Protocol of the Session on May 9, 2001

Ich denke auch, Verbraucherschutz kann und darf nicht allein Bringschuld des Staates sein. Diese Eindimensionalität widerspricht unserem Leitbild von der Bürgergesellschaft. Deshalb müssen wir aufgrund unseres Schutzauftrags den Verbrauchern primär Hilfe zur

Selbsthilfe anbieten und ihre Selbstständigkeit und Verantwortung fördern. Ich sage ganz bewusst: Es gibt nicht nur ein Recht auf Gesundheit und ein Recht auf Verbraucherschutz, es gibt auch eine Pflicht des Verbrauchers zur Gesundheit und zum Verbraucherschutz.

Meine Damen und Herren! Wir werden dafür noch viel Überzeugungs- und Bewusstseinsarbeit leisten müssen. Ich bin allerdings optimistisch, dass wir auf einem guten Weg sind. Viele wussten vor 30 Jahren mit dem Umweltschutz noch nichts anzufangen. Das war damals eine wesentlich neuere Idee als heute der Verbraucherschutz. Inzwischen ist aber die Umwelt wieder spürbar sauberer. Der Umweltschutz ist in Bayern Staatsziel und hat Verfassungsrang und die Nachhaltigkeit ist eines der Fundamente unserer bayerischen Politik.

Wir wollen alles daran setzen, dass sich das Verbraucherbewusstsein in Bayern ebenso erfolgreich entwickelt. Dieser Herausforderung sollten sich alle politischen Kräfte in Bayern über die Parteigrenzen hinweg gemeinsam widmen.

Meine Damen und Herren! Der Haushaltsausschuss des Landtags hat nach intensiver Diskussion mit nur einer Ergänzung dem Entwurf des Einzelplans meines Hauses zugestimmt. Ich bedanke mich dafür ausdrücklich und herzlich beim Vorsitzenden, dem Kollegen Manfred Ach, bei seinem Stellvertreter, Herrn Kollegen Johannes Strasser, und bei den Berichterstatterinnen und Berichterstattern, den Kolleginnen Inge Hecht und Emma Kellner sowie dem Kollegen Robert Kiesel. Besonders dankbar bin ich für die schnelle Beratung.

Ich freue mich, dass wir nach Verabschiedung des Haushalts das, was wir an Plänen und Programmen haben, zum Wohle des Verbrauchers umsetzen können, und bitte das Hohe Haus um die Unterstützung, das neue Ministerium nunmehr auch finanziell handlungsfähig zu machen und dem Einzelplan 12 zuzustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Die Redezeit beträgt 30 Minuten je Fraktion. Als Erste hat die Frau Kollegin Hecht das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein Kraftakt für Verbraucherschutz und Landwirtschaft sollte der Nachtragshaushalt 2001/2002 nach den Worten bayerischen Finanzministers werden. Große Worte, hinter denen die Realität aber weit zurückbleibt.

(Beifall der Frau Abgeordnete Werner-Muggendor- fer (SPD))

Der Verbraucherschutz ist ein enorm wichtiges Thema für alle Menschen – das wird oft nicht bedacht –, das bis heute aber noch nicht den entsprechenden Stellenwert in der Politik hat. Die guten Ansätze, die es jetzt gibt, wie zum Beispiel das TÜV-Gutachten für Wurst, Brot und Gemüse, hätte man in der Vergangenheit längst umset

zen können. Wir alle wissen, dass Qualitätssicherungsund Kontrollaufwand Kosten verursachen. Darum müssen wir alle bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern dafür werben, dass gesunde Lebensmittel auch ihren Preis haben.

Meine Damen und Herren! Die Bayerische Staatsregierung hatte mit diesem Haushalt die Chance, jahrzehntelange Versäumnisse beim Verbraucherschutz endlich nachzuholen. Diese Chance hat sie leider nicht genutzt, denn sie hat den dem Verbraucherschutz gebührenden Stellenwert nicht umgesetzt. Wir Sozialdemokraten sind der Überzeugung, dass man das anders und besser hätte umsetzen können.

Stattdessen wird mit großem Getöse ein kostenträchtiges Schaulaufen veranstaltet; denn der Löwenanteil der beinahe 600 Millionen DM fließt nicht in den Verbraucherschutz. Laut Anmerkung im Nachtragshaushalt werden 145 Millionen DM, also nicht einmal ein Drittel, für sichere Lebensmittel verwendet, aber 210 Millionen DM für gesunde Landwirtschaft, zuzüglich 245 Millionen DM zur BSE-Bekämpfung.

Der einzige direkte Verbraucherschutztitel in der VIB – „Verbraucherinformation“ – beträgt nur 7,75 Millionen DM von insgesamt 286,7 Millionen DM in 2001 bzw. 5,25 Millionen DM von 284,8 Millionen DM in 2002. Die Ausgaben sinken also gar noch im nächsten Jahr. Das, denke ich, ist schon problematisch.

Positiv in der VIB ist der Ansatz „Verstärkung der Kontrollen“. Das können wir wirklich als positiv einschätzen. Allerdings ist es fraglich, ob die Mittel – 13,1 bzw. 22,5 Millionen DM – tatsächlich ausreichend bemessen sind. Angesichts der fast Verdoppelung des Ansatzes in 2002 darf das bezweifelt werden.

Wir benötigen gut motivierte Lebensmittelkontrolleure, und die Lebensmittelkontrolleure benötigen Aufstiegschancen. Es ist deshalb erfreulich, wenn mir Herr Minister Sinner zur Beförderung der Lebensmittelkontrolleure auf meine Frage im Haushaltsausschuss antwortete – ich zitiere das Protokoll –:

Im Entwurf des Nachtragshaushalts würden 75 Stellen ausgebracht. Beförderungsämter seien im Rahmen der besoldungsrechtlichen Obergrenzen ausgebracht. Per Saldo führe das etwa zu mehr als 100 Beförderungsmöglichkeiten. Dies werde wesentlich zum Abbau des Beförderungsstaus beitragen und sei die Würdigung der Tatsache, dass gerade dieses Personal in der Vergangenheit sehr stark beansprucht worden sei. Beförderungen könnten bereits nach der Verabschiedung des Haushalts ausgesprochen werden, damit Härtefälle berücksichtigt werden, in denen Mitarbeiter viele Jahre auf ihre Beförderung warteten.

Man hofft nur, dass das auch alles umgesetzt werden kann und wird; das wäre sehr wichtig.

Gleiches gilt für die nachrichtlich genannte Verstärkung der Kontrollen via kommunalem Finanzausgleich, wo bis 5 Millionen DM 2001 bzw. 15 Millionen DM in 2002

bereitgestellt werden sollen. Dies erscheint mir als erheblich zu wenig. Hier habe ich die größten Bedenken, dass wieder die Kommunen mit Mehrkosten belastet werden.

Kolleginnen und Kollegen, wir Sozialdemokraten sind nicht erst seit heute der Meinung, dass der Landwirtschaft in dieser Krise geholfen werden muss; denn ich bin überzeugt: Wenn die Landwirtschaft stirbt, stirbt auch unsere Kultuslandschaft.

(Beifall eines Abgeordneten der CSU)

Gerade die BSE-Krise hat gezeigt, dass mehr Nachdenklichkeit, mehr Einsicht und mehr Umdenken einkehren müssen. Dies geht aber zuallererst an die Adresse der Regierenden und an die Mehrheitsfraktion hier im Hause.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen von Bayern aus die Bundesregierung bei der Durchsetzung eines dauerhaften Tiermehl-Verfütterungsverbots auf EUEbene unterstützen. Es darf nicht wieder passieren wie in der Vergangenheit, dass der bayerische Ministerpräsident durch sein Veto die Verordnung, dass Separatorenfleisch nicht mehr benutzt werden darf, vehindert hat. So etwas, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf nicht wieder passieren.

(Zuruf von der CSU: Und was ist mit Fischmehl?)

Darauf komme ich noch.

Wir wissen noch nicht, welcher Schaden dadurch angerichtet worden ist.

Auch muss die Lobby-Politik überdacht werden, die in der Vergangenheit viele gute Ansätze verhindert hat. Das musste zum Beispiel Frau Stamm schon leidvoll erfahren.

Meine Damen und Herren, durch den Schweinemastskandal haben wir erlebt, dass es auch bei den Landwirten und Tierärzten schwarze Schafe gibt. Im Landwirtschaftsausschuss haben wir zum Schutz der Verbraucher viele Anträge gestellt.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Gröber?

Ich habe zu wenig Zeit, Herr Dr. Gröber. Entschuldigung, es reicht nicht aus. Später!

Sie haben alle Warnungen und alle Anträge von uns Sozialdemokraten stets lächerlich gemacht und in den Wind geschlagen.

(Maget (SPD): Richtig! So war es!)

Mit anderen Worten: Sie haben alle Anträge von uns Sozialdemokraten abgelehnt. Das können Sie in allen Protokollen nachlesen.

(Maget (SPD): Aus Hochmut!)

Sie sind alle abgelehnt worden.

Jetzt, bei der MKS-Krise, zeigt sich, wie dringend die von uns immer wieder geforderten ortsnahen Schlachthöfe gebraucht würden. Sie von der CSU haben auch das in der Vergangenheit immer abgelehnt. Das würde auch dem Tierschutz dienen. Die Transportwege wären nicht mehr so weit.

An dieser Stelle spreche ich den Kontrollorganen mein Kompliment aus, dass es bei uns zu keinem MKS-Ausbruch gekommen ist.

Mein Credo ist: Vorbeugende Arbeit ist günstiger als Heilbehandlungen.

(Zuruf von der CSU: Die schlachten alle!)

Wie viele Milliarden Volksschaden uns allein durch die BSE-Krise entstanden ist, weiß bis heute noch keiner; man spricht von acht Milliarden Mark. Hätten wir nur einen Bruchteil dieses Geldes rechtzeitig in die Forschung und in die Vorsorge gegeben, dann hätten wir heute wesentlich weniger Probleme.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Doch es muss bezweifelt werden, dass die Mehrheitsfraktion in Bayern aus diesen Fehlern gelernt hat. Das sieht man zum Beispiel an der geplanten Bürgschaftsermächtigung zur Absicherung des Russland-Deals. Auch ich möchte natürlich nicht, dass Lebensmittel zur Marktbereinigung verbrannt oder verschleudert werden. Ich bin auch dagegen, dass anderswo Märkte zerstört werden, damit bei uns das BSE-Problem gelöst wird. Aber man kann auch nicht der Landesbank ein voraussichtliches Defizitgeschäft aufs Auge drücken wollen, für das voraussichtlich wieder der Steuerzahler gerade stehen muss.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Mggendor- fer (SPD))

Liebe Kolleginnen und Kollegen, so etwas ist unseriös.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich nehme aber an, dass – bedingt durch die Maul- und Klausenseuche – dieser Deal nicht zustande kommt und alles im Sande verläuft.

Meine Damen und Herren, dass nichts aus Fehlern gelernt wurde, zeigt auch noch ein weiteres Beispiel. Statt, wie es klugerweise in Berlin gemacht wurde, das Landwirtschaftsressort und den Verbraucherschutz unter einem Dach zu bündeln und den Verbraucherschutz tatsächlich zu stärken, leistet sich die Staatsregierung den Luxus, ein neues Ministerium einzurichten. Bei der Berliner Lösung wären wir mit einem zusätzlichen Staatssekretär bzw. einer Staatssekretärin gut ausgekommen.

(Beifall der Frau Abgeordneten Werner-Muggendor- fer (SPD))

Unter dieser Fehlentscheidung – und ich meine, dass es eine Fehlentscheidung war, die der Herr Ministerpräsident da getroffen hat – hatten ja schon verschiedene Menschen zu leiden wie zum Beispiel Herr Glück. Denn er musste ja Stoibers Entscheidung, die Berufung des TU-Präsidenten Wolfgang Herrmann als neuen Verbraucherschutzminister, erst einmal der Öffentlichkeit und seiner Fraktion verkaufen.