Wir zweifeln deshalb, weil Sie Ihre persönliche Fehleinschätzung, wer auf das Zeichen „Qualität aus Bayern – garantierte Herkunft“ achte, habe die Gewissheit, absolut BSE-freies Fleisch aus heimischer Produktion zu
erhalten, nie eindeutig korrigiert haben. Wir zweifeln deshalb, weil Sie wussten, dass sich seit 1977 in rund der Hälfte aller Rinderfuttermittelproben Spuren tierischen Ursprungs fanden. Sie schwiegen dazu, statt Alarm zu schlagen. Wir zweifeln deshalb, weil Sie erst am 29. November – und das auch erst auf Anfrage durch den Bayerischen Rundfunk – mit der Wahrheit herausgerückt sind. Wir zweifeln deshalb, weil Sie die Feststellungen des Tiergesundheitsdienstes kennen mussten, dass in den letzten Jahren die Beanstandungen von Arzneimittelaufzeichnungen bei landwirtschaftlichen Betriebskontrollen stetig gestiegen sind und dass die Bereitschaft der Landwirte abnahm, diese Mängel abzustellen. Wir zweifeln deshalb, weil Sie statt zu handeln die Schuld auf andere schieben. Wer diese Probleme nicht in den Griff bekommt bzw. nicht im Griff hat, lässt daran zweifeln, ob die von ihm verkündete Weiterentwicklung wirklich zu einer ebenfalls von ihm verkündeten notwendigen Neuausrichtung der Agrarpolitik in Bayern führen wird.
Wer selbst im Glashaus sitzt, sollte vorsichtiger sein, wenn er andere kritisiert. Wer die sogenannte Modulation, die Abschöpfung von Zahlungen an Großbetriebe zugunsten von Umwelt und ökologischen Leistungen einfordert, darf die Agenda 2000 nicht kritisieren, sondern er sollte anerkennend darauf hinweisen, dass erst die Agenda 2000 solche Möglichkeiten zulässt. Wer die Modulation jetzt fordert, sollte auch sagen, wann, wo und wie er das beantragt hat. Wer kritisiert, das Frau Künast einer Fördergrenze von 90 Tieren widerspricht, sollte sagen, dass die Staatsregierung den Bauern in Bayern nur noch Förderungen für 90 Tiere zahlen will. Das sagen Sie nicht, und das wollen Sie nicht. Zusammen mit dem Bauernverband stehen Sie an der Seite von Frau Künast, hier aber haben Sie den Mut, sie zu kritisieren. Wer heute pro Hektar nur noch zwei Großvieheinheiten fördern will, sollte sagen, warum diese Grenze nicht schon unter der alten Bundesregierung eingeführt wurde. Wer heute Schlachttiertransporte bis zu höchstens vier Stunden fordert, muss sich fragen lassen, warum er das bisher immer abgelehnt hat. Die Liste ließe sich lange fortsetzen.
Noch ein Wort zu den 600 Millionen DM für die Verbraucherhilfe in Bayern. Selbstlob ist erlaubt, aber es riecht. 200 Millionen davon werden nämlich für die selbstverschuldete Vergangenheitsbewältigung benötigt. Sie kommen bei den Bauern nicht an, sondern fließen in die Kontrollmaßnahmen. Für die angekündigte Futterpflanzenprämie liegt keine Genehmigung durch die EU vor. Es liegen noch keine Kriterien für die Umstellung der Stallsysteme vor. Für die geplante Liquiditätshilfe fehlen die Kriterien. Bei der Schlachtstättenhilfe in Höhe von 7 Millionen DM frage ich mich, wer denn die kommunalen Schlachthöfe in Bayern hat hopsgehen lassen.
Ein dichtes Netz von Schlachthöfen ist doch Voraussetzung für kurze Schlachttiertransporte, die neuerdings auch Sie fordern.
Meine Damen und Herren von der CSU und Herr Minister, dämpfen Sie Ihre Vorwürfe an die Bundesregierung.
Wieviel von den 600 Millionen DM ist bei den Bauern schon angekommen und wieviel wird bei den Bauern je ankommen? Es gibt eine Agrarpolitik, die allen Bauern und allen Verbrauchern gefällt. Diese findet allerdings nur in Wolkenkuckucksheim statt. Ich unterstelle das der Staatsregierung nicht. Im Gegenteil, selbst der Minister nennt die so genannten realistischen Rahmenbedingungen, die derzeit – so seine Rede – nicht geändert werden können. Auf der Grundlage dieser Erkenntnis ließe sich zwischen Regierung und Opposition konstruktiv diskutieren. Sie sollten die Oppositionsrolle nicht verachten, meine Damen und Herren von der CSU. Ich finde es überheblich, wenn der Minister einen so genannten Agrardialog mit über 100 Teilnehmern einberuft, das Parlament dabei aber übergeht. Das war ein Agrarmonolog.
Meine Damen und Herren, Sie müssen es akzeptieren, dass auch von der Opposition gute Vorschläge kommen können. Der erste Beweis dafür: Hätten Sie beim Tiermehlverbot auf uns gehört, stünde Bayern heute gut da.
Der zweite Beweis dafür: Ich habe dem Minister unser in Irsee beschlossenes Agrarpapier als meine Reaktion auf die unterbliebene Einladung zum Agrardialog zugesandt. Ich finde in Ihren heutigen Vorschlägen einiges an Übereinstimmung mit unserem Agrarpapier. Ein dritter Beweis dafür, dass Sie Oppositionsarbeit nicht verachten sollten: Die Oppositionsarbeit darf nicht umsonst sein. Ihre Kollegen säßen doch sonst schon zweieinhalb Jahre umsonst im Bundestag, und sie würden mit ziemlicher Sicherheit auch weitere fünfeinhalb Jahre umsonst dort sitzen.
Ich möchte deshalb noch einmal versuchen, Ihnen unsere Vorschläge zu unterbreiten. Auch wo wir nicht alleine für die Landwirtschaftspolitik zuständig sind, müssen wir Position beziehen. Deshalb schlagen wir Ihnen vor, unterstützen Sie die Position der Bundesregierung und der EU, dass sie bei den Agrarverhandlungen bei der WTO neben den gesundheitlichen Standards auch ökologische, soziale, ethische, tierschützerische und kulturelle Standards fordern bzw. dass Sie den Mitgliedstaaten das Recht einräumen, für ihre Bevölkerung geltende Standards aufzustellen und diese bei der WTO anzumelden. Bei uns müssen Antibiotika als Leistungssteigerer total verboten werden. Die Hormonverwendung in der Fleischerzeugung wollen wir nicht. BST – das bovine Somatotropin – ist in der Milchproduktion zu verbieten. Diese Positionen sind über die EU bei den vorbereitenden Beratungen für die Agrarrunde bei der WTO anzuwenden. Unterstützen Sie uns dabei.
Auch auf EU-Ebene sind wir nicht allein. Aber statt der bayerischen Nörgelei und verbissener Rhetorik des Ministerpräsidenten wäre es besser, Bayern würde mit der Bundesregierung zusammenarbeiten, um auf europäischer Ebene etwas zu erreichen.
Herr Minister, Sie haben hier geäußert, Frau Künast werde von Ihnen daran gemessen werden, ob sie sich gegen die anderen 15 in der EU durchsetzt. Wohlweislich haben Sie in Ihrer Rede den Passus weggelassen, dass die nach Ihrer Meinung guten Vorschläge des Herrn Bocklet bei der EU leider nicht durchgedrungen sind.
Also, meine Damen und Herren, mit zweierlei Maß können Sie nicht messen. Bocklet macht gute Vorschläge und kommt nicht durch. Das lassen Sie unter den Tisch fallen. Frau Künast ist neu angetreten, aber Sie kritisieren sie heute schon, obwohl sie wahrscheinlich fünf Mal besser sein wird.
Meine Damen und Herren, wir brauchen auf der europäischen Ebene eine der Food and Drug in den USA vergleichbare Behörde, die Lebensmittel, Tierfutter und deren Herstellungswege überprüft und europaweit zertifiziert.
Zweitens müssen wir dafür sorgen, dass jede Förderung ökologisch oder sozial begründet wird. Als Maßstab für die Höhe des Förderungsanspruchs kann nicht weiter nur die Fläche, was den Ostländern zugute kommt, oder die Tierzahl, was den Intensivbauern zugute kommt, gelten. Es muss auch die Zahl der notwendigen Arbeitsplätze auf dem Bauernhof berücksichtigt werden. Ökologisierung der Landwirtschaft bedeutet eine Vermehrung der notwendigen Arbeitskraft. Wer unsere Landschaft pflegt, die Natur schont, hat ein Recht auf Bezahlung seiner Arbeitsleistung.
Der Vorschlag, die europäische Agrarförderung so zu ändern, dass sie durch die Nationalstaaten oder die Regionen zu 50% mitfinanziert werden muss, dieses Kofinanzierungsmodell also, muss nochmals eingebracht werden.
Es wäre doch ein Erfolg, Herr Müller, wenn Ministerpräsident Stoiber einmal aus Paris die Zustimmung Frankreichs dazu mitbringen würde. Da werden Sie sehen, wie hart das ist.
Auf Bundesebene können wir gemeinsame Ziele verfolgen, wenn die Bayerische Staatsregierung den Antrag stellt, dass der Bund endlich die nach der Agenda 2000 und erst seit Amtsantritt dieser Regierung in Berlin mögliche Modulation, also die Agrarförderung nach sozialen und ökologischen Gesichtspunkten, einführt. Oder aber wir können dafür zusammenarbeiten, dass der Bund die BSE-Forschung unter Beteiligung der Länder koordiniert und dass auch derzeitige Randmeinungen, wie zum Beispiel genetische Defekte als Ursache, Inzuchtprobleme, Folgen von Chemieeinsatz bei der Bekämpfung der Parasiten usw., geprüft werden.
Die Staatsregierung sollte ihr Einverständnis zum Abbau des Wirrwarrs an Lebensmittelqualitätszeichen und an
Siegeln geben und an den Kriterien für ein einheitliches Bundesqualitätssiegel mit Mindeststandards zur Stärkung umweltfreundlicher artgerechter Landwirtschaft mitarbeiten, wie zum Beispiel Obergrenzen und Flächenbindungen in der Tierhaltung, Zwang zur naturgemäßen Fütterung der Tiere, Zwang zur Fruchtfolge im Ackerbau, Unterstützung der Nachhaltigkeit und Bodenfruchtbarkeit durch eine Vielfalt der Kulturen. Dazu brauchen wir ein Bundesrahmengesetz. Die Ausführung kann bei den Ländern bleiben.
Mir scheint, die Staatsregierung hat unsere alte Forderung, das inhaltsleere QHB-Zeichen zu erneuern, aufgegriffen. Sie spricht von einem neuen Siegel. Das alte war wirklich Quatsch. Das neue Siegel muss aber nicht nur europa-, sondern auch bundeskonform sein. Dann müssen Sie aber auch mit dem Gerede aufhören, dass die neue Agrarpolitik nur an die maximal 20% Ökobauern denke. Dann gibt es eine dreistufige Landwirtschaft: erstens die gute fachliche Praxis – das wird alles sein, was unter Einhaltung der Fachgesetze produziert wird –; zweitens die Produktion unter dem Qualitätssiegel – das ist dann so etwas wie die beste fachliche Praxis mit Auflagen, die über die Fachgesetze hinausgehen, und das ist gerade gut genug für den Verbraucher –; und drittens gibt es seit langem den Ökolandbau, wie ihn die EU für den pflanzlichen und den tierischen Bereich ausreichend definiert hat. Unsere Bauern sind doch schon heute sehr nahe an der Ökoproduktion. Sie scheuen sich vor der Umstellung, weil die Förderung nicht ausreicht. Aber wir werden auch dazu noch kommen.
Mit dieser Aufteilung kann dann endlich Schluss gemacht werden mit Ihrem Gerede, es seien noch 80%, um die sich niemand kümmere, wenn 20% Ökolandbau erreicht seien. Es kann so sein, dass 20% insbesondere Exportorientierte nach der so genannten guten fachlichen Praxis wirtschaften, 60% aber sollen mit dem Qualitätssiegel nach bester fachlicher Praxis arbeiten und 20% können wir im Ökolandbau erreichen.
Die Produktion unter dem Qualitätssiegel und im Ökolandbau wird und muss den Landwirten höhere Preise bringen. Aber bitte hören Sie damit auf, uns, wenn wir höhere Erzeugerpreise für Qualitätsproduktion fordern, eine Zweiklassengesellschaft in der Nahrungsmittelproduktion zu unterstellen. Sie wissen doch genau, 20% Preiserhöhung für Getreide verdoppeln den Gewinn des Bauern und die Semmel muss nicht einmal um einen Viertelpfennig teurer werden.
Natürlich muss auch auf bayerischer Ebene, wo wir allein entscheiden können, dieses Konzept begleitet und unterstützt werden.
Erstens. Die Beratung für Öko- und Qualitätsproduktion muss weiterhin der Staat leisten. Die spezielle Beratung über Erzeugerzusammenschlüsse muss der Staat fördern.
Zweitens. Forschung, Ausbildung und Beratung dürfen nicht weiter nur an Höchstleistungen und Höchsterträgen orientiert werden. Wichtiger sind Verbrauchersicher
Drittens. Programme zur Ökologisierung der Landwirtschaft müssen sich an den geografischen und agrarstrukturellen Verhältnissen unseres Landes orientieren. Dabei ist insbesondere eine stärkere Unterstützung für die Vermarktung von Produkten aus dem Ökolandbau zu gewährleisten. Reine Ökosupermärkte sind bereits auf dem Vormarsch. Auch hier in der Nähe gibt es einen. Aber auch in die Handelsketten müssen die Öko- und Qualitätsprodukte als Selbstverständlichkeit einbeziehen. Höhere Preise an der Ladentheke entstehen nicht durch höhere Preise für die Urproduktion, sondern durch Verarbeitung, durch Distribution und durch Handelsspannen.
Viertens. Im Kulturlandschaftsprogramm ist die Förderung von herkömmlicher Landwirtschaft und Ökolandwirtschaft stärker zugunsten der Ökobetriebe zu spreizen. Nach langem Sträuben sind Sie jetzt endlich aufgrund der angekündigten Agrarwende dazu bereit.
Fünftens. Sowohl in der Tier- wie in der Pflanzenzucht sind artgerechte, naturnahe Zuchtziele zu definieren. Die Landesanstalten und Forschungseinrichtungen sind entsprechend auszurichten. Die 10000-Liter-Kuh darf kein bayerisches Zuchtziel sein.
Meine Damen und Herren, ohne verschärfte Kontrollen – das beweisen BSE- und Antibiotikaskandal – sind die besten Absichten nichts wert. Deshalb muss die Einhaltung von Produktionsbedingungen verschärft von einer unabhängigen Behörde kontrolliert werden. Eigenkontrollsysteme müssen von staatlichen Behörden überwacht werden. Der Staat muss jederzeit und unangemeldet Zugriff haben. Verstärkt kontrolliert werden könnte dabei zum Beispiel die Freiheit bei der Anwendung von Antibiotika als Leistungssteigerer. Hierfür und für die Überwachung aller Tierarzneiverordnungen muss ein amtliches nummeriertes Stallbuch, das auch elektronisch geführt werden kann, angelegt werden, in das alle Tierarztverordnungen und Arzneimittelgaben eingetragen werden.
Die Hausapotheken der Tierärzte müssen strenger überwacht werden. Fütterungsarzneimittel müssen verschreibungspflichtig sein. Die so genannte Hofmischung, bei der jeder selber macht, was er für richtig hält, ist abzuschaffen. Die Abgabe von Medikamenten muss mit der Indikation bzw. mit der Bestandskontrolle verbunden sein. In allen Mastbeständen sind künftig unangemeldet Blut-, Kot- oder Harnproben von den Tieren zu nehmen. Durch Proben ist ständig zu kontrollieren, dass Lebensmittel, die ein Gütesiegel erhalten, frei sind von gentechnisch veränderten Bestandteilen.
Die Kontrolle der Herkunft des Fleisches ist durch die Einrichtung einer Gendatenbank, in der alle Zuchttiere geführt werden, bis zum Schnitzel an der Ladentheke technisch zu gewährleisten.
Dies ist heute ohne hohe Kosten möglich. Hersteller von Lebensmitteln, die das Gütesiegel führen, werden kontrolliert, dass sie keinen Klärschlamm mehr auf ihren Fel
dern ausbringen. Düngemittel werden in ihrer Zusammensetzung deklariert und laufend untersucht, insbesondere auch auf Schwermetallbestandteile.
Meine Damen und Herren, wir alle sind Verbraucher. Wir alle habe sicherlich Fehler gemacht. Die Wahrscheinlichkeit und die Gelegenheit, Fehler zu machen, ist in der Regierung größer als in der Opposition.
Aber die Bereitschaft, das zu ändern, verhält sich dazu reziprok. Wenn wir beim Verbraucher Vertrauen zurückgewinnen wollen, hat es keinen Sinn, weiterhin das zu tun, was Sie gerne tun wollen, auch Sie, Herr Miller, zur Rettung Ihres Kopfes, nämlich parteipolitische Süppchen zu kochen. Wir als Verbraucher löffeln nämlich solche Suppen alle selber aus, und ich hoffe, das wollen Sie nicht, wir wollen es ganz bestimmt nicht.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bevor wir an die Aufgabe herangehen, die Agrarpolitik insgesamt und auch die bayerische Agrarpolitik weiterzuentwickeln, ist es sicher notwendig, Bilanz zu ziehen, um festzustellen, wie sich die Situation der bayerischen Landwirtschaft derzeit darstellt.