Protocol of the Session on February 15, 2001

Das Betriebsverfassungsgesetz war auf einen ausgewogenen Interessensausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausgerichtet. Es hat den Betriebsfrieden gefördert, in den Betrieben eine vernünftige Arbeit gewährleistet und dadurch zur Wohlstandsmehrung beigetragen.

(Zurufe von der SPD)

Niemand wird bestreiten, dass die Arbeit der Betriebsräte schwieriger geworden ist und dass die Anforderungen gestiegen sind, weil sich durch die Globalisierung vieles geändert hat und die Arbeitswelt komplexer geworden ist. Deshalb ist es notwendig – insofern stimmen wir wohl überein –, das Betriebsverfassungsgesetz zeitgemäß zu gestalten.

(Beifall bei der CSU)

Bei „zeitgemäß“ denke ich auch an ein neues Verständnis von Mitbestimmungsprozessen, an Individualrechte und an das Mitbestimmungsrecht des einzelnen Arbeitnehmers am Arbeitsplatz. Aber darüber macht sich der Referentenentwurf wenig Gedanken.

(Werner (SPD): Nach dem, was er sagt, stimmt er zu!)

Für mich wird künftig eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber stärker notwendig. Aber auch innerhalb des Betriebsrates darf nicht auf einen vernünftigen Interessensausgleich verzichtet werden, wie dies durch Aufgabe des Minderheitenschutzes vorgesehen ist. Bundeskanzler Schröder hat noch vor wenigen Tagen gesagt, die Demokratie dürfe weder auf den Staat noch auf die Politik beschränkt werden, sondern müsse in allen gesellschaftlichen Bereichen wirksam sein. Den Bereich seines künftigen Betriebsverfassungsgesetzes hat der Bundeskanzler dabei wohl nicht gemeint. Da denkt er nicht

an Demokratie; denn auch dazu gehört der Minderheitenschutz. Der Bundeskanzler denkt nur an seine Bringschuld gegenüber dem DGB, sonst hätte er die Wahlbestimmung zum Betriebsverfassungsgesetz nicht dahingehend geändert, dass künftig der Minderheitenschutz für kleine Gewerkschaften – Frau Kollegin Dodell hat bereits darauf hingewiesen – wegfällt. Der Minderheitenschutz wurde 1989 aufgrund gerichtlicher Entscheidungen in das Betriebsverfassungsgesetz ausdrücklich mit aufgenommen. Dadurch wurden alle an den Betriebswahlen beteiligten Gewerkschaften und Gruppierungen bei den Freistellungen und in den Ausschüssen entsprechend den Wahlergebnissen beteiligt. Im Riester-Vorschlag wird dies alles liquidiert: Die Mehrheit soll künftig allein entscheiden, wer welche Posten bekommt.

(Wörner (SPD): Wie im Freistaat Bayern!)

Wenn wir dies im Landtag so handhaben würden, sähe die Opposition schlecht aus und es wäre von ihr niemand in einem Ausschuss vertreten.

(Werner (SPD): Sie wollen nur, dass Arbeitgeber die Gruppen untereinander ausspielen können!)

Ich habe nichts dagegen, dass nach dem künftigen Betriebsverfassungsgesetz die Geschlechter entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sind. Aber die Berücksichtigung der Interessensunterschiede hätte auch für gewerkschaftliche Minderheiten gelten müssen. Auch die bestehenden Interessensunterschiede zwischen Arbeitgeber und Angestellten sind nicht ausreichend berücksichtigt, wenngleich man einer Aufhebung des Gruppenprinzips zustimmen kann.

Von der Absenkung der Schwellenwerte und der Zahl der Feststellungen hängt das Wohl der Arbeitnehmer sicher nicht ab. Auch haben betriebsfremde Aufgaben und Themen nichts im Betriebsverfassungsgesetz und im Betrieb zu suchen, sondern führen zur Politisierung des Betriebs und zu einem schlechten Betriebsklima. Ich bin für familienfreundliche Arbeitsplätze, für Weiterbildung und den Gesundheits- und Umweltschutz. Doch umweltpolitische Grabenkämpfe haben in den Betrieben nichts zu tun.

(Beifall bei der CSU)

Frau Präsidentin, noch einen Satz. Das Betriebsverfassungsgesetz muss auf die Zukunftsfähigkeit unserer Betriebe, auf die Sicherung von Beschäftigung gerichtet sein. Ein ideologisch gefärbtes Betriebsverfassungsgesetz hilft uns nicht weiter. Der Entwurf der Bundesregierung ist ideologisch gefärbt.

(Beifall bei der CSU – Zuruf von der SPD: Habt ihr etwas gegen Ideen?)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat nun Herr Wörner.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Söder hat in seinem Redeüberschwang

offensichtlich völlig übersehen, dass die vermeintliche wirtschaftliche Kompetenz dieses Haus fluchtartig verlassen hat, nämlich die gesamte Regierungsbank und alle darum herum. Herr Söder, was Sie hier abgegeben haben, war mehr als erbärmlich.

(Zuruf von der SPD: Wo ist die Kompetenz? – Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Herr Dinglreiter, bei Ihnen verstehe ich ja, dass Sie eine rückgewandte Diskussion führen, aber bei Ihnen, Herr Söder, nicht. 1920, beim Entstehen des Betriebsverfassungsgesetzes, in seinen Anfängen – ich habe mir das heute nacht durchgelesen, weil es mir Spaß gemacht hat – haben Leute wie Sie genauso argumentiert. Sie haben sich keinen Millimeter vorwärtsbewegt!

(Beifall bei der SPD)

Mit dieser Denke wollen Sie die Zukunft gestalten? Sie machen sich ja lächerlich

(Beifall bei der SPD)

und beweisen, dass Sie von moderner Betriebsphilosophie nichts, aber auch gar nichts verstehen. Wer weiß, wie es heute in Betrieben zugeht, muss auch wissen, dass es höchste Zeit war, wesentliche Stabilitätsfaktoren des wirtschaftlichen Geschehens seit 1950 zu erneuern, zu korrigieren. Dies haben wir getan. Wir bestreiten ja gar nicht, dass wir als SPD im Gegensatz zu Ihnen die Interessenwahrer der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CSU: Der Gewerkschaften!)

Kolleginnen und Kollegen, Sie müssen bitte eines zur Kenntnis nehmen: Sie haben einen Reformstau geschaffen; wir lösen ihn jetzt in vielen Bereichen auf.

(Beifall bei der SPD – Widerspruch von der CSU)

Wer nun klagt, dass dieses Gesetz dem Mittelstand schadet, dem kann ich nur sagen: Ich hätte mir gewünscht, dass er bei den 20 Milliarden DM an Steuernachlässen für den Mittelstand genauso geschrieen hätte.

(Beifall bei der SPD)

Sie müssen jetzt aufhören zu sagen: Das kostet so viel, dass es schädlich wirkt. Ich behaupte: Nein, im Gegenteil: Die Zufriedenheit im Unternehmen sorgt dafür, dass auch Krankenstände fallen. Wenn man sich überlegt, dass Krankenstände etwas mit Kosten zu tun haben, weiß man sehr genau, dass sich dies sehr schnell gegen rechnen wird.

(Beifall bei der SPD)

Ich meine deshalb, dass die einzelnen Teile dieses Gesetzes höchst notwendig und dringend erforderlich waren, um Unternehmen wieder in die Situation zu ver

setzen, wirtschaftlich anständig auf die Zeichen der Zeit zu reagieren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, bei den Kosten wollen wir doch ehrlich sein. Ich würde mir wünschen, dass die Betriebsräte gerade in mittelständischen, aber auch größeren Unternehmen häufiger in Entscheidungen eingebunden werden. Meist sitzt die Kompetenz aufgrund der betrieblichen Erfahrung nämlich eher dort als beim neu eingeflogenen Management.

(Beifall bei der SPD)

Sie würden sich mit Sicherheit viel Geld sparen, wenn sie sich statt mit Unternehmensberatern öfter mit ihren Betriebsräten beraten würden. Dann würde nämlich nicht so manche Dummheit passieren, die zum Untergang von Unternehmen führt. Genau deshalb muss man die Mitbestimmung stärken und versuchen, Kompetenz in jene Unternehmensführungen zu bringen, in denen es an ihr gelegentlich mangelt – sonst müssten Unternehmen ja nicht Milliarden von DM für Unternehmensberatungen ausgeben.

Meine Damen und Herren, wir begrüßen dieses Gesetz aber auch deshalb, weil es die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Unternehmen nachhaltig stärkt. Sie wissen doch genauso gut wie ich, wie es gelaufen ist: Wenn in einem kleineren Unternehmen jemand versucht hat, einen Betriebsrat zu gründen, dann hat man ihn möglichst schnell hinausgeschmissen oder ausgehebelt. Heute ist durch die kürzere Frist einigermaßen gewährleistet, dass Betriebsräte in Unternehmen, die sich dagegen wehren, überhaupt gegründet werden können.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei, drei Bemerkungen machen. Ihre Arbeitnehmerfeindlichkeit haben Sie in den letzten Wochen und Monaten ausgezeichnet dokumentiert.

(Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

Herr Dinglreiter, ist es Ihr Minister Faltlhauser, der den kleinen Leuten die Ballungsraumzulage zum größten Teil wegnimmt?

(Beifall bei der SPD)

War es nicht Ihr Minister, der bei den Arbeitern und Angestellten die Beihilfen zurückgenommen hat?

(Zuruf des Abgeordneten Dinglreiter (CSU))

War es nicht Ihr Minister, der bereits vor vielen Jahren als seine erste Schandtat in Bonn – das weiß nur fast keiner mehr – den Paragraphen 116 AFG so verändert hat, dass das Streiken für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer schwieriger wurde? Damit hat er den großen Einbruch in die Arbeitnehmerlager geschafft. Jetzt hat sich das Fähnchen eben etwas gedreht. Sie müssen uns erlauben, dass wir versuchen, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wieder verstärkt zu helfen.

Dasselbe gilt für Herrn Minister Wiesheu. Erst betreibt er mit glänzenden Augen Wettbewerb, und dann wundert er sich über das Lohndumping und darüber, dass er in Unternehmen nichts mehr zu sagen hat. Dann muss er Feuerwehr spielen, wie zum Beispiel bei E.on. Hätte man damals den Betriebsräten zugehört – ich habe Ihnen damals zugehört –, wäre so mancher Fehler nicht begangen worden, den Sie heute mit viel Geld und leeren Worten zu korrigieren versuchen. Es passiert überhaupt nichts.

Ein Letztes: Mir ist klar, warum Sie so sehr vor dem neuen Betriebsverfassungsgesetz Angst haben. Ich sage Ihnen nämlich heute: Wir werden auch in Bayern versuchen, das mieseste Personalvertretungsgesetz dieser Republik so zu verändern, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder zu den Rechten kommen und diese durchsetzen können, die sie dringend brauchen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Rednerin ist Frau Staatsministerin Stewens.