Protocol of the Session on February 17, 2000

Und kann Herr Haider noch als Demokrat bezeichnet werden, wenn er vor SS-Kameradschaften redet und der SS gute Charaktereigenschaften bescheinigt oder in Österreich eine neue, dritte Republik installieren will und gleichzeitig die klassische Form der repräsentativen Demokratie für überlebt erklärt?

Meine Herren, meine Damen, dafür kann man sich nicht mehr entschuldigen. Das ist Rechtsradikalismus par excellence.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Können wir hier in Deutschland das alles mit dem Hinweis auf demokratische Wahlen abtun, wenn selbiger Herr Haider Anfang dieses Jahres auf die Frage nach einem deutschen Ableger der FPÖ sehr wenig verklausuliert die Empfehlung gibt, dass derzeit ein günstiger Zeitpunkt für die Einigung der rechtsradikalen Parteien in Deutschland sei? Dies ist als Interview im Januar dieses Jahres – nicht irgendwann – ebenfalls in einer rechtsradikalen Zeitschrift in Deutschland erschienen.

Haider wird sich mit einem Beobachterposten und einer Strippenzieherposition aus Kärnten auf Dauer nicht zufrieden geben. Er sieht Herrn Schüssel als Übergangskanzler und sich selbst als nächsten Kanzler Österreichs.

Sie, Herr Stoiber, haben ihn als erster mit ihren Freunden in der CSU und als einziger nichtösterreichischer Politiker salonfähig gemacht.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie verwechseln hier Ursache und Wirkung. Sie sind eine der Hebammen dieser Koalition und damit – was Gott und die österreichischen Wähler verhindern mögen – womöglich Geburtshelfer eines künftigen Kanzlers Haider.

Sie haben unmittelbar nach den Wahlen vom 3. Oktober ohne Not zur Koalition von ÖVP und FPÖ geraten. Sie wollen jetzt mit Haider angeblich nichts mehr zu tun haben. Dies verfängt nicht. Man muss sich schon die Berichterstattung vom 2. Mai 1991 im „Münchner Merkur“ auf der Zunge zergehen lassen, der über eine Veranstaltung der Münchener CSU mit Haider geschrieben hat:

Angesichts so vieler Gemeinsamkeiten verpasste es Edmund Stoiber nicht, sich neben einer engen Zusammenarbeit von CSU und FPÖ auch den baldigen Eintritt Österreichs in die Europäische Gemeinschaft zu wünschen.

Ihre Wünsche sind in Erfüllung gegangen. Sie haben sich, wie es der Bundeskanzler richtig formuliert hat, in eine problematische politische Nähe zur FPÖ begeben. Sie sind deshalb als Ratgeber für die Mitgliedstaaten der Europäischen Union ungeeignet.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gerade weil Österreich als Scharnier zwischen der heutigen Europäischen Union und den künftigen osteuropäischen Mitgliedsstaaten unverzichtbar ist, gerade weil Österreich für uns in Bayern ein so wichtiger Partner und Nachbar ist, gerade deshalb ist Ihr Weg der falsche.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Die nächste Rednerin ist Frau Kollegin Gote.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Die ewigen Europaskeptiker der CSU halten heute wieder einmal ihre Stunde für gekommen. Selbst ein Jörg Haider kommt Ihnen gerade recht, wenn er Ihnen Gelegenheit bietet, unter den Menschen eine europafeindliche Stimmung zu schüren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie schaden Europa. Sie schaden der europäischen Integration, indem Sie in dieser Aktuellen Stunde die politische Entwicklung in unserem Nachbarland Österreich mit notwendigen Reformen und der notwendigen vertiefenden Entwicklung Europas verknüpfen. Sie werfen wieder einmal das Schreckgespenst einer Krake „Europäische Union“ an die Wand, die uns armen Bayernmenschen die Selbstbestimmung nehmen will.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben sich dafür ausgesprochen, unseren Dringlichkeitsantrag heute nicht aufzurufen. Das war scheinheilig. Bereits im dritten Satz seiner Rede hat Herr Glück die Debatte in Richtung Österreich gedrängt. Trotzdem weigerten Sie sich, unseren Antrag mitzubehandeln. Das ist scheinheilig.

(Glück (CSU): Der Antrag ist mit aufgerufen!)

Frau Kollegin Gote, der Antrag ist bereits aufgerufen. Keine Aufregung.

Wir GRÜNEN stehen für ein gemeinsames Haus Europa, in dem die Grundsätze der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte das Fundament bilden.

(Hofmann (CSU): Seit wann denn?)

Wir sind für ein modernes, demokratisch offenes und tolerantes Europa. So steht es auch im Artikel 6 des Vertrages der Europäischen Union, der Ihnen bekannt sein sollte und zu dem Sie sich bekennen. Dies meinen wir, wenn wir sagen, dass Europa eine Wertegemeinschaft ist. Diese Werte müssen überall in Europa gelten; in Bayern und Dänemark, aber auch in Österreich und in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Deshalb darf Europa nicht wort- und tatenlos zusehen, wenn eine fremdenfeindliche Partei in einem Mitgliedstaat der EU mitregiert, eine antieuropäische Partei, die die nationalsozialistische Vergangenheit relativiert und dabei ist, ihren Einfluss über die Regierungsbeteiligung auszubauen. Herr Haider will nicht das Europa der Integration. Die EU darf nicht akzeptieren, dass Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus regierungsfähig werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Durch Ihre harsche Kritik an der entschiedenen Haltung des vereinten Europas setzen Sie sich dem Verdacht aus, nur deshalb so zu reagieren, um sich nicht von eigenen Wählerschichten am äußersten rechten Rand distanzieren zu müssen. Ich bin froh, dass Europa und die Regierungen der 14 Mitgliedstaaten nicht geschwiegen haben. Dies zeigt, dass Europa heute tatsächlich mehr als eine Wirtschaftsunion ist. Österreich ist zum ersten Testfall dieses neuen Selbstverständnisses der EU geworden. Wir erwarten, dass die hier gezeigte Haltung künftig der Massstab ist, wenn es um die Verteidigung der gemeinsamen Werte der Freiheit, der Demokratie und des Rechtes geht. Das ist europäische Innenpolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist Politik für die Bürgerinnen und Bürger Europas; denn ihre guten Rechte werden hier verteidigt. Spätestens seit der Menschenrechtskonferenz im Jahre 1993, die wohlgemerkt in Wien stattgefunden hat, ist es in der Staatengemeinschaft Konsens, dass sich ein Staat in Menschenrechtsfragen einer Einmischung nicht mehr durch den Hinweis auf innere Angelegenheiten entziehen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Um es ganz klar zu sagen: Europa hat Österreich nicht isoliert. Vielmehr hat sich die jetzige österreichische Regierung selbst isoliert. Sie ist dabei, dem Land in politischer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht großen Schaden zuzufügen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die EU boykottiert nicht die österreichische Bevölkerung, sondern die österreichische Regierung. Die entschiedene Haltung Europas gegenüber der österreichischen Regierung dient auch dem Ziel, den Widerstand der österreichischen Bevölkerung gegen diese Regierung zu stärken. Jeden Tag gehen Tausende auf die Straße und protestieren gegen diese Regierung. Herr Kollege Glück, Sie sagen, wir sollten erst einmal abwarten und Herrn Haider und der FPÖ eine Chance geben. Ich sage Ihnen, warum Herr Haider so gefährlich ist: Er verbindet Demagogie mit der klaren Zielrichtung der Renationalisierung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

In allen seinen Ausführungen schwingt dieser nationalistische Grundgedanke mit. Ich nenne als Beispiel die Diskussion um die Entschädigung der Zwangsarbeiter des NS-Regimes. Herr Haider sagt dazu, er sei für die Entschädigung. Dann kämen jedoch die österreichischen Zwangsarbeiter. Ich nehme mit Schrecken zur Kenntnis, dass es im Bayerischen Kabinett offenbar ähnliche Überlegungen gibt. Herr Haider hat auch gesagt, er sei für die Osterweiterung. Dann tritt er jedoch dafür ein, vorher das Lohnniveau zu nivellieren und lange Übergangsfristen zu schaffen. Ich möchte ein Zitat von Herrn Haider aus dem Jahre 1994 anführen: „Ich sage euch, wenn Österreich der EU beitritt, wird dieses Land fremdbestimmt; denn Maastricht ist die Fortsetzung von Versailles ohne Krieg.“ Sehr geehrte Damen und Herren von der CSU, halten Sie Herrn Haider für glaubwürdig, wenn er sagt, dass er für die Osterweiterung sei?

Europa handelt im eigenen Interesse, wenn es deutliche Worte gegen Antieuropäer in Regierungsverantwortung spricht. Darin die Tendenz einer unzulässigen Ausweitung der Kompetenzen zu erkennen, läuft völlig fehl. Die Diskussion um die Kompetenzen der Europäischen Union sollten wir als Europäerinnen und Europäer, die sich zur europäischen Integration bekennen, auf einem anderen Niveau führen. Natürlich gibt es zur Kompetenzverteilung Diskussionsbedarf. Deshalb haben wir in Europa die Debatte um eine Grundrechtscharta und eine

europäische Verfassung begonnen, der sich die CSU bis heute verweigert. Dort muss diese Debatte geführt werden, nicht in Österreich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren auf dieser schwarzen Regierungsbank, Ihnen geht es gar nicht um eine sachliche Debatte bezüglich der Verteilung von Kompetenzen. Sie mauscheln in Brüssel und auf Ministerratskonferenzen hinter verschlossenen Türen kräftig mit, am liebsten ohne jede parlamentarische Kontrolle, um sich im Nachhinein in Bayern über die böse Europäische Union zu empören und den schwarzen Peter abwechselnd nach Brüssel und nach Berlin zu schieben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ihre Europapolitik ist unehrlich. Wir GRÜNEN wollen eine klare Aufteilung von Kompetenzen, angefangen von der EU-Ebene über den Bund und die Länder bis hinein in die Kommunen. Wir wollen aber gleichzeitig eine parlamentarische Kontrolle und die Stärkung der Parlamente. Sie haben sich jedoch im europäischen und bundesrepublikanischen Exekutiv-Föderalismus bestens eingerichtet und zetteln von Zeit zu Zeit europafeindliche Debatten an, um Ihre Macht zu erhalten.

Ihre heutige Empörung über die EU ist lediglich ein Manöver, um von Ihren viel größeren Problemen abzulenken. Wir erleben gerade eine beängstigende Krise der europäischen Christdemokratie. Ich sage das nicht ironisch. In Italien hat diese Krise begonnen. In Österreich erreicht sie mit der ÖVP-FPÖ-Koalition eine ganz neue Dimension. Von der deutschen Christdemokratie will ich gar nicht reden. Hier ist kein Land in Sicht und Sie gehören dazu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Meine Damen und Herren, in der Diplomatenloge hat der Sozial- und Gesundheitsminister der Mongolei, Herr Minister Sodov Sonin, mit seiner Begleitung Platz genommen. Die Delegation hält sich zu einem fünftägigen Informationsbesuch in München auf. Im Namen des Hohen Hauses begrüße ich unsere Gäste sehr herzlich und wünsche ihnen einen interessanten und informativen Aufenthalt in Bayern.

(Allgemeiner Beifall)

Der nächste Redner ist Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen, meine Herren! Ich begrüße es sehr, dass sich der Bayerische Landtag mit der aktuellen Lage in Europa, konkret mit der Entscheidung auf dem Treffen in Stockholm, auseinander setzt.

Wir haben hier immer wieder und zum Großteil auch im parteiübergreifenden Konsens über Europa diskutiert. Ich verstehe Sie nicht ganz, Frau Schmidt, dass Sie jetzt dem Bayerischen Landtag in irgendeiner Weise die Kompetenz oder vielleicht sogar die Legitimität absprechen, über diese Dinge zu diskutieren. Dass der Bundestag in seiner Kompetenz über diese Fragen diskutiert, ist doch noch lange kein Grund, nicht im Landtag nicht über diese Dinge zu diskutieren.

(Beifall bei der CSU)