Protocol of the Session on May 8, 2001

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Ums Wort hat Herr Kollege Stockinger gebeten.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Persönlich und im Namen der Kollegen Adolf Beck, Gerhard Eck, Petra Guttenberger, Heinz Hausmann, Rudi Klinger, Herbert Mirbeth, Dr. Helmut Müller, Johann Neumeier, Eduard Nöth, Franz Pienßel, Franz Pschierer, Sepp Ranner, Heinrich Rudrof und Max Strehle gebe ich gemäß § 139 Absatz 2 folgende Erklärung zur Abstimmung ab:

Mit dem Volksentscheid vom Februar 1998 wurde die Reduzierung des Bayerischen Landtags auf 180 Abgeordnete beschlossen. Angesichts der von anderen Gruppen vehement vertretenen Reduzierung auf 160 Abgeordnete, wie zum Beispiel vom Bund der Steuerzahler, oder gar nur 104 Abgeordnete, wie beispielsweise von den Freien Wählern, ist dies eine Größenordnung, die der notwendigen Präsenz der Parlamentarier noch weit besser gerecht wird.

Für viele von uns wäre es gerade aus diesem Grund richtiger gewesen, die Zahl der Stimmkreise nicht zu reduzieren. Da aber die Oppositionsparteien die hälftige Reduzierung von Stimmkreisen und Listenmandaten verlangt haben, konnte dies nicht zum Volksentscheid vorgeschlagen werden.

Das Ergebnis der Beratungen mit dem soeben beschlossenen Gesetz entspricht in einzelnen Fragen nicht dem, was wir für richtig gehalten hätten. Wir haben aber dem Gesetzentwurf trotzdem zugestimmt, weil in einer Güterabwägung, wie wir sie als Abgeordnete häufiger treffen müssen, das Gesamtergebnis nicht in Frage gestellt werden soll.

Darüber hinaus wollten wir damit auch nicht indirekt die Position der SPD einnehmen, die diese Reduzierung des Parlaments zwar mit beschlossen hat, nun aber ohne konkretes Konzept und in einer vor Ort häufig polemisch widersprüchlichen Diskussion und mit sehr destruktivem Verhalten den Eindruck erweckt hat, dass sie mit dem ganzen Vorhaben nichts zu tun hätte. Davon distanzieren wir uns nachdrücklich.

Außerdem, meine Damen und Herren, hat das Volk selbst die Verfassungsänderung durch Volksentscheid angenommen, und diese Entscheidung haben wir als Vertreter des Volkes zu akzeptieren.

(Beifall bei der CSU )

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die nächste Erklärung möchte Herr Dr. Wilhelm abgeben.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe gegen das Gesetz gestimmt, weil ich bei der Regelung über die Münchner Stimmkreise erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken habe, und zwar in zwei Punkten.

Erstens. Die Regelung verstößt nach meiner Einschätzung gegen den Gleichheitsgrundsatz in der Ausprägung der Wahlgleichheit. Das bedeutet: Jede Wählerstimme soll grundsätzlich den gleichen Erfolgswert haben,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

das heißt, die Stimmkreise etwa in Oberbayern sollen möglichst gleich groß sein.

Dies geht natürlich in der Praxis nicht lupenrein. Aber der Gesetzgeber kann, wenn er nur die 15-Prozent-Grenze beachtet, durchaus nicht machen, was er will, sondern

muss grundsätzlich nach Möglichkeit annähernd gleiche Stimmkreise schaffen. Dieser Grundsatz ist in München deshalb nicht eingehalten, weil die Summe der Abweichungen vom oberbayerischen Durchschnitt in dem beschlossenen Gesetz fast doppelt so hoch ist, wie sie sein könnte und wie es beispielsweise der Entwurf des Münchener Kreisverwaltungsreferats zeigt.

Der zweite Grund meiner Bedenken ist der Gesichtspunkt des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes in der Form des Verbots einer willkürlichen Regelung. Eine solche könnte darin liegen, dass das beschlossene Gesetz in sechs von acht Münchener Stimmkreisen Stadtbezirke durchschneidet. Dieses Vorgehen entspricht nicht der ständigen Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach die in einem Stimmkreis repräsentierte Bevölkerung nach örtlichen, historischen, wirtschaftlichen, kulturellen und ähnlichen Gesichtspunkten eine zusammengehörige Einheit sein soll. Das Verfassungsgericht will auf diese Weise eine Bindung und ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen den Wählern und dem Abgeordneten erreichen. Es kommt auf gewachsene Strukturen an. Das können die heutigen Münchener Stadtbezirke sein. Das können aber auch frühere Stadtviertel sein, die heute in einem größeren Stadtbezirk aufgegangen sind, wie etwa Forstenried oder Thalkirchen.

Wie Kollege Dr. Bernhard treffend ausgeführt hat, dürfen zwar Stadtbezirksgrenzen – anders als Gemeindegrenzen – grundsätzlich durchschnitten werden, wenn es sachlich nötig ist. Aber, und dies ist der springende Punkt, das Willkürverbot greift hier sehr schnell: Wenn man das Naheliegende, nämlich die gewachsene Struktur zugrunde zu legen, nicht tut, und wenn man für das Fernerliegende, das man tut, keine durchschlagenden Gründe hat. Solche Gründe sind hier kaum erkennbar. Bei zwei von drei Stadtbezirken meines Stimmkreises, nämlich Laim und Neuhausen-Nymphenburg, wird auf gewachsene Strukturen keine Rücksicht genommen. Deshalb haben die Bezirksausschüsse dieser zwei Stadtbezirke die nun von uns beschlossene Regelung einstimmig abgelehnt.

Gegen diese Pläne bestehen deshalb verfassungsrechtliche Bedenken, weil München auch ohne jede Zerschlagung von Stadtbezirken, noch dazu mit einem höheren Erfolgswert der einzelnen Wählerstimme, wie oben dargelegt, zu einer vernünftigen Regelung kommen könnte. Dies wird durch drei in der politischen Diskussion vorgelegte Modelle bewiesen: durch den Entwurf des Münchener Kreisverwaltungsreferats, durch ein Modell der SPD, das öffentlich diskutiert wurde, und durch einen Alternativentwurf des Innenministerium selbst. Alle drei Modelle kommen ohne die Zerschlagung eines Stadtbezirks aus. Aus diesen von mir vorgetragenen verfassungsrechtlichen Gründen habe ich es nicht über das Herz gebracht, hier meiner Fraktion zu folgen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Freiherr von Redwitz möchte eine weitere Erklärung abgeben.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich möchte das abweichende Abstimmungsverhalten meines Kollegen Peterke und von mir wie folgt begründen: Erstens gründet unsere Ablehnung völlig anders als die der Opposition. Diese hat die durchaus mögliche Variante einer Umsetzung der Parlamentsverkleinerung durch Senkung der Zahl der Listenmandate und Erhalt der bestehende Stimmkreise blockiert. Zweitens möchte ich mich als Nichtjurist nicht in eine Auseinandersetzung über die Möglichkeit von verfassungswidrigem Verfassungsrecht begeben. Drittens sagt die Bayerische Verfassung eindeutig in Artikel 14 zuerst und damit dem anderen Satz vorangesetzt, jeder Landkreis und jede kreisfreie Gemeinde bilden einen Stimmkreis. Erst im nächsten Satz wird – nachgeordnet – auf den Grundsatz der Wahlgleichheit hingewiesen. Viertens wird, wie Landtagspräsident Böhm eben erwähnt hat, nach dem Beschluss dieses Gesetzes nur noch ein Drittel der Landkreise diesem Verfassungsgrundsatz entsprechen. Das entspricht meines Erachtens und nach Meinung des Kollegen Peterke weder dem Sinn noch dem Willen der Verfassung. Deshalb wird unseres Erachtens das Gesetz keinen Bestand haben oder eine kommunale Gebietsreform präjudizieren. Beidem wollen wir keinen Vorschub leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Bevor wir in der Tagesordnung fortfahren, gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung zum Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 14/5719, Tagesordnungspunkt 1, bekannt: Mit Ja haben 104, mit Nein haben 81 Mitglieder des Hohen Hauses gestimmt; Stimmenthaltung: 1. Damit ist das Gesetz in der zur Abstimmung gestellten Fassung des endberatenden Ausschusses für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen angenommen. Es hat den Titel: „Gesetz zur Änderung des Landeswahlgesetzes“.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Ich rufe zur gemeinsamen Beratung auf:

Tagesordnungspunkt 2

Gesetzentwurf der Abgeordneten Kellner, Dr. Runge und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

zur Änderung des Gesetzes über die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (Drucksache 14/4201)

Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Elisabeth Köhler, Kellner, Dr. Runge und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 14/5935)

und

Tagesordnungspunkt 3

Gesetzentwurf der Staatsregierung

zur Änderung des Gesetzes über die Bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (Drucksache 14/4227)

Zweite Lesung –

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Scholz, Maget und anderer (SPD) (Drucksache 14/4600)

Änderungsantrag der Abgeordneten Elisabeth Köhler, Kellner, Dr. Runge und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) (Drucksache 14/15936)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Die Redezeit beträgt 30 Minuten pro Fraktion. Als Erste hat Frau Kollegin Kellner das Wort.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die Novellierung des LfA-Gesetzes stand schon jahrelang im Raum. Beispielgebend dafür, wie veraltet dieses Gesetz ist, ist die Tatsache, dass bis dato immer noch ein Vertreter der Vertriebenenverbände im Verwaltungsrat war. Ansonsten sind einige Dinge sehr verkrustet gewesen und hat sich der Oberste Rechnungshof dieser Sache angenommen, weil der Staatsregierung keine Beine zu machen waren; denn die Staatsregierung neigt dazu, Strukturen ewig zu belassen und nichts zu verändern, wie wir im Bereich der Landwirtschaft sehen.

Gott sei Dank hat sich der Oberste Rechnungshof eines Tages der LfA angenommen und einen Sonderbericht erstellt, der es in sich hatte. Darin wurde der Staatsregierung der Kopf ordentlich gewaschen und ihr Beine gemacht. Der Bericht hat sogar dazu geführt, dass unmittelbar danach Finanzminister Prof. Dr. Faltlhauser und Wirtschaftsminister Dr. Wiesheu eilends eine Pressekonferenz einberufen haben, in der Sie, Herr Prof. Dr. Faltlhauser, meines Erachtens vollkommen inadäquat über den Obersten Rechnungshof hergefallen sind, nur weil dieser seine Pflicht tat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn Sie ehrlich gewesen wären, hätten Sie zugegeben, dass der Oberste Rechnungshof in allen Dingen Recht hatte und Dinge anmahnte, bei denen Sie sich selbst nicht getraut haben, obwohl Sie als Minister für die LfA zuständig sind und die LfA bis zum In-Kraft-Treten dieser Gesetzesnovelle Ihnen gegenüber weisungsgebunden ist. Doch nicht nur der Oberste Rechnungshof, sondern auch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, das diverse Dinge beanstandet hatte, hat Ihnen Beine gemacht.

Die Hauptsache war, dass die LfA nicht als nachgeordnete Behörde des Finanzministeriums geführt werden kann.

Als dieser Sonderbericht im Haushaltsausschuss – wiederum ziemlich hitzig – debattiert wurde, haben Sie, Herr Staatsminister, angekündigt – das war im März 2000 –, dass Sie demnächst einen Gesetzentwurf einreichen würden. Ich habe ein bisschen zugewartet. Als nichts gekommen ist, musste ich Ihnen Beine machen.

(Dr. Bernhard (CSU): Ach, Emma!)

Ich habe dann meinerseits einen Gesetzentwurf eingereicht, selbstverständlich zusammen mit meiner Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Dr. Bernhard, in diesen Gesetzentwurf konnten wir gleich Erfahrungen, die wir im LWS-Untersuchungsausschuss gewonnen hatten, einarbeiten. Herr Kollege Dr. Bernhard, Sie haben uns dann aufgrund Ihrer Erfahrung als Ausschussvorsitzender des Untersuchungsausschusses zumindest in einem Punkt unterstützt.

Kolleginnen und Kollegen, kurz und bündig: Was wird und muss in diesem Gesetzentwurf geändert werden? Wir vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind der Auffassung, dass die Aufgaben der LfA präzise gefasst werden müssen, speziell die Förderung von Umweltstrukturen und die Förderung von klein- und mittelständischen Unternehmen. Kompetenzen und Verantwortung müssen klar geregelt werden, zum Beispiel auch dieser berühmte § 6, Anweisung durch das Finanzministerium. Die Kontrollmöglichkeiten des Parlaments müssen gestärkt werden, wozu wir gerne einen jährlichen Bericht der LfA im Gesetz gehabt hätten. Leider haben Sie das nicht übernommen.