Die Einfuhr und die Ausfuhr von Tiermehl müssen untersagt werden, und dazu müssen strenge Kontrollen stattfinden. Wir brauchen eine offene Deklaration bei Futtermitteln, die die gesamte Rezeptur und alle Bestandteile enthält und die den Landwirten und Verbrauchern endlich Klarheit gibt.
Drittens. Wir müssen Fütterungsgrundsätze erarbeiten und beachten, die der Eigenart der Tiergattungen gerecht werden. Wiederkäuer dürfen nicht zu Kannibalen gemacht werden. Statt dessen ist endlich nach dem Grundsatz zu verfahren: Kühe fressen Gras und Kälber trinken Milch, nicht aber Kadavermehl, tierische Eiweiße, Mineralfutter, Milchaustauscher mit tierischen Fetten oder Milchleistungsfutter mit tierischen Anteilen. Gerade dem Milchaustauscher gebührt hier besondere Aufmerksamkeit. Ihm wird als Energieträger Tierfett beigemischt. Das ist der falsche Weg. Pervers wird es dann, wenn dieses Tierfett, nur um Kosten zu drücken, auch noch aus der Kadaververwertung stammt, wie es bis in die Gegenwart der Fall war.
Viertens. Wir müssen das Gütesiegel „Qualität Herkunft aus Bayern“ gründlich überarbeiten. Dazu gehören nicht nur strenge Kontrollen, sondern endlich auch artgerechte Haltungs- und Fütterungsgrundsätze. Die Landwirtschaft ist in Forschung, Ausbildung und Beratung völlig neu auf Nachhaltigkeit statt Höchstleistung auszurichten. Die Agrarförderung muss ökologische Leistungen berücksichtigen. Statt Förderung nach Anbaufläche sind soziale und ökologische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Wir brauchen für die Landwirtschaft ein Programm der Qualitätssicherung und der Qualitätskontrolle. Dazu gehört es auch, dass endlich Beratung der Landwirtschaft einerseits und Kontrolle der Betriebe andererseits voneinander getrennt werden.
Fünftens. Eine wesentlich stärkere Kontrolle der Futtermittelindustrie und klare politische Vorgaben für die Produktion sind unverzichtbar. Futtermittelfirmen müssen ihre Einkäufe und Warenströme offenlegen. Verstöße gegen bestehende Gesetze und Verordnungen sind
schärfer als bisher zu bestrafen. Dass Futtermittel auch jetzt immer noch Tiermehl enthalten, ist skandalös.
Eben erhielt ich eine dpa-Meldung, dass von zehn eingesandten Futtermittelproben, die Allgäuer Bauern zur Untersuchung geschickt haben, immer noch zwei Tiermehl enthalten. Das ist der Zustand von heute.
Angesichts der Diskussionen in den letzten Wochen und angesichts der Tatsache, dass die Menschen glauben, dass vor dem Hintergrund dieses Wissens alles getan würde, um Gefahren zu vermeiden und abzuwenden, ist dieser Vorgang ungeheuerlich. Nichts wird getan, weiter wird in diesem Land geschlampt, und das ist ungeheuerlich.
Ich verstehe die Forderungen der Rinderzüchter, dass sie die Namen der Futtermittelpanscher und auch die Höhe der verhängten Bußgelder erfahren. Auf diese Informationen hat die Öffentlichkeit einen Anspruch.
Wenn nicht bald europaweit die offene Deklaration von Futtermitteln eingeführt wird, muss Deutschland dies im nationalen Alleingang einführen. Auf eine freiwillige Selbstverpflichtung der Futtermittelindustrie zu setzen, wie es gestern Herr Staatsminister Huber erklärt hat, ist mit Sicherheit viel zu wenig. Ein solche Selbstverpflichtung hat keine Aussicht auf Erfolg.
Sechstens. Sämtliche Behörden und Dienststellen, die mit Kontrolle, Verbraucherschutz, Gesundheitsdienst und Fleischprüfung zu tun haben, sind endlich personell ausreichend auszustatten. Ihre Kompetenzen sind zu bündeln. Angesichts der offenkundigen Hilflosigkeit der Staatsregierung bei der Bekämpfung von BSE ist nach dem Vorbild des Bundes auch in Bayern ein unabhängiger Ermittler einzusetzen, der alle Schwachstellen, den Zuständigkeitswirrwarr zwischen den Ministerien und die bisherigen Versäumnisse aufklärt und dargestellte Lösungswege zusammenfasst. So geschieht es bereits in Berlin. Darüber hinaus muss die Staatsregierung eine saubere Schadensbilanz vorlegen. Es ist notwendig, einen unabhängigen Verbraucheranwalt einzusetzen, der als Landesbeauftragter direkt dem Bayerischen Landtag zugeordnet wird und der als Ombudsmann der Verbraucher in Bayern frei von Weisungen der Regierung arbeitet. So hat es bereits gestern der SPD-Landesvorsitzende Hoderlein vorgeschlagen.
Am wichtigsten ist es aber, die landwirtschaftliche Produktion endlich an ökologischen Grundsätzen auszurichten. Die von der Bundesregierung vorgeschlagene Verabschiedung eines Ökolandbaugesetzes ist der richtige Weg. Wir wollen die verstärkte Förderung des Anbaus und der Vermarktung ökologischer Erzeugnisse und ein staatliches Kennzeichen für solche Produkte, welches streng überwacht wird und welches ein Höchstmaß an Transparenz und Sicherheit für den Verbraucher gewährleistet.
Auch Bayern hat im Hinblick auf den ökologischen Landbau großen Nachholbedarf. Während der Anteil dieser Bewirtschaftungsform in Österreich bereits bei 18% liegt, beträgt er in Bayern nur 3%. An dieser Stelle müssen die Neuorientierung und die öffentliche Förderung ansetzen, damit Vertrauen zurückgewonnen werden kann.
Ich denke, wir sind da einer Meinung. Auch der Ministerpräsident hält offenkundig eine Ausweitung der genannten Quote auf 10% für möglich. Die Frage ist, warum nicht genug getan wird, um dies zu erreichen.
Die BSE-Fälle in Bayern haben großen Schaden angerichtet. Das Vertrauen der Verbraucher in staatliche Behörden und Organisationen wurde schwer erschüttert. Es ist unsere Pflicht, Schaden wieder gutzumachen. Es geht vor allem darum, dass die Verbraucher gesunde Lebensmittel bekommen. Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, BSE einzudämmen und die BSESeuche wieder loszuwerden. Das hilft der Landwirtschaft. Dazu brauchen wir vor allem eine andere Agrarpolitik. Wenn wir jetzt nicht umsteuern, wann dann? Vonnöten ist auch eine Neuorientierung der europäischen Agrarpolitik. Die EU-Agrarförderung ist im Kern unsozial, verbraucherfeindlich und ökologisch unvertretbar. Sie fördert Produktionsentscheidungen nach dem Motto: Wo kann ich die höchsten Prämien erwarten? Ausgleichszahlungen und Prämien für die Landwirtschaft müssen künftig strikt an nachhaltiges Wirtschaften im ländlichen Raum geknüpft werden und dürfen sich nur an sozialen und ökologischen Qualitätskriterien orientieren.
Heute hören wir von der CSU Wohlfeiles über allgemeine gesellschaftliche Risiken der industriellen Welt. In Wirklichkeit haben die verantwortlichen CSU-Minister die Risiken in Bayern erst herbeigeführt und sogar noch verstärkt.
Staatsminister Millers Landwirtschaftsministerium hat noch in der Dezemberausgabe seines landwirtschaftlichen Beratungsmagazins, das als offizielles Mitteilungsblatt an alle Landwirtschaftsämter geht, die Verfütterung von Tiermehl empfohlen. Wörtlich heißt es in dieser Veröffentlichung vom Dezember vergangenen Jahres:
Mit Reststoffen aus der Tierkörperbeseitigung (Tier- mehle, Fleischknochenmehle) ließen sich bei vernünftiger Einsatzmenge im Schweinefutter gute Mast- und Schlachtleistungen erzielen.
Wer heute als Landwirtschaftsminister solche Ratschläge erteilt, kann nicht Landwirtschaftsminister bleiben.
So kann es in unserem Land nicht weitergehen. Wir brauchen Ehrlichkeit und Offenheit, eine Umkehr, aber auch die Übernahme politischer Verantwortung sowie eine durchgreifende Wende in der Agrar- und in der Verbraucherpolitik.
(Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD – Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜ- NEN)
Frau Zweite Präsidentin Riess: Bevor ich dem nächsten Redner das Wort erteile, möchte ich unsere ehemalige Kollegin Marianne Würdinger begrüßen, die unsere Debatte von der Diplomatenloge aus verfolgt. Herzlich willkommen bei uns.
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Am 28. November vergangenen Jahres haben wir uns hier unter dem Eindruck des ersten BSE-Falls in Deutschland, damals in Schleswig-Holstein, mit dem nun zur Diskussion stehenden Themenkreis befasst. Beim Pressestammtisch, den ich an Plenartagen routinemäßig veranstalte, habe ich damals gesagt: Angesichts des Falls aus Schleswig-Holstein und der Art des betroffenen Betriebes kann eigentlich kein Betrieb als nicht gefährdet bezeichnet werden, der Kraftfutter zukauft – wenn das zugekaufte Kraftfutter der Verbreitungsweg ist –. Das war gewissermaßen, wie es in der Branche heißt, „unter drei“. Als ich zum Plenarsaal ging, erwartete mich ein Team von SAT 1 mit laufender Kamera. Man sprach mich an: Herr Glück, wir haben gehört, Sie schließen einen BSE-Fall in Bayern nicht aus. – Natürlich konnte ich zu diesem Zeitpunkt einen BSE-Fall in Bayern nicht mehr ausschließen. Ich habe blitzschnell darüber nachgedacht, wie ich in der Situation reagieren sollte. Herr Hoderlein, mich interessiert schon, was Sie daraufhin gesagt hätten.
Hätte ich, obwohl es keine konkreten Hinweise gibt, erklärt, ich könne nichts ausschließen, hätte es anschließend bayern-, ja, deutschlandweit die Schlagzeile gegeben: Glück schließt BSE-Fall in Bayern nicht aus. Natürlich hätten mich Landwirte und Verbraucher gefragt, wie ich zu der Einschätzung komme. Die Landwirte wären mir geradezu ins Gesicht gesprungen und hätten mir vorgehalten: Was haben Sie für ein Verantwortungsge
fühl, wenn Sie auf der Grundlage einer Vermutung den gesamten Fleischmarkt kaputtmachen? Die Verbraucher hätten mich nach den Beweggründen für meine Aussage gefragt. Aus heutiger Sicht ist alles sehr viel einfacher.
Herr Starzmann, damit werden wir uns noch auseinander setzen. Herr Dr. Dürr, zu Ihnen komme ich auch noch; denn Ihre gegenwärtige Argumentation zur Biolandwirtschaft ist nichts anderes als Ausdruck lebensgefährlichen Leichtsinns. Dazu werde ich noch etwas sagen.
Heute müssen wir in Deutschland und somit auch in Bayern redlicherweise alle feststellen, dass wir einer Fehleinschätzung erlegen sind. Das gilt für die Politik, für alle Parteien und für alle Regierungen.
Das gilt für die Fachorganisationen der Landwirtschaft, für die Fachorganisationen der Ernährungswirtschaft und nach meiner Erinnerung auch für die Verbraucherorganisationen. Ich kann mich an keinen öffentlichen Aufschrei der Verbraucherorganisationen etwa zu dem Zeitpunkt erinnern, als die EU-Kommission Deutschland und neun weitere Länder als Risikoland eingestuft hat. Es gab dafür auch nicht die notwendige Sensibilität. Jedenfalls waren es eben nicht nur, wie es uns jetzt die Redner der Opposition weismachen wollen, die Lobbyisten der Wirtschaft, die hier einer Fehleinschätzung erlegen sind.
Übrigens haben sich die Wissenschaftler, von den entsprechenden Experten einmal abgesehen, bis 1996 überhaupt nicht für die Problematik interessiert, weil BSE bis dahin nur als Tierseuche galt. Erst als 1996 aus Großbritannien berichtet wurde, dass es wahrscheinlich eine neue Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit gebe, erwachte das öffentliche Interesse und wandte sich auch die Wissenschaft stärker der Problematik zu. Ich füge hinzu, übrigens nach Auswertung eines Medienfachorgans, dass sich in der Vergangenheit auch die Publizistik in Deutschland, der kritische Journalismus eingeschlossen, für diese Thematik nicht interessiert hat.
Wie kam es zu der Fehleinschätzung? Natürlich einmal vor dem Hintergrund, dass eine Behörde wie das Europäische Tierseuchenamt aus den Gründen, die vorher genannt worden sind, sagt: Deutschland ist BSE-frei. Als die Europäische Kommission die neue Risikoeinstufung vorgenommen hat, Herr Maget, Herr Dürr und alle, die Sie jetzt so selbstsicher argumentieren,
haben Sie dies im Bayerischen Landtag zur Sprache gebracht? Sie haben Ihr Ritual des Tiermehls, so sage ich jetzt, weiter gebraucht, wobei ich nach wie vor dazu
stehe, dass eine isolierte deutsche Lösung bei der Zahl der aus der Europäischen Union importierten Futtermittel keinen Sinn gibt. Das gilt nach wie vor.