Protocol of the Session on March 13, 2001

Ich meine, dass uns die Instrumente der Öffentlichkeit der Sitzungen und der Anhörung von Petenten eine

große Partizipations- und Gestaltungsmöglichkeit eröffnen, die wir noch viel öfter nutzen sollten. Für uns Abgeordnete ergibt sich daraus die Möglichkeit, den Bürgerwillen und den Sachverstand der Bürger unmittelbar in den Entscheidungsprozess einzubinden. Es ist immer wieder erstaunlich, welcher Sachverstand uns aus manchen Petitionen entgegenkommt. Das fällt oft auch sehr zur Überraschung mancher Ministerien und Behörden aus. Ich denke, dieser Trend wird sich im Zuge der Erleichterung der Kommunikation via Internet noch verstärken.

Nun noch kurz zu den Fachausschüssen, soweit sie uns Berichte gegeben haben. Ein gutes Beispiel für die Petition als Mittel der Partizipation an der politischen Entscheidungen waren die Eingaben von Personalräten im Zuge der Fusion einer Stadtsparkasse mit der örtlichen Kreissparkasse zur Erhaltung der beiden gewählten Personalvertretungen bis zur Neuwahl einer gemeinsamen Personalvertretung. Der Ausschuss für Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes hatte zunächst jeweils Berücksichtigung mit der Maßgabe beschlossen, dass eine Verordnung zur Übergangsregelung bis Juli 2001 erlassen wird, wonach beide Personalvertretungen nebeneinander die Aufgaben bis zur Neuwahl wahrnehmen sollten. Der Ausschuss leistete mit diesem Beschluss einen wichtigen Beitrag dazu, dass die Personalvertretungen bis zur Neuwahl zusammenwachsen konnten. Im Ergebnis ist es dank der Kooperationsbereitschaft der Personalräte noch schneller gegangen, nämlich schon zum Jahreswechsel 2000/2001. Aufgrund dessen konnte der Berücksichtigungsbeschluss in einen Erledigungsbeschluss umgewandelt werden. Entscheidend ist, dass es dank der Petition nicht zu der ursprünglich vorgesehenen Lösung kam, wonach allein ein Personalrat, nämlich der der Kreissparkasse, für die Übergangszeit das Vertretungsorgan hätte sein sollen. Ich denke, der Weg, den der Ausschuss gefunden hat, wird auch noch bei anderen Fusionen von Sparkassen zum Tragen kommen.

Wie wichtig es ist, bei der Petitionsbehandlung einen ganz langen Atem zu haben, zeigt ein anderer Fall aus dem Ausschuss für Angelegenheiten des öffentlichen Dienstes. Bereits im Mai 1992 hat der Verband der bayerischen Rechtspfleger eine Eingabe zur Förderung und Verstärkung des Laufbahnaufstiegs der Rechtspfleger eingereicht. Der Ausschuss beschloss 1992 zum Teil Berücksichtigung, zum Teil Verwendung als Material.

Im Jahr 1995 hat er mit einer ähnlichen Eingabe erneut Berücksichtigung beschlossen und 1996 nach ausführlicher Beratung das Anliegen noch einmal unterstützt. Es hat dann bis zum November 2000 gedauert, bis das Justizministerium ein Konzept vorgelegt hat, das der Ausschussentscheidung Rechnung getragen hat. Immerhin acht Jahre nach der ersten Petition hat sich etwas bewegt.

Der Vorsitzende des Ausschusses für Fragen des öffentlichen Dienstes, Herr Kollege Dr. Eykmann, hat noch von einem anderen Fall berichtet, der die Hartnäckigkeit seines Ausschusses deutlich unter Beweis stellt. Bereits in der 13. Wahlperiode hatte sich eine Petentin an den Ausschuss mit der Bitte gewandt, dass ihr die Zusatzversorgungskasse der bayerischen Gemeinden anstelle einer

Mindestversorgungsrente von circa 22 DM eine Rente von 250 DM zahlt. Dieser Fall ist ausführlich untersucht und erörtert worden. Im Ergebnis hat man der Petentin helfen können. Sie hat entgegen den Stellungnahmen der Staatsregierung und natürlich auch der sonstigen beteiligten Behörden nach 18 Jahren die ihr zustehende Rente letztlich erhalten. Der Ausschuss wurde nicht nur durch diesen Erfolg belohnt, sondern erhielt auch ein Dankschreiben der Petentin, in dem es wörtlich heißt:

Die Eingabe an den Landtag war meine letzte Hoffnung, doch noch zu meinem Recht zu kommen. Zum ersten Mal fand ich Menschen, die sich meiner Sache ernsthaft annahmen.

Das ist doch ein Kompliment.

(Beifall bei der SPD)

Kollege Dr. Hahnzog berichtete aus dem Verfassungsausschuss, dass neben Petitionen zum staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren vor allem auch Eingaben zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit den Ausschuss beschäftigt haben. Mit dem In-Kraft-Treten des neuen Staatsangehörigkeitsrechts zum 1. Januar 2000 wurden die Ansprüche auf Einbürgerung auch unter ausnahmsweiser Hinnahme der Mehrstaatlichkeit erweitert.

Dies hat dazu geführt, dass bisher bestehende Einbürgerungshindernisse weggefallen sind und Petitionsverfahren von Einbürgerungsbewerbern positiv erledigt werden konnten.

Besonders hebt Kollege Dr. Hahnzog in seiner Bilanz auch die Vielzahl von Eingaben von Gerichtsvollziehern hervor, die auf die übermäßige Arbeitsbelastung aufgrund der ihnen übertragenen gesetzlichen Aufgaben hingewiesen haben, sowie auch auf die Eingaben von Vollstreckungsgläubigern, die sich darüber beschwert haben, dass von ihnen beauftragte Gerichtsvollzieher aufgrund ihrer Arbeitsbelastung nicht in der Lage waren, die Aufträge zeitnah zu erledigen. Im Ergebnis haben die Eingaben mit bewirkt, dass das Justizministerium seine frühere Haltung, wonach die Belastung der Gerichtsvollzieher zwar hoch sei im Vergleich zu anderen Bundesländern, jedoch in einem vertretbaren Rahmen liege, aufgegeben hat. Zwischenzeitlich wurde ein Konzept zur Verbesserung der Situation im Gerichtsvollzieherdienst entwickelt. Infolgedessen sind in diesem Haushaltsplan als erster Schritt zusätzliche Stellen vorgesehen worden.

Der Vorsitzende des Umweltausschusses, Herr Kollege Henning Kaul, berichtet, dass Petitionen zu Emissionen aller Art, besonders aber Eingaben bezüglich der Beeinträchtigung durch Mobilfunksendeanlagen, stark zugenommen haben. So wie es aussieht, wird da noch einiges auf uns zukommen. Da derzeit gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse zu Art und Umfang von Beeinträchtigungen durch nichtionisierende Strahlen noch fehlen, hat der Ausschuss auch aufgrund der Vielzahl der Eingaben im Dezember 2000 eine umfangreiche Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Viele Petenten haben die Gelegenheit genutzt, die neuesten wissen

schaftlichen Erkenntnisse zu dieser Thematik zu erfahren.

Aus dem Landwirtschaftsausschuss berichtet der Vorsitzende, Kollege Loscher-Frühwald, dass sich der Ausschuss überwiegend mit Petitionen zu allgemeinen Angelegenheiten zu befassen hatte, wobei der Schwerpunkt bei der landwirtschaftlichen Förderung lag. Die Petenten beklagten insbesondere die Rücknahme von Zinsverbilligungen beim Agrarinvestitionsprogramm, aber auch die Rückforderung von Beihilfen an Junglandwirte. Insgesamt habe sich der Schwerpunkt weg von der ländlichen Neuordnung hin zu den allgemeinen Agrarangelegenheiten verschoben.

Aus dem Hochschulausschuss wird berichtet, dass die Schwerpunkte der Eingaben in der Kulturpolitik beim Denkmalschutz und in der Medienpolitik bei den Rundfunkgebühren und Teilnehmerentgelten lagen.

Aus der Hochschulpolitik ist ein Fall, den der Ausschuss positiv lösen konnte, wie ich meine, bemerkenswert: Der Petent hat in Bayern das Abitur an der Berufsoberschule gemacht und an einer Fachhochschule in Baden-Württemberg bis zum Vordiplom studiert. Das bayerische Hochschulgesetz sieht vor, dass solche Bewerber, wenn sie das Fachhochschulvordiplom bestanden haben, zum ersten Semester an eine Universität eines artverwandten Faches wechseln können. Die Einschreibung an der TU München im Fach Elektrotechnik wurde nun dem Petenten unter Berufung auf eine vom Wissenschaftsministerium erlassene Qualifikationsverordnung verwehrt. Diese sah nämlich vor, dass ein außerbayerisches Fachhochschulvorprüfungszeugnis nur so weit anerkannt wird, wie dies in dem betreffenden Bundesland auch der Fall gewesen wäre. Bei der Beratung der Eingabe im Ausschuss konnte aber nachgewiesen werden, dass diese Verordnung den Inhalt des Hochschulgesetzes ins Gegenteil verkehrt, und es erging ein einstimmiger Berücksichtigungsbeschluss. Das Wissenschaftsministerium hat auf diesen Beschluss hin die Verordnung geändert und den Petenten zum Studium zugelassen. In einem gleich gelagerten Fall wurde vom Wissenschaftsministerium mittlerweile ebenso verfahren.

Der Bildungsausschuss hatte sich im ersten Jahr der Wahlperiode vor allem mit Petitionen für und gegen die Einführung der sechsstufigen Realschule zu befassen. Nachdem die endgültige politische Entscheidung damals noch nicht getroffen war, konnten diese Petitionen nur mit dem Votum „Material“ versehen werden.

Ein zweiter großer Bereich von Petitionen, die sich weitgehend gleichmäßig auf den Berichtszeitraum verteilten, waren Petitionen über Klassenstärken, Unterrichtsausfall, die nicht ausreichende Zahl von mobilen Reserven und die Auswirkungen der Budgetierung.

Aus dem Sozialausschuss wird berichtet, dass der Schwerpunkt der Eingaben im Bereich der ambulanten Psychiatrie lag. Rund 500 Psychotherapeuten reichten Petitionen zur schwierigen finanziellen Situation der Psychotherapeuten wegen der Gesundheitsreform ein. Dementsprechend wurden diese dann auch an den Bundestag überwiesen.

Weitere Eingaben kamen insbesondere aus dem Bereich Kindergärten. Schwerpunkte waren hierbei die Personalsituation, die Verkleinerung der Gruppen und die Reform der Kindergartenfinanzierung. Ebenfalls eine größere Zahl von Eingaben beschäftigte sich mit verschiedenen Problemen im Bereich der Alten- und Pflegeheime.

Der Vorsitzende des Kommunal- und Sicherheitsausschusses, Kollege Dr. Kempfler, hat uns berichtet, dass dort etwa drei Viertel der Petitionen kommunale Themen zum Gegenstand hatten. Besonders zu nennen seien hierbei Petitionen gegen Beitragsbescheide, da Beitragsbescheide den Bürgern oft schwer zu vermitteln sind, weil sie keine konkrete Gegenleistung der öffentlichen Hand dafür erkennen können.

Bei den Eingaben aus dem Bereich der Polizei und der inneren Sicherheit war die Erfolgsquote geringer als bei den Eingaben aus dem Bereich des Kommunalrechts. Dies sei dadurch zu erklären, dass bei der Überprüfung des Sachverhalts durch die vorgesetzten Dienstbehörden fast ausnahmslos eine korrekte Diensterfüllung durch die handelnden Beamten festgestellt werden konnte. So weit vonseiten der vorgesetzten Behörden oder vom Ausschuss Verbesserungsmöglichkeiten gesehen wurden, wurden diese, auch wenn kein Grund zur Beanstandung bestand, umgesetzt. Die in den Eingaben enthaltenen Anregungen fanden dadurch teilweise Berücksichtigung, ohne dass dies mit positiven Beschlüssen gesondert ausgesprochen wurde.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Wiener Psychiater Viktor Frankl hat einmal gesagt: „Manchmal ist es am allervernünftigsten, nicht allzu vernünftig zu sein.“

In diesem Sinne möchte ich Sie, meine Damen und Herren, ermutigen, noch mehr als bisher die so zwingend und vernünftig klingenden Stellungnahmen der Staatsregierung aus Ihrer eigenen Lebenserfahrung und zusammen mit dem Vorbringen der Bürgerinnen und Bürger nicht zu schnell als gottgegeben und immer richtig zu akzeptieren, sondern mit der Schläue eines Richters Azdak nach Lösungen Ausschau zu halten. Die Welt lebt von den Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht.

Auf uns als Abgeordnete übertragen heißt das: Wenn wir Petitionen nur formal verfassungsrechtlich korrekt behandeln, haben wir zu wenig getan. Als Volksvertreter stehen wir in einem Vertrauensverhältnis zu den Bürgerinnen und Bürgern – anders als die Mitarbeiter der Verwaltung, die sich natürlich in erster Linie ihrer Dienstbehörde verantwortlich wissen.

Ich wünsche uns allen, dass wir auch in der zweiten Hälfte der Wahlperiode die Kraft und die Zeit aufbringen, nach kreativen Lösungen für die Bürgerinnen und Bürger bei den an uns herangetragenen Anliegen zu suchen und dafür zu sorgen, dass Petitionen als das behandelt werden, was sie sind, nämlich, wie es der frühere Vorsitzende und jetzige Präsident Dr. Ritzer in seinem letzten Bericht ausgedrückt hat: Die wichtigste Nebensache der Parlamentsarbeit. – In diesem Sinne herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Schindler, für Ihren Bericht. Ich eröffne die Aussprache. Erste Wortmeldung: Frau Kollegin Scharfenberg. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Mitglied im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden möchte ich genau wie mein Vorredner mit einem Zitat beginnen:

Toleranz darf nur eine vorübergehende Gesinnung sein. Sie muss zur Anerkennung führen. Dulden heißt beleidigen.

Das sagte Johann Wolfgang von Goethe.

Dabei, meine ich, wären so manche Petenten in Sachen Asylangelegenheiten bzw. deren Härtefälle schon mit einer Duldung einverstanden. Aber in unserem Petitionsausschuss endet allzu oft und in den Asyl- bzw. Flüchtlingsfällen eigentlich fast immer das System organisierter Unverantwortlichkeit im Zweifel gegen den Petenten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade einmal 0,4% der ausländerrechtlichen Eingaben wurden berücksichtigt. Das ist eine immens niedrige Zahl. Da frage ich mich manches Mal im Ausschuss: Wo sitze ich hier eigentlich? Sitze ich hier im falschen Film? – Dabei könnte der Ausschuss für Eingaben und Beschwerden einer der segensreichsten Ausschüsse des Bayerischen Landtags sein, wenn er denn seine Aufgaben gegenüber der Staatsregierung nicht so zögerlich und ängstlich angehen würde.

Wir hatten uns seit Beginn der Legislaturperiode mit 518 Eingaben von Kriegsflüchtlingen aus Bosnien und mit 140 aus dem Kosovo zu beschäftigen. Bei diesen und anderen Eingaben, die Bürgerkriegsflüchtlinge und Asylbewerber betreffen, war immer eine ganz große Angst der Abgeordneten der Mehrheitsfraktion hier im Hause spürbar: Folge ich meinem Gewissen oder der Bayerischen Staatsregierung? Angst deshalb, weil ich die Erfahrung gemacht habe, dass die Linie des Innenministeriums nicht infrage gestellt werden sollte; Angst deshalb, weil die Einzelfallprüfung bei näherer Betrachtung doch eventuell manche verwaltungsrechtlichen Vorschriften wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen könnte; Angst deshalb, weil dieses Grundrecht in Bayern auf eine Petition in einer öffentlichen Ausschusssitzung sehr viel aussagt über Ausländerpolitik.

Will man nun Integration oder nicht? Will man nun die aus Bosnien und dem Kosovo stammenden Arbeitskräfte? Wartet man zunächst einmal ab, oder handelt man schon einmal im Sinne des Handwerkskammerpräsidenten, Herrn Traublinger? Monatelang hatte er es eingefordert. Wir im Ausschuss mussten aber immer wieder Abschiebungen hinnehmen, bzw. wurde dort mehrheitlich beschlossen, dass Petenten abgeschoben wurden, bis zur letzten Woche, als nun der IMK-Beschluss griff.

Bis dahin wurde aber noch abgeschoben. Da hätte man doch souverän sagen können: Na ja, man sieht schon ab, dass eine Möglichkeit zum dauerhaften Aufenthalt von Kosovaren und Bosniern kommen wird. In unserem Ausschuss hätte man doch sagen können: Wir entscheiden jetzt erst einmal so, wie manch andere Bundesländer auch, man lässt sie erst einmal hier leben, und später kann man die ganze Sache immer noch vor den Petitionsausschuss bringen und positiv entscheiden.

Ich meine auch, dass deshalb eine Angst spürbar gewesen ist, weil man selbst eine bestimmte Wählerklientel behalten und an keine andere Partei abgeben will und die Stammtischhoheit verteidigen will. Immer wieder, in jeder Petitionsausschusssitzung kam wie mit einem Holzhammer von der CSU bei allem, was sich in einer Diskussion über einen Härtefall, hinter dem das Schicksal eines Menschen, einer Familie steht, in irgendeiner Weise an Hoffnung zu keimen getraut hatte, der Ausspruch: Wir dürfen keinen Präzedenzfall schaffen; reicht man den kleinen Finger, nehmen sie die ganze Hand. Das ist eine Holzhammermethode; mit ihr kann man alles erschlagen. Das lehne ich im Petitionsausschuss ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Oft genug habe ich aber gesehen, wie zum Beispiel die Mütter unter den Ausschussmitgliedern parteiübergreifend Probleme hatten. Sie hatten wirklich gelitten, als es um den Fall der zwei und vier Jahre alten Kinder der türkischen Familie Onus in Nürnberg ging. Der Vater beging Suizid, die Mutter war neu in der Türkei verheiratet und wollte die Kinder nicht mitnehmen, da die Familie, in die sie nun in der Türkei eingeheiratet hatte, diese Kinder nicht wollte. Die Großmutter in Nürnberg erklärte sich aber bereit, die Kinder in Nürnberg zu erziehen, da sie das in den letzten Jahren sowieso gemacht hatte und die Kinder sich bei ihr wohlfühlten. Nein, die Kinder gehören in die Türkei; Abschiebung wurde im Ausschuss mehrheitlich beschlossen. Wie meine Recherchen ergeben haben, leben sie heute in einem Waisenhaus in Istanbul. Fragen Sie mich nicht, wie es diesen Kindern geht, die, wenn wir es im Petitionsausschuss nur gewollt hätten, heute bei der Großmutter in Nürnberg, bei einer vertrauten familiären Bezugsperson leben könnten, dort, wo sie geboren sind. Genau das ist Familienpolitik, wie wir vorhin gerade gehört haben. Wie wurden vorhin beim Thema Familie die Reden geschwungen? Seinerzeit sprach im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden keiner mehr vom Schutz der Familie; für diese Kinder galt das nicht.

Ein anderes Beispiel ist der Fall des 21jährigen Sanel Selimuvic aus Regenstauf, Landkreis Regensburg. Seine Großeltern leben seit den Siebzigerjahren als Gastarbeiter in Deutschland; in Bosnien hat er keine Angehörigen mehr, und seit seinem zwölften Lebensjahr war er in der Oberpfalz beheimatet und integriert. Er konnte aus seiner Gemeinde lange Unterschriftenlisten vorlegen. Der Bürgermeister hat eine Petition aktiv unterstützt. Altfallregelung hin oder her – die CSU-Mehrheit im Ausschuss sagte, er soll nach Bosnien abgeschoben werden. Heute lebt er illegal bei seinen Eltern in der Schweiz. Welche Perspektive für einen jungen Men

schen? Wir hätten es in der Hand gehabt, diesem jungen Mann, der eine Gesellenprüfung bei Mercedes in Regensburg machte, eine Zukunft zu ermöglichen. Wir haben es vertan.

Solche Beispiele gibt es viele. Allzu oft hat der Petitionsausschuss seinen Spielraum für Entscheidungen, die sich am Grundsatz der Menschlichkeit orientieren sollten, nicht genutzt.

(Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN): Die CSU ist eine christliche Partei!)

Leider verstehen sich die Kolleginnen und Kollegen der CSU im Ausschuss – das will ich in aller Deutlichkeit sagen – auch als verlängerter Arm der Bayerischen Staatsregierung. Die Stellungnahme der Staatsregierung ist Gesetz. Dabei könnte der Petitionsausschuss ein Ort des kritischen Dialogs sein. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus – ein grundlegender Gedanke der Demokratie, der im Petitionsausschuss lebendig werden könnte. Wir könnten ihn alle gemeinsam gestalten. Hier bekommen wir täglich den ganz konkreten Auftrag der Bürgerinnen und Bürger, dieses oder jenes zu tun. Heute müssen wir Rechenschaft darüber ablegen, ob wir das gut getan haben oder nicht.

Ich sage Ihnen eines: Bei den Petitionen, die das Bauund Grundstückswesen betreffen, arbeitet der Ausschuss hervorragend. Unzählige Telefonate zwischen den Petenten, den Abgeordneten, dem Landtagsamt, den Ministerien und Behörden, Ortstermine – ein zeitaufwendiges Vorgehen für uns alle, auch für die Verwaltung – mit dem Bürgermeister, dem Nachbarn haben so manches Problem lösen können. Da wollte man aber diese Probleme auch lösen und hatte die Entscheidung so mancher Behörde auf den Prüfstand gestellt und auch zu Fall gebracht. Wo sonst im Landtag kann man eine so direkte und intensive Zusammenarbeit zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und der Politik erleben als in unserem Ausschuss beim Thema Eigentum und Besitz? Da sind wir gut drauf.

Das macht natürlich viel Arbeit. Darum möchte ich mich auch im Namen meiner Fraktion bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landtagsamtes, besonders bei Herrn Klotz und Herrn Miller ganz herzlich bedanken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben uns in jeder Art und Weise geholfen.