Protocol of the Session on December 13, 2000

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wiesheu.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Geld für Investitionen in die Infrastruktur fehlt, weil der Bundestag die Mittel seit 1998 von 9,2 Milliarden DM auf 6,4 Milliarden DM reduziert hat.

(Beifall bei der CSU)

In der mittelfristigen Finanzplanung sollen die Mittel bis zum Jahr 2004 auf 4,4 Milliarden DM herabgesetzt werden. Jeder, der die Bahnreform miterlebt hat, weiß, dass Einigkeit darüber bestand, dass die Mittel für Investitionen in einer Größenordnung zwischen 9 Milliarden DM und 10 Milliarden DM kontinuierlich gehalten werden müssen. Das ist der Grund. Bringen Sie das nicht durcheinander.

Sie sagen, Interregio-Linien werden eingestellt. Jeder weiß, dass für den Nahverkehr die Länder verantwortlich sind. Für den Fernverkehr ist der Bund verantwortlich. Interregio-Verkehr ist Fernverkehr. Der Bund hat das Sicherstellungsgebot und die Gemeinwohlverpflichtung nach dem Grundgesetz zu beachten. Er nimmt seine Verpflichtungen aber nicht wahr, weil er sagt, er erledigt seine Aufgaben nur, wenn sie rentabel sind. Das, was nicht rentabel ist, ist im Wurst. Die Probleme beim Interregio sind Ausdruck des verkehrspolitischen Versagens der Bundesregierung und ihrer Verweigerungshaltung, sonst nichts.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Abgeordneter Rotter. Bitte.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ärgerlich, aber leider nicht ungewöhnlich, ja fast schon die Regel, dass bei Aus- und insbesondere Neubauprojekten der DB AG die veranschlagten Kosten bei weitem überschritten werden. Ich erinnere nur an die Nord-Süd-Achse durch Berlin, an den Ausbau des Lehrter Bahnhofs zum neuen Hauptbahnhof von Berlin und an die Neubaustrecke Frankfurt – Köln.

Die Erklärungen für derartige Kostenüberschreitungen gleichen sich. Üblicherweise heißt es, die geologischen Verhältnisse sind schwierig oder es bestehen erhöhte Anforderungen beim Brandschutz in den Tunnels usw. Herr Kollege Schläger, wenn die Antragsteller tatsächlich an einer Klärung der Gründe für die von Ihnen so bezeichnete „Kostenexplosion“ bei der Strecke München – Ingolstadt – Nürnberg interessiert wären, müssten Sie Ihre Fragen an die richtigen Adressaten richten, nämlich zum einen an die DB AG und zum anderen an die Bundesregierung. Die Antwort von Herrn Staatssekretär Spitzner auf die mündliche Anfrage der Frau Kollegin Kellner vom heutigen Tag zeigt, dass die Staatsregierung nur zur bezüglich der Frage der alternativen Trassenführung über Augsburg oder Ingolstadt in die Verhandlungen eingebunden war.

Man kann weiß Gott geteilter Meinung sein, ob es nicht besser gewesen wäre, die Strecke über Augsburg zu führen. Es gibt einige in unserer Fraktion und einige in der SPD-Fraktion, die seinerzeit dieser Auffassung waren und vielleicht immer noch dieser Ansicht sind. Im Übrigen war auch die gesamte Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN dieser Ansicht. Aber über die Frage ist abgestimmt worden. Dass wir Schwaben die Sache zum Teil aus regionalen Gesichtspunkten anders gesehen haben

und mit unserer Auffassung nicht durchgedrungen sind, ist eine Tatsache, die akzeptiert werden muss.

Im Übrigen hat Herr Staatsminister Dr. Wiesheu zu Recht darauf hingewiesen, dass alle sechs übrigen Regierungsbezirke und sämtliche Industrie- und Handelskammern mit Ausnahme derjenigen für Augsburg und Schwaben und notabene – das sei mir gestattet – derjenigen von Lindau für die Variante über Ingolstadt und nicht für die Variante über Augsburg waren.

Es war ausschließlich und allein Sache der ursprünglichen Deutschen Bundesbahn bzw. ihrer Nachfolgerin, der DB AG, Bau und Ausbau der ICE-Strecke Ingolstadt – Nürnberg zu planen und dafür die entsprechende Finanzierung sicherzustellen.

Nach § 9 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes ist für die Durchführung und Finanzierung dieser Bedarfsplanmaßnahmen eine Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Eisenbahnstrukturunternehmen und dem Bund abzuschließen. Minister Wiesheu hat darauf hingewiesen, dass der Freistaat Bayern daran nicht beteiligt war. Es war auch keine andere bayerische Institution gehört worden oder gar Partner dieser Finanzierungsvereinbarung. Deshalb kann der Freistaat Bayern sich auch nicht dazu äußern, ob und aus welchen Gründen Kosten überschritten wurden.

Die Unterstellungen der SPD in diesem Antrag, der Freistaat oder Staatsminister Dr. Wiesheu hätten irgend etwas schöngerechnet oder Kosten zu niedrig kalkuliert – das soll auf einem Hubschrauberflug passiert sein –, sind so lächerlich, dass man hierfür keinen realen Hintergrund mehr erkennen kann. Diese Unterstellungen sind abwegig. Wenn Sie Ihren Antrag nicht durch die Ausführungen von Staatsminister Dr. Wiesheu als erledigt betrachten, werden wir ihn ablehnen.

(Beifall bei der CSU – Frau Biedefeld (SPD): Das war Larifari!)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Herr Kollege Strasser. Bitte.

(Leeb (CSU): Ein wackerer Schwabe!)

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wissen Sie, Herr Minister Wiesheu, einfach so von Larifari zu reden, das erachte ich nicht als angebracht. Man sollte sich mit dem Ernst der Sache hingegen intensiv auseinandersetzen.

Sie, Herr Minister, sollten, statt den schwarzen Peter immer wieder herumzuschieben, lieber zur Kenntnis nehmen, dass ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wurde. Für ein Raumordnungsverfahren ist im Freistaat Bayern die Staatsregierung zuständig. Man kann deshalb weder auf die Bundesregierung noch auf irgend jemand anderen verweisen. Hier ist die Staatsregierung gefordert. Wenn ich mich richtig erinnere, hat die Staatsregierung sogar ein vergleichendes Raumordnungsverfahren in Auftrag gegeben. Aufgrund dessen werfe ich Ihnen vor, dass die Unterlagen nicht sorgfältig geprüft wurden und

dass die Bayerische Staatsregierung uns ein Ergebnis vorlegte, das den Tatsachen nicht entsprochen hat. Herr Minister, es gab bereits damals Überlegungen und Auffassungen, dass die Kosten, die in diesem vergleichenden Raumordnungsverfahren angegeben wurden, zu niedrig angesetzt und nicht in Ordnung waren. Wenn Sie das wissen, stellen Sie sich doch hierher und sagen Sie: Jawohl, hier wurde ein vergleichendes Raumordnungsverfahren durchgeführt. Wir, die Staatsregierung, müssen zugeben, dass die damals präsentieren Kosten zu niedrig waren und nicht stimmen. – Das haben Sie doch zu verantworten!

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Wiesheu?

Strasser (SPD). Bitte.

Herr Kollege, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass die Bahn am 29. Mai 1991 – das ist fast zehn Jahre her – mitgeteilt hat, dass sowohl aus unternehmerischer als auch aus verkehrspolitischer Sicht die Entscheidung zugunsten der Ingolstädter Variante zu treffen ist. Die DB hat es im Interesse einer Verkürzung des Planungsablaufs für zweckdienlich gehalten, das laufende Raumordnungsverfahren auf die Variante Ingolstadt zu konzentrieren. Es gibt bei Raumordnungsverfahren einen Antragsteller, und das war die DB. Sonst war das niemand, erst recht nicht die Staatsregierung.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Beurteilen tun es aber die Behörden!)

Etwas so Dünnes wie diese Frage habe ich schon lange nicht mehr gehört. Sie müssen doch zugeben, Herr Minister: Wenn ein Raumordnungsverfahren durchgeführt wird, dann muss es irgend jemand positiv oder negativ beurteilen. Das macht aber nicht der liebe Gott oder die Bundesregierung, sondern dafür ist die Bayerische Staatsregierung zuständig.

(Beifall bei der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wie viele Raumordnungsverfahren wurden schon beantragt und von der Bayerischen Staatsregierung abgelehnt? Folglich obliegt der Staatsregierung die maßgebliche Verantwortung. Sie können noch so sehr herumeiern, die Verantwortung tragen Sie.

(Herrmann (CSU). Das hat doch mit den Kosten nichts zu tun!)

Lieber Herr Herrmann, sehen Sie sich doch einmal an, worum es in einem vergleichenden Raumordnungsverfahren geht. Informieren Sie sich. Wenn man ein vergleichendes Raumordnungsverfahren beantragt, geht es nicht nur um Trassen, sondern auch um die Kosten. Wenn das Ministerium diese Kosten akzeptiert hat, dann hat es damals falsche Unterlagen akzeptiert.

(Freiherr von Rotenhan (CSU): Kein Wort steht drin! – Leeb (CSU): Grober Unfug! – Herrmann (CSU): Nehmen Sie das Raumordnungsgesetz doch her und sagen Sie, was da über Kosten drinsteht!)

Augenblick: Ich nehme die Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung und stelle fest, dass sie trotz der Bedenken vieler Parlamentarier zu dem Ergebnis gekommen ist, dass die Ingolstädter Trasse billiger ist. Das war falsch, und trotz der Warnungen hat sich die Staatsregierung festgelegt.

Herr Wiesheu hat Zitate vorgetragen. Auch ich kann zitieren: ehemalige Mandatsträger der CSU, den verstorbenen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß oder den verstorbenen Ministerpräsidenten Max Streibl. Sie alle haben bereits vor dem von Herrn Wiesheu genannten Datum erklärt, dass die Strecke über Ingolstadt gelegt werden soll. Das Ziel war also bereits vorgegeben. Wenn Sie jetzt sagen, Herr Rotter, die jetzige Bundesregierung sei für die Kostenrechnung zuständig, dann ist das doch wirklich komisch. Es ist unglaublich, wenn ausgerechnet CSU-Abgeordnete von den Kosten reden, angesichts dessen, was sich Bayern leistet: eine Pinakothek, die mit 200 Millionen veranschlagt war und jetzt 238 Millionen DM kosten soll. Bei der Pinakothek, bei der LWS oder bei vielen anderen Projekten haben Sie nicht richtig gerechnet. Wir werden Sie, Herr Wiesheu, aus Ihrer Verantwortung nicht entlassen, schon gar nicht aus schwäbischer Sicht. Sie haben falsch gerechnet und die falschen Zahlen angegeben.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Das Wort hat Frau Scharfenberg. Bitte.

Herr Wiesheu, Sie haben hier so nonchalant behauptet, die neue Bundesregierung habe den Schienenbauetat auf 6,9 Milliarden DM zurückgefahren. So stimmt das aber nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich kann Ihnen vielmehr sagen, dass der Schienenbauetat auf 6,9 Milliarden DM angehoben wurde. Im Jahr 1998, das war noch unter Ihrer Regierungsbeteiligung, betrug er nur 5,81 Milliarden DM. Die neue Regierung hat ihn dann auf 6,9 Milliarden DM angehoben. Mit dem „Zukunftspaket Schiene“ haben wir ab 2001 sogar jährlich zwei Milliarden DM draufgesattelt. Daran hätten Sie sich ein Beispiel nehmen sollen! Nicht alles, was Sie erzählen, ist wahr!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vor den 5,81 Milliarden DM im Jahr 1998 waren es 6,43 Milliarden DM, davor 7,33 Milliarden DM und davor 9,31 Milliarden DM. Sie haben also in der Zeit Ihrer Regierungsbeteiligung die Bahninvestitionen ständig gekürzt. Die neue Regierung hingegen hat die Gelder

nach dem Regierungswechsel angehoben. Nehmen Sie das bitte endlich zur Kenntnis.

(Zuruf des Abgeordneten Rotter (CSU))

Die Gelder werden noch weiter angehoben, und zwar von 6,86 Milliarden DM auf 8,92 Milliarden DM mit UMTS-Geldern, und dann auf 8,79 Milliarden DM bzw. 8,86 Milliarden DM. Ich will Ihnen sagen, unter Bundesfinanzminister Waigel und Bundesverkehrsminister Wissmann war, das zeigen die Zahlen deutlich, ein Absinken der Gelder zu verzeichnen. Jetzt aber geht es nur noch aufwärts.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Wer dem Antrag auf Drucksache 14/5319 zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und die Fraktion der SPD. Gegenstimmen? – Das ist die CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen? – Keine. Kollege Hartenstein war nicht anwesend. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Meine Damen und Herren, da für die nächsten Dringlichkeitsanträge erheblicher Diskussionsbedarf besteht, können wir heute keinen dieser Anträge aufrufen. Ich gehe von Ihrem Einverständnis auf, diese Dringlichkeitsanträge an die zuständigen Ausschüsse zu überweisen:

Der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Scharfenberg, Gote und anderer und Fraktion (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN), betreffend Interregio-Linien – Stand der Verhandlungen mit privaten Eisenbahnunternehmen (Drucksache 14/5320), und der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Dinglreiter, Lode und Fraktion (CSU), betreffend schnellstmögliche Einführung streckenbezogener Straßenbenutzungsgebühr für LKWs (Drucksache 14/5321), werden in den Ausschuss für Wirtschaft, Verkehr und Technologie überwiesen.

Der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Maget, Dr. Kaiser, Strasser und Fraktion (SPD), betreffend Deutscher Orden (Drucksache 14/5322), und der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Dr. Dürr, Christine Stahl, Elisabeth Köhler und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), betreffend Transparenz bei der Sanierung der Brüderprovinz des Deutschen Ordens in Weyarn (Drucksache 14/5331) , werden an den Ausschuss für Staatshaushalt und Finanzfragen überwiesen.

Der Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Christine Stahl, Elisabeth Köhler, Tausendfreund und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) , betreffend NPD-Verbot (Drucksache 14/5323) , wird an den Ausschuss für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit verwiesen.

Damit schließe ich die Sitzung.