Lassen Sie mich zur Einwanderung kommen. Schauen Sie sich einmal an, welchen Salto die GRÜNEN inzwischen geschlagen haben. Ich frage mich, warum diese nicht auch den Begriff der Leitkultur übernehmen. Sie werden diese Richtung noch einschlagen.
Die Eckwerte der Staatsregierung für ein Gesetz, die der Ministerpräsident vor wenigen Tagen angekündigt hat, werden, wenn ich recht informiert bin, irgendwann in diesem Jahr im Kabinett beschlossen. Ich glaube aber nicht, dass sie schon beschlossen sind. Wir haben zumindest keinen Gesetzentwurf, der „Einwanderungsbegrenzungsgesetz“ heißt. Ein solcher Entwurf liegt dem Parlament nicht vor. Deshalb können wir darüber auch nicht diskutieren.
Sie sagen, wir sollten uns endlich von dem Begriff der Einwanderung verabschieden. Meine Damen und Herren, es ist schon ein Unterschied, ob ich Einwanderung oder Zuwanderung sage. Alois Glück hat dieser Tage in einem Zeitungsinterview diese Unterscheidung getroffen. Wenn man Deutschland als Einwanderungsland bezeichnet, drücke ich damit – psychologisch betrachtet – aus, dass wir alle Menschen von überall aufnehmen, die zu uns kommen möchten. Wenn man Kanada als Einwanderungsland bezeichnet, so versteht jeder darunter, dass alle Menschen, die es wollen, dort aufgenommen werden.
Für uns ist Zuwanderung ein Begriff, welcher besagt, dass Zuwanderung stattfindet, jedoch nicht unbegrenzt und nicht ohne jegliche Schranken. Deshalb wollen wir die Zuwanderung in die Eckwerte bringen, aber nicht den psychologisch falschen Begriff der Einwanderung benutzen. Wir sind der Meinung, dass es sehr wohl von Bedeutung ist, ob man Deutschland als Einwanderungsland oder als Zuwanderungsland, in dem die Zuwanderung begrenzt ist, bezeichnet.
Wir wollen eine Zuwanderung, die nicht unkontrolliert geschieht. Das ist im Begriff Zuwanderung schon enthalten. Das ist genau das, was die GRÜNEN gestern in ihrem Eckpunktepapier vorgestellt haben. Im „Drei-Säulen-Papier“ heißt es, dass die erste Säule die Einwanderung nach dem Arbeitskräftebedarf der Bundesrepublik bildet. Feste Quoten werden nicht genannt. Vielmehr sollen Bundestag und Bundesrat jeweils nach Bedarf bestimmen, wer und wie viele Menschen nach Deutschland kommen dürfen.
In einem Kommentar der „Süddeutschen Zeitung“ heißt es, dass sich ein Einwanderungsgesetz nach den Vorstellungen der GRÜNEN allein am Bedarf orientieren solle, weil ein globalisierter Markt es so wolle. Das heißt im Umkehrschluss aber auch: Wer von diesem Markt nicht gewollt wird, hat keine generelle Zuwanderungschance.
Herr Dr. Merkl, jetzt habe ich doch noch eine Frage. Vielleicht können wir eine Klärung herbeiführen, denn wir legen anscheinend den Worten unterschiedliche Begrifflichkeiten zugrunde. Wenn Sie von „Einwanderungsland“ sprechen, meinen Sie dann, dass es eine unbegrenzte, völlig offene Einwanderung sein muss? Und mit „Zuwanderung“ meinen Sie eine begrenzte Einwanderung? Vielleicht meinen wir das Gleiche. Einwanderungsland bedeutet für uns Grüne, es kommen sehr viele Gruppen in ein Land, sie werden nach kontrollierten Regeln aufgenommen und sollen integriert werden. Das ist Fakt. Das haben wir in Deutschland, das haben wir in Bayern und das haben wir in vielen anderen Ländern. Das verstehen wir unter einem Einwanderungsland. Wenn Sie es so verstehen, dass Einwanderungsland bedeutet, Einwanderung sei unbegrenzt und unkontrolliert für jeden möglich, dann allerdings haben wir unterschiedliche Begrifflichkeiten.
Ich habe Ihnen gesagt: Der Begriff „Einwanderungsland“ ist psychologisch so besetzt, dass die Bevölkerung glaubt, die Einwanderung sei unkontrolliert, jeder, der will, könne hereinkommen.
Hören Sie doch einmal zu. Die Diskussion bringt doch nichts. Ich habe Ihnen gesagt, dass unser Fraktionsvorsitzender Glück dieser Tage sehr wohl unterschieden hat zwischen Einwanderung und Zuwanderung.
Sie machen es seit gestern und sagen seit gestern: Bei uns kommt nur der herein, den wir brauchen, und welche wir brauchen, wie viel, welche Quote, legen Bundestag und Bundesrat von Fall zu Fall fest. – Das ist nichts anderes als eine Umschreibung. Sie nennen es „Artikelgesetz“ und ich sage Ihnen, das ist nichts anderes als ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz. Deshalb komme ich zu dem Fazit -
Fazit: Wenn Sie uns jetzt auffordern, die Staatsregierung zu bitten, endlich zuzugestehen, dass wir ein Einwanderungsland sind, dann sage ich Ihnen aus den Gründen, die ich eben aufgeführt habe, dass wir dem nicht zustimmen können und dass wir dies ablehnen.
Satz zwei betrifft Ihre Forderung nach einem Bericht der Staatsregierung. Es ist nicht meine Aufgabe, dazu Stellung zu nehmen. Frau Staatsministerin Stamm selbst wird Ihnen sagen, ob und wann sie Ihnen einen Bericht gibt. Ich gehe davon aus, dass sie dies gern tut, weil sie hier nur Positives vorzuweisen hat. Das ist das Resümee zu Ihrem Dringlichkeitsantrag.
Frau Präsidentin, Kollegen und Kolleginnen! Die Diskussion, ob wir ein Zuwanderungsland oder ein Einwanderungsland sind, ist seit Jahren hier in vollem Gange. Deshalb begrüßen wir diesen Antrag, weil er in die Diskussion und die unterschiedlichen Interpretationen ein bisschen Klarheit bringt.
Herr Kollege Dr. Merkl, wenn Sie sagen, wir seien ein Zuwanderungsland, das man steuern könne, entgegnen wir: Wir sind bereits zu einem Einwanderungsland geworden. Was die Steuerung angeht, so ist sie durch die verschiedenen gesetzlichen Regelungen derzeit auch gegeben. Es gibt eine rechtliche Handhabe aufgrund des Asylrechts, das festlegt, wem hier Asyl gewährt wird. Es gibt weiterhin die Möglichkeit, danach zu differenzieren, aus welchen Ländern die Ausländer kommen, wie ihr Aufenthaltsstatus ist – mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen. Sie haben ausgeführt, die Bevölkerung werde verdummt, in Unsicherheit gebracht. Dazu tragen Sie aber bei, weil Sie immer wieder mit neuen Gesichtspunkten kommen.
Nun hören wir neue Töne. Insofern können wir Hoffnung haben, dass Sie in der Lage sind zu sagen: Zuwanderung findet statt. Vor einem Jahr oder vor zwei Jahren waren Sie noch nicht so weit. Dazu, dass es breite Bevölkerungskreise gibt, die verunsichert sind, tragen Sie in erheblichem Maße bei.
Vielleicht finden wir hier über das, was uns gleich noch Frau Ministerin Stamm sagen wird, noch mehr Klarheit.
Nun komme ich zu den einzelnen Bereichen innerhalb dieses Antrags. Im ersten Satz wird die Staatsregierung aufgefordert, sich endlich darauf zu konzentrieren, Bayern als ein Einwanderungsland anzuerkennen. Dazu stehen wir auch, weil Einwanderung stattgefunden hat und Einwanderung stattfinden wird. Das ist ein Faktum, an dem auch Sie, selbst wenn Sie es gern wollten, nicht vorbeikommen.
Der zweite Satz ist: „Des Weiteren fordert der Bayerische Landtag die Staatsregierung auf, darüber zu berichten, welche Maßnahmen zur besseren Integration der in Bayern lebenden ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger ergriffen wurden.“ „Besser“ hieße doch dann, dass es schon ganz gut ist und ich sage: Es ist nicht gut. Wir haben vor etwa einem Jahr den Bericht hier diskutiert, wir haben Anträge eingebracht, die der Integration dienen sollen. Wir haben vor kurzem den Antrag hier diskutiert, der von Ihnen abgelehnt worden ist, die Ausländerbeiräte zusammenzuschließen. All diese Maßnahmen, die kleine Schritte zur Integration
sind – und Integration heißt für uns auch, dies den Deutschen zu vermitteln –, haben Sie verhindert.
Nun komme ich zu dem, was im Augenblick sowohl bei der CDU als auch bei der CSU heftigst in der Diskussion ist, nämlich zur Leitkultur. Was ist eigentlich Ihrer Ansicht nach die Leitkultur? Wer legt jetzt fest, wonach wir uns zu richten haben, wir Deutschen und auch die Ausländer und Ausländerinnen, die zu uns kommen? Legen Sie fest, was jetzt die Leitkultur ist? Hier liegen Sie daneben; es ist langsam eine Leidkultur, aber keine Kultur und keine Ansätze dazu, die uns leiten. Uns leiten heißt auch, aufeinander zuzugehen, wahrzunehmen, dass hier Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen leben. Wollen Sie, dass alle Ausländer und Ausländerinnen die bayerische Leitkultur übernehmen? Dem kann ich so nicht zustimmen.
Deshalb sagen wir: Wir stimmen diesem Antrag zu. Es ist ein Weg in diese Richtung, um auch innerhalb der Bevölkerung zu mehr Ehrlichkeit und Akzeptanz beizutragen und nicht nur Krokodilstränen zu weinen, wenn es um den Rechtsextremismus geht, sondern es gilt die Ansätze frühzeitig zu bekämpfen. Da haben Sie versagt. Jetzt ist es so weit, dass Ihnen nichts anderes einfällt als die so genannte Leitkultur.
Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen. Der Dringlichkeitsantrag der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN steht unter der Überschrift: „Für ein weltoffenes Bayern, für die Integration der in Bayern lebenden Zuwanderer“. Der bayerische Integrationsbericht Ende 1999 – ich habe ihn hier neben mir liegen, ich darf ihn nur nicht erkenntlich in die Höhe heben – beginnt mit dem Satz: „Die Staatsregierung steht für eine weltoffene und plurale Gesellschaft.“ Weltoffenheit bedeutet dabei aber nicht offene Grenzen und ungesteuerte Zuwanderung.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben unseren Bericht ausführlich in diesem Haus diskutiert. Wenn ich mich richtig erinnere – das kann man im Protokoll nachlesen –, haben wir damals eine sehr sachliche Debatte miteinander geführt. Deshalb wundere ich mich heute über den Ton, den Frau Kollegin Köhler und Frau Hirschmann hier angeschlagen haben. Wenn Sie unseren Bericht gelesen hätten, müssten Sie eigentlich anerkennen, dass sich die Staatsregierung längst zur Integration bekannt hat, und entsprechend handeln. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der Opposition, wir brauchen keine Nachhilfe in der Integrationspolitik.
Was die Integration immer wieder zurückwirft, ist der anhaltende ungesteuerte Zuzug. Rund 700 000 Ausländer kommen jährlich nach Deutschland. Jährlich verlassen 500 000 Ausländer die Bundesrepublik.
denn der Integrationsaufwand entsteht für eine weit größere Zahl neu zuziehender Ausländer. Die Frage ist nun: Wird Deutschland allein auf Grund dieser Zuwanderungen schon zum Einwanderungsland? Eines ist doch klar: Zuwanderung, die es auf der ganzen Welt, auch in Europa, in allen Epochen der Geschichte in mehr oder weniger großem Umfang gegeben hat, ändert nichts daran, dass wir kein klassisches Einwanderungsland sind; denn sonst wären alle Staaten Einwanderungsländer. Deutschland kann aber allein auf Grund seiner Bevölkerungsdichte kein klassisches Einwanderungsland sein wie etwa die USA, Kanada oder Australien, und kann es auch nicht werden.
Die Diskussion um den Begriff Einwanderungsland gibt keine Antwort auf die letztlich entscheidende Frage: In welchem Umfang ist Zuwanderung notwendig, und wieviel Zuwanderung können Staat und Gesellschaft unter dem Integrationsaspekt vertragen? Die Staatsregierung hat deshalb bereits im Juli Eckpunkte – von denen war hier auch die Rede – zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung vorgelegt. Unser Ziel ist es, die ungesteuerte Zuwanderung, vor allem über die unberechtigte Berufung auf das Asylrecht, einzudämmen.