Versuchen wir gemeinsam, eine vernünftige Einwanderungs- und Integrationspolitik durchzusetzen. Die ersten Schritte dazu sind auf der Innenministerkonferenz getan worden. Die Bundesregierung bereitet ein neues Einwanderungsgesetz vor. Ich hoffe darauf, dass bei diesem Gesetz etwas Vernünftiges herauskommt. Setzen Sie im Interesse unserer ausländischen Menschen, aber auch in unserem eigenen Interesse Zeichen und stimmen Sie unserem Antrag zu.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Damit es noch möglich ist, vor 19 Uhr abzustimmen, will ich nur ganz knapp zu diesem Antrag Stellung nehmen. Ich bitte um Nachsicht dafür, dass ich mich zum Begriff Leitkultur nicht sonderlich auslassen werde, denn ich wüsste nicht, was dieser Begriff unmittelbar mit diesem Antrag zu tun hat. Eine Bemerkung möchte ich jedoch machen. Natürlich darf der Begriff Leitkultur nicht nationalistisch verstanden werden, dass unsere Kultur besser wäre als alle anderen Kulturen.
Wir sollten aber nicht über den Grundsatz streiten, dass diejenigen, die zu uns kommen, sich auch in unser Land einordnen müssen. Dazu gehören übrigens auch Kenntnisse der deutschen Sprache. Vor einem guten Jahr haben Sie uns wegen unserer Forderungen noch massiv angegriffen. Das, was im Staatsangehörigkeitsrecht steht, ist heute Allgemeingut, und zwar vom Bundeskanzler über den Bundespräsidenten bis hin zum Innenminister.
Humanitäre Grundsätze bei der Rückführung von Flüchtlingen aus dem ehemaligen Jugoslawien werden beachtet. Wir halten uns an einstimmig gefasste Beschlüsse der Innenministerkonferenz. Wer aber meint, dass wirtschaftliche Gründe für die Anwesenheit sprechen, wie es im Bereich der Handwerkskammern und in anderen Bereichen vertreten wird, der hat, glaube ich, von Humanität nicht viel kapiert. Er nutzt die Frage nach humanitären Gründen schlichtweg dafür aus, um demagogische oder polemische Auseinandersetzungen zu führen.
Wir haben berücksichtigt, dass Minderheiten wie Serben, Roma und Aschkali derzeit nicht in den Kosovo zurückgeführt werden können. Ich hebe hervor, dass jede Rückführung die Zustimmung der UMNIK-Verwaltung voraussetzt, da wir andernfalls keine Slots bekämen. Aus meiner Sicht kann es nicht sinnvoll sein, nach der einstimmigen Entscheidung der IMK, dass eigentlich
zum Ende des vergangenen Jahres die Rückführung abgeschlossen sein sollte, jetzt in der Nachspielzeit völlig neue Regelungen einzuführen. Diejenigen, die sich an unsere Regelungen gehalten haben, sind zurückgekehrt. Von 65000 Bosniern sind dies über 63000, übrigens mit weniger als 1000 Abschiebungen. Wir haben bei uns weniger Abschiebungen als in den meisten anderen Bundesländern gehabt, weil wir am Anfang konsequent waren. Alle wussten also, wie sie dran sind und sind auch freiwillig zurückgekehrt.
In den Kosovo sind mittlerweile 80% der Kosovoalbaner zurückgekehrt. Diese müssten sich alle verhöhnt vorkommen, wenn wir jetzt völlig andere Kriterien einführen, ohne dass dies aus humanitären Gründen geschieht, wie es die Innenministerkonferenz für Minderheiten festgelegt hat. Für den Bereich Bosnien kommen die Regelungen hinzu, die wir für die Traumatisierten – übrigens auch einstimmig – gefunden haben. Es kann aber nicht richtig sein, jetzt, nachdem die regulären Bestimmungen ausgelaufen sind, völlig neue Maßnahmen durchzuführen.
Wir denken im Bereich der B-Minister auch über Fragen einer zukünftigen Zuwanderungsgesetzgebung und ähnliches nach. Eines der Ärgernisse ist, dass eine demokratische Diskussion über ein Zuwanderungsgesetz von der Bundesregierung verhindert wird. Wer meint, diese Diskussion könnte eine Süssmuth-Kommission ersetzen, die allein von Schilys Gnaden berufen ist, in der kein von der CDU oder CSU legitimierter Vertreter sitzt – –
Ich halte es schon für erstaunlich, wie Sie es rechtfertigen wollen, dass die große demokratische Oppositionspartei keine Möglichkeit hat, auch nur eine einzige Vertretung zu entsenden. Sie wundern sich aber, dass dies zu einem Wahlkampfthema wird. Das ist eine glasklare Entscheidung. Ich kann Ihnen wichtige Persönlichkeiten der Bundes-SPD nennen, die sagen, dass das ursprüngliche Ziel der Einberufung der Süssmuth-Kommission gewesen ist, über die Wahlen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg zu kommen. Jetzt entsteht Zeitknappheit. Wir würden aber auch in diesem Rahmen aber durchaus bereit sein, zu einer Regelung zu kommen, aber uns wird gesagt: Jetzt muss abgewartet werden, was die Süssmuth-Kommission als Ergebnis bringt, und danach wird darüber diskutiert.
Haben Sie nicht gelesen, was Herr Wiefelspütz sagt, dass es nämlich in dieser Legislaturperiode überhaupt kein Gesetz mehr geben wird? Ich weiß nicht, was zum Beispiel der Bundesinnenminister von Herrn Wiefelspütz hält und wie er seine Aussage bewertet. Ich habe heute früh mit Herrn Özdemir diskutiert. Auch er weiß, dass in
der SPD im Moment völlig unterschiedliche Meinungen bestehen. Wir können keine Vorgriffsregelung auf ein Zuwanderungsgesetz und ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz machen, weil Rot-Grün selbst überhaupt noch keine Meinungsbildung hat, geschweige denn, dass man mit uns das Gespräch begonnen hätten.
Deswegen bitte ich darum, den Antrag abzulehnen, wobei ich noch einmal hervorhebe: Wir haben die humanitären Verpflichtungen, die mit unserer Zustimmung in der IMK einstimmig beschlossen worden sind, immer beachtet und werden dies auch in Zukunft tun. Wir haben über die Humanität im Bereich der Ausländerpolitik keine Nachhilfestunden nötig.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Minister Beckstein, Sie empfehlen den Antrag zur Ablehnung. Ich muss Ihnen sagen: Ihre Kolleginnen und Kollegen von der CSU im Deutschen Bundestag haben diesem Antrag zugestimmt. Es ist schon ein Novum, dass der Deutsche Bundestag in einem parteiübergreifenden Antrag die Innenbehörden auffordern muss, dass humanitäre Grundsätze in der Flüchtlingspolitik zu beachten sind. Wann seit Bestehen der Bundesrepublik hatten wir den Fall, dass der Deutsche Bundestag Sie, die Innenbehörde, die Innenminister auffordern musste, humanitäre Grundsätze bei der Rückführung der Flüchtlinge zu beachten? Das ist ein Novum. Ich frage mich, was dahintersteckt.
Aus allen Teilen des Landes gab es Beschwerden über die rigorose und inhumane Abschiebepolitik, die im Sommer angelaufen ist und die von den Abgeordneten des Bundestags einfach nicht geduldet werden konnte. Wie gesagt: Der Beschluss wurde am 30. Juni einstimmig gefasst. Ich dachte mir, für die Innenbehörden ist es eine Selbstverständlichkeit, dass dieser Beschluss in Anweisungen an die Ausländerbehörden umgesetzt wird. Nichts ist geschehen. Der Innenminister sagt wieder, er hätte es nicht nötig, mit Appellen von außen auf humanitäre Grundsätze hingewiesen zu werden. Ich möchte Sie daran erinnern, dass es eine Vielzahl von Appellen der Kirchen, der Wohlfahrtsverbände, der Wirtschaftsorganisationen und nicht zuletzt aus Ihren eigenen Reihen gegeben hat – Kollege Traublinger wurde schon angeführt, der in den letzten Monaten öffentlich den bayerischen Innenminister aufgefordert hat, von der rigorosen Abschiebepolitik gerade bei den Kosovo-Albanern abzurücken.
Trotz dieser massiven Proteste laufen die Abschiebungen auf Hochtouren. Ich möchte auf die Abschiebung am 19. Januar hinweisen. Da fand die erste Massenabschiebung aus Bayern mit zirka 100 Personen statt, mitten im Winter, und dies, obwohl die Herkunftsländer, obwohl internationale Organisationen und die UMNIK im Kosovo
Deutschland inständig gebeten haben, die Abschiebungen wegen fehlender Unterkünfte und der völlig unzureichenden Versorgungslage wenigstens für die Wintermonate auszusetzen. Nachdem wir ja alle an den Fernsehschirmen erlebt haben, welches Leid die Flüchtlinge aus dem Kosovo auf ihrer Flucht durchmachen mussten, frage ich mich schon, warum es jetzt notwendig ist, mitten im Winter mittellose Menschen in Pristina am Flughafen auszusetzen, ohne dass dafür gesorgt ist, dass diese Menschen ein Dach über dem Kopf haben.
Herr Beckstein, ich fordere Sie auf, diese Abschiebungen zu stoppen und auf freiwillige Rückkehrer zu setzen. Des weiteren fordere ich Sie auf, dem Vorschlag von Nordrhein-Westfalen beizutreten, nämlich Flüchtlingen aus dem Kosovo, die in Beschäftigung stehen, ein dauerhaftes Bleiberecht zu gewähren.
Ich möchte es kurz machen und werde an dieser Stelle meinen Redebeitrag beenden, damit wir noch abstimmen können.
Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Verfassungs-, Rechts- und Parlamentsfragen empfiehlt die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags. Wer dagegen zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gibt es Gegenstimmen? – Das ist die Fraktion der CSU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Keine. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann führen wir einen Hammelsprung durch. Wer den Dringlichkeitsantrag ablehnt, geht durch die Nein-Tür, wer ihm zustimmt, durch die Ja-Tür, wer sich der Stimme enthält, durch die entsprechend gekennzeichnete Tür.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, 37 Kolleginnen und Kollegen haben zugestimmt. Dagegen haben 40 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Es gab keine Stimmenthaltungen. Der Antrag ist damit abgelehnt.
Außerhalb der Tagesordnung gebe ich gemäß § 15 Absatz 3 der Geschäftsordnung bekannt, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN an Stelle von Frau Ruth Paulig Frau Kollegin Christine Stahl und an Stelle von Frau Emma Kellner Herrn Kollegen Dr. Sepp Dürr als stellvertretende Mitglieder für den Ältestenrat benannt hat. Das Hohe Haus nimmt davon Kenntnis. Ich schließe die Sitzung.