Protocol of the Session on April 5, 2001

Wir wollen eine tragfähige Grundlage für parlamentarische Beratungen. Wir wollen im Nachtragshaushalt Eckpunkte der Bildungspolitik berücksichtigt haben. Es geht um den Ausgleich des Unterrichtsausfalls, den Aufbau eines flächendeckenden Angebots an Ganztagsschulen und die Einstellung zusätzlicher Lehrerinnen und Lehrer sowie pädagogischer Fachkräfte zum Schuljahr 2001/2002. Die SPD verlangt Qualität beim vorsorgenden Verbraucherschutz, bei der nachhaltigen Landwirtschaft und bei der Erziehung, Bildung und Betreuung unserer Kinder. Aufmerksamkeit nicht nur für Rinder, sondern für Rinder und Kinder, das ist unsere Forderung.

(Beifall bei der SPD)

Nächster Redner ist Herr Kollege Dr. Gröber.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede unmittelbar an meine Vorrednerin, Frau Biedefeld, richten. Frau Biedefeld, ich nehme an, Sie haben Verständnis dafür, dass ich Ihrer Rede nicht applaudieren konnte. Man konnte diese Rede nicht unter dem Aspekt verstehen, dass wir dem Verbraucher in Zukunft gemeinsam Sicherheit geben wollen. Dass Sie sich zu Wort melden, war von vornherein klar, denn wir haben in der Zeitung gelesen, dass Sie die künftige Ute Vogt Bayerns sind. Unter dieser Prämisse mussten Sie natürlich zu allem etwas und zu nichts etwas Konkretes sagen.

(Beifall bei der CSU)

Ich glaube, dass Sie mit Ihrem Beitrag bereits den Einstieg, eine solche Lichtgestalt zu werden, gründlich verpasst haben. Ich denke, mit Rundumschlägen und allgemeinen Verunglimpfungen ist letztlich niemandem gedient. Sie versuchen, Ihre Vergangenheitsbewältigung, die wir schon seit Wochen im Plenum erleben, fortzusetzen, indem Sie fragen, was im Zusammenhang mit BSE wann gewesen ist und wer wann was wo gesagt hat.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist klar, dass Sie davon nichts mehr wissen wollen!)

Das kann nicht die Zukunft sein. Das haben die Bürgerinnen und Bürger in Bayern gründlich satt.

Frau Biedefeld, die persönlichen Angriffe gegenüber Staatsminister Sinner wird er anschließend selbst entkräften. Ich glaube, hier hört sich die Fairness auf. Sie haben heute überhaupt nichts Konkretes darüber gesagt, wie Sie sich einen besseren Verbraucherschutz und eine zukunftsweisende Politik in Bayern vorstellen. Sie haben von einem völlig überflüssigen Ministerium gesprochen und damit gezeigt, dass Sie von der ganzen Sache keine Ahnung haben. Sie haben Berlin als Vorbild hingestellt, wobei man nicht nur in Brüssel weiß, dass eine solche Politik, wie sie von Frau Künast betrieben wird, und eine solche Koppelung wie in ihrem Ministerium nicht zukunftsweisend sein können.

Frau Biedefeld, Sie haben erklärt, glaubwürdige Verbraucherpolitik zu machen. Sie haben der CSU Politik der Verbrauchertäuschung vorgeworfen und die Chance für eine Neuorientierung angemahnt. Sie liegen gründlich falsch, da Sie das anmahnen, aber nichts dergleichen bringen. Ich werde Ihnen sagen, was Neuorientierung heißt. Eigentlich müssten wir darüber sprechen, wie wir künftig das Ministerium gestalten und in Bayern Verbraucherpolitik machen wollen. Wir diskutieren heute über den Weg, der von der Staatsregierung durch die Einrichtung des Ministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz beschritten und vom zuständigen Minister Sinner vorbildlich näher beschrieben wurde. Das ist der richtige Weg. Er hätte in allen Bundesländern – das sollten Sie sich merken, Frau Biedefeld – schon früher beschritten werden müssen. Ich würde mich über Ihre Selbstkritik freuen, weil wir einen gemeinsamen Weg gehen und uns nicht mit Ihnen herumschlagen wollen. Dieser Weg hätte in allen Bundesländern früher beschritten werden können und müssen

(Zuruf des Abgeordneten Schläger (SPD))

und auch von der Bundesregierung, die es bis heute noch nicht kapiert hat.

(Frau Biedefeld (SPD): Bayern ist wohl schon wieder Spitze!)

Wir haben den Weg beschritten. Die anderen wollen die Notwendigkeit auch heute noch nicht einsehen. Wo der Verstand und das Verständnis fehlen, ist auch keine Hoffnung zu erwarten.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Wir haben ihn beschritten. Ich habe die Einrichtung des Staatsministeriums für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz stets vorbehaltlos unterstützt. Ich räume ein, ich hätte ihm noch einige Kompetenzen mehr aus dem klassischen Gesundheitsbereich gegeben. Darüber kann man noch lange diskutieren. Wesentlich ist – darauf kommt es an –, dass wir den einzig richtigen Weg beschritten haben, der Bevölkerung – das sind Produzenten und Verbraucher – aufzuzeigen, dass die Gesundheit von der gesunden Ernährung und allem,

was dazu führt, nicht zu trennen ist. Gesundheit, gesunde Ernährung und Verbraucherschutz sind untrennbar. Solange Sie das nicht erkennen, brauchen wir nicht über Gesundheit zu reden. Sie sagten, Gesundheit gehöre nicht dazu, sondern Umweltschutz gehöre dazu.

(Frau Radermacher (SPD): Das sagt doch kein Mensch! – Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Das ist Unfug. Lassen Sie uns unseren Weg gehen. Bis jetzt hat uns der Wähler vertraut. Er wird uns künftig noch mehr vertrauen. Er wird Ihnen für Ihre Politik bei der nächsten Wahl den Denkzettel geben.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Erfolgreiches Wirken auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes und der gesunden Ernährung ist der beste Verbraucherschutz. Verbraucherschutz darf nicht defensiv sein, sondern er muss die richtigen Wege aufzeigen. Der richtige Ansatz ist, dass grundsätzlich die Angelegenheiten des Gesundheitswesens einschließlich der Umweltmedizin, wie in Artikel 1 des Gesetzes beschrieben, Kernstück des neuen Ministeriums sind. Hierher gehört die Gesundheitsfür- und -vorsorge, oder fachlich näher determiniert: die Primär- und Sekundärprävention. Darum rede ich heute als Arzt.

Ausgerechnet der Sachverständigenrat für das Gesundheitswesen – von der SPD-Regierung berufen – stellte dieser Regierung wegen gravierender Versäumnisse in der Prävention ein schlechtes Zeugnis aus. Darüber habe ich heute von Ihnen, Frau Biedefeld, nichts gehört. Durch richtige, erfolgreiche Prävention kann man ein Viertel der Gesundheitsausgaben sparen.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Biedefeld (SPD))

Hier schließt sich bereits wieder der Kreis im Wirkungsbereich des neuen Ministeriums. Frau Biedefeld, hören Sie gut zu. Vielleicht setzt auch bei Ihnen ein Umdenkungsprozess ein. Die Kosten für ernährungsbedingte Krankheiten werden in Deutschland auf über 50 Milliarden Euro geschätzt. Ernährung und Gesundheit sind nachweislich eng miteinander verknüpft. Deshalb wird von wissenschaftlicher und ökonomischer Seite gefordert, dass die Erkenntnisse aus der Ernährungsforschung in alltägliche gesundheitsfördernde Lebensmittel umgesetzt werden. Glauben Sie nicht auch, dass unsere Kombination des neuen Ministeriums zielführend ist? Hier setzen völlig neue Wege der Forschung, der Biochemie, der Physiologie und der Biotechnologie an. Davon habe ich von Ihnen auch nichts gehört. Bei Ihnen heißt der neue Weg „Verdrängung“. Sie wollen die Zukunft nicht meistern.

61% der deutschen Bevölkerung sind übergewichtig, 20% haben ein behandlungsbedürftiges Übergewicht – ich unterscheide zwischen übergewichtig und behandlungsbedürftig. Jedes vierte Kind leidet bei der Einschulung unter behandlungsbedürftigem Übergewicht.

(Zurufe von der SPD)

Ihnen ist das vermutlich egal. Was heißt denn „Verbraucherschutz“? Dass die Leute gesund bleiben, dass sie noch gesünder werden und dass wir die Verantwortung übernehmen. Das wäre heute das Thema gewesen. Sie lachen darüber. Lachen Sie ruhig weiter!

Langzeitstudien bestätigen, dass das Übergewicht ein wesentlicher Risikofaktor für Koronarerkrankungen darstellt. Übergewicht fördert Hypertonie, Blutfetterhöhung, Diabetes mellitus, Herzinfarkt, Schlaganfall und Durchblutungsstörungen. Das interessiert Sie alles nicht. Das sind aber die volkswirtschaftlichen Probleme der Zukunft, die es zu meistern gilt.

(Zuruf des Abgeordneten Schindler (SPD))

Die Bevölkerung kauft inzwischen mehr oder weniger unbemerkt neuartige Lebensmittel, seien sie als Novelfood, Designerfood oder Funktionalfood bezeichnet.

(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das fördern Sie doch!)

Diese Entwicklung zeichnet sich ab, und es ist ihr nichts entgegenzusetzen. Wir müssen sie aber vernünftig kontrollieren und überwachen. Dazu braucht es neue Instrumente. Sie tun nichts dergleichen. Bei der Diskussion um Gewichtsreduktion muss man bedenken, dass eingesetzte Eiweiß-Nährstoffkonzentrate, hochwertiges Molkeneiweiß mit Zusatz an Vitaminen und Mineralien benötigt werden. Das ist für die, die es brauchen, Ernährung für die Zukunft. Wenn Cholesterin mit Hilfe einer entsprechenden phytöstrolesterhaltigen Margarine abgesenkt werden soll, fällt auch dieses Thema unter „gesunde Ernährung“.

Fazit: Der Übergang vom landwirtschaftlichen Primärprodukt über die Anreicherung, die Veredelung und auch die Aufschlüsselung der Nahrungsmittel bis hin zum Arzneimittel ist fließend. Schon lange gilt es, darauf eine Antwort zu finden. Wir haben sie mit dem neuen Ministerium gefunden.

(Frau Radermacher (SPD): Warum hat es so lange gedauert?)

Wir gehen davon aus, dass wir damit den Weg in die Zukunft beschritten haben. Ich halte diese Rede gern vor Ihnen, weil ich Ihnen zwei Eindrücke vermitteln möchte, die mich gestern tief beeindruckt haben. Ich nahm gestern Vormittag am Forum Lifescience in Garching teil. Von Ihnen habe ich niemanden gesehen; das passt auch nicht in Ihr Konzept. Das war ein Highlight und eine beeindruckende bayerische Standortbestimmung in den Bereichen Lebensmittelsicherheit und neuartige Lebensmittel.

(Zuruf des Abgeordneten Odenbach (SPD))

Funktionalfood, biotechnologisch gewonnene Produkte, Antioxidantien, Vitamine, Provitamine, Ballaststoffe, Pro-, Prä- und Synbiotika sind Realität und heute nicht mehr wegzudenken, auch wenn wir nicht darüber reden. Wir müssen diese Entwicklung positiv kritisch begleiten.

Wie könnten wir das anders als in der Form, wie wir das tun?

Gestern Abend nahm ich an der Besichtigung einer großen Münchner Brauerei und einer Diskussion mit der Arbeitsgemeinschaft bayerischer Ernährungswirtschaft teil.

(Frau Radermacher (SPD): War auch niemand von uns dabei?)

Das würden Sie als Problem bezeichnen.

(Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich rede auch mit Brauereien!)

Das würden Sie als Problem bezeichnen, weil Sie verdrängen, dass Bier auch ein Nahrungsmittel ist, das hochwertig und qualitativ gut sein muss. Sie wissen auch, dass unsere bayerische Ernährungswirtschaft hervorragende Leistung bringt. Bei dieser Gelegenheit wurde deutlich, welche hervorragenden Nahrungsmittel wir in Bayern haben, die mit größter Sorgfalt produziert und durch eigene Kontrollmechanismen laufend streng geprüft werden. Auch das sollten wir den Verbrauchern vorstellen. Es geht nicht um Panikmache, sondern es sollen die Schwachstellen aufgezeigt und nicht über alles geschimpft werden.

Der permanente Erhalt der Qualität ist das beste Marketingkonzept dieser Firmen. Sie verwenden deshalb darauf größte Sorgfalt. Dennoch gilt es – ich komme auf eine weitere Aufgabe – sich von allen diesen Firmen die Transparenz der Produktionsabläufe, verbunden mit Hygienemaßnahmen, aufzeigen zu lassen. Hier besteht ein enger Zusammenhang mit dem integrierten Gesundheitsmanagement in den Betrieben. Auch darauf komme ich als Aufgabe zu sprechen.

Nur gesunde, sorgfältig arbeitende und zufriedene Mitarbeiter können Produkte von dauerhafter und größter Qualität produzieren. Hier schließt sich ein weiterer Kreis, nämlich die Zusammenlegung der schon bewährten Gesundheitsprävention mit den Angelegenheiten der Ernährung, des ernährungsbezogenen Gesundheitsund Verbraucherschutzes mit den Angelegenheiten des Arbeitsschutzes – Herr Wahnschaffe wird darauf sicherlich gern eingehen – und der Gewerbeaufsicht, wie in den Paragraphen 2 und 3 des Gesetzes festgelegt.

Das macht wirklich Sinn, besonders dann, wenn wir mit einem kompetenten Beratungssystem für transparente betriebliche Abläufe und Selbstkontrollen sorgen und nicht den Typ eines arroganten, fachlich inkompetenten Johnny Controlletti in die Betriebe schicken. Hier ist die gründliche fachliche Ausbildung die „Visitenkarte“ des neuen Ministeriums, wie ich es bezeichnen möchte.

Sicherheit, Qualität und Transparenz bei der Entwicklung der Produkte, bei den Herstellungsprozessen, beim Einkauf von Rohstoffen und in der Distribution in den Betrieben führen jedoch nur dann zum Ziel, wenn das Vorfeld stimmt. Auch auf dieses Vorfeld sind Sie, Frau Biedefeld, nicht eingegangen.

Aktuelle Ereignisse zeigen aber, dass die Anforderungen an qualitätssichernde Maßnahmen im Vorfeld der Ernährungsindustrie deutlich verbessert werden müssen. Hohe Sicherheitsstandards in der landwirtschaftlichen Urproduktion, in der Futtermittelherstellung und in der Futtermittelkontrolle sind die entscheidenden Voraussetzungen für sichere Rohstoffe zur Weiterverarbeitung. Es muss doch unser gemeinsames Ziel sein, den höchstmöglichen Sicherheitsstandard beim Endprodukt zu gewährleisten. Denn dieses ist es, was der Verbraucher in die Hände bekommt. Die Ernährungsproduktion ist deshalb auch auf die Sicherheit der Vorprodukte angewiesen.

Hier hat Herr Minister Sinner in vorbildlicher Art und Weise konsequent sein künftiges Vorgehen dargelegt. Sie haben dazu überhaupt nichts gebracht. Sie haben keinen Gegenvorschlag gemacht, sondern nur geschimpft und gesagt, in Berlin werde alles besser gemacht. Aber so darf eine Partei, die vorhat, irgendwann selber die Verantwortung zu übernehmen, nicht argumentieren.

Herr Sinner ist in seiner Ausführung und in seiner Person glaubwürdig. Er wird von allen Beteiligten in ihrem ureigenen, auch existentiellen Interesse akzeptiert werden.

Die gegenwärtige Krise in der Lebensmittelsituation hat eine Schockwelle in der Bevölkerung ausgelöst. Die Schockwelle ist für alle schlimm genug: für die Produzenten und die Verbraucher. Sie darf von niemand missbraucht werden. Sie könnte ihr Gutes haben, wenn die Brüsseler Bürokraten endlich die Konsequenzen in Form eines endgültigen Tiermehlverfütterungsverbots zögen. Auch dazu habe ich von Ihnen heute nichts gehört. Wir müssen hier gemeinsam gegen diese Form der Verarschung des Verbrauchers, so will ich es einmal sagen, zu Felde ziehen. Es geht um 500000 Tonnen Tiermehl, das vermutlich verseucht ist.