Protocol of the Session on May 8, 2001

wand, den die CSU ansonsten immer beklagt, spielt auf einmal keine Rolle mehr. Akribisch wird ausgerechnet, wie viele Prozente die Gemeinden für den Verwaltungsaufwand behalten dürfen. Alle Prinzipien werden über Bord geworfen: welch eine Kehrtwende!

Alle Winzer und Winzerinnen werden nun von der CSU in ein Werbekonzept gezwungen. Herr von Rotenhan, das ist mindestens genauso schlimm, wie wenn man allen Winzern und Winzerinnen vorschreiben wollte, wie sie ihren Wein auszubauen haben.

(Zuruf des Freiherrn von Rotenhan (CSU))

Alle werden nun in ein Werbekonzept gezwungen, ob es ihnen passt oder nicht, ja schlimmer noch: ob es für ihr Produkt förderlich ist oder nicht. Die 30%, die sich nicht freiwillig an der Gebietsweinwerbung beteiligen, werden pauschal als Trittbrettfahrer abqualifiziert, ohne deren Gründe zu hinterfragen. Vielleicht gibt es ja auch gute Gründe, die Gebietsweinwerbung nicht zu unterstützen. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Die Ökowinzer und Ökowinzerinnen beteiligen sich nicht daran. Diese haben ein Produkt mit einem eigenen Qualitätsstandard geschaffen und ihren eigenen Weinbauverband gegründet, den Bund fränkischer Ökowinzer und Weingüter. Eine weitere Pflichtabgabe bindet deren eigene Finanzen für eine Werbung, die sie eigentlich nicht haben wollen. Diese Mittel fehlen ihnen dann für die eigene Werbung.

Herr Kollege von Rotenhan, zu Ihrem Plädoyer für die kleinen Winzer muss ich Ihnen sagen, dass von der übergeordneten Werbung, wie Sie sie sich vorstellen, die großen Winzer profitieren, nicht aber die kleinen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass die Ökowinzer nach den Vorstellungen beider Fraktionen in Zukunft zwar eine zusätzliche Abgabe entrichten müssen, sie aber gar nichts davon haben, zeigt allein schon die Tatsache, dass das Wort „Öko“ in keinem einzigen Gesetzentwurf auch nur ein einziges Mal erwähnt wird. Auch im so genannten Werbebeirat findet man die Ökowinzer und -winzerinnen nicht vertreten. Herr Kollege Hartmann, das Reinheitsgebot, das Sie einfordern, haben die Ökowinzer im Übrigen. Ich halte es für eine Schande, dass im ersten Gesetzentwurf, der uns hier nach den ganzen Debatten über BSE und Ökologisierung der Landwirtschaft vorgelegt wird, das Wort Öko überhaupt nicht vorkommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, dafür zu sorgen, dass die Werbekasse der Winzer gut gefüllt ist. Werte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie haben dieses Ansinnen schon einmal zurückgewiesen. Ich appelliere an Sie: Kehren Sie zur marktwirtschaftlichen Vernunft zurück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mir liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Im Ein

vernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Das ist der Fall. So beschlossen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 4 e

Gesetzentwurf der Staatsregierung

eines Dritten Gesetzes über weitere Maßnahmen zur Verwaltungsreform in Bayern (Drittes Verwaltungs- reformgesetz – 3. VwReformG) (Drucksache 14/6481)

Erste Lesung –

Der Gesetzentwurf wird von Seiten der Staatsregierung nicht begründet. Gibt es dazu Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Im Einvernehmen mit dem Ältestenrat schlage ich vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann so beschlossen.

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Tagesordnungspunkt 4 f

Gesetzentwurf der Abgeordneten Prof. Dr. Gantzer, Dr. Jung, Narnhammer und anderer (SPD)

zur Änderung des Polizeiaufgabengesetzes und des Bayerischen Datenschutzgesetzes (Drucksache 14/6498)

Erste Lesung –

Tagesordnungspunkt 4 g

Gesetzentwurf der Abgeordneten Glück, Herrmann, Dr. Kempfler und anderer und Fraktion (CSU)

zur Änderung des Gesetzes über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) (Drucksache 14/6505)

Erste Lesung –

Werden die Gesetzentwürfe von Seiten der Antragsteller begründet? – Herr Kollege Herrmann.

(Herrmann (CSU): Ich weiß nicht, wo die Kollegen von der SPD sind! – Frau Steiger (SPD): Das ist nicht Ihre Sorge, machen Sie sich darüber mal keine Gedanken!)

Sie haben zehn Minuten Zeit für die Begründung.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die CSU-Fraktion bringt heute einen Gesetzentwurf mit dem Ziel ein, Videoaufnahmen auf öffentlichen Plätzen klar zu regeln. Seit dem 1. Juni vergangenen Jahres führt die Polizeidirektion Regensburg einen Modellversuch durch. Videokameras, die dort schon

lange von den städtischen Verkehrsbetrieben aus rein verkehrsbetrieblichen Gründen an öffentlichen Straßen und Plätzen installiert waren, werden nun zugleich zur polizeilichen Gefahrenabwehr genutzt. Bei diesem Modellversuch ist die Wahl auf Regensburg deswegen gefallen, weil diese Stadt schon länger eine überdurchschnittlich hohe Straßenkriminalität aufwies und es sich aufgrund der schon vorhandenen Videokameras anbot, den Versuch ohne große zusätzlichen Investitionen durchzuführen. Die erste, sehr positive Zwischenbilanz zeigt, dass es dort zu einem Rückgang der Kriminalität gekommen ist und gleichzeitig verschiedene Vorkommnisse von der Polizei wesentlich besser aufgeklärt werden konnten. Die Polizei konnte bei verschiedenen Ordnungswidrigkeiten und zum Beispiel bei Schlägereien schneller eingreifen, weil die Polizeieinsatzzentrale das Geschehen auf diesen Plätzen unmittelbar beobachtete.

Es hat sich auch gezeigt, dass die Liveübertragung von diesen Plätzen in die Polizeieinsatzzentrale allein auf die Dauer ungenügend ist, weil sich die Polizeieinsatzzentrale des Öfteren auf andere Vorkommnisse in der Stadt konzentrieren muss, zum Beispiel dann, wenn plötzlich ein Brand ausbricht oder ein Unglücksfall eintritt, so dass die Mitarbeiter dort keine Zeit haben, die Videoübertragungen zu beobachten. In diesen Fällen ist es dann notwendig und sinnvoll, die Übertragungen auf Band aufzuzeichnen. Wenn zum Beispiel am nächsten Tag jemand Anzeige wegen eines Überfalls erstattet, ist es für die Bürger schwer verständlich, wenn es dann heißt, der Leiter hatte gerade zu diesem Zeitpunkt den Monitor nicht im Blick und konnte nicht beobachten, was da geschehen ist.

Es ist das Simpelste, dass solche Videoübertragungen aufgezeichnet werden und gegebenenfalls für nachträgliche Anzeigen, zur Beobachtung durch die Polizei und zur Beweisauswertung zur Verfügung stehen.

Daher ist es klar, dass wir gleichzeitig eine Regelung für die Speicherung der Daten und die Frage, wann die Daten wieder gelöscht werden, brauchen. Normalerweise sind wir in Bayern bei Fragen der inneren Sicherheit immer an der Spitze. In diesem Falle gibt es aber ausnahmsweise schon fünf andere Länder der Bundesrepublik Deutschland, die entsprechende gesetzliche Regelungen erlassen haben. Diese sind in den Detailregelungen, zum Beispiel, was die Orte und die Bedingungen der Videoaufzeichnungen betrifft, unterschiedlich. Weil in den letzten Tagen die Kritik des Datenschutzbeauftragten in der Öffentlichkeit einige Aufmerksamkeit erregt hat, will ich heute nur einmal auf die Löschung der Aufzeichnungen eingehen. In Baden-Württemberg gibt es ein Gesetz, welches eine Frist von 48 Stunden zur Löschung vorsieht. Im Saarland beträgt die Frist zwei Wochen, in Brandenburg einen Monat, in Sachsen zwei Monate und in Hessen ebenfalls zwei Monate. Zwei Monate sind auch die Regelung, die wir in unserem Gesetzentwurf vorschlagen.

Der hessische Datenschutzbeauftragte hat die dortige Regelung, nach der die Löschung nach zwei Monaten zu erfolgen hat, als vorbildlich bezeichnet. Daher kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wieso der bayerische Datenschutzbeauftragte genau die gleiche Regelung in

Bayern als völlig unvertretbar bezeichnet. Ich muss ehrlich sagen, dass ich sowieso nicht den großen qualitativen, datenschutztechnischen Unterschied zwischen der Löschung einer Videokassette nach zwei Wochen, wie sie der Datenschutzbeauftragte vorschlägt, oder nach zwei Monaten, worüber man sich sicher streiten kann und in den Ausschüssen diskutieren wird, nicht nachvollziehen. In diesen unterschiedlichen Bestimmungen datenschutzrechliche Welten zu sehen, ist mir unverständlich. Ich hoffe, dass wir diese Fragen noch weiter in den Ausschüssen diskutieren können. Ich habe mit Freude vernommen, dass Herr Kollege Dr. Jung seitens der SPD-Fraktion erklärt hat, die SPD-Fraktion werde aufgeschlossen und offen in die Diskussion gehen, und seine Hoffnung ausgedrückt hat, dass wir zu einem gemeinsamen Ergebnis kämen. Wir von der CSU-Fraktion sind auch offen dafür. In diesem Sinne erwarte ich interessante Ausschussberatungen.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt fünf Minuten pro Fraktion. Bitte, Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Besser hätte eine Regie diese Tagesordnungspunkte, die wir jetzt diskutieren bzw. diskutiert haben, nicht zusammenführen können. Ich stelle Ihren Gesetzentwurf über die Videoüberwachung dem vorletzten Tagesordnungspunkt über das Informationsfreiheitsgesetz gegenüber. Da haben wir die gläserne Verwaltung gefordert, die Sie vehement ablehnen, und jetzt fordern Sie den gläsernen Bürger.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was in Ihrem Gesetzentwurf steht, ist Gedankengut des absolutistischen Staates. Wir werden bei diesem Gesetzentwurf wirklich Verhandlungsbedarf haben. Sie wollen den Bürger als Untertan, und das Gegenteil ist für Sie ein Schreckgespenst. Ich stelle das, was zum Informationsfreiheitsgesetz gesagt wurde, dem gegenüber, was Herr Kollege Herrmann gesagt hat. Ich habe ein äußerst ungutes Gefühl. Sie hätten es gleich so lassen und überhaupt kein Gesetz einreichen sollen, denn das, was Sie jetzt vorlegen, ist nur ein Schamschutz für das, was Sie vorhaben.

Der Bürger hat grundsätzlich das Recht, vom Staat in Ruhe gelassen zu werden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ergibt sich aus dem Grundgesetz und allen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts. Das ist ein feststehender Satz des Bundesverfassungsgerichts. Die Videoüberwachung ist aber ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darüber gibt es keine Diskussion. Wenn Sie in die persönlichen Freiheitsrechte des Bürgers eingreifen, dann müssen Sie das mit einer Rechtsgrundlage tun, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt. Genau das ist aber bei Ihrem Gesetzentwurf nicht der Fall. Ihr Entwurf, meine Damen und Herren der CSU, ist ein maßloser Entwurf. Sie überschreiten tatsächlich Grenzen der Verfassung. Das ist „Big Brother“ pur. 1960 hat mir das Buch „1984“ Grauen eingejagt. Was Sie vorschlagen, ist „1984“.

Ich bedaure, dass Sie nicht den Bericht, den wir in unserem Antrag gefordert haben, abgewartet haben. Dann hätten Sie vielleicht andere Grundlagen gehabt. Es hat nämlich in England, das Videoüberwachungen großflächig durchführt, Studien gegeben, und zwar in Newcastle, Birmingham, King’s Lynn, Airdrie, Glasgow und Doncaster.

Alle Studien kommen zu dem Ergebnis, dass es nur Verlagerungseffekte gibt und kein Effekt auf die Kriminalität im Stadtzentrum festgestellt werden kann. Es gibt eine deutsche Studie, die besagt, dass die Überwachung von einzelnen Straßen und Plätzen nur zu Verdrängungen führt, zu mehr nicht. Je länger wir die Überwachung haben, umso weniger Wirkung zeigt sie.

Sie haben die Videoüberwachung noch nicht einmal wissenschaftlich untersuchen lassen. Wir haben die Grundlagen, die ich genannt habe, überhaupt nicht diskutieren können. Deswegen, Herr Kollege Herrmann, reicht es nicht, wenn Sie auf die ähnlichen Gesetze in Deutschland verweisen. Diese Gesetze sind völlig anders, und sie entsprechen den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes. Darauf haben Herr Kollege Dr. Jung und ich uns bezogen. Was Sie machen, das ist die Herstellung einer Zweiklassengesellschaft. Der eine Teil wird mit Video überwacht, der andere Teil nicht. Genau das ist falsch, denn alle wissenschafftlichen Erkenntnisse besagen, dass Videoüberwachung – wenn überhaupt – nur in Einzelfällen an ganz bestimmten Plätzen und verfassungsrechtlich abgesichert sinnvoll ist. Sie von der CSU tun so, als ob ein Gesetz das rechtfertigen könnte, was Sie bis jetzt schon getan haben. Mit dem, was Sie in Regensburg getan haben, und mit diesem Gesetzentwurf bewegen wir uns im rechtsfreien Raum. Den rechtsfreien Raum, den Sie immer bekämpfen wollen, stellen Sie mit diesem Gesetzentwurf her. Diesem Gesetzentwurf können wir nicht folgen.

(Hofmann (CSU): In zwei Jahren stellen Sie fest, dass wir Recht gehabt haben!)