Lassen Sie mich abschließend noch einen Punkt ansprechen, der mir besonders wichtig ist. Wir Grünen sehen in der Integration die entscheidende Aufgabe unserer Gesellschaft. Zur Integration gehört im Schulbereich auch die Integration behinderter Kinder. Wir haben bereits Anfang Februar im Bildungsausschuss eine Anhörung zu diesem Thema gehabt. Dabei wurden für mich die Chancen der Integration sehr deutlich. Allerdings waren bei dieser Anhörung auf Seiten der Kultusbürokratie auch Skepsis und Widerstand sehr deutlich spürbar. Ich frage mich schon, ob diese Anhörung alles gewesen sein soll. Ich vermisse bei der CSU-Fraktion Vorschläge dazu, wie wir mit den Ergebnissen dieser Anhörung weiter verfahren und auf welche Lösung Sie sich einlassen wollen. Ich vermisse bei der CSU diese Vorschläge, unser Vorschlag liegt schon lange auf dem Tisch.
Wir wollen, dass an allen Pflichtschulen auf Antrag von Eltern Integrationsklassen eingerichtet werden. Natürlich sind dabei die Klassengrößen entsprechend den erhöhten Anforderungen zu verringern. Ich möchte deshalb an dieser Stelle an die CSU-Fraktion appellieren, den Prozess der Integration weiter zu betreiben und endlich eine Initiative auf den Tisch zu legen, damit die Anhörung nicht so im Raum stehen bleibt, so dass die Menschen, die in diese Anhörung sehr große Hoffnungen gesetzt haben, am langen Arm verhungern.
Kolleginnen und Kollegen, wenn uns an jungen Menschen gelegen ist, die für sich selbst Verantwortung übernehmen und sich durch hohe Sozialkompetenz auszeichnen, brauchen wir auch eine Schule, die Selbstverantwortung und Sozialkompetenz zulässt und fördert. Während Sie nur reden, handeln wir. In unserem Gesetzentwurf werden die notwendigen Rahmenbedingungen für die Verwirklichung der hehren Worte der Frau Staatsministerin gesetzt. Deshalb wäre es schön, wenn Sie sich aufraffen könnten, unserem Gesetzentwurf zuzustimmen.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir behandeln heute eine Änderung des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes, und dabei habe ich natürlich Verständnis dafür, dass die Opposition diese Debatte nutzt, um ihr gesamtes bildungspolitisches Papier hier noch einmal vorzustellen.
Letztendlich geht es bei dieser Debatte aber um konkrete Vorschläge zur Änderung des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes und nicht darum, dass man wieder die Konzepte vorstellt – so hat es Herr Kollege Irlinger gemacht –, die in Bayern bei sämtlichen Wahlen und zuletzt auch beim Volksbegehren eine Absage erhalten haben. Sie sollten sich deshalb auch einmal die Frage stellen, warum das so ist.
Die CSU-Fraktion hat im Jahr 1998 einen Entschließungsantrag eingebracht, den der Landtag auch so verabschiedet hat. Es ging bei dieser Entschließung darum, die Qualität des bayerischen Bildungswesens zu sichern und weiterzuentwickeln. In dieser Entschließung ist die Lösung all der Fragen auf den Weg gebracht worden, die Sie heute angemahnt haben, weil sie nicht im heutigen Gesetzentwurf stehen. Ein Teil dieser Entschließung betraf auch die Schulorganisation. Dass die Schulorganisation zu einem Schwerpunkt geworden ist, lag aber nicht an der CSU, sondern an der SPD und am BLLV, die dieses Thema hochgezogen und über Monate hinweg massiv der Bevölkerung vorgetragen haben. Letztendlich können wir froh darüber sein, dass die Bürgerinnen und Bürger in Bayern der SPD und dem BLLV nicht auf den Leim gegangen sind, sondern sich für unser Konzept entschieden haben.
Erlauben Sie mir ein paar Anmerkungen zu dem, was Kollege Irlinger angesprochen hat. Er sprach unter anderem vom großen Selektieren, von der endgültigen Festlegung der Schulkarriere durch unser Schulsystem und davon, dass durch diese Festlegung alles zementiert und bei jungen Menschen im Alter von zehn Jahren der Lebensweg vorgegeben werde. Dabei hat er wohl überhaupt keine Ahnung von der Wirklichkeit, denn er ist mit keinem Wort auf die Möglichkeiten der Durchlässigkeit des Schulsystems eingegangen, die wir auch geschaffen haben. Wie kein anderes Land garantieren wir für junge Menschen entsprechende Anschlussmöglichkeiten. Wenn die SPD in ihrem Dringlichkeitsantrag von einer Abiturientenquote von unter 20% spricht, weiß sie offensichtlich nicht, dass es neben dem Gymnasium auch die Fachoberschule, die Berufsoberschule und andere Möglichkeiten gibt, um das Abitur abzulegen. Wir respektieren die Leistungen dieser Schularten. Tun Sie nicht so, als könnte nur am Gymnasium das Abitur erreicht werden.
Ein weiterer Bereich war die Sozialkompetenz. Auch hier vermittelt die SPD den Eindruck, dass nur an der Grundschule Sozialkompetenz vermittelt würde. An der Hauptschule, an der Realschule, an der Wirtschaftsschule und am Gymnasium, wo kein gemeinsamer Unterricht mehr stattfindet, würde kein soziales Lernen mehr stattfinden und keine Sozialkompetenz mehr vermittelt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Stärkung der Sozialkompetenz junger Menschen ist uns ein zentrales Anliegen. Das muss aber nicht in einem gemeinsamen Unterricht geschehen, in
Dass die Weiterentwicklung der Schulstruktur nicht nur in Bayern ein Thema ist, zeigt sich auch in den SPD-regierten Ländern. Nicht umsonst denkt man in Niedersachsen darüber nach, dass man die Orientierungsstufe wieder zurückführt, denn man hat auch dort erkannt, dass man bei einem Kind im Alter von zehn Jahren durchaus feststellen kann, in welcher Schulart es am besten gefördert wird.
Herr Kollege Schneider, wie werten Sie die Tatsache, dass Sie bei dieser Diskussion über die Bildungspolitik nur einen Kollegen aus dem Kreis der SPD-Bildungspolitiker im Saal sehen?
Ich habe mich nicht so genau umgeschaut, aber es scheint wieder genauso zu sein wie bei der Diskussion im Ausschuss, bei der sich die SPD überhaupt nicht beteiligt hat. Letztlich muss es aber jeder selbst wissen -
Ein dritter Punkt, der angesprochen worden ist, war der Diebstahl an Unterricht und der Diebstahl an Möglichkeiten für junge Menschen, etwas zu lernen. Auch hierzu nur ein paar Anmerkungen. Sie sollten sich wirklich einmal das Unterrichtsangebot in Bayern ansehen. Trotz schmerzlicher Kürzungen, die wir schon wieder sukzessive zurückführen, liegt das Angebot Bayerns für die Schülerinnen und Schüler mit großem Abstand vor dem Angebot der Länder, in denen Sie Verantwortung tragen. Auch beim Unterrichtsausfall haben wir die niedrigsten Zahlen. Wir haben doch gemeinsam einen Antrag zur Frage nach der Höhe des Unterrichtsausfalls formuliert. Die Zahlen werden derzeit eruiert. Eine Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft macht aber auch deutlich, dass die Situation in Bayern verglichen mit allen anderen Ländern am besten ist.
In einem Punkt ist Kollege Irlinger auch auf die Änderung des Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes eingegangen. Es ist die Weiterentwicklung der Hauptschule. Hierzu ist ihm nichts anderes eingefallen, als zu versuchen, ein richtiges Modell schlecht zu reden. Sogar der BLLV hat in einem an alle Kolleginnen und Kollegen im Landtag gerichteten Schreiben betont, dass er die Weiterentwicklung der Hauptschule unterstütze. Deshalb sollte sich auch die SPD einmal dazu durchringen, dieses richtige Konzept zu unterstützen und es nicht schlecht zu reden.
Ein letzter Punkt. Frau Münzel hat die Kultusministerin einmal als Schaf und einmal als Wolf bzw. Wölfin bezeichnet. Deshalb eine abschließende Feststellung: Unsere Kultusministerin ist eine „Leitwölfin“ in der bundesdeutschen Bildungspolitik. Das haben Sie, Frau Münzel, wohl gemeint, und in diesem Sinne werden wir unsere Kultusministerin auch weiterhin unterstützen.
Ich habe die Bezeichnungen nicht gerügt, weil ich sie als bildhafte Sprache erkannt habe. Fühlten Sie sich gekränkt, Frau Ministerin? –
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Trotz mancher charmanter und weniger charmanter Vergleiche meiner Person mit Tieren mögen Sie es mir verzeihen, dass ich weder knurre noch blöke, sondern mich der ganz normalen deutschen Hochsprache bediene. Trotz der heftigen öffentlichen Agitation gegen die sechsstufige Realschule in den letzten Monaten, als die Opposition glaubte, die gesamte bayerische Bevölkerung gegen die Bildungspolitik von CSU und Staatsregierung mobilisieren und aufbringen zu müssen – man wiegte sich in der Hoffnung, dass viele Menschen „dagegen aufstehen“ werden –, wurde heute vom Volksbegehren nicht mehr gesprochen.
(Frau Münzel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir akzeptieren die demokratische Entscheidung des Volkes, das hat mit der sachlichen Auseinandersetzung nichts zu tun!)
Sie, Frau Münzel, haben sich persönlicher Aggressivität mir gegenüber enthalten. Bei anderen war das nicht der Fall. Tatsache ist, dass diese Aggressivität sichtlich geschwunden und Ihnen die bayerische Bevölkerung nicht gefolgt ist. Denn sie wünscht die Bildungspolitik von Rot-Grün nicht.
Zum Gesetzentwurf konkret haben Sie kaum Stellung bezogen, auch wenn er eine Möglichkeit sein mag, sich in allgemeiner Form mit der Bildungspolitik von CSU und Staatsregierung auseinander zu setzen. Ihr Thema waren lediglich Fragestellungen, die gestern und vorgestern eine Rolle gespielt haben mögen.
Die sechsstufige Realschule und die Hauptschulreform werden verbesserte Bildungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche in Bayern bringen. Das sieht auch die bayerische Bevölkerung so. Die R 6 wird von den Eltern für ihre Kinder gewählt. Berichte darüber, was die Kinder in der sechsstufigen Realschule erleben, sind ausgesprochen positiv. Eltern und Kinder wollen auch diese
Schulart nach der vierten Grundschulklasse wählen dürfen. Sie wollen nicht, dass sie ihnen in Zukunft vorenthalten wird. Aus diesem und aus vielen anderen Gründen verankern wir die sechsstufige Realschule als dritte Schulart in den Wahlmöglichkeiten nach der vierten Grundschulklasse.
Die Hauptschulreform bietet in Zukunft für Kinder und Jugendliche, die mit Praxis- und Anwendungsorientierung, mit Klassleiter- statt Fachprinzip, wesentlich besser zurecht kommen, auch an der Hauptschule die Möglichkeit, den mittleren Schulabschluss mit einer bis zu vierjährigen zusätzlichen Förderung zu erreichen. Kinder und Jugendliche können künftig mit einer Durchlässigkeit rechnen, die es zuvor nicht gab. Sie haben noch mehr Chancen, in ihren unterschiedlichen Arten des Lernens akzeptiert zu werden, ihren Weg zu gehen und zu gleichwertigen, aber nicht unbedingt gleichartigen mittleren Schulabschlüssen zu kommen.
Mittlerweile liegen die ersten Erfahrungsberichte aus den zum Teil heftig kritisierten Praxisklassen vor. Sie sind hervorragend und zeigen, dass sich zum Beispiel Jugendliche, die zuvor dazu geneigt haben, sich der Schule zu verweigern, sie zu schwänzen und disziplinarische Probleme zu verursachen, positiv entwickeln. Von „Chaotenklassen“ oder „Aussonderungsklassen“, wie es teilweise hieß, kann keine Rede sein. Schüler, die zuvor fast nur Sechser geschrieben haben, verfügen nun teilweise sogar über Ausbildungsplätze und haben erheblich an Lernfreude zurückgewonnen. Praxisklassen geben jungen Menschen noch einmal die Chance zum Wiedereinstieg, anstatt sie in eine absehbare Biografie der Erfolglosigkeit zu entlassen.
Wir sind dazu verpflichtet, diesen jungen Menschen ein besonderes Angebot zu machen. Das hat nichts mit Auslese oder Aussortieren zu tun. Vielmehr muss man junge Menschen bewusst wahrnehmen und ihnen ihren Problemen entsprechende Angebote unterbreiten.
Der Gesetzentwurf enthält Eckpunkte für eine Weiterentwicklung der Grundschule. Bekanntlich gibt es Kinder, die schon früher als andere die Grundschule besuchen können. Für manche von ihnen ist das sogar notwendig und wichtig. Der Gesetzentwurf eröffnet die Möglichkeit, flexible Entscheidungen je nach Situation des Kindes zu treffen. Bayern ist das einzige Bundesland, das innerhalb eines Jahres flächendeckend eine vollständige Mittagsbetreuung anbietet. In vielen anderen Bundesländern wird darüber nur gesprochen.
Die niedersächsische Kultusministerin Jürgens-Pieper beruft sich ständig auf das bayerische Modell, weil sie es in Niedersachsen anstatt des Modells, das ursprünglich von Rot-Grün gewählt worden war, einführen möchte.
(Beifall bei Abgeordneten der CSU – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Sie sagten, Strukturen brächten keinerlei Veränderungen. Vor einiger Zeit haben wir eine neue Schulstruktur mit der Bezeichnung Berufsoberschule eingeführt. Sie wurde mittlerweile komplett als Schulsystem von Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen übernommen. Denn sie hat sich als erfolgreiches Instrument erwiesen, jungen Menschen nach Haupt-, Real- oder Gesamtschule die Möglichkeit zu geben, die allgemeine Hochschulreife zu erwerben. Dies zeigt, dass die Behauptung, Strukturen würden nichts ändern, nicht zutrifft. Im Gegenteil: Inhalt und Struktur müssen immer zueinander passen.
Pädagogische Fragestellungen und Strukturen haben sehr viel miteinander zu tun. Merkwürdig nimmt sich vor diesem Hintergrund ein Antrag aus, wir sollten die Abiturientenquote künstlich anheben – gleichzeitig sollen wir keine zentralen Regelungen schaffen. Wenn bayerische Eltern Hauptschulen, Realschulen, Berufsoberschulen oder Fachoberschulen bewusst für ihre Kinder wählen, halte ich das für richtige und vernünftige Entscheidungen. Des Weiteren möchte ich endlich einmal zum Ausdruck bringen, dass die Abiturientenquote nicht über die Befähigung der Menschen entscheidet, sondern dass auch die anderen Schularten eine Fülle von Förderung und Qualifikation bieten.
Im Übrigen stimmen die Quoten, die genannt wurden, nicht. Denn in Baden-Württemberg bezieht man die Quote der beruflichen Gymnasien automatisch in die Abiturientenquote ein, während man in Bayern die Quoten der Berufsoberschulen und der Fachoberschulen bewusst davon ausnimmt.
So kann man nicht miteinander umgehen. In Bayern gibt es Abiturienten aus dem Gymnasium. Es gibt aber auch Abiturienten aus dem beruflichen Bereich, nämlich aus den Berufsoberschulen und den Fachoberschulen. Der Ausbildungsstand dieser Abiturienten ist adäquat und gleichwertig zu dem, was von den Gymnasiasten für die Erlangung der Hochschulreife abverlangt wird.
Wir müssen jedoch endlich einmal aufhören, alle jungen Menschen danach zu beurteilen, ob sie ein Abitur haben. Nicht nur Abiturienten bringen Fähigkeiten und die erforderlichen Qualifikationen für die Zukunft mit. Wir werden in Zukunft nicht vorrangig Akademiker benötigen, sondern Facharbeiter und Fachleute, die in der Lage sind, in den modernen Berufen und als Facharbeiter ihre Fähigkeiten und Qualitäten einzubringen. Diese Fachleute werden nicht nur Akademiker sein.