Protocol of the Session on March 21, 2000

Hier sei ein kurzer Blick auf den Bund erlaubt: Es ist schon erstaunlich, wenn dieser „Medien-“ und „HighTech-Kanzler“ seinen Forschungsetat vom Vorjahr auf dieses Jahr um 340 Millionen DM kürzt.

(Frau Radermacher (SPD): Das stimmt nicht!)

Für die Kürzung von 340 Millionen Mark ist Herr Schröder verantwortlich. Ebenfalls verantwortlich dafür ist – Kollege Stockinger hat das schon angesprochen – der für die Universität Hildesheim zuständige Ministerpräsident. Hören Sie gut zu, vielleicht lernen Sie dabei doch noch etwas. Er hat 1996 einen Informatik-Studiengang geschlossen, weil er dafür keinen Bedarf gesehen hat. Als ihn die Studenten mit einem Transparent darauf hingewiesen haben, hat er schlicht gesagt: Das ist beschlossen und erledigt. Man kann hier schon fragen: Hat er denn nicht hingehört? Wenn der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom letzten Montag den jetzt zuständigen Rektor mit den Worten zitiert „und jetzt tönt er...“, dann ist das bezeichnend.

(Zurufe von der SPD)

Wenn Herr Schröder jetzt die „Green Card“ fordert, dann vergisst er eines: Er vergisst, dass er auf die eigenen Kräfte zu setzen hat. Zur Behebung der Engpässe ist die „Green Card“ nicht der richtige Weg. Man könnte eigentlich nur sagen: Wenn Schröder eine High-Tech-Offensive nach bayerischem Muster in den anderen Bundesländern einführen würde, dann wäre sehr viel gewonnen. Dann hätten wir nämlich bayerische Verhältnisse bei der Arbeitslosigkeit und beim Wirtschaftswachstum. Schröder hat die Zeichen aber nicht erkannt. Er hätte besser geschwiegen, getreu den Worten „si tacuisses, philosophus mansisses“.

(Frau Radermacher (SPD): Was heißt das?)

Wenn er geschwiegen hätte, wäre er ein Philosoph geworden. Aber ein Philosoph wäre er auch nicht geworden, denn „Philosoph“ bedeutet: Freund der Weisheit. Weisheit aber hat Herr Schröder wahrlich nicht gezeigt.

(Beifall bei der CSU – Herbert Müller (SPD): Allein in Oberbayern fehlen 20000! – Weitere Zurufe von der SPD)

Das Wort hat Frau Kollegin Radermacher.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Stockinger war in der Veranstaltung von morgen. Also, Herr Kollege Stockinger, mit

630-DM-Jobs lösen wir das Problem nicht. Ich sage das nur für den Fall, dass Sie hier etwas verwechseln.

(Beifall bei der SPD)

Herr Donhauser hat vergessen, dass die CSU in Bayern regiert, denn er hat uns erzählt, was die SPD in Bayern alles verhindert habe. Es wäre toll, wenn das alles in unserer Macht stünde. Ich kann aber sehr gut verstehen, dass Sie, Herr Donhauser, ganz schnell vergessen wollen, dass die CSU 16 Jahre im Bund mitregiert hat. So toll war das nämlich tatsächlich nicht.

(Beifall bei der SPD)

Professor Broy von der Technischen Universität München hat letzte Woche in einem Interview Folgendes gesagt: „Die alte Bundesregierung hat nachweislich zu wenig in die neuen Technologien investiert.“ Dazu kann man nur sagen: Der Mann hat vollkommen Recht. Genauso war es. Die CSU aber, die über die ganzen Jahre hinweg Verantwortung für die Hochschul- und Wirtschaftspolitik auf Bundesebene mitgetragen hat, sagt, jetzt – zum Beispiel in Person von Herrn Erwin Huber –: „Wir brauchen ein zeitlich befristetes Hochschulsonderprogramm.“ Warum hat die CSU denn dieses Programm in Bonn nicht durchgesetzt, solange sie regiert hat?

(Beifall bei der SPD)

Die jetzige Bundesregierung hat zum Beispiel ein 400-Millionen-DM-Programm für Lern-Software aufgelegt. Sie können jetzt sagen: Das ist viel zu wenig. Vielleicht ist Ihnen aber auch bekannt, wenn man die Software nicht hat, dann nutzt die ganze Vernetzung nichts. Das ist zum Beispiel ein Punkt, an dem es bei uns mangelt.

Wie der Kollege, der vor mir gesprochen hat, zu der Äußerung kommt, der Wissenschaftsetat sei gestrichen worden, wissen die Götter. Tatsächlich ist dieser Etat um 920 Millionen DM gegenüber 1998 aufgestockt worden. Bitte nehmen Sie das zur Kenntnis, falls Sie das nicht gewusst haben. Andernfalls muss ich Ihnen unterstellen, dass Sie hier bewusst Lügen verbreiten.

(Beifall bei der SPD)

Ich denke, man muss auch einmal fragen, wo eigentlich Ihre Bundesregierung war, als es darum ging, die Mittel für die Bundesanstalt für Arbeit aufzustocken. Jetzt stellen Sie diese Forderung. Die jetzige Bundesregierung hat den Etat um 200 Millionen DM aufgestockt. Hätten Sie den Etat in all den Jahren gar nicht erst gekürzt, dann befänden wir uns heute in einer völlig anderen Situation.

(Beifall bei der SPD)

Es war die jetzige Bundesforschungsministerin, die es fertig gebracht hat, gemeinsam mit den Bündnispartnern, die Ausbildungsplätze in der Informationstechnologie um 14000 zu erhöhen. Das wäre doch die Aufgabe Ihres damaligen Bundesforschungsministers Rüttgers

gewesen. Aber was hat er gemacht? Dumme Sprüche: Kinder statt Inder.

(Beifall bei der SPD)

Gott sei Dank distanzieren Sie sich wenigstens hiervon. Ich denke, Sie sollten sich auch noch einmal vor Augen führen, dass Sie für all das mitverantwortlich sind. Sie haben diese Verantwortung 16 Jahre lang mitgetragen.

Lassen Sie mich noch ein paar Sätze zu Bayern sagen. Ich habe mit Erstaunen vernommen, dass Herr Glos die vernachlässigte Bildungspolitik kritisiert hat. Der Mann scheint sich in Bayern besser auszukennen als die CSUKollegen im Landtag. Man muss hierzu noch einmal etwas sagen, denn so wie Sie, Herr Zehetmair, das dargestellt haben, ist es nicht. Gerade in der Zeit, in der Sie für die Bildungspolitik verantwortlich waren, ist eine ausgesprochen restriktive Bildungspolitik beispielsweise im Hinblick auf Abiturienten gemacht worden. Sie waren doch stolz darauf, dass wir in Bayern nur eine Abiturientenquote von 17% haben. Dabei sagt jeder aus der Wirtschaft und aus der Industrie, dass wir unbedingt Akademiker für diese Bereiche brauchen, dass es die Akademiker sind, die uns fehlen.

Nun zum Schlagwort, dass alle Schulen in Bayern am Netz sind. Es ist schon eine tolle Sache: Jede Schule hat mittlerweile im Sekretariat einen PC. „Am Netz sein“ heißt aber auch, dass diese PCs im Unterricht eingesetzt werden und dass die PCs miteinander kommunizieren. Es bedeutet, dass man PCs in allen Unterrichtsfächern einsetzt. Viele unserer Kinder haben in ihrer Schulzeit kein einziges Mal einen PC gesehen. Das ist nach wie vor eine Tatsache.

(Beifall bei der SPD)

Dann hilft es auch nicht, wenn Frau Hohlmeier jetzt sagt: „Zum Jahr 2002 führen wir Informatik als Pflichtfach ein.“ Das ist doch nicht unser Problem. Unser Problem liegt in der Vernetzung, in der Verknüpfung und in der fächerübergreifenden Organisation.

Es ist auch die Frage zu stellen, warum Herr Zehetmair die Signale aus der Wirtschaft, Lehrstühle für Informatik zu sponsern, nicht aufgreift. Warum ist dies eigentlich nicht möglich, wenn so eindeutige Signale gegeben werden?

Ich denke, es ist ganz einfach: Wir brauchen pragmatische Lösungen. Eine davon ist die „Green Card“. Die CSU muss in Bayern ihre Hausaufgaben machen. Wir brauchen in diesem Bereich mehr Studienplätze. Wir brauchen ein Sofortprogramm, und wir brauchen in allen Schularten die fächerübergreifende Informatik-Kompetenz.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Minister Dr. Wiesheu hat das Wort.

Herr Präsident, hohes Haus! Wenn man die Debatte verfolgt, muss man sich über manches wundern, am meisten aber über die Bekehrung der SPD zu überzeugten Informatikern.

(Beifall bei der CSU – Frau Renate Schmidt (SPD): Ich habe das einmal als Beruf gelernt, Herr Wiesheu!)

Dann ist es ja gut. Sie haben es aber lang nicht zum Ausdruck gebracht. Bayern hat auf diesem Feld jedenfalls eine hervorragende Entwicklung genommen. Heute kann man feststellen: Bei der Informations- und Kommunikationstechnik liegt Bayern im Hinblick auf die Beschäftigungszahlen in Europa an zweiter Stelle. Weltweit gesehen ist Bayern nach Silicon Valley, Boston und London an vierter Stelle. Das kommt daher, meine Damen und Herren, dass sich viele Firmen, auch internationale Firmen, hier angesiedelt haben. Sie haben dies aufgrund des hohen Niveaus der Ausbildung getan, wegen der Qualität der Arbeitnehmer, die sie hier vorfinden, wegen der Qualität der Ausbildung an den Hochschulen ebenso wie in der praktischen Ausbildung. Und schließlich haben sie es getan wegen der Qualität der hier praktizierten Forschung. So viel zur Ausgangslage. Hätten sich andere Länder in Deutschland so verhalten, insbesondere die von Ihnen regierten, dann hätten wir das Problem, das wir jetzt bundesweit haben, nicht in diesem Ausmaß.

(Dr. Hahnzog (SPD): Dann wäre es auch nicht besser!)

Das ist eine Tatsache. Obwohl wir in unserem Land eine Riesennachfrage haben, konnten wir diese durch das Angebot an gut ausgebildeten Kräften weitgehend abdecken. So viel zum Ersten.

Zweitens. Wir haben eine herausragende Qualität in der Ausbildung. Darauf habe ich bereits hingewiesen. Diese Qualität wird noch weiter ausgebaut.

Drittens. Insgesamt gesehen besteht eine internationale Nachfrage in Europa, in Nordamerika und zum Teil auch in anderen Regionen.

Wir hatten diese im letzten Jahr hauptsächlich im Rahmen des Jahr 2000 Problems. Manche dachten, der Bedarf flaue danach ab, dies war aber nicht der Fall. Der Bedarf steigt weiter, weil sich die Informations- und Kommunikationstechnik immer stärker als Querschnittstechnik entwickelt und die Nutzung des Internets in rasantem Maße steigt. Vor fünf Jahren konnten die meisten das Wort Internet kaum buchstabieren. Das ist keine Kritik, aber vor fünf Jahren war das Internet noch kein Thema.

Als wir 1994 das Projekt „Bayern Online“ gestartet haben, fand eine Diskussion im Wirtschaftsausschuss statt. Die Kolleginnen und Kollegen der SPD haben die Frage aufgeworfen, ob die Finanzierung dieses Projekts nicht hinausgeworfenes Geld sei. Ein Redner hat gefragt, ob man nicht zunächst eine Technikfolgenabschätzung vornehmen solle, bevor man Geld in einem solchen Volumen ausgebe. Dieser Redebeitrag der

Opposition ist im Protokoll nachzulesen. Ich habe mich daraufhin erkundigt, wie lange dieser Prozess dauern werde. Die Antwort darauf war: zirka zwei Jahre. Ich habe entgegnet: „Glaubt einer von Ihnen, dass die Amerikaner, die Japaner, die Malayen oder andere warten, bis wir diesen selbstquälerischen Prozess der Technikfolgenabschätzung beendet haben, und erst dann mit dem Wettbewerb beginnen?“

Ich bin seinerzeit gefragt worden, ob die Informationsund Kommunikationstechnologie ein Job-Knüller oder ein Job-Killer sein werde. Diese Formulierungen stammen von Roland Berger, der damals ein Interview in der „Welt“ gegeben hat. Ich habe geantwortet: „Wenn wir die Chancen dieser Technologie nicht ergreifen, werden wir die Rationalisierungseffekte dieser Technologie sehr bald spüren. Wenn wir die Chancen aber wahrnehmen, werden sich neue Möglichkeiten eröffnen.“ Die nächste skeptische Frage war, ob wir mit dieser neuen Technologie unsere Arbeitsmarktprobleme lösen könnten. Meine Antwort war, dass diese ihren Teil dazu beitragen werde. Deswegen haben wir die Entwicklung dieser Technologie forciert. Wir haben viel in Call-Center und andere Bereiche investiert. Wir haben Wert auf die Ausbildung im berufspraktischen Bereich gelegt. Das haben wir trotz Ihres lauten Protests und Ihrer Antipathie gegen diese Technologie getan. Sie hielten uns die Schlagworte vom Job-Killer und gläsernen Menschen entgegen Sie von der Opposition haben deshalb heute nicht das Recht, sich moralisch zu entrüsten.

(Beifall bei der CSU – Frau Renate Schmidt (SPD): Wir haben jedes Recht!)

Ein weiteres Problem war die Einstellungssituation in den Jahren 1993 und 1994. Damals waren tatsächlich Ingenieure, Techniker, Physiker und Chemiker von Arbeitslosigkeit betroffen. Wir haben damals den Studienanfängern gepredigt, sie sollten sich antizyklisch verhalten und naturwissenschaftliche Fächer studieren. Die Studenten haben uns die Arbeitsmarktlage entgegengehalten. Uns war klar, dass wir zum Ende des Jahrzehnts eine ganze Reihe von Naturwissenschaftlern und Technikern brauchen, wenn die Entwicklung eintritt, die wir wollen. Unsere Argumente fielen nicht auf fruchtbaren Boden.

(Hufe (SPD): Dafür kann die SPD nichts!)

Wir haben mit der Wirtschaft darüber gesprochen, ob bezüglich der Einstellungssituation etwas geändert werden könne. Die Wirtschaft hat angegeben, dass zwei Dinge bei Rationalisierungsmaßnahmen, die wegen der Wettbewerbssituation auf internationaler Ebene und den Währungsdisparitäten notwendig seien, beachten werden müssten, nämlich die Sozialauswahl und die Tatsache, dass Neueinstellungen bei gleichzeitigen Entlassungen nicht möglich seien. Damals hat der Verband der Metallindustrie 30 Millionen DM eingesetzt, um wenigstens einigen Tausend Ingenieuren mit befristeten Zeitverträgen einen Job zu verschaffen. Gott sei Dank sind fast alle übernommen worden. Heute fehlen die Naturwissenschaftler, Techniker und Ingenieure, weil viele Studenten damals nicht mit einem entsprechenden Studium begonnen haben.

Es ist mit Sicherheit falsch zu sagen, die Staatsregierung habe zu wenig unternommen, um der Entwicklung Rechnung zu tragen. Ich erinnere an die 148 Millionen DM, die im Zusammenhang mit der „Offensive Zukunft Bayern I“ für an das Projekt „Bayern Online“, zur Verfügung gestellt wurden. Damals hat die Wirtschaft noch einmal den doppelten Betrag aufgebracht. Ich erinnere an weitere Investitionen für den Ausbau der Hochschulen, die Einrichtung entsprechender Studiengänge und die Förderung durch die Hightech-Offensive mit staatlichen Mitteln in Höhe von 500 Millionen DM, bei der die Informations- und Kommunikationstechnik einen Schwerpunkt darstellt. Es werden 260 Millionen DM in die Aus- und Weiterbildung sowie die Qualifizierung investiert. Ich erinnere ferner an den Studiengang in Augsburg für Informatik, den Studiengang Wirtschaftsinformatik in Passau, die Wirtschaftsinformatik in Nürnberg-Erlangen und die Informatik im medizinischen Bereich. Man könnte die Reihe fortsetzen.

Vor drei oder vier Jahren haben wir im berufspraktischen Bereich dafür gesorgt, dass neue Ausbildungsgänge geschaffen und die alten überprüft und modernisiert werden. Dieser Prozess hat allerdings auch Jahre gedauert. Es handelt sich dabei um ein ungeheuer schwieriges Verfahren, weil die Gewerkschaften, die Arbeitgeber, das Wirtschaftsministerium und das Bildungsministerium beteiligt sind. Manche dieser Modernisierungen haben über zehn Jahre gebraucht, bis sie zum Abschluss gebracht werden konnten. Damals gab es den Vorschlag, die Experimentierklausel anzuwenden, um schneller zu neuen Berufsbildern zu kommen. Auch dagegen gab es Widerstände von vielen Seiten.

Wir setzen Finanzmittel im Bereich der Wirtschaft, der Verbände und Bildungseinrichtungen im Rahmen der Hightech-Offensive ein. Wir haben Gelder für überbetriebliche Einrichtungen der Wirtschaft, die Industrie- und Handelskammern und für Call-Center bereitgestellt. Wir haben eine Initiative der Wirtschaft mit dem Titel „Mut, Mensch und Technik“ unterstützt, mit der der immer noch vorhandenen Technikfeindlichkeit entgegengewirkt werden soll. Damit sollten die jungen Menschen, die vor der Wahl ihres Studienganges stehen, informiert und motiviert werden, technische und naturwissenschaftliche Studienrichtungen einzuschlagen. Ich halte das für richtig.