Protocol of the Session on September 28, 2000

Wir sind auch für Schärfe in der Diskussion zu haben. Es kann diesem Hause nicht schaden, wenn man sich politisch klar auseinandersetzt. Das ist auch immer wieder in diesem Haus geschehen. Heute ist aber aus unserer Sicht ein Tabu gebrochen worden, welches die Mitglieder meiner Fraktion aufs äußerste verletzt. Ich will Ihnen dies nahe bringen.

Herr Kollege Glück hat ein Zitat des bayerischen SPDVorsitzenden in die Debatte eingebracht, welches außerhalb dieses Hauses so gefallen ist. Herr Glück hat sich dagegen zur Wehr gesetzt, das kann er selbstverständlich tun. Es handelt sich dabei übrigens um ein Zitat, das nach meinem Wissen in keiner einzigen Zeitung aufgegriffen worden ist, die von diesem Parteitag Bericht erstattet hat.

(Glück (CSU): Augsburger Allgemeine! – Kaul (CSU): Ich habe es selbst gelesen!)

Vielleicht ist das nachträglich geschehen. Ich will nur darauf hinweisen, dass es sich nicht um ein so verwerfliches oder bedeutsames Zitat gehandelt hat, als dass es durch die Lande oder den Blätterwald gerauscht wäre.

Es wurde also ein Zitat aufgegriffen, das außerhalb dieses Hauses fiel. Man kann es bewerten, wie man will. Empörung bei der SPD-Fraktion hat aber der Vergleich hervorgerufen, den der Fraktionsvorsitzende der CSU gezogen hat. Ich zitiere wörtlich:

So haben die Nazis gegen die SPD und die demokratischen Parteien gesprochen.

(Welnhofer (CSU): Das ist die Wahrheit!)

Das bedeutet, dass die Sprache des Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei in Bayern mit der Sprache

der Nationalsozialisten gleichgesetzt wird. Dies weisen wir nachdrücklich und entschieden zurück.

(Lebhafter Beifall der SPD und des BÜNDNIS- SES 90/DIE GRÜNEN)

Die Nationalsozialisten haben in diesem Land Menschen vergast, Juden verfolgt, Konzentrationslager gebaut. Sie haben dort unter anderem viele Sozialdemokraten eingesperrt und zu Tode gebracht. Sie sind für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich. Die SPD ist in diesem Hause wirklich die letzte Partei, die sich einen Vergleich mit Nationalsozialisten bieten lassen muss.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Viele von uns waren vor einigen Wochen beim 100. Geburtstag von Josef Felder, dem letzten Reichstagsabgeordneten, der noch lebt, der gegen das Ermächtigungsgesetz Hitlers gestimmt hat. Darauf sind wir stolz. Es gehört zu unserer Parteigeschichte, dass wir uns dem Nationalsozialismus entschieden entgegengestellt haben, übrigens ganz im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien, die sich zum Steigbügelhalter Hitlers machen ließen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb verbitten wir uns ganz entschieden jeden derartigen Vergleich. Dass der Fraktionsvorsitzende Glück und Herr Herrmann in der Ältestenratssitzung ihr Bedauern zumindest dahin gehend zum Ausdruck gebracht haben – so habe ich das verstanden –, dass sie nicht die SPD diffamieren wollten, nehmen wir zur Kenntnis. Wir hätten uns aber auch gefreut, wenn Sie, Herr Glück, das Angebot unseres Kollegen Dr. Jung aufgegriffen hätten – ich glaube, Sie haben es nicht gehört, aber vielleicht hat man es Ihnen übermittelt – und sich hier entschuldigt hätten. Das wäre gut für die weitere Zusammenarbeit in diesem Hause gewesen. Es wäre auch für die Demokratie in diesem Land gut gewesen, denn einen Vergleich mit der Sprache der Nationalsozialisten hier einzuführen, ist unzulässig. Das hat es hier Gott sei Dank noch nicht gegeben, und das darf es auch in Zukunft nicht geben. Ich bitte Sie herzlich und fordere Sie dazu auf, sich zu mäßigen.

(Beifall bei der SPD – Unruhe bei der CSU)

Ich bitte Sie, Herrn Maget zu Wort kommen zu lassen. Ich weise darauf hin, zur Sache wird bei den Erklärungen nicht mehr gesprochen.

Lassen Sie es bei diesem einmaligen Vorfall bewenden. Ich bedauere, dass dafür keine Entschuldigung erfolgt, aber ich kann Sie nicht eines Besseren belehren. Das ist schade, aber vielleicht gibt es in der Zukunft Gelegenheit, zur Sachlichkeit zurückzukehren.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Abgeordneter Glück.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle zunächst fest, meine Ausführungen bezogen sich eindeutig ausschließlich auf eine Person und nicht auf eine Partei als Ganzes.

(Beifall bei der CSU)

Dies wird besonders deutlich an der Formulierung des Kollegen Herrmann, der sagte, die Wortwahl von Herrn Hoderlein auf dem Parteitag entsprach der Art, wie sich vor 60 Jahren Nationalsozialisten über Demokraten in diesem Land geäußert haben. Er sagte, das ist unwürdig für einen Sozialdemokraten. Gerade Sie sollten sich wegen der demokratischen Tradition Ihrer Partei im damaligen Widerstand überlegen, dass man so nicht über andere demokratische Parteien in unserem Land spricht.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe die Belegstellen jetzt nicht hier, aber wenn Sie von Tabubruch sprechen, Herr Maget, muss ich Sie daran erinnern, wie oft Franz Josef Strauß von Leuten aus den Reihen der SPD mit einem Nationalsozialisten gleichgesetzt wurde und wie andere Mitglieder der CSU immer wieder bezichtigt wurden, sie seien wie die Nazis.

(Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist das richtig oder falsch?)

Es lohnt sich nicht, darauf einzugehen.

Wir wollen uns darum bemühen, der Diskussion die Schärfe zu nehmen. Herr Dr. Dürr, das, was Sie gesagt haben, hat wieder Schärfe in die Diskussion gebracht. Ich bitte um etwas Zurückhaltung.

(Beifall bei der CSU)

Ich lasse mich darauf nicht ein. Es hat grundsätzlich eine unterschiedliche Qualität, ob wir uns mit der Äußerung einer Person auseinander setzen oder ob wir eine ganze Partei für eine Aussage in Haftung nehmen. Sie beziehen sich darauf, dass es eine Aussage außerhalb des Parlaments war, aber es handelt sich nicht um eine Aussage bei irgendeiner Veranstaltung, wo es auch alle als Beleidigung empfunden hätten und es so nicht stehen bleiben kann, sondern es war ein besonderer Anlaß. Es war die Antrittsrede des neuen Vorsitzenden der SPD, der damit seine Positionen markiert, und es war keine spontane Äußerung, denn sie steht auch im verteilten Manuskript. Eine solche Äußerung ist nicht zu trennen von der parlamentarischen Arbeit hier. Ganz abgesehen davon haben Sie sich hinter diese Formulierungen gestellt, wenn auch vielleicht in einer gewissen Pauschalität.

Ich darf wiederholen, was ich vorhin in der Sitzung des Ältestenrats gesagt habe, als Sie bei mir waren, um darüber zu reden, ob wir nicht doch die Entschließungen

in die Ausschüsse verweisen könnten. Ich habe gesagt: Nein, nicht nach diesem Vorspiel. Ich habe Ihnen auch angekündigt, dass ich mich mit den Äußerungen von Herrn Hoderlein entsprechend auseinander setzen werde, und ich habe Ihnen diese Äußerungen vorgelesen. Die Frage war, ob Herr Hoderlein hier sein wird, weil eine Rundfunkratssitzung anstand. Das heißt, das Ganze war Ihnen nicht unbekannt, so dass ich mir, ehrlich gesagt, später gedacht habe, eigentlich habe ich Herrn Maget zu viel von dem gesagt, was ich vorhabe. Aber es wäre auch die Gelegenheit gewesen, etwas herauszunehmen.

Wenn Herr Hoderlein sich für die pauschale Beleidigung der CSU entschuldigt, nehme ich meine Äußerung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück, aber erst dann.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Herr Maget, wenn Ihnen daran liegt, im Haus wieder ein sachliches Klima herzustellen, dann erwarte ich, dass Sie sich zumindest von den Äußerungen, die Sie im Hinblick auf die Veröffentlichung vom Landesvorsitzenden der Jusos zu verantworten haben, distanzieren, der sagt, jede rechtsradikale Straftat – ich habe die genaue Formulierung nicht vorliegen – gehe zurück auf die geistige Urheberschaft von CDU und CSU. Das ist in Ihrer Verantwortung veröffentlicht worden. Wenn Sie einen Beitrag zur Versachlichung leisten wollen, dann ziehen Sie das zurück, ansonsten sollten Sie mit Vorwürfen und Belehrungen über Stil aufhören.

(Lang anhaltender Beifall bei der CSU)

Wenn wir aus den Vorgängen lernen, haben wir alle einen Gewinn.

Ich rufe noch auf den:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Glück, Loscher-Frühwald, Kaul und Fraktion (CSU)

Novellierung des Bundesnaturschutzgesetzes

(Drucksache 14/4250)

Ich schlage vor, diesen Dringlichkeitsantrag dem Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen als federführendem Ausschuss zu überweisen. Besteht damit Einverständnis? – Dann ist das so beschlossen.

Ich schlage vor, dass wir zunächst Tagesordnungspunkt 4 behandeln, denn über ihn muss ein echter Beschluss gefasst werden. Andere Dinge wie die Verweisungen bei den Ersten Lesungen können wir notfalls nach 19 Uhr erledigen.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 4

Antrag der Staatsregierung

Vertrag vom 3. Juni 1999 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik

über das Grenzurkundenwerk der gemeinsamen Staatsgrenze (Drucksache 14/3953)

Zweite Lesung –

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Wir kommen deshalb zur Abstimmung. Der Abstimmung zugrunde liegen der Vertrag auf Drucksache 14/3953 und die Beschlussempfehlung mit Bericht des federführenden Ausschusses für Bundesund Europaangelegenheiten auf Drucksache 14/4253. Gemäß § 61 der Geschäftsordnung kann die Abstimmung nur über den gesamten Vertrag erfolgen.

Der federführende Ausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten empfiehlt Zustimmung. Wer dem Vertrag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Dann ist das so beschlossen.