Protocol of the Session on March 14, 2001

Landwirtschaft eine Chance. Herr Minister Miller, ich hoffe, dass Sie tatsächlich der Auffassung sind, dass hierzu alle Kräfte unserer Gesellschaft konstruktiv zusammenarbeiten müssen. Momentan ist der Minister leider nicht da. Deshalb fordere ich die CSU und den Landwirtschaftsminister auf, unsere Vorstellungen und Vorschläge tatsächlich konstruktiv einzubeziehen. Wenn der Minister dies in der Vergangenheit schon getan hätte, wären wir heute weiter. Wir verweigern uns dieser Zusammenarbeit nicht. Ich hoffe, dass sich auch die CSU nicht verweigern wird.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Ranner.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Man hat die Kuh zur Sau gemacht. Die Kuh, die uns Menschen über Jahrhunderte begleitet und versorgt hat, wird nun auf den Scheiterhaufen gebracht. Mit dieser Ist-Situation müssen wir uns über alle Parteigrenzen hinweg auseinander setzen. Derzeit befleißigen sich viele, Schuldzuweisungen auszutauschen und mit dem Wissensstand von heute die Situation von vorgestern zu kritisieren. Ich finde das nicht fair. Wir sollten nicht auf dieser Welle reiten.

Der EU-Agrarkommissar, Herr Fischler, sagte einmal: „Bei der Landwirtschaft kann man nicht die Bänder stillhalten.“ Die Kuh kann nicht am Abkalben oder am Milchgeben gehindert werden. Herr Professor Dr. Heißenhuber hat sich zu diesem Thema in der „Süddeutschen Zeitung“ geäußert. Er sagte, wenn die Landwirtschaft so wirtschaften würde, wie es die Bürger und Konsumenten in vielen Lippenbekenntnissen forderten, würden die Bürger der Landwirtschaft die Treue versagen. Die Bürger haben fünfzig Jahre lang Zeit gehabt, ökologisch einzukaufen. Sie hatten fünfzig Jahre lang Zeit, Eier beim Bauern zu kaufen. 98% der Verbraucher beziehen ihre Eier jedoch aus der Fabrik.

Professor Dr. Heißenhuber sagte weiter, wenn die Landwirtschaft so produzieren würde, wie das der Weltmarkt verlange, würden die Verbraucher den Bauern ebenfalls die Treue versagen. Dies ist der gordische Knoten, den wir über alle Parteigrenzen hinweg zerschlagen müssen, um Lösungen für die Landwirtschaft zu finden. Damit komme ich zum ersten Knackpunkt: Bayern ist ein Exportland und hat daher eine andere Interessenlage als Berlin. Wir sind Exporteure, während die Bundesrepublik der größte Agrarimporteur der Welt ist. Wir importieren Waren im Wert von 38 Milliarden DM.

Wir können der Landwirtschaft natürlich Auflagen zur Verbrauchersicherheit, zur Nahrungsmittelsicherheit und zur Ökologisierung machen. Allerdings sind wir ein Hochpreisland mit den höchsten Standards. Deshalb sind der Bundeskanzler und Berlin in der Pflicht, diese Auflagen bei der WTO einzufordern. Euer Kanzler ist gefordert. Er ist auch mein Kanzler, das gebe ich als Demokrat zu. Der Kanzler muss sich aufrecht hinstellen und für die Standards, die wir gemeinsam errungen

haben, eintreten. Andernfalls wäre das eine reine Rosstäuscherei.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, die SPD und die GRÜNEN wären gut beraten, in ihren Parteizentralen und bei ihren Führungsgruppen einiges durchzusetzen. Hier geht es zum Beispiel um die Abschaffung der Giftliste gegen die Bauern. Ich möchte ein paar Punkte ansprechen: Zunächst zum Thema „13 a“. In meiner Region gibt es einen Bergbauern mit der landwirtschaftlichen Vergleichszahl 6. Dieser Bauer hat 16 Kühe und muss jetzt eine Finanzbuchhaltung durchführen. Diese Regelung stammt aus Berlin. Die Mehrwertsteuer ist um 1% gekürzt worden. Die Österreicher haben die Mehrwertsteuer von 9 auf 12% erhöht. Die Opposition sollte endlich bei ihren Kameraden in Berlin Alarm schlagen.

(Beifall bei der CSU)

Ihr solltet einmal für Bayern und für die Bauern Flagge zeigen. Sie spitzen zwar die Lippen, pfeifen aber nicht.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Heute geht es um Verbraucherschutz und nicht um die Bauern!)

Lautstärke ist kein Argument. Ich komme nun zur Abschreibungsverlängerung. Auch hier handelt es sich um eine spürbare Belastung. Auch die Preise für den Diesel sind gestiegen. Geradezu grotesk ist es, dass wir in Deutschland mit 57 Pfennig die höchste Mineralölsteuer haben. Bei den Franzosen beträgt die Mineralölsteuer 5 Pfennig, bei den Dänen 0 Pfennig. Wir sollen mit dieser Mineralölsteuerbelastung in den Wettbewerb gehen. In dieser Frage sind der Kanzler und Eure Truppe gefordert. Meine Kollegen im Bayerischen Landtag von der SPD und von den GRÜNEN sind gefordert, dass in Berlin diese Forderungen geltend gemacht werden.

Ich könnte noch auf die Demontage im sozialen Bereich eingehen. Sie haben den Bauern drei Monate lang jede Hilfe für die Belastungen durch BSE verwehrt. Dann wurde eine Milliarde DM zur Verfügung gestellt. 900 Millionen DM davon werden jedoch aus dem Agraretat genommen, sodass letztlich nur 100 Millionen DM aufgewendet werden. Der Freistaat Bayern wendet hingegen 600 Millionen DM auf. Ich bezeichne es als Schande, wenn sich die große Bundesrepublik Deutschland so verhält.

(Frau Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihre Alternativfinanzierung bedeutet eine 15prozentige Haushaltssperre! – Frau Biedefeld (SPD): Mal sehen, was die vielen Anderen dazu sagen, wenn sie deswegen weniger Geld bekommen werden!)

Ich bin glücklich über eure große Zustimmung. Das zeigt mir der Lärm. Meine Damen und Herrn, ich möchte einige Fragen stellen:

Erstens. Wird beim Importfleisch künftig kontrolliert, ob den Tieren Tiermehl gefüttert wurde und ob Hormone eingesetzt wurden? Werden bei diesen Tieren BSE

Tests und System-Tests durchgeführt? Meines Wissens besteht in Norddeutschland eine bessere BSE-Lage, weil die dortigen Bauern ihre Viecher nach Holland und Belgien schicken, wo nur Stichproben und keine Systemproben durchgeführt werden. Dies erklärt, warum es in diesen Ländern besser aussieht.

Zweitens. Werden in der Fütterung Tierfette verwendet, z.B. in Spanien?

Drittens. Können wir unser Fleisch nach Nordkorea, Russland oder die Mongolei verkaufen? Ich bin stolz auf unseren bayerischen Ministerpräsidenten, der als erster gesagt hat, dass es ethisch und moralisch Unsinn wäre, Tiere zu verbrennen, bevor nicht alle Alternativlösungen ausgelotet sind. Dieser Vertrag mit Russland war eine Glanzleistung.

(Frau Biedefeld (SPD): Diese Länder nehmen das Fleisch trotzdem nicht ab! Hat der Ministerpräsident den Vertrag liegen gelassen oder warum funktioniert das nicht?)

Der Ministerpräsident hat einen Vertrag in der Hand. Dies war eine Glanzleistung unseres Ministerpräsidenten und unseres Agrarministers Josef Miller. Frau Kollegin Biedefeld, ich möchte auf Ihren Zwischenruf ganz konkret antworten: Auf die Äußerung und die Pressemeldungen des Ministerpräsidenten über den Vertrag mit den Russen ist der Rindfleischpreis spontan gestiegen. Dies war das Verdienst unseres Ministerpräsidenten und nicht von Ihrer Truppe in Berlin.

(Frau Biedefeld (SPD): Sagen Sie doch etwas zu der Lieferung nach Russland!)

Ich möchte noch einen Satz zur Betroffenheit der Bauern sagen. Wir sprechen vom Verbraucher. Damit bin ich einverstanden. Wir sprechen von Vertrauen. Auch damit bin ich einverstanden. Sie lassen aber den Bauern mehr oder weniger links liegen. Sie bürden die Risikokosten den Bauern auf. Diese Kosten belaufen sich inzwischen auf 400 DM. Ich kann das begründen: Der Test kostet 150 DM. Die Schlachtabfallbeseitigung kostet 50 DM.

Die Risikomaterialentfernung kostet zirka 100 DM, dann bin ich bei 300 DM. Eine Wertminderung entsteht noch dadurch, dass ich Innereien usw. nicht mehr wertschöpfend verarbeiten kann, sodass ich bei insgesamt 400 DM Verlust bin. Dann sagt die Bundesregierung: Nein, danke, obwohl der Freistaat finanziell in Vorlage geht, kümmern wir uns nicht darum, wir wollen uns an dieser großen Betroffenheit der Bauern nicht beteiligen. – Es ist für mich schon eine moralische Frage, ob man hier einsteigt.

Ein weiteres Thema ist der Druck und die Rufschädigung der bäuerlichen Familien. Ich besuche fast jeden Tag eine Versammlung in der Landwirtschaft. Sie können gar nicht ermessen, welcher Druck angesichts der großen Dramatik auf den bäuerlichen Familien liegt. Deshalb darf ich darum bitten, dass man hier etwas sensibler mit Vorverurteilungen und dergleichen umgeht.

(Zuruf von der SPD: Aber auch von diesem Pult aus sensibler!)

Meine Damen und Herren, vor hundert Jahren haben 60% unserer Bürger Nutzvieh gehalten, heute sind es noch 2%. An dieser Stelle möchte ich zu dem Thema „tiergerechte Haltung“ einige Gedanken äußern. Ich bin seit über 50 Jahren praktizierender Tierwirt. Was ist artgerechte Haltung? Die Antwort muss uns Weihenstephan liefern, und nicht einzelne selbst ernannte Experten, die glauben, im Bereich Tierschutz eine Spielwiese entdeckt zu haben, und das dann politisch praktisch umsetzen wollen. Das muss neutral Weihenstephan beantworten.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo gibt es denn Neutrale?)

Wir wissen, dass 70% der Fleischqualität nach der Stalltür entschieden werden. Ich habe mit meinem Kollegen Dieter Heckel ein Papier über Neigungswinkel beim Transport usw. ausgearbeitet. Darüber kann man nachdenken, da ist Handlungsbedarf; da haben wir Gedanken, die wir noch gemeinsam umsetzen müssen.

Für die artgerechte Tierhaltung haben wir das einzelbetriebliche Förderprogramm. Damit wurden in über Zehntausenden von Betrieben Stallungen gebaut: Licht, Luft, Sonne, Wasser und Futter nach Belieben. Die Kühe leben eigentlich in einem 4-Sterne-Hotel. Das ist der Kuhstall der jetzigen Standards. Das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen. Und wenn Sie das nicht glauben, kommen Sie zu mir, dann zeige ich es Ihnen.

(Abg. Starzmann (SPD): Du hast mich schon fünfmal eingeladen!)

Du kommst doch nicht zu mir.

Meine Damen und Herren, das möchte ich deutlich an die Adresse der GRÜNEN sagen: Es nutzt uns nichts, wenn wir Polizisten auf die Bauern loslassen, sondern wir brauchen Qualitätsberater, die uns Bauern wetterfest machen,

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bringts die einmal her!)

die den Bauern durchgängig beraten, bis hin zur Verbrauchersicherheit.

(Frau Biedefeld (SPD): Aber auch unabhängige Kontrollen!)

Das ist dann die Gewähr dafür. Ich weiß nicht, warum ihr euch auf der linken Seite so aufregt, wenn ich nur die Wahrheit sage.

Des Weiteren sollten Sie, die Sie vor allem von der SPD keine Bauern sind, zur Kenntnis nehmen: Unsere Viecher haben einen Namen und haben Familienanschluss, wir kennen unsere Viecher. Das ist ein Unterschied zur Agrarfabrikation in Norddeutschland, wo eure Herrschaften regieren, oder zu amerikanischen Farmen. Was die

bäuerliche Landwirtschaft hier für den Tierschutz leistet, ist enorm.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Sprinkart?

Nein, der nimmt mir nur die Zeit, schade darum.

Ein weiterer Bereich ist der GV-Besatz. Dieses Thema sollten wir einmal versachlichen, und zwar nach Standorten. Es ist ein Unterschied, ob ich eine Talgunstlage mit 1000 bis 1200 Millimeter Niederschlägen und ganz tollem Grasaufwuchs oder ob ich eine Bergregion mit nur viereinhalb Monaten Vegetationszeit oder eine Trockenregion im Fränkischen, im Rhönbereich habe. Dann muss ich schon den GV-Besatz differenzieren und nicht so, wie Sie es tun, Herr Dürr, weil es populistisch gut klingt, wie ein Oberlehrer verkaufen. Aber hier fehlt Ihnen die Kompetenz. Bei der GV-Diskussion sollten wir nicht außer Acht lassen, dass hier unsere in Bayern klein strukturierte Landwirtschaft in ihrer Existenz bedroht ist. Die kleineren Bauern sind Veredler. Den Großagrariern östlicher Prägung macht das nichts aus. Sie haben Tausende von Hektar, aber nicht unsere kleineren Wirtschaften, die über Jahrhunderte in Familienbesitz sind und deren Existenz jetzt bedroht wird. Das sollten wir genau darstellen. Die Stickstoffbilanzen sind hier aussagekräftig. In Belgien sind es 210 Kilogramm pro Hektar und in Deutschland etwa 60 Kilogramm pro Hektar. Wenn ich die Niederlande mit 280 Kilogramm pro Hektar dazu nenne, können Sie die Relation zum Tierbesatz vergleichen.

Ein weiterer Punkt ist die Bullenmast. Auch die Diskussion über die Maisprämie ist für manche ein Übungsfeld. Für den Milchviehhalter ist es ganz entscheidend, dass er sein Bullenkalb an den Bullenmäster verkaufen kann. Bei den derzeitigen Katastrophenpreisen ist es für den Bullenmäster unerlässlich, die Maisprämie zu erhalten, damit er überhaupt noch existieren kann. Über die Höhe der Maisprämie kann man diskutieren. Wenn ich also die Maisprämie streiche, gefährde ich die Rinderhaltung und damit die Erhaltung unserer Kulturlandschaft. Die stellen Sie damit in Frage.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine Maiswüste, keine Kulturlandschaft!)

Sie haben keinen Bezug dazu, aber dafür können Sie nichts.

Selbstverständlich brauchen wir einen fälschungssicheren Herkunftsnachweis. Wir praktizieren das. Wir führen jetzt über unsere Rinder Buch. Diese Buchführung ist genauer als eine Kriminellenkartei. Die kontrollierten Stoffwege – darüber brauchen wir uns gar nicht zu unterhalten – sind ein klarer Fall. Wichtig ist hierbei die Eigenverantwortung des Betroffenen. Es nützt uns nichts, wenn wir noch so viele Überwacher losschicken, es muss die Eigenverantwortung – das gilt ebenso bei Naturschutzgebieten – funktionieren. Ich bin der Meinung, wenn schon eine Produktionsbuchführung verlangt wird, ist dazu auch eine Beratung notwendig, wie

derum aus dem Bereich der Anwendungswissenschaft, aus Weihenstephan. Dazu brauchen wir Modellbetriebe und Betriebssysteme für Voll-, Zu- und Nebenerwerber, was artgerechte Tierhaltung oder GV-Besatz betrifft.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist schon lange Praxis!)

Stören Sie mich nicht; das habe ich bei Ihnen auch nicht gemacht.