Protocol of the Session on April 5, 2001

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Dies alles sind keine typisch bayerischen Probleme. Also werden wir dazu, soweit nicht schon geschehen, beim Bund und bei der EU entsprechende Gesetzesinitiativen einbringen.

Staatliche Kontrollen sind für die Lebensmittelsicherheit so notwendig wie die Eigenkontrolle. Wir müssen aber die Eigenkontrolle mit der staatlichen Kontrolle transparent vernetzen. Wir werden Kontrollen zielgenauer organisieren und auf Gefahrenschwerpunkte konzentrieren. Es gibt kein Pardon für „schwarze Schafe“. Die nötigen Gesetzesinitiativen haben wir bereits eingeleitet. Es kann nicht sein, dass einige Tierärzte und einige Landwirte den ganzen Berufsstand in Verruf bringen und damit schwerste Schäden für die bayerische Landwirtschaft verursachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Meine Damen und Herren, wir wollen dazu auch die Kompetenz der unteren Verwaltungsbehörden verstärken und haben dazu 360 zusätzliche Stellen für Veterinäre bzw. für den Bereich der Lebensmittelüberwachung vorgeschlagen – einschließlich einen neuen, flexiblen „Task-Force“ bei den Regierungen.

Kontrolle des Staates ist aber nicht die Hauptsache. Amtliche Totalkontrolle ist nicht praktikabel. Wir haben weit über 120000 Viehhalter in Bayern und rund 6000 Einzelhandelsbetriebe im Lebensmittelbereich.

Wir werden uns deshalb auf die Kontrolle der Kontrolleure konzentrieren, sowohl der staatlichen wie auch der Eigenkontrolle einschließlich einer sehr sorgfältigen

Akkreditierung und Zertifizierung von Qualitätsmanagement und Eigenkontrolle der Wirtschaft.

Wir wollen die Rückverfolgbarkeit der Produkte vom Tisch zum Tier und streben zum Beispiel die Entwicklung neuer Markierungssysteme auf der Basis einer DNARinderdatenbank an.

Unser Ziel muss ein umfassendes Qualitätssicherungssystem für Tiere und Pflanzen sein – mit einem aussagekräftigen Qualitätssiegel. Aufbauen soll es die Wirtschaft, der Staat kann es initiieren, fördern und prüfen. Nicht zuletzt soll es auch mit dem staatlichen System verknüpfbar sein.

Meine Damen und Herren, der Staat kann nicht jedes einzelne Schnitzel selber kontrollieren. Umso wichtiger ist eine möglichst hohe Prozesssicherheit, damit Gefahren von vornherein ausbleiben. Es geht um Sicherheit in Stall und Schlachthof, um verlässliche, anspruchsvolle Lebensmittelzertifikate, um eine starke, geschlossene „gläserne Lebensmittelkette“. Das ist unser Ziel.

Ich darf dazu einige Beispiele nennen. Tiermehl darf kein Futtermittel bleiben, deshalb gehört es in Zukunft vom Markt. Tiermehl, das nicht entsteht, ist die beste Risikovorsorge für Bauern und Verbraucher. Bayern hat daher tiermehlhaltige Altfuttermittel mit großem Aufwand vom Markt genommen.

Wir brauchen aber auch bei der Tierkörperverwertung neue Methoden. Deshalb unterstützen wir die Pilotarbeiten der Tierkörperverwertungsanstalt St. Erasmus. Sie hat ein Thermo-Druck-Hydrolyse-Verfahren entwickelt, mit dem sich der aufwendige Zwischenschritt der Tiermehlproduktion überspringen lässt. Dies ist die beste Risikovorsorge.

Ich verhehle aber auch nicht, dass wir in großer Besorgnis sind, ob die EU einer Verlängerung des EU-weiten Verfütterungsverbots für Tiermehl über den 30. Juni 2001 hinaus zustimmen wird. Es macht keinen Sinn, mit hohen Kosten Tiermehl einzusammeln, und ab 1. Juli ist es dann wieder zugelassen.

(Zuruf des Abgeordneten Wahnschaffe (SPD))

Ich frage auch, was die EU, was die Bundesregierung, was Herr Schröder bei seinem Freund Tony Blair unternommen hat, um die Beseitigung des in England lagernden hochinfektiösen Tiermehls zu erreichen – nach Medienberichten an die 500000 Tonnen, die nicht nach unseren Standards behandelt sind.

Die Landespolitik kann nicht im Tal Lawinen abwehren, die auf den Gipfeln von Berlin und Brüssel losgetreten werden; Lawinenschutz beginnt am Gipfel und nicht im Tal. Dies sollte gerade der Tiroler Fischler wissen.

(Beifall bei der CSU)

Mein nächstes Beispiel setzt bei den Tieren an. Wir prüfen die Einführung eines BSE-Verhaltenstests nach dem Schweizer Modell als zusätzlichen Sicherheitsfilter neben dem BSE-Schnelltest. Mit dazu gehört eine ent

sprechende flächendeckende Schulung von Tierärzten und Landwirten.

Drittes Beispiel: Schlachttechniken. In Bayern testen bereits Schlachthöfe und Metzgereien mehrere innovative Schlacht- und Zerlegetechniken zur einwandfreien Entfernung von BSE-Risikomaterial. Angeregt wird auch der Einsatz von Lasertechnik. Für diese Innovationen haben wir einen Forschungsauftrag bei der Bundesanstalt für Fleischforschung in Kulmbach initiiert. Die gültige Fleischhygiene-Verordnung sieht diese Methoden nicht vor. Wir haben bereits die Regierungen in Bayern aufgefordert, dies im Vorgriff auf zu erwartende EU-Anforderungen zu dulden. Ich habe hier eine Meldung: BSE-Risikomaterial in England entdeckt, dies gab es auch schon in Italien. BSE-Risikomaterial bedeutet ein wahnsinniges Risiko. Bei Schlampereien in Schlachthöfen stagniert der ganze Rindfleischexport aus Bayern und Deutschland. Ich habe kein Verständnis dafür, dass dies jenseits des Brenners ein italienischer Veterinär entdeckt, denn dies muss auch ein Veterinär in Wilhelmshaven sehen, ohne dass er dazu über den Brenner fahren muss. Hierbei können wir keinen Kompromiss eingehen.

(Beifall bei der CSU)

Der Staat kann und will seinen Bürgerinnen und Bürgern keine Konsum-Entscheidungen abnehmen. Aber er kann und soll ihnen dafür als Grundlage ihrer freien Entscheidung als Verbraucher unabhängige, sachlich fundierte Informationen und Beratungen anbieten. Wir nennen dies „Verbrauchersouveränität“. Dies fängt bei einer allgemein verständlichen Kennzeichnung, Deklaration und Etikettierung an. Dass nur noch promovierte Lebensmittel-Chemiker ein Etikett lesen können, geht in Zukunft nicht. Klare, objektive staatliche Informationspolitik ist ein unverzichtbares Fundament für Eigenverantwortung. Wir setzen dabei auf intensive Öffentlichkeitsarbeit. Wir fragen „Otto Normalverbraucher“ mit einem Bürgergutachten selbst, was er wirklich haben möchte und was nicht.

Wir wollen einen souveränen Verbraucher. Deshalb sind Beratung und Information unverzichtbar. Wir werden einen offenen, dauerhaften Dialog mit den Verbrauchern führen und Verbraucher und Wirtschaft mit einbinden, ohne das “Auge des Verbraucherschutzes“ zuzudrücken. Ganz oben in unserem Arbeitsprogramm steht ein dialogfähiges Informationssystem. Risiken dürfen weder aufgebauscht noch kleingeredet und auf gar keinen Fall verschwiegen werden.

Verbraucherinformation soll der Staat nicht allein machen. Frau Kollegin Hecht, einerseits fördern und binden wir selbstverständlich die nicht-staatliche Verbraucherarbeit ein. Wie ich Ihrer Pressemitteilung entnehme, haben Sie dies im Nachtragshaushalt noch nicht entdeckt. Andererseits streben wir den Ausbau der staatlichen Ernährungsberatung an.

Die BSE-Krise und die Schock-Reaktionen der Verbraucher auf sie haben uns allen deutlich gemacht, wie reformbedürftig das Gesamtsystem der Lebensmittelproduktion ist und dass wir um unbequeme Entscheidungen nicht herumkommen. Auch auf europäischer Ebene

werden neue Standards der Lebensmittelsicherheit definiert, und eine europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit wird aufgebaut. Im Übrigen hat Frau Bundesministerin Künast unseren Vorschlag übernommen, ein Bundesamt für Lebensmittelsicherheit aufzubauen.

Bäuerliche Landwirtschaft statt Agrarfabriken scheint nach den Äußerungen von Bundeskanzler Schröder die Lösung der Krise zu sein. Opfer der Krise sind wir alle als Verbraucher. Am meisten sind allerdings die Bauern betroffen. Die Bundesregierung macht es sich hier sehr leicht und stellt die große Mehrheit der Bauern pauschal an den Pranger. Dies ist die falsche Politik.

(Beifall bei der CSU – Zurufe von der SPD)

Wenn wir in Deutschland gesunde Lebensmittel wollen, brauchen wir eine leistungsfähige Landwirtschaft und Produktionsmethoden, die größtmögliche Lebensmittelsicherheit garantieren. Allein ist hier die Landwirtschaft überfordert. Eine Politik der Beliebigkeit und des Abkanzelns hilft der Landwirtschaft nicht. Wenn der Bundeskanzler bis vor kurzem noch gemeinsam mit der EU von den Bauern verlangt hat, ihre Betriebe zu vergrößern, zu rationalisieren und Weltmarkt-fit zu machen, ist seine Kritik an Agrarfabriken umso unglaubwürdiger und mehr als wohlfeil. Minister Hans Eisenmann hat in seiner Haushaltsrede von 9. Mai 1973 nach dem Verhaltensforscher Konrad Lorenz die „acht Todsünden der zivilisierten Menschheit“ zitiert:

In dem Maße, in dem der kleine Unternehmer einschließlich des Bauern existenzunfähig wird, sind wir alle ganz einfach gezwungen, uns in unserer Lebensführung den Wünschen der Großproduzenten zu fügen, die Nahrungsmittel zu fressen, die sie für uns für gut befinden; und was das Allerschlimmste ist: Wir merken kraft der uns zuteil gewordenen Konditionierung gar nicht, dass sie dies tun.

Bayern hat schon immer Politik für eine bäuerliche Landwirtschaft gemacht. Heute können wir daran anknüpfen. Unser Credo lautet: Sowohl der Biobauer als auch der konventionelle Bauer können und müssen gesunde Lebensmittel produzieren. Die Agrarfabriken, gegen die der Kanzler wettert, findet er nicht in Bayern, sondern zuerst vor seiner Haustür in Niedersachsen.

(Beifall bei der CSU)

Die Bewältigung der BSE-Folgen ist in der Tat eine nationale Aufgabe. Aber den Forderungen aller Länder zum Trotz – auch der SPD-Länder – ist der finanzielle Beitrag des Bundes dazu nach wie vor enttäuschend unzureichend. Dies ist keine Frage der Parteipolitik. Herr Kollege Hoderlein, ich wundere mich darüber, dass uns die bayerische SPD darin nicht unterstützt, diese Forderungen beim Bund zu realisieren, da Ihr Ministerpräsident Sigmar Gabriel noch am 18.02. sagte, der Bund müsse für die Altfuttermittel die vollen Kosten und 60% der zukünftigen Kosten übernehmen – Einigkeit mit allen Ministerpräsidenten!

(Beifall bei der CSU)

Haben Sie vor dem Bundeskanzler so viel Angst? Sie machen schon Männchen, wenn der Bundeskanzler den Mund spitzt, er braucht nicht einmal zu pfeifen.

(Zuruf des Abgeordneten Gartzke (SPD))

Herr Hoderlein, wenn er die Zähne bleckt, will er Sie nicht anknurren; er schaut so freundlich und dies ist für Sie vielleicht missverständlich. Aber haben Sie den Mut, uns mit dieser Forderung zu unterstützen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Künast kündigt laufend an und bleibt dann untätig. Ich wundere mich, denn die von ihr entworfene Vision einer neuen Agrarpolitik ist eine Illusion, weil sie ohne Geld handlungsunfähig ist. Dass der Eichelunter den Grasunter sticht, hat Frau Künast noch nicht gemerkt, da sie kein Schafkopf kann. Der Kanzler glänzt bei der Lösung dieser nationalen Frage durch Abwesenheit und hat das Gespräch für den 2. April abgesagt. Die Länder sind sich hier einig. Herr Kollege Gartzke, hier wäre auch Ihre Unterstützunge gefragt.

Frau Künast lässt sich in den Medien als Retterin der Agrarwirtschaft feiern. Aber ihr Kurs ist in entscheidenden Fragen ziellos und unbestimmt. Wo bleibt beispielsweise bei der Verbrennungsaktion von gesunden Rindern das „grüne Gewissen“? Früher haben die GRÜNEN die Kröten über die Straße getragen – jetzt schlucken sie jede Kröte.

(Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben das Stricken vergessen!)

Frau Künast erklärte am 18.02., sie lehne das von Fischler geplante Schlachtprogramm aus ethischen Gründen ab. Sie hat jedoch dem ersten Verbrennungsprogramm zugestimmt und gesagt: Wenn sie zu viele Eierkocher haben, werden auch diese verschrottet; ähnlich ist es bei den Rindern. Wir haben zum Tier als Mitgeschöpf eine fundamental andere Auffassung. Für uns sind Tiere keine Eierkocher, sondern Lebewesen.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Har- tenstein (fraktionslos))

Wo bleiben die konkreten Initiativen von Frau Künast gegen zu weite Schlachtviehtransporte? Wo bleiben ihre Initiativen, um die Exporterstattungsprämie von 500 DM für einen Jungbullen abzuschaffen? Ich habe Verständnis dafür, dass Herr Funke dies nicht gemacht hat, weil aus Niedersachsen 100000 Bullen exportiert wurden. Ich habe aber kein Verständnis dafür, dass Frau Künast diese alte bayerische Forderung nicht aufgreift. Wenn es jetzt eine Chance gibt, dies durchzusetzen, muss sie genutzt werden. Insofern warten wir auf die Vorschläge von Frau Künast. Ich weise deutlich darauf hin, eine Ursache für die Verbreitung von MKS in England sehen wir darin, dass in England die Anzahl der Schlachthöfe in den letzten zehn Jahren von 1400 auf 400 reduziert wurde.

Die Folge davon ist eine Flut von Tiertransporten, oft über Hunderte von Kilometern und quer durch Europa.

Zahllos sind die Fälle von Tierquälerei. Seuchenerreger fahren als blinde Passagiere mit. Unser Ziel ist der schonende Transport in ein nahes Schlachthaus nach der Devise: „Sicherheit durch Nähe – Qualität durch Nähe“. Wir wollen keine englischen Verhältnisse.

Auch für Europa muss gelten: So weit wie nötig – so nah wie möglich. Ja zum Export – allerdings Fleisch statt Tiere. Deshalb wollen wir auch den Export in Drittländer wie nach Russland. Ich wundere mich schon: Sie propagieren die Alternative „Verbrennen“ statt „Verbrauchen“. Sie greifen uns an, weil wir versuchen, nach Russland zu exportieren. Helfen Sie doch mit, dass dieses Geschäft zustande kommt. Dies nützt der bayerischen Landwirtschaft und den Verbrauchern. Dann können Sie auch wieder Ihre ethischen Bedenken ausräumen, indem Sie den Verbrauch steigern statt die Verbrennungslösung zu wählen. Sie sind aber offenbar so einfallslos, dass Ihnen außer Verbrennen nichts anderes einfällt.

(Beifall bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine Damen und Herren, wir sagen Ja auch zum Import, sofern dafür dieselben hohen Schlacht- und Gesundheitsstandards wie bei uns gelten, einschließlich BSE-Test. Der Griff zum garantiert ungetesteten Kängurufleisch ist für uns keine Alternative zum garantiert getesteten Rindfleisch.

(Beifall bei der CSU)