinweisen: Das ist eine vielleicht noch größere Weichenstellung als der Finanzausgleich, eine Weichenstellung, die vor Jahresfrist so noch nicht möglich schien.

Ich habe darauf hingewiesen, dass es in der Berichterstattung zu kurz kommt, dass die Gemeinschaftsaufgaben nach Artikel 91 a und Artikel 91 b des Grundgesetzes künftig in die Hoheit der Länder zurückgeführt werden.

(Vereinzelter Beifall bei der CSU)

Das ist ein einstimmiger Beschluss aller Ministerpräsidenten und der Ministerpräsidentin. Dieser Beschluss trifft auch auf die grundsätzliche Zustimmung des Bundes.

Bei der Entflechtung bzw. Abschaffung dieser Gemeinschaftsaufgaben gehen wir davon aus, dass der Bund die derzeit dafür eingesetzten Mittel den Ländern vollständig, dynamisch und auf Dauer als freie Mittel zur Verfügung stellt. Das waren im vergangenen Jahr immerhin 7,1 Milliarden DM. Die Verhandlungen mit dem Bund werden zügig aufgenommen. Dazu haben wir eine länderübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt, der auch Bayern federführend angehört.

Auch hier gilt: Wir nehmen selbstverständlich Rücksicht auf den Nachholbedarf der ostdeutschen Länder. In dieser Nachholphase werden ihnen zur Überwindung der teilungsbedingten Lasten für die Dauer des Solidarpakts II, also bis 2019, die überproportionalen Zuweisungen zugesichert. Den westlichen Ländern geht es darum, bereits in dieser Nachholphase größere Freiheiten bei der Verfügung über die Mittel zu erhalten. Erst diese freie Verfügbarkeit über die Mittel ermöglicht eine dezidiert landespolitische Schwerpunktsetzung.

Wir wollen hier – deswegen ist es wichtig, dass in diesem Beschluss ein Datum steht – noch vor dem Abschluss der Europäischen Regierungskonferenz im Jahre 2004 die Entscheidungen über die Details des Abbaues der Mischfinanzierung und der Gemeinschaftsaufgaben abgeschlossen haben. Dies wäre eine enorme Stärkung der Länder und damit natürlich zuvorderst auch der Landtage.

Der Landtag wird gestärkt, weil mehr finanzielle Mittel für die Landespolitik zur Verfügung stehen. Der Landtag wird weiter gestärkt, weil er künftig die alleinige Entscheidungsbefugnis zum Beispiel über den Hochschulbau oder über die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur hat. Man muss sich einmal vorstellen, was es bedeutet, dass Bayern damit ohne irgendeine Beeinträchtigung durch andere Länder oder gar durch den Bund seine Hochschulen nach eigenen Vorstellungen entwickeln und bauen kann und dazu weder einen Wissenschaftsrat noch sonst etwas benötigt. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist Wettbewerbsföderalismus.

(Lebhafter Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeord- neten Irlinger (SPD))

Und natürlich bin ich froh darüber, dass mein Kollege Wolfgang Clement aus Düsseldorf die gleiche Position einnimmt und das Problem genauso sieht. Er hat vor gut einer Woche dazu eine bemerkenswerte Rede gehalten. Ich sage Ihnen ganz offen, das ist eben der Unterschied zur bayerischen SPD, die uns auch in dieser für Bayern so wichtigen Frage eigentlich nicht unterstützt hat, weil sie immer vor ihrer eigenen Kraft Angst hat.

(Lebhafter Beifall bei der CSU)

Alle Länder ziehen – wie ich bereits hervorgehoben habe, meine Damen und Herren – Vorteile aus der Neuregelung des Finanzausgleichs. Und es bleibt bei unserem Ziel, bis zum Jahre 2006 einen Haushalt ohne Neuverschuldung vorzulegen. Das ist nachhaltige Politik für die kommenden Generationen.

(Zuruf von der SPD: Trotz der Steuern?)

Damit können wir insbesondere die Familien stärken und noch mehr in die Bildung investieren. Das sind wesentliche Prioritäten für die Zukunft.

Meine Damen, meine Herren! Erstmals wurde die Regelung für den Finanzausgleich zeitlich begrenzt. Auch das ist ein großer Erfolg. Der Finanzausgleich gilt künftig von 2005 bis 2019 und dann muss er neu geschaffen werden. Diese zeitliche Begrenzung zwingt alle zu rechtzeitigen Überlegungen und zum Konsens, der jetzt nur mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts so schnell erreicht werden konnte. Aber der Föderalismus sollte stets aus sich selbst heraus modernisierbar bleiben.

Der Föderalismus ist das Architekturprinzip Deutschlands und – ich füge hinzu – Europas; er sollte zumindest das Prinzip Europas sein. An manchen Stellen trat in letzter Zeit zu sehr eine Schein- und Blendarchitektur hervor. Es wäre vermessen zu sagen, wir hätten diese überall „wegrenoviert“. Aber das föderale Gebäude tritt wieder plastischer und wuchtiger hervor, die Konturen zeichnen sich deutlicher ab. Der Renovierungsprozess ist noch nicht abgeschlossen; er geht weiter. Die Staatsregierung wird wie bisher am föderalen Gebäude kräftig mitarbeiten.

Die bayerische Identität und die Wahrung des Föderalismus gehören eng zusammen, ja sie bedingen einander. Der unverwechselbare Charakter unseres Landes, der unverwechselbare Charakter Bayerns kann nur auf föderalem Boden gedeihen und blühen. Wir bleiben zum Wohle unserer Bürgerinnen und Bürger das, was wir von Beginn der Bundesrepublik Deutschland an waren. Ich erinnere an die großen Debatten hier im Bayerischen Landtag zur Zustimmung zum Grundgesetz Ja oder Nein. Wir, meine Damen und Herren, bleiben der Exponent des Föderalismus in Deutschland, weil wir glauben, dass unsere Anliegen, weil wir glauben, dass das Wohl Bayerns und weil wir glauben, dass die Entwicklung Bayerns nur im Föderalismus das heißt in einer hohen Eigenverantwortung der bayerischen Bevölkerung und in einer hohen Eigenverantwortung der bayerischen

Politik hier im Landtag gestaltet werden kann. Dass wir in vielen Belangen vorne liegen, verdanken wir gerade dem Föderalismus. Und wenn wir in Zukunft mehr Föderalismus in Deutschland haben, haben wir auch die Chance, noch stärker zu werden in Deutschland und in Europa. In diesem Sinne danke ich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lang anhaltender Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident.

Ich eröffne die Aussprache. 45 Minuten pro Fraktion sind vorgesehen. Als Erster hat Herr Kollege Maget das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Landtagsfraktion begrüßt ausdrücklich die Einigung vom Wochenende zwischen dem Bundeskanzler und den Ministerpräsidenten der Länder zum Maßstäbegesetz und zum Solidarpakt aus folgenden vier Gründen:

Erstens. Die Einigung erfolgte einstimmig und bietet somit die besten Voraussetzungen dafür, eine tragfähige und dauerhafte Grundlage des Finanzausgleichs und des Solidarpakts sein zu können.

Zweitens. Die berechtigten Anliegen der Nehmerländer beim Finanzausgleich bleiben gewahrt; die Solidarität der Bundesländer untereinander hat Bestand.

Drittens. Die noch berechtigteren Anliegen der Geberländer, also auch Bayerns, finden jetzt endlich ab dem Jahr 2005 Berücksichtigung beim Länderfinanzausgleich.

(Kaul (CSU): Das ist neu für Bayern!)

Das ist gut für Bayern.

Viertens. Der zwar teure, aber doch notwendige Aufbau Ost bleibt gesichert.

Warum kam dieses Ergebnis so zustande? Hervorzuheben ist erstens die positive zweifache Rolle des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement einerseits als Vertreter eines Geberlandes und andererseits als Moderator bei den Verhandlungen.

(Zurufe von der CSU – Beifall bei der SPD)

Sein Engagement war jedenfalls wesentlich erfolgreicher und konstruktiver als der von der Bayerischen Staatsregierung beschrittene Klageweg nach Karlsruhe,

(Anhaltende Unruhe)

was ich gern begründen werde.

(Welnhofer (CSU): Aber jetzt wird er selber rot!)

Von vornherein war nämlich, Herr Kollege Welnhofer, abzusehen,

(Anhaltende Unruhe)

dass nur eine Verhandlungslösung mit dem Ziel des Kompromisses erfolgreich sein konnte.

Zweitens haben wir die außerordentlich konstruktive Rolle der Bundesregierung zu würdigen, ohne die eine Einigung nicht möglich gewesen wäre.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Die ganze Operation am vergangenen Wochenende war weniger ein Erfolg der Länder, sondern ein Erfolg, der der Bundesregierung zu verdanken ist.

(Lachen bei der CSU – Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU)

Ich zitiere

(Zuruf von der CSU: Wer zahlt es denn? – Weitere Zurufe von der CSU – Anhaltende Unruhe)

die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern. Dort heißt es:

(Glocke des Präsidenten)

Sehen Sie, man kann aus jedem Thema etwas machen, Herr Hofmann. –

(Weitere Zurufe von der CSU)

Ich zitiere die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern. Dort heißt es wörtlich:

Hören Sie doch einmal zu! –

(Zuruf von der CSU: Das ist die bayerische „Praw- da“!)

Kann man nicht endlich dem Redner das Wort lassen? Wir haben eine lange Redezeit vereinbart.