Protocol of the Session on March 14, 2001

Frau Ministerin.

Ich möchte zu diesem Zitat eine ganz differenzierte Bewertung abgeben. In der Welt der Sozialisten – darauf bezieht sich das Zitat – wurde der Erwerbstätigkeit der Frau der unbedingte Vorrang gegeben, um die Frau von „Herd und Kindern“ zu befreien, damit sie ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft werde. Erziehungseinrichtungen für Kinder im vorschulischen Alter waren in der DDR Orte, in denen die Kinder nach den Prinzipien der Einordnung und der Unterordnung und einer stetigen Kontrolle sowie nach einem bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Anleitungsmaterial betreut wurden. Mütter und Väter hatten in diesen Betreuungseinrichtungen keinerlei Mitbestimmungsrecht, sondern wurden mit ihren Kindern zum sozialistischen Menschenbild geführt. Nicht die emanzipative, ihr Leben und ihre Arbeit selbst bestimmende Frau, sondern die konforme, sich dem Kollektiv unterordnende Werktätige war letztendlich das von dem DDR-Alltag und vom DDR-Staat bestimmte Leitbild der sozialistischen Frau.

Nach meiner Auffassung, Frau Kollegin Schmidt, sind Mütter und Väter, völlig unabhängig, für welchen Lebensentwurf sie sich entscheiden, ob für Kinderbetreuung innerhalb der Familie oder für Kinderbetreuung außerhalb der Familie, gleich zu bewerten. Das hat Frau Kollegin Schopper gestern bestätigt. Ich setze mich für das freie Wahlrecht junger Eltern, insbesondere bei jungen Frauen ein. Um dies zu gewährleisten, muss das Familiengeld eingeführt werden, damit sich Väter und Mütter – ich hoffe, dass es in Zukunft immer mehr Väter sein werden – frei entscheiden können, ob sie das Familiengeld für die Erziehungsleistung innerhalb der Familie oder außerhalb für Betreuungsangebote verwenden.

Die rot-grüne Bundesregierung versucht mit vielen Maßnahmen, zum Beispiel mit der Budgetierung des Erziehungsgeldes, was ich schon gestern ausgeführt habe, die Frauen möglichst rasch wieder zur Berufstätigkeit zu motivieren. Ich bin der Ansicht, dass wir auf der einen Seite das Familiengeld, aber auch ein verbessertes und flexibles Angebot von Kinderbetreuungseinrichtungen brauchen, insbesondere für die Kinder unter drei Jahren und die Schulkinder, um die Wahlfreiheit junger Eltern tatsächlich gewährleisten zu können.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Schmidt.

Frau Staatsministerin, ich wollte nicht die gestrige Diskussion fortführen, sondern eine konkrete Antwort auf meine Frage. Deshalb stelle ich die Zusatzfrage: Teilen Sie die Aussage in diesem Zitat, das auf einem Kongress nicht etwa in der DDR oder in Bezug auf die ehemalige DDR, sondern an der TU München gefallen ist? Dieser Kongress stand unter der Schirmherrschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, und die Aussage wandte sich gegen die Kinderbetreuungseinrichtungen bei uns und nicht gegen die in einem nicht mehr existierenden sozialistischen Staat. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann teilen Sie diese Auffassung.

Nein, Sie haben mich nicht richtig verstanden. Ich teile diese Aussage nicht. Ich habe nur den Hintergrund – ich vermute jedenfalls den Hintergrund – dieser Aussage geschildert, nämlich die sozialistischen Verhältnisse in der DDR, denn darauf wird in dieser Aussage direkt Bezug genommen. Ich persönlich teile diese Auffassung nicht. Das wissen Sie ganz genau. Deswegen habe ich auch diese ganz persönliche Antwort gegeben. Ich selbst habe gesagt, dass man diese Aussage vor dem Hintergrund der Verhältnisse in der DDR sehen muss, weil ja auf die sozialistischen Verhältnisse Bezug genommen wird.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Auf die wird nicht Bezug genommen! – Frau Scharfenberg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nur auf Lenin! – Frau Renate Schmidt (SPD): Und Lenin war nicht in der DDR, Frau Staatsministerin!)

Ich habe von der sozialistischen Gesellschaft gesprochen. Und wo waren denn die sozialistischen Gesellschaften? Man sollte sich dieses Zitat schon genau durchlesen. Für mich war die sozialistische Gesellschaft in der DDR. Ich meine die Gesellschaftsmodelle, die dort verwirklicht worden sind. Deswegen habe ich Ihnen eine sehr differenzierte Antwort gegeben und diese auch ganz klar und exakt begründet.

Weitere Zusatzfrage: Frau Schmidt.

Haben Sie denn eine Erklärung dafür, dass der Bayerische Ministerpräsident die Schirmherrschaft

über ein internationales Symposium „Kindererziehung in Familie oder Kollektiv“ übernimmt, obwohl in der Einladung dazu zwar nicht auf die DDR Bezug genommen, aber doch gesagt wird, dass bei uns unbewusst in diese Richtung gearbeitet wird?

Ich habe mit dem Ministerpräsidenten darüber nicht geredet. Grundsätzlich kann ich nichts dazu sagen, dass man diese Problematik insgesamt darstellt. Ich war aber nicht auf dem Kongress. Ich kenne nicht den Ablauf des Kongresses, ich kenne nicht die Vorträge des Kongresses, und deshalb halte ich die Fragen, die Sie jetzt an mich stellen, nicht für richtig. Sie müssten dann schon auf den Kongress Bezug nehmen. Sie fragen aber nur, ob die Bayerische Staatsregierung, insbesondere Familienministerin Stewens, folgender Aussage zustimmt. Ich habe schon gesagt, dass diese Aussage vor dem Hintergrund einer sozialistischen Gesellschaft einer differenzierten Bewertung bedarf. Das, was auf dieser Tagung gelaufen ist, kann nicht mein Problem sein. Ich müsste mich dann schon mit den Inhalten dieser Tagung exakt auseinandersetzen.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Oder mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten!)

Sie hätten dann auch in Ihrer Mündlichen Anfrage die Tagung dezidiert nennen müssen.

(Frau Renate Schmidt (SPD): Sie kennen die Frage doch seit gestern!)

Frau Ministerin, ich bedanke mich. Die nächsten Fragen beantwortet der Staatsminister für Gesundheit, Ernährung und Verbraucherschutz. Die erste Frage aus diesem Komplex stellt Frau Kollegin Scharfenberg.

Herr Minister, kann die Bayerische Staatsregierung ausschließen, dass bei der der Verbrennung von Tiermehl vorausgehenden Lagerung, wie sie beispielsweise derzeit in Schwandorf praktiziert wird, eine Übertragung des BSE-Erregers durch Wind oder heimisches Kleingetier vonstatten gehen kann?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Frau Kollegin Scharfenberg! Tiermehl, um welches es hier geht, wird bei 133 Grad Celsius und 3 bar Druck über 20 Minuten erhitzt. Dieses Tiermehl gilt, wenn es ohne Risikomaterial hergestellt wurde, allgemein als seuchenhygienisch unbedenklich, weil die Zahl vorhandener Prionen mindestens um den Faktor 1 000 vermindert wird. Wenn bei diesem Tiermehl allerdings spezielles Risikomaterial wie zum Beispiel Gehirn oder Rückenmark verarbeitet wird, kann eine Restinfektiosität nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund ist für Tiermehl mit speziellem Risikomaterial eine endgültige unschädliche Beseitigung durch Verbrennen vorgeschrieben.

Die Verbrennung kann nicht in den Tierkörperbeseitigungsanstalten erfolgen, in welchen das Tiermehl hergestellt wird, weil dort keine Einrichtungen zur Verbrennung zur Verfügung stehen. Wir müssen deshalb das Tiermehl in anderen thermischen Verwertungsanlagen entsorgen. Beim Transport dorthin und bei einer eventuellen Zwischenlagerung sind hygienische Grundsätze einzuhalten, die eine Gefährdung der Gesundheit von Mensch und Tier sowie eine Belastung der Umwelt ausschließen. Eine offene, nicht eingehauste Lagerung von Tiermehl ist daher nicht zulässig.

Beim Entladen von Tiermehl ist eine Staubentwicklung durch eine in den Bunker gerichtete Luftströmung und durch Verschließen nicht benötigter Tore sicherzustellen. Für Personen im Aufenthaltsbereich der Abkippstellen wird das Tragen von Schutzkleidung und Staubschutzmasken vorgeschrieben.

In der Müllverbrennungsanlage in Schwandorf erfolgt keine Zwischenlagerung von Tiermehl. Tiermehl wird in einen eingehausten Bunker abgeladen und direkt mit Greifern in die Trichter des Verbrennungsofens gefüllt. Die Luft des Bunkers wird als Verbrennungsluft in den Ofen eingesaugt. Eine Verbreitung von Tiermehl durch Wind wird somit ausgeschlossen.

Auch in dem Braunkohlekraftwerk der Firma Recon/ E.ON, wo derzeit ein Versuch zur Verbrennung von Tiermehl läuft, erfolgt keine offene Lagerung. Künftig ist ein absolut geschlossenes Transportsystem für Tiermehl beabsichtigt. Tiermehl soll direkt vom LKW auf das Kohleförderband aufgebracht und dem Brenner zugeführt werden.

Da keine länger dauernde Zwischenlagerung erfolgt, ist auch mit keinem erhöhten Schadnagerbefall zu rechnen. Nachdem die Drucksterilisation eine erhebliche Reduzierung eventuell vorhandener BSE-Erreger bewirkt und Risikomaterial im gesamten Tiermehl in stark verdünnter Form vorliegt, kann ausgeschlossen werden, dass ein Nager, der zufälligerweise naschen sollte, erkrankt. Eine Gefährdung von Mensch oder Umwelt ist somit nach unserem Kenntnisstand auszuschließen.

Zusatzfrage: Frau Scharfenberg.

Herr Minister, habe ich mir das praktisch so vorzustellen, dass der LKW mit dem Tiermehl vorfährt, und dass das ganze Material abgesaugt wird und gleich in die Ofenlinie kommt, wo es verbrannt wird?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Verkürzt dargestellt ist es wohl so. Das Material wird nicht zwischengelagert.

Eine bestimmte Definition von Zwischenlagerung gibt es auch nicht? Oder gilt eine Zwischenlagerung erst ab einem bis zwei Tage oder ab einer bis zwei Wochen?

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Wenn das Verfahren so erfolgt, wie es eben beschrieben wurde, wird das Material weder ein oder zwei Tage gelagert. Es wird sofort umgeschlagen.

Die nächste Frage stellt Frau Kollegin Lück.

Herr Minister, ich frage die Staatsregierung, welche Vorschläge sie hinsichtlich der einzurichtenden Behörde für Nahrungsmittelsicherheit auf EU-Ebene machen will, welche bayerischen Anstalten in diese Behörde mit einbezogen werden sollen und welche Vorschläge bereits erarbeitet worden sind.

Herr Minister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Diese Lebensmittelbehörde, von der Sie sprechen, ist Gegenstand des Weißbuches über Lebensmittelsicherheit vom 12. Januar 2000. Die EU beabsichtigt, diese Behörde bis zum Jahr 2002 zu errichten. Es handelt sich insofern um einen Vorschlag der Europäischen Kommission, der zur Zeit im Bundesrat beraten wird. Wir wollen eine klare Kompetenzabgrenzung im Sinne der Subsidiarität. Wir wollen, dass dieser Behörde keine Aufgaben des Risikomanagements übertragen werden. Diese Funktion muss nach unserer Auffassung bei den Mitgliedstaaten bzw. bei der Kommission verbleiben. Dies gilt zum Beispiel auch für Schnellwarnsysteme für Lebensmittel und Futtermittel.

Natürlich planen wir nicht, bayerische Behörden oder Anstalten organisatorisch in diese europäische Behörde einzugliedern. Wir wollen mit dieser Behörde zusammenarbeiten. Wenn Sie das Weißbuch gelesen haben, wissen Sie auch, dass ein Netzwerk beabsichtigt ist, an dem auch deutsche und bayerische Behörden beteiligt werden sollen. Ein Informationsaustausch und ein Datenaustausch sind also vorgesehen. Ich selbst habe bei meinem Besuch bei Verbraucherschutzkommissar Byrne in Brüssel diese Frage angesprochen. Ich glaube, wir können mit dieser Behörde gut zusammenarbeiten. Sie soll vor allen Dingen sicherstellen, dass in allen Staaten der Europäischen Gemeinschaft ein einheitlicher Vollzug erfolgt.

Zusatzfrage: Frau Kollegin Lück.

Sind Sie also nicht der Meinung, dass die EU bzw. diese neu zu schaffende Behörde in Absprache mit den Behörden, die bei uns errichtet werden sollen, eine Eingreifkompetenz erhält? Wir haben auch schon über die Frage diskutiert, inwieweit unsere wirklich gut ausgestatteten Überwachungsorgane in diese Behörde und nicht nur in ein loses Netzwerk besser eingebunden werden können.

Das waren jetzt zwei Fragen, Herr Staatsminister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Es geht hier um ein Netzwerk zum Erfahrungsaustausch. Auch wir achten darauf, dass bei dem für Bayern geplanten Landesamt für Lebensmittelsicherheit keine Vollzugsaufgaben angesiedelt werden.

Vollzug wird bei den Regierungen und bei den Landratsämtern sein. Auf der Ebene des Landesamtes und des Ministeriums findet die Zusammenarbeit statt.

Wenn wir im eigenen Land schon diese klare Trennung haben, die sich auch bewährt, weil das mit Bescheiden verbunden ist, wäre es natürlich um so absurder, wenn wir das auf europäischer Ebene ganz nach oben verlagern würden. Was ich aber zusichern kann und woran wir auch großes Interesse haben, ist, mit dieser Behörde gut zusammenzuarbeiten und auch beim Aufbau unseres Landesamtes in etwa auf das Rücksicht zu nehmen, was dort passiert.

Ich kann mir da die Bemerkung nicht verkneifen, dass das Modell unseres Ministeriums exakt dem entspricht, was die Brüsseler machen. Kommissar Byrne war hoch erfreut darüber, dass wir in Bayern die Brüsseler Lösung haben, während im Berliner Modell eine ganz andere Lösung kreiert wurde, die Interessenkollisionen nicht vermeidet.

Letzte Zusatzfrage: Frau Kollegin Lück.

Da mir ein Kommentar nicht erlaubt ist, kann ich darauf nicht eingehen. Meine letzte Frage ist: Glauben Sie, dass bei uns in Bayern die personelle Ausstattung auf der Eingreifebene ausreicht?

Herr Minister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Wie Sie dem 600-Millionen-DM-Programm entnehmen konnten, stellen wir in den verschiedensten Bereichen 360 neue Kontrolleure ein, wobei ich sehr deutlich mache, dass es sich dabei nicht um Kontrolleure handelt, die den Bauern auf die Nerven gehen sollen, sondern es ist im Grunde genommen ein Firewall-System, das den Bauern und den Verbraucher vor Eingriffen schützt, die von außen kommen. Um ein Beispiel zu nennen: Die MKS-Erkrankungen in Großbritannien sind zurückzuführen auf Speiseabfälle aus Ostasien. Die englischen Landwirte und Verbraucher sind diesem Einbruch hilflos ausgeliefert. Diesbezüglich sind, glaube ich, ganz massive Kontrollsysteme notwendig, um solche Einbrüche zu verhindern. Dazu dienen im Wesentlichen auch die Kontrolleure, die wir hier neu einstellen.

Die nächste Frage stellt Herr Kollege Irlinger. Ich hoffe, der Minister ist der richtige Adressat, denn ich sehe, dass in dieser Frage viel von Kindergärten die Rede ist.

Das ist auch meine Frage gewesen. Ich habe gehört, dass Herr Minister Sinner antwortet, weil es

um Prävention geht. Wir müssen alle noch lernen, merke ich. Wir haben ein neues Ministerium und dort geht es um Prävention. Ich denke, wir werden auch in der Antwort hören, warum das dort gelandet ist.

Herr Staatsminister, wie werden Modellversuche von Kindergärten, Kindertagesstätten oder Kinderhorten im Rahmen des Projektes „Spielzeugfreier Kindergarten“ bewertet? Hat es beispielsweise staatliche Förderungen gegeben oder gibt es diese noch und werden oder wurden diese Modellversuche durch Fortbildungen und Studien begleitet?

Herr Minister.

Staatsminister Sinner (Verbraucherschutzministe- rium) : Ich habe Ihrem Mienenspiel angesehen, dass Sie sehr erstaunt waren, mich als Antwortgeber bei dieser Frage vorzufinden.