Protocol of the Session on July 12, 2000

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte noch einmal deutlich zwischen dem, was im Grundgesetz steht und dem, was wir wollen, unterscheiden. Im Artikel 115 des Grundgesetzes steht, dass eine Nettoneuverschuldung der Normalfall ist. Ich interpretiere diesen Artikel so. Die Höhe dieser Nettoneuverschuldung ist lediglich durch die Summe der Investitionen gedeckelt. Wenn über diese Summe der Investitionen hinaus gegangen wird, muss dies begründet werden. In diesem Fall wird das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht herangezogen. Unsere Formulierung enthält zu der Formulierung des Grundgesetzes einen fundamentalen Unterschied: Bei uns wird der Normalfall, dass die Nettoneuverschuldung Null beträgt. Wir wollen einen ausgeglichenen Haushalt. Jede Mark, die über diese Untergrenze hinausgeht, muss mit dem gesamtwirtschaftlichen Gleichgewicht oder sonstigen besonderen Herausforderungen begründet werden. Dies ist der Unterschied zu dem, was der Bundesgesetzgeber im Grundgesetz vorschreibt. Auf diesen Unterschied wollte ich ausdrücklich hinweisen.

Meine Damen und Herren, Bayern ist das finanzpolitisch solideste Land mit einer Kreditfinanzierungsquote im Jahr 2000 von nur 2,2%. Der Länderdurchschnitt West liegt dagegen bei 6,3%. Die Zinsausgabenquote liegt im Jahr 2000 im Freistaat bei 3,4%, während der Durchschnitt der Flächenländer West bei 7,7% liegt. Sehen Sie sich einmal die Abstände an. Die Pro-Kopf-Verschuldung des Freistaates liegt bei 3000 DM, während sie im Länderdurchschnitt bei 7600 DM liegt. Obwohl wir weit vorne liegen, wollen wir uns nicht bequem zurücklehnen. Wir wollen noch besser sein. Das ist unser Ehrgeiz. Das entspricht unseren Vorstellungen von Wettbewerbsföderalismus.

(Beifall bei der CSU)

Wir werden noch weiter nach vorn kommen. Dadurch werden wir unser Land für Investoren noch attraktiver machen. Die Investoren werden sehen, dass in Bayern eine solide Politik betrieben wird. Dies ist für die Gesamtperformance Bayerns wesentlich.

Meine Damen und Herren, wir müssen den ausgeglichenen Haushalt bis zum Jahr 2006 erreichen. Bis dahin ist es nicht mehr weit hin. Pro Jahr müssen demnach 230 Millionen DM Nettoneuverschuldung abgebaut werden. Wir haben bereits wichtige Schritte unternommen: Im Nachtragshaushalt 1998 hatten wir noch eine Neuverschuldung von 2,47 Milliarden DM. Im Jahre 1999 lag sie nur noch bei 1,84 Milliarden DM. Im Nachtragshaushalt 2000 konnten wir die Neuverschuldung auf 1,37 Mil

liarden DM senken. Dies sind deutliche Schritte. Wir müssen diese deutlichen Schritte unbedingt fortsetzen.

Herr Kollege Straßer, wir werden dabei natürlich eine besondere Herausforderung bewältigen müssen, nämlich die Steuerreform. Sie wird zum 1. Januar nächsten Jahres kommen, unabhängig davon, wie die Abstimmung am Freitag ausgeht. Die damit verbundenen Belastungen werden natürlich auch für unseren Haushalt nicht gering sein. Die Wachstumseffekte, die wir aus dieser Steuerreform bekommen und die zwischen den Regierungen in Berlin und im Freistaat Bayern unbestritten sind, werden uns aber helfen, dass wir nach unseren ernsthaften und sehr präzisen Prognosen bis zum Jahr 2006 tatsächlich einen ausgeglichenen Haushalt erreichen. Dies gelingt uns jedoch nur, wenn wir eine ganz konsequente Sparpolitik betreiben.

Wenn wir allerdings Hurra rufen, weil wir wieder unglaublich viel Geld haben – so lese ich es in einem Dringlichkeitsantrag für heute Nachmittag schon wieder –, dann werfen wir Geld hinaus, welches wir nicht haben, und dadurch erhöhen wir die Nettoneuverschuldung, sodass wir bis zum Jahr 2006 das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts nicht erreichen werden.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Sie müssen endlich entscheiden, was Sie wollen. Wollen Sie einen Sparkurs betreiben, der tatsächlich im Jahr 2006 zu einem ausgeglichenen Haushalt führt? Herr Eichel verspricht dies in Berlin genauso. Oder wollen Sie hemmungslos Wohltaten verteilen?

Zum Schluss will ich einen Punkt herausgreifen, der dem Kollegen Ach und den Mitgliedern des Haushaltsausschusses besonders am Herzen liegt. Ich meine die Investitionsquote. Sie beträgt zurzeit 15,3%. Nicht mitgerechnet sind hierbei die Privatisierungserlöse. Diese Investitionsquote ist mir zu wenig, obwohl sie deutlich über der aller anderen westlichen Länder liegt. Wir müssen diese Investitionsquote auf jeden Fall halten; das ist aber außerordentlich schwierig – das sage ich Ihnen aus den Erfahrungen der Haushaltsverhandlungen. Wenn wir mehr Lehrer, mehr Personal für wissenschaftliche Einrichtungen oder mehr Personal für Justizvollzugsanstalten einstellen, schlägt dies sofort massiv auf die Investitionsquote durch. Deshalb war es bei den Haushaltsverhandlungen sehr schwierig, die Investitionsquote von 15% zu halten.

Ich verrate keine Geheimnisse, meine Damen und Herren aus dem Haushaltsausschuss, aber wir werden die Investitionsquote von 15% halten können. Ich sage Ihnen jedoch voraus, dass die Beibehaltung der Investitionsquote die eigentliche Kampflinie der Zukunft sein wird. Wir müssen sehr aufpassen, dass wir die Investitionsquote erhalten. Dieser Auftrag richtet sich an alle Ministerien, an mich selbst, aber auch an den Landtag. Ich bitte um eine intensive, aber auch sachgerechte Debatte über diesen Gesetzentwurf und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CSU)

Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Als Redezeit wurden im Ältestenrat 30 Minuten pro Fraktion vereinbart. Als Erster hat Herr Kollege Straßer das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Finanzminister, eine Frage: Was hindert Sie denn daran, schon jetzt einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen? Niemand hindert Sie doch daran, das zu tun, was Sie hier angekündigt haben. Ich habe mich schon ein wenig über Ihre Belehrungen hinsichtlich der Verschuldung gewundert. Sie sagen, wir müssen den ausgeglichenen Haushalt mit einem Gesetz regeln. Ich war immer der Meinung, dass wir vom Sozialismus und von der Planwirtschaft Abstand genommen haben. Die Verschuldung ist geregelt. Jetzt wollen Sie das Geregelte wieder regeln und zusätzliche Bürokratie aufbauen. Herr Minister, lesen Sie doch die Bayerische Verfassung. Dort steht klar, was Sie zu tun haben. Artikel 82 lautet: „Im Wege des Kredits dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf beschafft werden.“ Damit ist doch die Kreditaufnahme geregelt. Mit ihrem Gesetzentwurf legen Sie eine Regelung vor, mit der etwas Geregeltes noch einmal geregelt wird.

Ich möchte nur ein paar Anmerkungen auf Ihre Äußerungen zur Verschuldung im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit in diesem Staat machen. Wir Sozialdemokraten haben damals gesagt, für die Wiedervereinigung müssen enorme Leistungen erbracht werden. Sie betonen immer wieder, die Wiedervereinigung habe Milliarden gekostet, und wir sollten Ihnen diese Ausgaben nicht vorwerfen. Wir haben Sie aber auch immer darauf hingewiesen, dass diese Wiedervereinigung Milliarden kostet. Doch Sie, die CDU und die CSU, haben erklärt, die Wiedervereinigung könne aus der Portokasse bezahlt werden. Jetzt wundern Sie sich, dass enorme Kredite aufgenommen werden mussten. Sie waren doch damals für die Finanzpolitik verantwortlich. Sie waren es doch, der damals zusammen mit Dr. Waigel die Schulden enorm in die Höhe getrieben hat. Sie sind doch dafür verantwortlich, dass unser Spielraum wesentlich geringer geworden ist.

(Beifall bei der SPD)

Ich finde es rührend, wenn sich ein Finanzminister, der der CSU angehört, darüber beklagt, dass sich die Investitionsquote im Freistaat von 25% auf 15,3% nach unten bewegt hat. Wer trägt denn die Verantwortung hierfür? Das sind doch Sie, meine Damen und Herren von der CSU-Fraktion und von der Staatsregierung.

(Freiherr von Rotenhan (CSU). Wenn es nach euch gegangen wäre, hättet ihr alles versoffen! – Mehrlich (SPD): So ein Quatschkopf, der gehört verwarnt, Herr Präsident!)

Herr Kollege Mehrlich, Sie sind nicht Präsident, es wäre besser, Sie würden wieder Platz nehmen.

(Mehrlich (SPD): Das war doch ungeheuerlich, was der gesagt hat, wir hätten alles versoffen!)

Herr Mehrlich, ich bitte Sie jetzt, zurückhaltend zu sein. Nehmen Sie Platz. Ich habe nichts gehört.

(Weiterer Zuruf des Abgeordneten Mehrlich (SPD) – Ach (CSU): Sie sind doch nicht der Präsident!)

Herr Mehrlich, ich bitte Sie jetzt Platz zu nehmen. Sie führen hier nicht die Sitzungsleitung.

(Frau Radermacher (SPD): In der Art wird das alles gemacht!)

Herr Kollege Strasser, fahren Sie fort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn wir über dieses wichtige Thema der Neuverschuldung debattieren und vom Finanzminister hören, dass wir einen Sparkurs anstreben müssen, weil die Investitionsquote gesunken ist, dann müssen wir auch sagen, dass Sie selber für die Reduzierung der Investitionsquote verantwortlich waren und nicht wir von der Opposition.

Ein Zweites. Es ist schon interessant, wenn der Finanzminister die Opposition darum bittet, in Zukunft beim Sparen behilflich zu sein und etwas weniger Geld auszugeben. Er bittet auch den Haushaltsausschussvorsitzenden, diesen Weg mitzugehen, damit wir endlich sparen. Gestern hätten Sie beweisen können, dass Sie sparen.

(Frau Lochner-Fischer (SPD): Wer hat denn bei der Pinakothek 30 Millionen DM mehr gebraucht?)

Gestern haben wir gehört, dass das Kabinett das Sparen vergessen hat. Es hat beschlossen, in der Pinakothek einen teuren Boden einzubauen, der gar nicht finanziert ist.

(Frau Lochner-Fischer (SPD): Wer hat denn gestern von der CSU mit Nein gestimmt?)

Die Mitglieder des Kabinetts bitten uns darum, zu sparen, aber das Kabinett selbst gibt mehr Geld aus. Sie müssen also erst einmal bei sich selbst beginnen. Sie müssen das tun, was Sie von uns einfordern, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜND- NISSES 90/DIE GRÜNEN – Frau Lochner-Fischer (SPD): Sogar der Vorsitzende des Haushaltsausschusses klatscht hier! – Ach (CSU): Ich habe nicht geklatscht!)

Herr Minister, Sie haben breit ausgeführt, wie Sie die Neuverschuldung reduzieren wollen. Am Rande haben Sie dabei noch erwähnt, dass Ihr Steuerkonzept zu etwas mehr Verschuldung führen wird. Ich finde es schon komisch, dass ein Finanzminister das Parlament belehrt, man müsse sparen und man dürfe keine Schulden mehr machen, während er gleichzeitig zusammen mit dem Kollegen Merz ein Steuerkonzept vorlegt, das zu einer höheren Verschuldung führt. Die Zahlen haben Sie nicht genannt. Sie haben nur von Wachstum usw. gesprochen. Herr Minister, Sie müssen sehen, dass es

sich um einen riesigen Betrag handelt. In fünf Jahren müssen Sie zur Finanzierung Ihres Steuerkonzepts im Freistaat Bayern 4,2 Milliarden DM mehr Schulden aufnehmen. Sie reden aber eine halbe Stunde lang davon, dass wir keine Schulden mehr machen dürfen. Gleichzeitig schlagen Sie vor, dass die Bundesregierung ein anderes Steuerkonzept verabschieden soll, das für den Freistaat Bayern 4,2 Milliarden DM mehr Schulden bedeutet.

(Beifall bei der SPD)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Faltlhauser?

Ja, sicher.

Herr Kollege Straßer, ist Ihnen bekannt, dass das Konzept der Bundesregierung, das am Freitag im Bundesrat zur Abstimmung steht, mittlerweile 5,4 Milliarden teurer ist als jenes, das Herr Kollege Merz zusammen mit mir vorgelegt hat?

(Gabsteiger (CSU): Jetzt schluckst du! – Weitere Zurufe von der CSU)

Herr Minister, Sie wissen ganz genau, dass diese Zahl bereits vieles enthält, das Sie gefordert haben, und dass die ursprüngliche Belastung der Länder nicht so hoch war.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie tatsächlich so hoch gewesen wäre, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Minister hier darauf nicht hinweisen würde. Ursprünglich war die Belastung durch die Steuerreform der Bundesregierung nicht so hoch wie durch das Steuerkonzept, das Sie zusammen mit Kollegen Merz vorgelegt haben. So ist der Sachverhalt.

Darf ich noch eine Nachfrage stellen, weil Sie meine Frage nicht beantwortet haben?

Herr Abgeordneter, wir befinden uns in der Aussprache, in der zwar Zwischenfragen, aber nicht Nachfragen zulässig sind.

(Heiterkeit)

Dem beuge ich mich.

(Heiterkeit und Beifall bei der CSU)

Herr Minister, Sie sollten auch einige positive Worte über die Bundesregierung verlieren, auch wenn es Ihnen schwer fällt.

(Zurufe von der CSU)

Liebe Kollegen, ich weiß, dass Ihnen das schwer fällt, aber Sie müssen die Fakten zugeben. In der Pressemitteilung vom 20. Mai 1999 ist zu lesen, dass sich die CSU-Landtagsfraktion mit den jüngsten Steuerschätzungen befasst und über die Verwendung der zusätzlichen Einnahmen von rund 300 Millionen für 1999 entschieden hat. Sie haben zwar zu Recht entschieden, die Hälfte dieses Geldes für den Schuldenabbau zu verwenden. Die Mehreinnahmen von 300 Millionen DM sind gewiss nicht das Verdienst der CSU oder CDU, sondern sind darauf zurückzuführen, dass die hervorragende Regierung in Berlin für eine bessere Finanzkraft gesorgt hat.