Protocol of the Session on January 9, 2001

Herr Glück, offensichtlich sind Ihnen vorhin die Argumente ausgegangen. Sie müssen in ziemlicher Argumentationsnot sein; denn sonst hätten Sie mir gestern und heute nicht Aussagen unterstellt, die ich so nicht getroffen und auch nicht geschrieben habe. Sie haben mehrfach behauptet, ich würde sagen, der Ökoanbau sei sicher. Das habe ich noch nie gesagt. Wo soll ich das denn gesagt haben? Nur Sie sprechen immer von Sicherheit. Wir haben immer nur von Risiken gesprochen. Früher haben Sie es als technologiefeindlich bezeichnet, wenn wir auf Risiken hingewiesen haben. Der ständige Verweis auf Sicherheit kommt von Ihnen. Es gibt nur die Möglichkeit – das haben Sie schon ange

deutet; darin ist eine Wende in Ihrer Theorie erkennbar –, Risiken zu minimieren. Das kann die Landwirtschaft umso besser, je geschlossener die Kreisläufe sind, je genauer sie weiß, was in die Nahrungskreisläufe eingeschleust wird. Wir wollten immer, dass die Anonymität in der Produktion aufgehoben wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es ist gerade der Vorteil des Ökoanbaus, dass dort die Anonymität aufgehoben ist. Daher ist beim Ökoanbau die Wahrscheinlichkeit geringer, dass man von BSE betroffen wird, aber sie ist nicht ganz ausgeschlossen. Das habe ich noch nie gesagt; das sagen immer nur Sie.

Darin liegt auch der Unterschied zum Herrn Ministerpräsidenten, der heute gesagt hat, die Verbraucher hätten einen hundertprozentigen Anspruch auf Sicherheit. Den gibt es im Leben nicht.

(Glück (CSU): Das hat er nicht gesagt! – Weiterer Widerspruch bei der CSU)

Natürlich! Das steht doch in seinem Manuskript.

(Zurufe von der CSU)

Sie garantieren Sicherheit, obwohl Sie die Risiken für die Verbraucher durch die Lebensmittelproduktion genau kennen. Sie wissen, dass Antibiotika verfüttert werden – das haben Sie in der Regierungserklärung selbst gesagt –, Sie wissen, dass Hormone im Futter sind und dass Aromastoffe darin enthalten sind. Sie plädieren zwar für die Gentechnik. Dennoch sprechen Sie immer noch von Sicherheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tatsächlich aber gehen Sie täglich Risiken ein und gaukeln den Leuten eine falsche Sicherheit vor.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher haben Sie nichts gelernt; denn Sie haben es bei der BSE-Krise genauso wie früher gemacht und den Menschen eine falsche Sicherheit vorgegaukelt.

Die Beschlüsse, welche die Staatsregierung heute verkündet hat, sind eine Fortsetzung des bayerischen Sonderwegs, der Bayern zum Bundesland Nr. 1 in Sachen BSE gemacht hat. Es ist zwar richtig, dass endlich gehandelt wird und die Staatsregierung selbst die Initiative ergreift. Es ist allerhöchste Zeit, endlich das zu unternehmen, was man selbst tun kann. Die Art, wie die Staatsregierung aber an die Probleme herangeht, ist genau jene, mit der die BSE-Gefahr heraufbeschworen worden ist. Sie setzen wieder auf Freiwilligkeit und den guten Willen aller Beteiligten. Sie bieten den Bauern freiwillige Untersuchungen der Futtermittel an, anstatt gezielt danach zu suchen, woher die BSE-Erreger kommen.

(Große Unruhe – Frau Elisabeth Köhler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bitte etwas leiser! – Herbert Müller (SPD): Frau Präsidentin, bitte sorgen Sie für Ruhe!)

Es wäre schön, wenn die Staatsregierung auch zuhören würde. Ich antworte der Staatsregierung und wünsche, dass mir zugehört wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Fortgesetzte Unruhe)

Man sollte wenigstens nicht so laut reden, dass ich gestört werde. Man kann die Gespräche auch draußen führen.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, die Gespräche draußen zu führen und hier wieder Ihre Plätze einzunehmen.

(Starzmann (SPD): Die scheren sich gar nicht darum!)

Ich habe kein Problem mit Zwischenrufen, wenn sie der Sache dienen. Ignoranz aber hatten wir in diesem Hause schon genug.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie setzen auf freiwillige Vereinbarungen mit den Futtermittelherstellern, anstatt konsequent Risiken auszuschließen. Sie sagen, dass Sie bei der Futtermittelkette auf Spurensuche gehen. Das ist wörtlich meine Forderung. Sie ziehen aber nicht die Konsequenzen daraus und schauen nicht gezielt, wo die Futtermittelkette undicht gewesen ist, wo verunreinigtes Tiermehl in die Futtermittelkette gekommen ist und welche Marken das waren. Ich verlange, das herauszufinden und die Bauern zu warnen, damit diese in ihren Ställen überprüfen können, ob sie einen BSE-Fall haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sagten in Ihrer Regierungserklärung, Sie wollten die Entfernung von Risikomaterial beim Schlachten ausdehnen. Um das zu erreichen, müssten Sie endlich für Schlachtmethoden sorgen, bei denen die Erreger nicht weiter verteilt werden, wie es jetzt beim Bolzenschuss und bei der Austrennung des Rückenmarks geschieht. Man muss dringend neue Schlachtmethoden finden, aber davon habe ich bis jetzt von Ihnen noch nichts gehört.

Wirklich erfreulich ist, dass jetzt nicht mehr ganze Herden getötet werden sollen. Das ist eine alte Forderung von uns, die Frau Ministerin Stamm letzthin noch abgelehnt hat, weil sie keinen bayerischen Sonderweg gehen wollte. Das halte ich für einen guten Sonderweg. Wir hoffen auf die Tests an lebenden Tieren. Wenn wir Glück haben, erhalten wir die Ergebnisse rechtzeitig. Wir sollten uns dabei die Erfahrungen in der Schweiz und in Großbritannien zunutze machen. Wir müssen wissen, wie hoch das Risiko ist, das von den betroffenen Herden ausgeht. In der Schweiz und in Großbritannien, wo man

die Herden am Leben gelassen hat, muss es Aufzeichnungen geben, die Sie uns vorlegen müssen, damit wir das Risiko abschätzen können.

Es ist zwar nicht voreilig, das Moratorium anzusetzen, aber es ist falsch, dass Sie auch hier wieder, wie schon bei allen anderen Maßnahmen, die Verantwortung den Bauern überlassen und nicht klären, was mit der Milch und dem Fleisch wird. Wie soll das weitergehen, wenn die BSE-Fälle zunehmen? Sie können davon ausgehen, dass ihre Zahl zunehmen wird.

Alle anderen Vorschläge für einen bayerischen Sonderweg, die Sie unterbreiten, sind vollkommen unzureichend. Die Selbstverpflichtung und Freiwilligkeit – das mussten wir beim Gütesiegel „Qualität aus Bayern“ erfahren – haben dazu geführt, dass es keine Qualitätsstandards gab. In Ihrem Konzept entzieht sich der Staat wie früher der Verantwortung. Sie sorgen nicht für klare Vorgaben. Sie gehen den Weg, der uns zu den Problemen geführt hat, über die wir heute beraten müssen. Damit setzen Sie Ihre falsche Politik fort.

Herr Ministerpräsident, Sie sagten, dass andere nicht genug dazugelernt hätten. Heute haben Sie wieder erklärt, die EU habe leider nicht dazugelernt. Hören Sie endlich damit auf, auf andere zu zeigen, und übernehmen Sie selbst Verantwortung!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ziehen Sie endlich Konsequenzen aus Ihren Fehlern, auch Sie, Herr Grabner.

(Grabner (CSU): Das würde ich Ihnen auch raten!)

Ich bekenne mich zu meiner Verantwortung. Ich bin bayerischer Oppositionspolitiker und nehme Verantwortung wahr.

Wenn Sie Ihre Regierungsverantwortung und Ihre Verantwortung als Regierungspartei wahrnehmen würden und in der Vergangenheit wahrgenommen hätten, dann bräuchten wir heute nicht diese Sondersitzung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wider- spruch bei der CSU)

Die Staatsregierung hat vor und nach dem Auftreten von BSE in Bayern skandalös versagt. Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, Sie haben die bayerische Bevölkerung nach Strich und Faden belogen und betrogen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Loscher-Frühwald (CSU): Das ist unerhört!)

Ich habe nie behauptet, Bayern ist BSE-frei. Wer das behauptet hat, der hat gelogen. Bayern ist nicht BSEfrei, und es gibt keinen Grund, weiter zu lügen. Das war eine Lüge, und es gab jede Menge Hinweise darauf, dass Bayern nicht BSE-frei ist.

(Willi Müller (CSU): Warum haben Sie das nicht gesagt?)

Wir haben das gesagt, wir haben verschiedene Anträge gestellt, um die Risiken endlich auszuschließen. Sie haben diese Anträge immer abgelehnt. Es gab keinen einzigen Hinweis darauf, dass Bayern BSE-frei ist. Das haben Sie nur behauptet und gesagt, man hat noch nichts gefunden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Herr- mann (CSU): Was hat Frau Fischer dazu gesagt?)

Wir reden hier von Ihrer Verantwortung. Wir sind hier im bayerischen Parlament und sprechen von Ihrer Verantwortung.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Dr. Baumann (SPD))

Das ist Ihr Stil. Eventuelle Fehler anderer sind noch lange kein Argument dafür, selber Schmarrn zu machen. Bereinigen Sie jetzt, was Sie falsch gemacht haben. Dann reden wir weiter.

(Zuruf von der CSU: Sehr geistreich, was Sie gesagt haben!)

Das habe ich nicht verstanden. War das wichtig?

(Lachen bei der CSU – Zuruf des Abgeordneten Hofmann (CSU))

Nach dem Bekanntwerden des ersten BSE-Falles in Bayern haben Sie vor Hysterie und Panik gewarnt. Das stand in den Zeitungen.

(Hofmann (CSU): Das gilt auch heute noch!)

Die ganze Zeit über haben Sie die Wahrheit nur scheibchenweise ans Licht kommen lassen. Indem Sie nicht von Anfang an lückenlos aufgeklärt haben, haben Sie die Bevölkerung verunsichert. Sie haben nicht gesagt, was Sache ist. Sie haben die Bauern und die Verbraucherinnen und Verbraucher verunsichert. Sie haben das getan, weil den zuständigen Ministern Miller und Stamm der Fleischabsatz und die wirtschaftlichen Interessen der Futtermittelindustrie bis zum heutigen Tag wichtiger sind, als die Gesundheit der bayerischen Bevölkerung. Das ist skandalös.