Protocol of the Session on January 31, 2001

(Beifall bei der CSU – Lachen bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Prof. Dr. Gantzer.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zum Glück habe ich ein Rednerprotokoll. Jetzt zitiere ich, was ich genau gesagt habe. Das, was ich gesagt habe, steht im Protokoll. Was ich nicht mitgelesen hatte, war der Doppelpunkt, aber das kann ich noch nachholen. Ich habe gesagt: Der Truppenabbau ist nicht eine Strafe, sondern ein Geschenk: Aufgrund der politischen Ereignisse der letzten elf Jahre ist für uns der Frieden zum Normalfall und für die Bundeswehr der Frieden zum Ernstfall geworden. Die Abrüstung ist unausweichlich.

(Beifall bei der SPD)

Ich habe diesen Satz ausdrücklich auf die Abrüstung der Bundeswehr bezogen; das war auch eindeutig erkennbar. Wer mir jetzt das Wort umdrehen will, wie Herr Huber, Herr Klinger oder auch Herr von Rotenhan, dem sage ich nur: Wer draußen behauptet, dass ich gesagt habe, bezogen auf eine Kaserne sei dies ein Geschenk, der sagt nicht nur die Unwahrheit, sondern der lügt.

(Beifall bei der SPD)

In diesem Fall sind Sie nur durch Ihre Immunität geschützt. Das ist leider das Ergebnis des Ganzen.

Ich sage noch einmal ausdrücklich: Ich habe allgemein über die Bundeswehr und den Truppenabbau diskutiert und ihn verteidigt und habe deswegen gesagt, dass vor elf Jahren ein wichtiger politischer Umbruch in Deutschland stattgefunden hat. Dieses Geschenk hat sich auch auf die Bundeswehr ausgewirkt.

(Zuruf des Abgeordneten Schläger (SPD))

Da können Sie sagen, was Sie wollen. So ist es.

Herr von Rotenhan, Ihnen kann ich nur zurückgeben: „Si tacuisses, philosophus mansisses.“ Für Nichtlateiner: „Hätten Sie geschwiegen, wären Sie Philosoph geblieben.“

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege Huber, ich möchte noch etwas zu dem Papier nachfragen. Bei Ihnen ist es offenbar im Augenblick so, dass jemand, wenn er einen Fehler macht, entlassen wird. Ist dieser Mitarbeiter entlassen worden?

(Zuruf von der CSU: Nein!)

Das dachte ich mir. Dann sehe ich das Papier als autorisiert an.

(Glück (CSU): Das ist doch Unsinn! – Weitere Zurufe von der CSU)

Meine Damen und Herren, Sie beklagen überall, dass Bayern überdurchschnittlich vom Truppenabbau betroffen sei. Ich möchte Ihnen das einmal an einem Beispiel klar machen. Stellen Sie sich einmal vor, dass Sie von Herrn Welnhofer und von mir verlangen würden, dass wir beide jeweils 19% abnehmen. Ich wette mit Ihnen, dass Herr Welnhofer mehr Kilo abnehmen wird als ich. Trotzdem bleibt es bei 19%.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Glück (CSU): Das kann doch nicht der Maßstab sein!)

Jetzt haben Sie es verstanden. Mit dem Truppenabbau in Deutschland ist es genauso.

(Glück (CSU): Wollt ihr das auf dem Niveau diskutieren?)

Herr Kollege Glück, ich will Ihnen nur klarmachen, dass es nicht wahr ist, was der Staatssekretär gesagt hat. Er hat gesagt: „Kahlschlag in Bayern“.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Dr. Gantzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Welnhofer?

Lieber Kollege, ist es richtig, dass Sie damit mich mit Bayern und sich mit einem schmalbrüstigen Nordland verglichen haben?

(Heiterkeit)

Frau Präsidentin, ich ersuche um die Erlaubnis, meine Jacke und mein Hemd auszuziehen. Dann würde ich Ihnen das Gegenteil beweisen. –

(Heiterkeit – Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nein? Schade! Sonst hätte ich gewonnen, Herr Welnhofer.

(Heiterkeit)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an Ihrer Argumentation ist mir aufgefallen, dass Sie ständig eine unzulässige Vermengung betrieben haben. Sie haben festgestellt, dass Sie gegen die Reform seien, haben aber ansonsten nichts Sachliches vorgetragen und nur auf die Standorte abgestellt, die abmagern oder abrüsten müssten. Ich möchte dazu auf die Geschichte verweisen. Ich kann mich noch sehr gut an die Zeit vor 1989 erinnern. Herr Kollege Dr. Weiß, Sie werden sich auch noch an diese Zeit erinnern. Da gab es Briefe und Petitionen von Bürgermeistern, die verlangt haben, dass die Bundeswehr leiser üben solle. Die Bundeswehr sollte keine Übungsmunition bei einer Entfernung unter zehn Kilometern verwenden. Die Panzer sollten nicht mehr nachts ausrücken usw.

Ich kann mich noch gut an diese Zeiten erinnern, als die bayerische Bevölkerung gegenüber der Bundeswehr sehr kritisch war. Denken Sie an Bad Reichenhall. Dort gab es einen Riesentanz, weil in dem Gebirgsjägergarten auch nachts Übungen durchgeführt wurden. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie sollten berücksichtigen, dass die Bürgermeister nicht immer nur die Guten gewesen sind. Ich möchte in Erinnerung rufen, dass die Bürgermeister mit uns auch Probleme gehabt haben.

(Willi Müller (CSU): Meinen Sie damit Ihre SPD-Bürgermeister?)

Ich meine alle Bürgermeister. Das waren alle quer durch die Bank. Es gibt keinen, den ich ausnehmen könnte.

Ich habe den Eindruck, dass in der Staatskanzlei der Informationsweg abgebrochen ist. Davon ist offenbar auch der oberste Bundeswehrler in der Staatskanzlei betroffen, der nur in diesem Feld arbeitet, die Papiere macht und bei jedem Treffen mit Bundeswehrgenerälen zu sehen ist.

(Loscher-Frühwald (CSU): Das ist auch gut so!)

Ich finde das auch richtig. Das ist die Aufgabe der Staatskanzlei. Dagegen wende ich mich nicht. Ich frage mich, ob der Staatsminister keine Informationen mehr bekommt. Die Militärs denken offenbar anders als Sie. Die Meinung der Militärs stimmt nicht mit Ihrem Antrag überein. Deshalb habe ich diesen Antrag als „Schmarr‘n-Antrag“ bezeichnet. Sie schreiben, dass sich die internationale Sicherheitslage verschärft habe. Herr Staatsminister, Sie haben auch nicht gedient. Das ist kein Vorwurf. Sie waren dafür Generalsekretär. Das ist Strafe genug.

(Heiterkeit)

Ich möchte mit Ihnen ein militärisches Sandkastenspiel machen. Welches Land könnte uns aus dem Norden angreifen? Ich glaube nicht, dass Schweden, Norwegen oder Dänemark uns angreifen würden. Großbritannien ist ebenfalls ausgeschlossen. An Island glaubt niemand.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege Dr. Gantzer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Glück?

Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer, was sagen Sie zu der Feststellung von Herrn Scharping und anderen Experten, dass mit dieser Struktur der Bundeswehr der zugesagte Beitrag Deutschlands zu den internationalen Nato-Einsatztruppen nicht geleistet werden könnte?

Herr Kollege Glück, Sie waren vorhin nicht da, als ich aus dem Beschluss der Europäischen Kommission zur Sicherheitslage in Europa im Dezember 1999 zitiert habe. Dort sind die Truppenstärken genau aufgelistet. Unter Zugrundelegung dieses Beschlusses liegt Deutschland voll im Trend. Wir haben genau die Stärken erreicht, die wir erreichen sollten. Dies ist im Übrigen auch mit der Nato abgesprochen. Die Nato hat lediglich verlangt, dass wir ständig zwei Brigaden für internationale Einsätze bereit halten. Herr Kollege Huber, Sie haben erklärt, Deutschland werde dauernd kritisiert, weil wir zu wenig Bundeswehr hätten. Das stimmt nicht. Wir werden kritisiert, weil wir uns relativ selten an internationalen Einsätzen beteiligen. Das liegt daran, dass wir ein Grundgesetz haben. Deshalb sind wir etwas zurückhaltender.

(Glück (CSU): Das ist kein Problem des Grundgesetzes!)

Wir haben eine Verteidigungsarmee und einen Verteidigungsauftrag. Unter Ihrer Regierungszeit hatten wir große Probleme, wenn wir uns an internationalen Einsätzen beteiligen wollten. Wenn wir damals nicht mitgemacht hätten, wäre nichts passiert. Das sollten Sie nicht vergessen.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich Folgendes in Kurzform feststellen: Sie glauben nicht, dass aus dem Westen oder aus dem Süden ein Angriff erfolgen könnte. Damit komme ich zu dem einzigen potenziellen Gegner, der von Ihnen immer wieder hervorgehoben wird, nämlich Russland. Wir wissen nicht, was in den neuen Satellitenstaaten entsteht.

Ich vermisse übrigens bei dieser ganzen Diskussion Herrn Kollegen Knauer. Er ist doch immerhin Oberstleutnant. Er ist leider nicht da. Ich finde es bemerkenswert, dass heute lauter „Nichtgediente“ reden, außer Herrn von Rotenhan. Herr Knauer hat schließlich in Dillingen seinen Wehrdienst abgeleistet. Nicht einmal er ist da, wenn es jetzt um den Standort Dillingen geht.

Sie sollten sich einmal wirklich bei den Militärs über die Ostbedrohung kundig machen. Wir haben das Glück, dass der stellvertretende Befehlshaber in Bayern der ehemalige Militärattache Deutschlands in Moskau war. Der BND in Pullach führt täglich eine Lageanalyse durch. Sie sollten sich einmal mit diesen Damen und Herren unterhalten. Russland ist für uns im Augenblick überhaupt keine Bedrohung, weil es allein von der Versorgung her überhaupt nicht in der Lage ist, einen Krieg zu

führen. Die Bedrohungen, die bei Ihnen in den Köpfen geistern, sind alle aus der Luft geholt. Ein Krieg in Mitteleuropa unter Beteiligung Deutschlands oder ein Angriff auf Deutschland ist im Augenblick undenkbar und unmöglich. Deshalb ist eine Reform der Bundeswehr nötig. Sie lehnen diese Reform nur aus einem taktischen Grund ab. Sie wollen sich nicht auf eine Diskussion um die Standorte einlassen. Sie müssten nämlich andernfalls mit uns darüber diskutieren, welche Standorte aufgelöst werden können.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben diese Diskussion mit Ihnen vor fünf und zehn Jahren geführt. Sie wollen sich nicht auf diese Diskussion einlassen. Lassen Sie mich mit einer Erwiderung auf Herrn Kollegen Huber schließen, der gesagt hat: „Sie wollen uns herausjagen.“ Herr Huber, Sie sollte man überhaupt nicht hineinlassen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Hartenstein.