Protocol of the Session on July 12, 2000

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Renate Schmidt, Maget, Straßer, Lochner-Fischer und Fraktion (SPD)

Ausgabenwirksame Schwerpunkte und fiskalische Eckpunkte des Doppelhaushalts 2001/2002 (Druck- sache 14/4035)

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Kellner, Dr. Runge, Dr. Dürr und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schwerpunkte im Doppelhaushalt 2001/2002; ökologische Modernisierung und zukunftsfähige Gesellschaftspolitik (Drucksache 14/4088)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Als erster Redner hat Herr Kollege Maget das Wort.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle sind von den Bürgerinnen und Bürgern gewählt, um das Geld der Steuerzahler in Bayern vernünftig zu verwalten und vor allem selbstbewusst darüber zu entscheiden, wofür wir dieses Geld ausgeben wollen. Das ist die Aufgabe des Parlaments in einer lebendigen Demokratie. Wir diskutieren des Öfteren über das Thema des Funktionsverlustes des Parlaments. Ich frage mich nun, warum wir dem Funktionsverlust noch dadurch Vorschub leisten, dass wir die Erstellung des Haushalts und die Beschlussfassung über die Haushaltsschwerpunkte der Regierung überlassen, anstatt diese Entscheidung selbst zu treffen. Das wäre ureigenste Aufgabe eines selbstbewussten Parlaments, übrigens aller seiner Mitglieder, auch jener der Mehrheitsfraktion.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb möchten wir erreichen – dazu machen wir heuer den ersten Anlauf –, dass das Budgetrecht, welches das klassische Recht des Parlaments ist, wieder an den Landtag zurückkommt. Wir sollten uns das Budgetrecht gemeinsam zurückholen.

(Beifall bei der SPD)

Das wäre ein aktiver Beitrag zu mehr Demokratie. Das würde uns allen nützen und unser Ansehen in der Bevölkerung mehren.

Deswegen schlagen wir als SPD-Fraktion Schwerpunkte, die wir uns im kommenden Doppelhaushalt wünschen, zur Diskussion vor. Ich will diese Schwerpunkte kurz benennen. Erstens. Wir wollen die Informationsund Kommunikationstechnologien an unseren Schulen und Hochschulen endlich deutlich stärken.

(Beifall bei der SPD)

Meine Tochter hat vor zwei Wochen ihr Abiturzeugnis in die Hand gedrückt bekommen. Hätte sie nicht zu Hause am Computer gearbeitet, hätte sie während ihrer dreizehnjährigen Schullaufbahn keine einzige Stunde an

einem Computer zugebracht. Das ist einer weiterführenden Schule im Freistaat Bayern unwürdig.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CSU – Unruhe)

Das ist der Zustand, den wir vorfinden. – Vor einigen Tagen haben wir eine Anhörung mit Systemverwaltern an den Schulen durchgeführt und uns vor Augen führen lassen, was die zuständigen Lehrerinnen und Lehrer auf diesem Gebiet können. Liebe Kolleginnen und Kollegen, da tun sich Abgründe auf. Wenn an den Gymnasien heute der Computer im Lehrerzimmer oder im Rektorat nicht mehr funktioniert und das Programm abstürzt, kann das nicht etwa der Systemverwalter in Ordnung bringen, sondern es wird ein fitter Schüler geholt, der den Computer wieder in Gang bringt. So ist die Situation in unseren Ausbildungsstätten in Bayern. Hier ist dringend Abhilfe notwendig.

(Beifall bei der SPD)

Zweitens. Wir wollen die Familien stärken und nicht nur darüber reden, dass sie gestärkt werden müssen. Wir sehen den Schlüssel dafür in der Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch für die Frauen, und zwar insbesondere durch mehr Kinderbetreuungseinrichtungen und Nachmittagsbetreuung an den Schulen. Sie haben einen familienpolitischen Kongress mit einem Nebeneffekt durchgeführt, den wir sehr bedauern, der sich in der Politik nicht gehört und der es nach unserer Meinung notwendig macht, auch den Medien gegenüber deutlich zu machen, dass es Schamgrenzen und Grenzen des Anstandes in der Politik gibt, egal welchen Kollegen oder welche Kollegin es betrifft.

(Allgemeiner Beifall)

Dagegen sollten wir uns gemeinsam zur Wehr setzen. Sie haben sich mit dem Thema Familie beschäftigt. Dass sich die CSU nun zum Retter der Familie in Bayern aufspielt, ist schon der Gipfel der Heuchelei. Sie wollen doch die Familien für dumm verkaufen. Sie haben jahrelang eine Familienpolitik betrieben, die so miserabel war, dass Sie dafür vom Bundesverfassungsgericht verurteilt worden sind.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch des Abgeordneten Ach (CSU))

Tatsache ist: Sie haben die Familien in Bayern und in Deutschland über viele Jahre hinweg schlecht behandelt. Sobald wir in der Regierungsverantwortung waren, haben wir sofort das Kindergeld erhöht. Das hätten Sie auch tun sollen; damit wäre den Familien geholfen worden.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Ach (CSU))

Wir wollen drittens eine zukunftsgerichtete Energiepolitik. Der Freistaat kann Vorbildfunktion ausüben, wenn er in seinen Liegenschaften energiesparende Maßnahmen

durchführt und wenn er vor allem noch stärker auf den Ausbau der regenerativen Energien in Bayern setzt.

Viertens. Wir haben soeben über die Situation der Pflege diskutiert und waren uns darin einig, dass die Situation der Pflegebedürftigen in vielen Einrichtungen unwürdig ist. Den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen hilft es überhaupt nicht, wenn der Schwarze Peter durch die Lande geschoben wird, nach Berlin, zu den Bezirken oder sonstwohin. Da hilft nur, wenn jede politische Ebene ihren Beitrag zur Verbesserung der Situation leistet. Wenn wir in diesem Hause unseren Beitrag dadurch geleistet haben, dass wir einen Schwerpunkt auf die Verbesserung der Pflegesituation setzen, können wir uns wieder darüber unterhalten, was auch bei den Bezirken oder in Berlin getan werden muss. Erst müssen aber wir unsere Hausaufgaben machen.

Wir wollen eine Reduzierung der Schulden der öffentlichen Haushalte und beim Freistaat Bayern. In dieser Frage gehen wir durchaus den gleichen Weg. Fangen wir aber damit an, dass wir die Schulden des Freistaats Bayern bei den bayerischen Kommunen, bei denen der Freistaat mittlerweile mit über sechs Milliarden DM in der Kreide steht, als erstes begleichen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein schöner Sparkommissar, Herr Staatsminister Faltlhauser, der seine Schulden abbaut und die Kommunen im Regen stehen lässt und ihre Schulden immer stärker steigen lässt. Das ist eine Sparpolitik, die wir nicht mittragen können. Wir wollen mit unseren Vorschlägen einen konstruktiven Beitrag zu den Debatten leisten. Wir wollen die anderen Fraktionen einladen, diese Diskussion mit uns zu führen. Ich möchte vor allem Sie von der CSU auffordern, die Haushaltspolitik nicht länger wie eine willenlose Prätorianergarde zu betreiben nach dem Motto „Regierung marschier‚ – wir folgen dir“. Das ist für selbstbewusste Parlamentarier zu wenig, Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Statt dessen benötigen wir, so meine ich, ein Leitbild für unser Land. Wir brauchen ein Leitbild für Bayern, in dem wir beschreiben, wohin wir wollen: ökonomisch, sozial, gesellschaftlich und ökologisch, für mehr Zukunftschancen für unsere Kinder. Der Staatshaushalt ist ein entscheidendes Instrument, um ein solches Leitbild zu realisieren. Es würde uns Spaß machen, wenn Sie mit uns über ein Leitbild diskutieren würden, wohin es in Bayern eigentlich gehen soll.

Was wir beantragen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist finanzierbar und solide. Wir haben darauf hingewiesen, dass es Zahlen gibt, die der bayerische Finanzminister bereits im Mai an das Bundesfinanzministerium in Berlin weitergeleitet hat. Den Landtag hat er darüber aber nicht informiert. Warum beklagen Sie sich darüber eigentlich nicht, Herr Kollege Ach? Das sollte doch auch Sie interessieren. Wir kennen als weitere Grundlage die Zahlen der Steuerschätzung. Auch über diese Zahlen informie

ren Sie den Landtag nicht. Sie geben keine Auskunft darüber, welcher Finanzierungsspielraum uns zur Verfügung steht. Wir haben ihn berechnet, und daraus folgt für mich, dass das größte Finanzierungsrisiko, das es jetzt im bayerischen Staatshaushalt noch gibt, der Vorschlag für eine Steuerreform ist, den Sie im Deutschen Bundestag bzw. im Bundesrat vorgelegt haben. Nur diese Vorlage würde die Finanzierbarkeit der Ausgaben im Freistaat ernsthaft gefährden. Das größte Haushaltsrisiko für Bayern ist der bayerische Finanzminister selbst.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen mit Ihnen, Herr Dr. Faltlhauser, über die tatsächlichen Eckdaten des Doppelhaushalts dieses Freistaats diskutieren, über die Eckwerte, die Sie bisher immer verschwiegen haben. Im Gegensatz zum Vatikan, der die dritte Weissagung von Fatima inzwischen endlich offen gelegt hat, verschweigen Sie uns noch immer die wichtigen Daten. Vielleicht nennen Sie uns die Zahlen heute; der Vatikan ist jedenfalls weiter als Sie.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen die Schulden der öffentlichen Hand abbauen und damit den Staat wieder auf allen Ebenen finanziell handlungsfähig machen. Überall, wo Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten regieren, tun wir das.

(Ach (CSU): Oh, lieber Gott!)

In meiner Heimatstadt, sehr geehrter Herr Kollege Ach, in München, haben wir dank der sozialdemokratischen Mehrheit im Rathaus zu einer sehr soliden Haushaltspolitik gefunden.

(Zuruf eines Abgeordneten der CSU: Dank der guten Wirtschaftspolitik!)

Wir machen in München keine Schulden mehr, Herr Kollege Glück, wir zahlen inzwischen sogar schon wieder Schulden zurück.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Faltlhauser würde sich freuen und jubilieren, wenn er dieses Ziel, das wir in München längst erreicht haben, auch nur annähernd realisieren könnte. Sie können sich ruhig ein Beispiel an uns nehmen.

(Gartzke (SPD): In Ansbach machen wir das auch!)

Wenn wir nach Berlin schauen, das möchte ich am Ende noch sagen, stellen wir fest, dass Sie und Ihre Partei für eine katastrophale Haushaltslage verantwortlich sind. Wir sind es, die das jetzt alles ausbaden müssen und mühsam Schulden zurückzahlen, die Sie gemacht haben. Das ist der Unterschied.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Glück, Sie werden sich daran gewöhnen müssen, dass wir die Unterschiede in der Politik zwi

schen unseren beiden Fraktionen deutlich machen. Selbstverständlich ist es so, dass wir dann ab und zu besser ausschauen als Sie. In Zukunft wird das vielleicht noch öfter der Fall sein.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nächste Wortmeldung: Frau Kollegin Kellner. Bitte schön.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Nachdem wir schon heute früh mit den vorgezogenen Haushaltsberatungen angefangen haben, ist es nur recht und billig, wenn wir uns auch heute Nachmittag bei den Dringlichkeitsanträgen mit dem kommenden Doppelhaushalt befassen.