Protocol of the Session on January 31, 2001

(Lebhafte Zurufe von der CSU)

Also, ich zitiere:

1. Der derzeitige Planungsstand wird Thema einer Klausurtagung mit dem Verteidigungsminister in der nächsten Woche sein.

2. Nach derzeit vorliegenden Informationen wird es am 15.01.2001 ein Gespräch Scharpings mit Ministerpräsident Stoiber geben.

(Kränzle (CSU): Wer spricht mit wem?)

3. Aus militärischer Sicht und vor dem Hintergrund der Bundeswehrreform macht die derzeitige Konzeption der Standortschließungen und -reduzierungen weitgehend Sinn. Die geplante, zusätzliche Verlegung von zwei Divisionskommandos (Veitshöchheim, Fürstenfeldbruck) nach Bayern ist positiv.

(Herrmann (CSU): Sehr geheim, das alles!)

Das ist eine Empfehlung an Sie von der CSU.

1. Wir sollten uns bei den derzeit laufenden Alternativüberlegungen der Hardthöhe in keinem Fall beteiligen, sondern die politische Hypothek der Standortschließungen und -reduzierungen unzweifelhaft bei der Bundesregierung/dem BMVG belassen.

(Frau Gote (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Brav!)

2. Die geplanten Standortschließungen und Reduzierungen sollten vor Ort, also in den betroffenen Gemeinden, für die politische Auseinandersetzung ausgenutzt werden.

(Zurufe von der SPD: Pfui! – Große Unruhe)

Dazu kann ich nur sagen: Dieses ist äußerst unredlich. In dem Papier haben Sie 34 Standorte genannt, die geschlossen werden. Sieben davon sind tatsächlich nicht geschlossen worden. Ist Ihnen klar, welche Ängste Sie bei der Bevölkerung und den Soldaten hervorgerufen haben, als Sie dieses Papier herausgegeben haben? Das ist wirklich nicht Verteidigungspolitik, was hier abläuft, sondern das ist eine Politik von Gebirgsschützenkompanien, die sich darum kümmern, wie die Alpen abzusichern sind. Herr Sackmann, was Sie hier machen, ist Folklore, aber keine verantwortliche Sicherheitspolitik. Sie sollten sich kundig machen, was in Berlin geschieht und was auf europäischer Ebene und bei den Vereinten Nationen diskutiert wird. Dann würden Sie keinen derart unsinnigen Antrag stellen, in dem gesagt wird, die sicherheitspolitische Lage habe sich verschlechtert und die Bundeswehr müsse in ihrer jetzigen Stärke erhalten bleiben.

Wir können Ihrem Antrag schon deswegen nicht zustimmen, weil er bar jeder Sach- und Fachkenntnis ist. Es wäre schön gewesen, wenn wir uns wie letztes Mal Seite an Seite darum bemüht hätten, Schließungen zu verhindern. Ihre Haltung, ohne Wenn und Aber, ist wenig hilfreich und wird den betroffenen Soldaten und Angestellten überhaupt nicht helfen. Das ist das eigentlich Traurige Ihres Antrags.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Zu diesem Antrag wurde von der CSU-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt. Ich weise darauf hin. – Als nächste hat Frau Kollegin Kellner das Wort, bitte.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Sackmann, Sie haben vorhin soviel von Glaubwürdigkeit gesprochen. Sie sollten sich an der eigenen Nase fassen. Wir sollen diese Angelegenheit hier redlich diskutieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf des Abgeordneten Sackmann (CSU))

Der interne Vermerk, den Kollege Gantzer zitiert hat, des für Verteidigungspolitik zuständigen Arbeitskreises V der CSU-Landesgruppe liegt mir auch vor, Herr Berichterstatter Sackmann.

(Sackmann (CSU): Eines Referenten!)

Eines Referenten? Also wirklich, Herr Sackmann.

(Heiterkeit bei der SPD)

Es mag in der CSU üblich sein, dass Referenten Papiere an Kreisverbände schicken und diesen empfehlen, so zu diskutieren.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Gote (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Tatsache ist, dass es dieses Papier gibt, in dem deutlich ausgesagt wird, dass im Prinzip an dieser Reform zwar nichts auszusetzen ist, dass es aber vor Ort genutzt werden soll, um die Leute aufzuwiegeln und für Unruhe zu sorgen. Dazu kann ich nur sagen: Schämen Sie sich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Herr Sackmann, jetzt schildere ich Ihnen einmal, wie das Ganze vor Ort wirkt. Im Landkreis Landshut gibt es auch einen Standort, der aufgegeben werden soll, nämlich den Standort Rottenburg. Rottenburg hat einen Bürgermeister, der den Freien Wählern angehört. Hier können Sie sehen, wie jemand, der nicht der CSU angehört, die Situation bewältigt. Dieser Bürgermeister war auch für den Erhalt des Standortes; das war aus seiner Sicht selbstverständlich, sage ich einmal. Doch erklärte er gegenüber dem der SPD angehörenden Staatssekretär

Kolbow – hören Sie gut zu, Herr Sackmann; jetzt geht es um die Glaubwürdigkeit –, hier habe man gewusst, woran man sei; das sei mit den CSU-Vertretern nicht so gewesen. Er fügte hinzu, ihn ärgere am meisten, dass gerade die CSU-Vertreter bei den Menschen Hoffnungen und Erwartungen geweckt, aber nichts eingehalten hätten. So viel zur Glaubwürdigkeit und Redlichkeit der CSU in dieser Frage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Das Ganze nahm dann leicht kabarettistische Züge an, weil der örtliche CSU-Bundestagsabgeordnete, Herr Dr. Götzer, das angesprochene Papier nicht kannte. Auch der örtliche CSU-Landtagsabgeordnete Eppeneder zeigte sich überrascht. Am gestrigen Dienstag enttarnte Dr. Götzer in Berlin das für Aufruhr sorgende Schreiben als einen internen Vermerk eines Mitarbeiters der Landesgruppe. So weit zu Ihren Aktivitäten, zu Ihrer Glaubwürdigkeit und Redlichkeit in dieser Debatte, meine Damen und Herren von der CSU. Ich weiß nicht, was Sie wollen. So war es bei uns vor Ort.

Frau Kollegin, lassen Sie eine Zwischenfrage der Frau Kollegin Schieder zu?

Frau Schieder, bitte.

Frau Kollegin, wie beurteilen Sie die Redlichkeit des Herrn Kollegen Sackmann angesichts der großen Tränen, die er wegen der Schließung des Standorts Kötzting vergossen hat, und angesichts der Tatsache, dass dafür in dem etwa 20 Kilometer entfernten Cham ein Bundeswehrstandort gesichert und um 400 Personen aufgestockt wird?

(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Schieder, nachdem ich den angesprochenen internen Vermerk gelesen habe, überrascht mich gar nichts mehr. Herr Kollege Sackmann hat das getan, was in diesem Papier empfohlen wird: Er hat die Angelegenheit genutzt, um vor Ort Wind zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Maget (SPD): Auftragsgemäß! Befehl und Gehorsam!)

Kolleginnen und Kollegen, nun zur Sache insgesamt. Wir GRÜNEN treten seit unserer Gründung für Abrüstung ein. Ich füge hinzu: Wir sind froh darüber, dass die veränderte sicherheitspolitische Lage eine Truppenreduzierung und eine Strukturreform bei der Bundeswehr zur Folge hat. Wir betrachten das als großes Glück.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CSU)

Herr Kollege Sackmann, das entspricht meiner tiefsten Überzeugung. Ich bin jahrelang für Frieden und Abrüstung auf die Straße gegangen, habe demonstriert und mich darüber beklagt, dass die Rüstungsausgaben so hoch sind. Nun haben wir Gott sei Dank nach der Öffnung der Grenzen eine andere sicherheitspolitische Lage als zuvor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nun stelle ich mich doch nicht hierher und fordere: Alles muss bleiben, wie es vor 20 Jahren war.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD – Frau Radermacher (SPD): Das bringt nur die CSU fertig!)

So etwas tun nur Menschen, die rückwärtsgewandt denken und ebenso rückwärtsgewandt politisch agieren. Wir haben schließlich auch unsere Erfahrungen. Die Notwendigkeit einer Bundeswehrreform wird im Prinzip auch von der CSU nicht bestritten. Meine Damen und Herren von der CSU, die von Ihnen mitgetragene Bundesregierung hat doch Anfang der Neunzigerjahre mit der Reduzierung der Zahl der Standorte angefangen – zu Recht, wie ich meine. Das betraf auch Landshut. 1991 gab es dort noch an die 1700 Soldaten und fast 400 Zivilbeschäftigte. Dann wurde dieser Standort aufgelöst – natürlich, infolge der angesprochenen Entwicklungen. Meinen Sie, dass in Landshut heute noch jemand den Leopardpanzern eine Träne hinterher weint? Wir haben die Chance genutzt, die uns das Areal der Schochkaserne bot.

(Willi Müller (CSU): Das ist in Landshut leichter als anderswo!)

Ich sage „wir“, weil ich damals noch dem Stadtrat angehörte. Wir haben die Chance genutzt, die sich bot. Ich kenne die Örtlichkeit sehr gut. So weiß ich: Die erwähnte Kaserne war wie ein Riegel in der Stadt. Sie war nicht gut für die Stadtentwicklung. Wir haben die Chance genutzt, die das Areal bot, und einen städtebaulichen Wettbewerb ausgeschrieben. Jetzt sind wir dabei, die Fläche im Stile von Rüstungskonversion einer anderen Nutzung zuzuführen.

Dasselbe geschah Anfang und Mitte der Neunzigerjahre auch anderenorts. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU-Fraktion, vielleicht erinnern Sie sich noch daran. In dem Zusammenhang ging es im Wesentlichen um Vermögensübertragungen, um den Preis, der von der Bundesvermögensverwaltung für die Grundstücke verlangt wurde, und um Altlastensanierung; auch das muss jetzt bewältigt werden.

Herr Sackmann, wenn Sie hier jammern und versuchen, uns zu Tränen zu rühren, sollten Sie auch erwähnen, welche Chance die Öffnung der Grenzen in Richtung Osten gerade für Ostbayern bietet. Hierin ist der eigentliche Gewinn zu sehen, der eigentliche Gewinn in erster Linie für die Menschen und natürlich auch für die Landwirtschaft.