Protocol of the Session on November 9, 2000

Ich will mich bemühen, mit einigem Aufwand an Geduld dies noch einmal zu erklären.

(Zurufe von der SPD)

Offenbar müssen Sie, Herr Kollege Schläger, dies zweioder dreimal hören, bevor Sie es begreifen. Anders kann ich das jetzt wirklich nicht mehr sagen. Der Unterschied ist folgender: Wir haben zuerst Untersuchungen vorgenommen und aufgrund von Untersuchungen sind dann Entscheidungen gefallen über 10, 15 oder 25%. Das ist unterschiedlich, je nach Sachlage, nach Ressort, nach Behörde, gemacht worden. Hier gab es so etwas nicht, sondern es ist gesagt worden, die Bundesfinanzverwaltung und hierbei insbesondere der Zoll muss 700 Millionen DM einsparen. Dann ist man daran gegangen zu sagen, das sind soundsoviel Planstellen und es müssten soundsoviel Ämter weg. Das ist der methodische Unterschied. Deshalb, meine Damen und Herren, kann man nicht einfach nur auf die Zahl sehen, sondern muss sehen, was für einen sachlichen Grund es gibt. Der sachliche Grund hier ist nur: Man will einfach einsparen ohne Rücksicht auf einen Flächenstaat, ohne Rücksicht auf den Mittelstand und ohne Rücksicht auf die strukturpolitischen Entwicklungen und Notwendigkeiten. Das macht den Unterschied aus.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Hier geht es um 1250 Arbeitsplätze an bayerischen Standorten der Bundesfinanzverwaltung. Genau an dem 17. Oktober, an dem der Bundesfinanzminister dieses Grobkonzept vorgelegt hat, haben wir hier eine Debatte über die e.on-Arbeitsplätze gehabt, weil die Staatsregierung dazu eine Regierungserklärung abgegeben hat. Im Übrigen stelle ich fest, bei beiden geht es um den Verlust von Arbeitsplätzen. Einmal hat die Staatsregierung hier durch Regierungserklärung die Initiative ergriffen, zum Zweiten jetzt die CSU-Fraktion. Wo sind denn eigentlich Ihre Initiativen? Am Vormittag habe ich gehört, dass der Herr Maget gesagt hat: „Wir haben doch einiges zu sagen in Berlin.“ Das glaubt ihm sowieso keiner, aber

das ist jetzt wieder ein Beweis dafür. Denn ich hätte doch erwartet, dass von Ihnen auch beispielsweise gegenüber Eichel etwas gesagt würde. Offenbar trauen Sie sich nicht das öffentlich zu sagen.

(Beifall bei der CSU)

Beim Verlust von 700 Arbeitsplätzen, den wir bedauern und wogegen wir angehen und im Bereich von e.on verhandeln, führen Sie sich auf, als ob die Welt unterginge. Aber bei 1250 Arbeitsplätzen im Bereich der Bundesfinanzverwaltung in Bayern verharmlosen Sie, verniedlichen Sie und verweigern Sie die Zusammenarbeit. Das macht den Unterschied aus.

(Beifall bei der CSU)

Deshalb sage ich: Wenn es Ihnen darum geht, die Belange Bayerns einzubringen, bitte ich Sie, das gesamte Haus, auch SPD und Grüne, diesem Dringlichkeitsantrag der CSU zuzustimmen. Die Bayerische Staatsregierung wird gegenüber dem Bundesfinanzminister deutlich machen, dass die jetzt vorliegende Grobplanung den Interessen der Wirtschaft in Bayern massiv zuwiderläuft und so nicht akzeptiert werden kann. Wir verweigern uns nicht einer sinnvollen Effizienzsteigerung, natürlich nicht. Wo organisationsmäßig etwas verbessert werden kann, werden wir diese Möglichkeiten nutzen und sind bereit, das zu akzeptieren, auch wenn es in anderen Bereichen der Verwaltung ist. Aber der Plan, der vorliegt, geht aus unserer Sicht einseitig in der Größenordnung zulasten Bayerns. Wir sagen: Diese Streichung von 1500 Stellen – 250 sollen dann zurückkommen –, netto 1250 bei insgesamt 6000 Stellen trifft Bayern überproportional und massiv. Das ist der erste Grund.

Der zweite Grund: Die Streichung von Hauptzollämtern und Zollämtern geschieht von der Landesentwicklung her unausgewogen. Es sollen die sieben Hauptzollämter in Hof, Bamberg – doch Ihre Nähe, Herr Schläger, Oberfranken – in Weiden, München-Flughafen, Passau, Bad Reichenhall, Lindau aufgelöst werden. Bestehen bleiben die Ämter in Schweinfurt, Nürnberg, Regensburg, Landshut, München, Augsburg, Rosenheim. Wenn Sie sich dies auf einer Landkarte ansehen, werden Sie feststellen: In erster Linie werden die Hauptzollämter gestrichen, die an der Peripherie sind, und es bleiben die erhalten, die im Inneren sind. Das ist genau das Gegenteil von dem, was wir immer machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben Behörden aus den Ballungsgebieten hinaus verlagert, um Arbeitsplätze in der Fläche zu erhalten, weil beispielsweise München oder andere Ballungsgebiete im Bereich des Arbeitsmarktes viel besser dastehen als beispielsweise Oberfranken oder Unterfranken. Diese Unausgewogenheit ist der zweite Grund des Protestes.

Lassen Sie uns doch gemeinsam arbeiten, wenn schon etwas reduziert werden muss. Über die Größenordnung muss man reden; uns scheinen 1500 Stellen bei den

Zolldienststellen zu viel zu sein. Zweitens sollten wir uns dafür einsetzen, dass eine solche Reduzierung nicht dazu führt, dass dort, wo die größere Wirtschaftskraft vorhanden ist, die Arbeitsplätze erhalten bleiben und dort, wo man die größeren Probleme hat, auch der öffentliche Dienst Arbeitsplätze abbaut.

Jetzt muss ich fragen: Mit welcher moralischen Berechtigung sollen wir denn eigentlich bei e.on sagen, das Unternehmen müsse in Arnsberg oder meinetwegen in Erlangen oder Schwandorf oder Vilshofen bleiben, weil dies ein strukturschwacher Raum ist? Dann könnte uns ein privates Unternehmen wie e.on sagen: Wenn der Bundesfinanzminister ohne Rücksicht auf die strukturellen Notwendigkeiten des Landes gerade im ländlichen Raum Kündigungen ausspricht, aber in den Ballungsgebieten die Arbeitsplätze erhält, warum soll ich dann als Privatunternehmer rücksichtsvoller sein als der Bund?

(Beifall bei der CSU)

Deshalb glaube ich – und ich werfe Ihnen das auch vor –, dass bei SPD und Grünen die Brisanz dessen, was hier an Grobkonzept vorliegt, bisher noch gar nicht erkannt worden ist. Jetzt beweisen Sie doch einmal, dass Sie nicht nur einen Luftballon gegenüber Berlin aufblasen können, sondern dass Sie auch in der Sache bereit sind, gegenüber Berlin mit uns gemeinsam etwas durchzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage ausdrücklich noch einmal: Wir sind durchaus bereit, mit dem Bund darüber zu reden, wenn es wegen Effizienzsteigerung und Neuorganisation zu Änderungen kommen muss. Wir werden auch über den Bereich der Bundeswehr wie auch über andere Bereiche sinnvollerweise miteinander reden. Aber es kann doch nicht sein, dass uns hier etwas vorgesetzt wird und wir erstarren in Ehrfurcht und nehmen dies hin, sondern wir sind bereit, uns kämpferisch für die Belange unseres Landes und unserer Wirtschaft einzusetzen.

Ich muss darauf hinweisen, dass dieses Konzept in der Tat in die alleinige Zuständigkeit des Bundes fällt. Wir vertreten hier unsere landespolitischen Ziele. Ich meine, die Tatsache, dass es gerade auch der Mittelstand im ländlichen Raum etwas schwerer hat als der Mittelstand in den Ballungsgebieten, sollte eigentlich dazu führen, dass die Abwicklung öffentlicher Dienstleistungen seine Lage nicht erschwert, sondern erleichtert.

Das ist das Ziel unseres Einsatzes.

Deshalb wird sich die Staatsregierung am nächsten Dienstag mit dieser Angelegenheit beschäftigen. Der Finanzminister hat dazu bereits eine umfangreiche Beschlussvorlage ausgearbeitet. Auf Antrag Bayerns wird sich die Finanzministerkonferenz am 16. November 2000 ebenfalls mit dieser Angelegenheit beschäftigen. Wir werden selbstverständlich rechtzeitig, bis Ende dieses Monats, gegenüber dem Bundesfinanzminister eine klare Stellungnahme abgeben. Es wäre aber in der Tat wünschenswert, wenn wir in die Stellungnahme schreiben könnten, dass der bayerische Landtag einstimmig,

also auch mit der Unterstützung der SPD und der Grünen, dieses Grobkonzept missbilligt,

(Frau Radermacher (SPD): Das haben wir schon lange gesagt! – Weitere Zurufe von der SPD)

weil es Bayern benachteiligt, unausgewogen und mittelstandsfeindlich ist und feindlich gegenüber den strukturschwachen Räumen ist.

(Beifall bei der CSU)

Nächste Rednerin ist Frau Kollegin Peters, bitte.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mich spontan zu Wort gemeldet, weil man das so nicht einfach stehen lassen kann. Man überschlägt sich mit Scheinheiligkeiten, und dabei wird Kollege Meyer von seinem Vorsitzenden Herrn Huber noch übertroffen. Weiß der denn nicht, dass dieses Paket in der Oberfinanzdirektion (OFD) Nürnberg geschnürt worden ist?

(Willi Müller (CSU): Wer ist da verantwortlich?)

Ich bedauere außerordentlich, dass dieses Paket nicht aufgeschnürt wurde. – Den Schuh ziehen wir uns gerne an. Ich frage Sie aber: Warum haben Sie sich nicht früher gemeldet? Herr Müller, Sie wissen doch, wer in der OFD Nürnberg die Verantwortung trägt.

(Willi Müller (CSU): Das macht die Bundesregierung!)

Sozialdemokraten sind nicht so radikal – sie lassen die CSUler etwas länger in den Behörden sitzen. Das war ein Fehler; da haben Sie recht. Es ist aber so, und ich hätte mir gewünscht, dass sich die Kollegen sehr viel früher eingesetzt hätten, damit dieses Paket von vornherein anders geschnürt worden wäre.

Selbstverständlich wollen wir dieses Hauptzollamt im Grenzland erhalten. Aus unserer Sicht hat es überhaupt keinen Sinn, das Hauptzollamt in Landshut zu vergrößern, weil dann sämtliche Freyunger und alle Leute aus dem Bayerischen Wald, die jetzt im Hauptzollamt Passau arbeiten, nach Landshut fahren müssten. Das ist nicht nachzuvollziehen.

Ich bitte Sie, bei der OFD noch einmal vorstellig zu werden und zu versuchen, das Paket aufzuschnüren. Sie kritisieren, wenn der Bund die Vorschläge der OFD übernimmt. Sie müssten aber Ross und Reiter nennen und sagen, wer dafür die Verantwortung trägt. Denken Sie einmal darüber nach, warum Rosenheim so gut bedient worden ist; dann müssten Sie an dieser Stelle tätig werden.

(Beifall bei der SPD – Willi Müller (CSU): Die Verantwortung trägt die Bundesregierung!)

Nächste Wortmeldung: Herr Staatsminister Huber.

(Leeb (CSU): Sag mal, was die Oberfinanzdirektion ist!)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Gelegentlich wäre es besser, wenn man sich vor der Wortmeldung informieren würde. Diesen Rat darf ich Ihnen mitgeben.

(Frau Peters (SPD): Habe ich!)

Nein, denn sonst würden Sie den Ablauf kennen und wissen, dass in Bayern für diesen Auftrag die Oberfinanzdirektion Nürnberg zuständig war, und zwar die Bundesabteilung. Die dortige OFD ist die einzige in Bayern mit einer Bundesabteilung.

Der Eindruck, den Sie hier erweckt haben, das Ganze wäre von der OFD erfunden worden und der Bund hätte diesen klugen Plan nur übernommen, geht völlig an der Realität vorbei. Wenn Sie das ernsthaft behaupten, muss ich Ihnen bestätigen – das tue ich auch schriftlich, wenn Sie das wollen –, dass Sie vom Ablauf nicht die geringste Ahnung haben.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Ich sage es jetzt zum dritten Mal:

(Frau Radermacher (SPD): Das wird dadurch nicht besser!)

Das ging vom 30-Milliarden-Sparprogramm aus. Davon entfallen 3 Milliarden auf den Haushalt des Bundesfinanzministers. Man hat errechnet, dass der Zoll 700 Millionen erbringen muss, um das Sparziel von 3 Milliarden zu erreichen. Dann hat das Bundesfinanzministerium die eigene mittlere Behörde OFD Nürnberg beauftragt, auf Grund von klaren Vorgaben einen Plan auszuarbeiten, wie das Sparziel erreicht werden soll. Die OFD Nürnberg hatte also einen klaren Rahmen und ein klares Ziel, auf Grund dessen eine innerdienstliche Meldung an das Bundesfinanzministerium gegangen ist.

Wir haben im Übrigen nicht erst jetzt, am 17. Oktober, protestiert, sondern es gibt sowohl vom Kollegen Faltlhauser als auch von mir schon im Vorfeld mehrere Schreiben an den Bundesfinanzminister. Das hat den Bundesfinanzminister von seinem Vorhaben aber nicht abgehalten, weil er auch von den anderen Sparmaßnahmen unterschiedlicher Art fordert. Deshalb will er als Musterknabe dastehen und knebelt seine eigene Verwaltung. Der Zoll muss bluten, damit das Prestige von Eichel in Deutschland gewahrt werden kann. Das spielt eine Rolle.

(Beifall bei der CSU)

Das ist ein Bundesfinanzminister, der mit kameralistischen Scheuklappen durch die Lande geht und seine Politik ohne Rücksicht auf die sozialen Auswirkungen durchziehen will. Dagegen wehren wir uns, und dagegen

werden wir erbitterten Widerstand leisten, ob Sie nun dabei sind oder nicht. Wenn Sie Mut haben, sind Sie dabei.

(Beifall bei der CSU)