Neben diesen kurzfristigen Maßnahmen brauchen wir einen grundlegenden Umbau des Systems der EU-Ausgleichszahlungen. Sie machen inzwischen 70% des EUAgrarhaushaltes aus. Die derzeitige EU-Agrarpolitik begünstigt über die Marktordnungen im Grunde immer noch die am meisten produzierenden Betriebe. Daran haben die Reform von 1992 und die Agenda 2000 nichts geändert. Es wurden nicht die Ursachen angegangen, sondern es wurde nur an den Symptomen kuriert. Dies bedeutet im Grunde eine Wettbewerbsverzerrung zugunsten der Agrarfabriken und zulasten der umweltgerechten bäuerlichen Landwirtschaft. Die Kosten für diese Fehlentwicklung haben letztlich wir alle zu tragen.
Ich frage deshalb: Wie lange noch? Wir fordern den Bund auf, die Zwischenbewertung der Agenda 2000 zum Anlass zu nehmen, sich bei der EU massiv für eine an den Grundsätzen der Nachhaltigkeit orientierte Reform des Stützungssystems einzusetzen. Die EU muss von ihrer an Preisdruck und Weltmarkt ausgerichteten Förderpraxis endlich Abschied nehmen und konsequent eine Landwirtschaft fördern, die ökonomisch und ressourcenschonend arbeitet, die den Wettbewerb nicht über mehr produzierte Menge, sondern über Qualität und Verbrauchersicherheit sucht, die die Landschaft pflegt und die Umwelt schont und die für die Wahrnehmung ihrer verschiedenen Funktionen im ländlichen Raum – für die Gesellschaft also – eine Förderung wahrlich verdient.
Ich schlage deshalb ein einfaches Modell vor, das sich an folgendem orientiert: eine einheitliche flächenbezogene Sockelförderung für standortgerechte Ackernutzung und Grünland zur Sicherung einer flächendeckenden Landbewirtschaftung. Die EU-Ausgleichszahlungen werden von der Produktion abgekoppelt und damit eine Ursache für die Überschüsse beseitigt. Darauf aufbau
end sind regional differenzierte Zuschläge erforderlich. Damit können die Belastungen durch erhöhte Standards ausgeglichen werden, die über die in der WTO abgesicherten Mindestnormen hinausgehen. An den Direktzahlungen sind die Mitgliedstaaten zu beteiligen. Das ist die Umsetzung der Kofinanzierung, die wir seit vielen Jahren fordern und ohne die eine Osterweiterung nicht gelingen wird.
Für die Entwicklung der ländlichen Räume reichen die bisherigen Fördermöglichkeiten nicht aus. Wir wollen die Vielfalt der ländlichen Kulturen in Europa bewahren und agrarindustrielle Produktionsformen zurückführen. Dies muss die Bundesregierung in die WTO-Verhandlungen einbringen und dort absichern. Da ist die Bundesregierung gefordert, und daran werden wir sie messen.
Das von mir soeben beschriebene Fördermodell würde auch eine deutliche Abkehr von der nicht mehr zu bewältigenden Bürokratie und zu einem sinnvollen Einsatz von Steuergeldern führen. Damit wird die Agrarpolitik auch für den Steuerzahler wieder einsichtig, der nicht mehr bereit ist, Überschüsse und teure Exporte zu finanzieren oder gar Fleisch zu verbrennen. Nach unserer Vorstellung gilt dagegen das Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Auch die landeskulturellen Leistungen der Bauern verdienen ihren Lohn. Ohne die Gelder, die der Markt nicht erbringt, werden unsere Bauern gerade in den von Natur benachteiligten, landschaftlich aber schönsten Gebieten ihre so wichtigen Leistungen nicht aufrechterhalten können. Wir wollen und können darauf nicht verzichten.
Gestatten Sie mir eine abschließende Bemerkung. Nachhaltigkeit und Verantwortungsbewusstsein gegenüber Erzeugern, Verbrauchern und Natur sind Schlüsselbegriffe, mit denen sich die Weiterentwicklung der Agrarpolitik in unserem Sinne kurz kennzeichnen lässt.
Dabei handeln wir nicht im luftleeren Raum. Hinter meinen Ausführungen zur Weiterentwicklung der Agrarpolitik steht ein pragmatisches Handlungskonzept, das an das geltende Recht anknüpft, an unser Programm 2000 „Leistungen für Land und Leute“, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“, die bewährten und erfolgreich zu einer umfassenden regionalen Landentwicklung ergänzten Programme der Dorferneuerung und Flurneuordnung, die Verbraucherinitiative Bayern 2001/2002, die klassischen Förderungsmaßnahmen des Landwirtschaftsförderungsgesetzes und die Förderung von Leistungen zugunsten der Umwelt. Im Mittelpunkt stehen unsere Bäuerinnen und Bauern, die all die Veränderungen in der Vergangenheit mitgetragen haben und auch künftig mittragen müssen. Wir lassen sie bei den anstehenden Veränderungen nicht allein. Die Bayerische Staatsregierung
Ich danke den Mitgliedern der CSU-Fraktion für die enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit, ebenso den Mitgliedern des Agrarausschusses unter dem Vorsitzenden Fritz Loscher-Frühwald.
Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen. Ich stehe dafür, dass die erfolgreiche Weiterentwicklung unserer Agrarpolitik gelingen wird. Dazu müssen wir aber alle konstruktiv eingestellten Kräfte in unserer Gesellschaft und in der Politik gewinnen, und wir müssen sie zusammenführen, damit diese Kräfte zusammenwirken. Wir brauchen einen offenen sachlichen Dialog zwischen Landwirtschaft, Verbrauchern und Politik, geprägt von der Verantwortung gegenüber Natur und von Solidarität.
Unsere Landwirtschaft hat Zukunft, weil sie das neue Verbraucherbewusstsein als Chance nutzt, naturnah, umwelt- und artgerecht auf der ganzen Fläche produziert und gesunde Nahrungsmittel zu angemessenen Preisen erzeugt und damit ihre Chancen auf den Märkten nutzt. Wir werden alles tun, damit dies gelingt. Wir können auf unsere Landwirtschaft nicht verzichten. Sie ist ein wichtiger Faktor in unserem Land, und sie braucht eine Zukunftsperspektive.
Ich eröffne die Aussprache. Im Ältestenrat wurde eine Gesamtredezeit von zwei Stunden vereinbart. Es entfallen davon auf die CSU-Fraktion 56 Minuten, auf die SPD-Fraktion 40 Minuten und auf die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN 24 Minuten. Als erster Redner hat Herr Kollege Starzmann das Wort.
Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine erste Bemerkung zielt auf Herrn Kollegen Maget, für dessen Kritik an der Abwesenheit des Ministerpräsidenten ich kein Verständnis habe. Der Ministerpräsident ist nämlich später gekommen. Ich habe ihn genau beobachtet und festgestellt, dass er nicht zugehört hat. Warum sollte er aber auch zuhören, wenn Staatsminister Miller eine Rede vorträgt, die Ministerpräsident Stoiber selbst geschrieben hat?
War es eine Pflichtübung oder ein Ablenkungsmanöver von der eigenen Schuld? Klug waren die Angriffe von Staatsminister Miller auf Bundeskanzler Schröder und
Unbestritten ist, dass auch diese Regierungserklärung zur Landwirtschaft in Bayern letztendlich durch die Forderung des Bundeskanzlers nach einer Wende in der Agrarpolitik verursacht ist.
Irgendwie bestimmt also der Bundeskanzler sogar die agrarpolitische Diskussion in Bayern. So ist es, und das ist gut so.
Der Bundesregierung einen Zickzackkurs vorzuwerfen, ist allerdings ziemlich unverfroren von einem Länderminister, der in seiner Regierungserklärung an einer Stelle von berechtigten Forderungen nach einer Neuausrichtung der Agrarpolitik spricht und im Titel seiner Rede nur die Weiterentwicklung nennt. Einmal heißt es: „Wir nutzen in der Krise die Chance, in unserer Agrarpolitik die Weichen neu zu stellen.“ In derselben Rede heißt es aber an anderer Stelle, dass man auf ein gutes Fundament aufbauen wolle, wobei man allerdings eingesehen hat, dass zum Beispiel die Tierhaltungssysteme und die Produktionsmethoden einem „Umstellungsprogramm unterzogen“ werden sollen. Von „weiter so“ bis zur „Neuausrichtung“ ist alles enthalten, wie es euch beliebt. Das ist die wahre Politik der Beliebigkeit, vertreten von Josef Miller.
Was ist eigentlich von einem Staatsminister für Landwirtschaft zu halten, der den Bundeskanzler mit einem Vorwurf überzieht, weil dieser gefordert hat, die deutsche Landwirtschaft müsse sich dem Wettbewerb auf dem Weltmarkt stellen? Der Landwirtschaftsminister sagt selber heute in seiner Regierungserklärung: „Deshalb müssen Rahmenbedingungen sowohl für regionale Vermarktung wie für Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der bayerischen Landwirtschaft in Europa geschaffen werden.“ Wer widerspricht sich denn da?
Herr Miller sagt hier und heute: „Exporte in- und außerhalb der EU sichern gerade den Bauern in Bayern ihr Auskommen.“ Wer widerspricht sich denn da, Herr Mehrlich?
Meine Damen und Herren, ich erwarte von der Staatsregierung keine wohlfeilen Sprüche, wie wir sie heute gehört haben, dass also die Landwirtschaft gesunde Lebensmittel zu angemessenen Preisen produziert. Ich
will wissen, wie die Staatsregierung garantiert, dass die Landwirtschaft so produzieren kann. Sie haben gesagt, die Landwirtschaft der Zukunft produziere nicht naturnah oder wirtschaftlich, sie produziere im Einklang mit der Natur und wirtschaftlich. Wer Sprüche von solcher Qualität loslässt, sollte auch sagen, wie er den Verbrauchern und den Bauern in Bayern garantieren will, dass so produziert werden kann.
Sie haben sich doch noch nicht einmal darauf geeinigt, ob Sie nun eine Neuausrichtung oder eine Weiterentwicklung der Landwirtschaft in Bayern wollen. Herr Minister, wie ist Ihre Aussage zu verstehen, dass es mit dem Wechsel von Funke auf Künast in der Bundesrepublik einen radikalen Bruch gibt? Bedauern Sie diesen Bruch oder begrüßen Sie ihn? Im ersten Fall wäre die Bundesagrarpolitik gut gewesen, im zweiten Fall würde sie erst gut werden. Sie müssen sich jetzt entscheiden. Wenn Sie es persönlich meinen, kenne ich mich ebenso wenig aus. Denn an anderer Steller Ihrer Rede zitieren Sie Funke mit dem Unterton der Zustimmung, während Ihr Ministerpräsident nach der Regierungserklärung von Frau Künast nur lobende Worte für die neue Frau gefunden hat. Also war und ist die Agrarpolitik der Bundesregierung gut.
Wer die Neuausrichtung der Agrarpolitik will, kann in Bayern eben nicht auf ein gutes Fundament aufbauen. Ihnen wurden wesentliche Teile Ihrer Kompetenzen entzogen, und zwar so viele, dass ich mich schon frage, ob ein eigenständiges Landwirtschaftsministerium in Bayern noch lange Bestand haben wird. Das sogenannte Fundament der Landwirtschaftsminister ist unverändert.
(Willi Müller (CSU): In den SPD-regierten Ländern gibt es doch schon keine Landwirtschaftsministerien mehr!)
Dieses Fundament aber wackelt und bröckelt in Bayern. Die bayerische SPD und die bayerische Bevölkerung werden froh sein, wenn es auch in Bayern einen radikalen Wandel von Miller zu – wer weiß – wem auch immer geben wird.
Vieles von dem, was Sie heute als Neuausrichtung oder auch nur als Weiterentwicklung, ein anderes Mal als Weichenstellung oder nur als gutes Fundament und wieder ein anderes Mal als Umstellung oder als Korrektur von Fehlleistungen dargestellt haben, teilen wir. Wir zweifeln aber daran, dass der alte Agrarminister für eine Neuausrichtung ein gutes Fundament sein wird.