Protocol of the Session on February 2, 2000

Mit diesem Gesetz, abgekürzt PKGG – auf diese Abkürzung haben wir uns in der letzten Sitzung des Verfassungsausschusses geeinigt –, wird ein gemeinsames Kontrollorgan für alle Abhörmaßnahmen in Wohnungen nach der Strafprozessordnung, dem Polizeiaufgabengesetz und dem Bayerischen Verfassungsschutzgesetz mit der Bezeichnung Parlamentarisches Kontrollgremium geschaffen. Das neue Gremium übernimmt nach diesem Gesetzentwurf auch alle Aufgaben der bisherigen Parlamentarischen Kontrollkommission, also der PKK. Das neue Gesetz enthält auch Regelungen über die Kontrolle der Tätigkeit des Landesamts für Verfassungsschutz und weiter reichende Vorschriften.

Meine Damen und Herren, ich will die Redzeit von über 30 Minuten nicht ausschöpfen, sondern nur auf einige wenige Streitpunkte in der parlamentarischen Debatte eingehen. Wir haben die Kontrollen in einem Gremium zusammengefasst, weil wir dies für sachdienlich halten. Ansonsten, würde man also den Verfassungsschutz anders überwachen als beispielsweise die Polizei, wären ständig Mehrfachberichterstattungen notwendig und ein größerer Personenkreis damit befasst. Es würde auch keinen Sinn machen, die gleichen Personen in verschiedene Gremien zu berufen, eine Sitzung zu schließen und die nächste zu eröffnen. Dies würde an den Tatsachen nichts ändern. Die Zusammenlegung ist somit sinnvoll und meines Erachtens rechtlich völlig unbedenklich.

Natürlich wurde auch darüber diskutiert, welche Größe dieses Gremium haben sollte. Wir sind uns nicht einig geworden. Im Gesetzentwurf ist geregelt, dass fünf Mitglieder dieses Gremium bilden sollen. Damit war die Opposition, waren die GRÜNEN nicht einverstanden; die GRÜNEN hauptsächlich deswegen, weil sie vertreten sein wollten.

Man muss zunächst sehen, dass in diesem Gremium höchst geheimhaltungsbedürftige Tatsachen diskutiert werden. Das ist völlig klar.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sind wir nicht vertrauenswürdig?)

Man eröffnet in diesem Gremium Einblicke in die Bekämpfung von der Spionage bis hin zur organisierten Kriminalität. Deshalb werden in allen Landesparlamenten diese Gremien sehr klein gehalten, auch in rot-grün regierten Ländern. Dort gibt es selten mehr als fünf, manchmal sogar nur drei Mitglieder. Damit wird zum einen eine effektive Arbeit gewährleistet, zum anderen wird auch die Möglichkeit, dass Informationen nach außen sickern, naturgemäß kleiner als bei großen Gremien.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Frau Kollegin Paulig, Sie müssten, um nach der Regelung von d’Hondt zum Zuge kommen zu können, das Gremium auf 13 Mitglieder ausweiten. Daran sehen Sie, wie klein ihre Fraktion ist. Ein Gremium von 13 Mitgliedern wäre meines Erachtens völlig untunlich.

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Kollegin Paulig?

Stimmen Sie mit mir darin überein, dass der freiwillige Verzicht einer der beiden Fraktionen, die in dem Gremium vertreten sind, auf einen Sitz zu Gunsten der GRÜNEN angemessen, möglich und auch demokratisch wäre?

Ich glaube nicht, dass ich Ihnen zustimmen kann. In dem Gremium sitzen drei Vertreter der CSU und zwei der SPD. Sie werden verstehen, dass wir unter diesen Umständen keinen Sitz mit dem Ergebnis abgeben können, dass Rot-Grün die Mehrheit hätte. Das wäre ein Ergebnis, das der bayerische Wähler bei der letzten Landtagswahl nicht gewollt hat.

(Beifall bei der CSU)

Aus den gleichen Gründen lehnen wir auch ein Grundmandat ganz entschieden ab. Wir glauben, dass die jetzige Regelung sachdienlich ist.

Der zweite wesentliche Punkt der Diskussion bestand in der Frage, ob der Bericht und auch die Kontrolle – das wird im SPD-Antrag gefordert – öffentlich erfolgen.

(Dr. Hahnzog (SPD): In der Regel!)

Der Bericht soll öffentlich und die Kontrolle in der Regel öffentlich erfolgen.

Ich nehme in diesem Zusammenhang Bezug auf das, was ich vorhin gesagt habe. Es handelt sich um höchst geheimhaltungsbedürftige Tatsachen in erheblichem Umfang. Wir sind der Auffassung, dass eine öffentliche Berichterstattung in der Regel nicht in Betracht kommen kann. Im Justizbereich haben wir, Herr Dr. Hahnzog, die Berichterstattungspflicht des Bundes. Herr Kollege Dr. Weiß hat einen Bericht für das letzte Jahr vorgelegt. Auf dieser Basis wird eine Drucksache veröffentlicht. Sie können also die Zahlen und die Kriterien aus der Bundesdrucksache entnehmen, so dass sich eine erneute Veröffentlichung nicht anbietet, weil man die Aussage nur wiederholen könnte. Ansonsten kann eine Kontrolle nicht öffentlich ausgeführt werden.

Eine effektive Kontrolle setzt voraus, dass das Gremium über Einzelheiten informiert wird. Allgemeine Berichte kann man zur Kenntnis nehmen und feststellen, dass es viele oder wenige Überwachungsmaßnahmen gegeben hat. Wenn Sie aber die einzelnen Maßnahmen kontrollieren wollen, dann müssen Sie wissen, um was es geht. Sie müssen wissen, welcher Verdacht vorliegt, um welchen Fall es sich handelt und wo die Angelegenheit stattfindet. Daraus ergeben sich Rückschlüsse auf Ermittlungsverfahren, auf Tätigkeiten des Verfassungsschutzes und eventuell die Frage, ob und wo verdeckte Ermittler eingesetzt werden. Diese könnten sogar in ihrem Leben bedroht sein, wenn nach außen bekannt würde, dass es ein Ermittlungsverfahren gibt. Deshalb bietet sich eine öffentliche Kontrolle keinesfalls an.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Wir haben in diesem Zusammenhang ein grundsätzliches Problem. Die CDU/CSU hat jahrelang versucht, den Ermittlungsbehörden die Möglichkeit zu geben, bei schwersten Straftaten, auch zur Spionageabwehr, akustisch den Wohnraum zu überwachen. Wir haben jahrelang dafür gekämpft, die SPD und die GRÜNEN haben sich aber jahrelang dieser Angelegenheit verweigert.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil es nichts bringt!)

Nachdem am Ende ein Kompromiss mit der SPD möglich war – es war eine Grundgesetzänderung erforderlich –, war ein Teil der SPD nach wie vor dagegen, und dieser Teil der SPD, Herr Dr. Hahnzog, wurde von Ihnen angeführt. Sie waren gegen eine akustische Wohnraumüberwachung.

(Beifall der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Sie wollten den Behörden diese Möglichkeit nicht geben. Sie haben den Bürgern den Schutz gegen Schwerstkriminalität versagen wollen.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Dr. Hahnzog?

Nein. Gott sei Dank haben Sie, Herr Dr. Hahnzog, sich nicht in der SPD durchsetzen können. Sie sind in der Bundestagsfraktion überstimmt worden. Sie lehnen dieses Instrument heute noch ab.

(Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist auch richtig so!)

Sie versuchen, das Gremium durch eine absurde Kontrolle unwirksam zu machen und wollen verhindern, dass dieses Instrument wirksam eingesetzt wird. Sie wollen durch die Hintertür diese Verfassungsänderung rückgängig machen. Deswegen fordern Sie eine öffentliche Kontrolle dieser Maßnahmen. Wir wollen dies nicht. Wir wollen unseren Bürgerinnen und Bürgern auch zukünftig den Schutz vor organisierter Kriminalität und Spionage bieten. Deshalb wollen wir eine effektive und vernünftige Kontrolle. Die Bürgerinnen und Bürger in Bayern können sich darauf verlassen, dass dieses Instrument nur rechtmäßig eingesetzt und objektiv kontrolliert wird. Wir lassen dieses Instrument nicht durch absurde Überprüfungsmaßnahmen unwirksam werden.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Als nächster Redner hat Herr Kollege Prof. Dr. Gantzer das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zu Herrn Kreuzer Stellung nehmen, der gesagt hat, die CSU sei dafür, dass die Kriminalität und insbesondere die organisierte Kriminalität bekämpft wird. Dafür sind wir auch. Es geht uns nur um die Kontrolle dieses Instruments, mit dem Wohnungen abgehört werden können. Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb möchte ich Sie von der CSU noch einmal daran erinnern, worum es geht. Ich erinnere Sie an die gesamte Diskussion, die wir geführt haben. Herr Kreuzer, es ist doch ehrenwert, dass sich Herr Kollege Hahnzog für das Grundgesetz eingesetzt und starke Kontrollen verlangt hat. Man kann ihn nicht in eine bestimmte Ecke stellen und behaupten, Herr Kollege Hahnzog sei für die organisierte Kriminalität. Das halte ich nicht für fair, und das hat auch nichts mit unserer Diskussion zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Es geht darum, dass wir den Artikel 13 des Grundgesetzes geändert haben. Das ist der zentrale Punkt. Der Artikel 13 des Grundgesetzes schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung. Das ist ein sehr starkes Grundrecht. Meine Damen und Herren, jeder von Ihnen möchte in seiner Wohnung unüberwacht bleiben. Jeder von Ihnen möchte in seiner Wohnung nicht vom Staat gestört werden. Wenn wir in das Grundrecht des Artikels 13 eingreifen, dann muss das mit rechtsstaatlichen Mitteln geschehen. Die Frage ist also, wann der Staat Abhörmaßnah

men anordnen darf. Deswegen gibt es den Straftatenkatalog, den wir mit genauen Kriterien versehen haben.

Als Zweites haben wir gesagt – und damit befinden wir uns in der Tradition aller demokratischen Länder –, dass ein solch starker Eingriff nicht nur durch einen Richter angeordnet werden muss, sondern einer zusätzlichen parlamentarischen Kontrolle bedarf. Darum geht es in unserem Vorschlag. Deswegen haben wir den Antrag gestellt, dass, wenn schon eine parlamentarische Kontrolle erfolgt, diese nicht geheim sein kann. Deswegen muss diese Kommission öffentlich tagen und alle Fraktionen dieses Landtags beteiligt sein.

Was Sie von der CSU gemacht haben, ist eine Enttäuschung. Wir fordern doch nicht etwas, was außerhalb jeglicher rechtsstaatlichen Möglichkeiten wäre, wir fordern nicht etwas Unglaubliches. Unsere Forderungen basieren auf der Gesetzeslage, die mit den Stimmen Ihrer Bundestagsabgeordneten in Bonn geschaffen worden ist. Wir wollen nicht mehr als die Gesetzeslage in Bonn. Was machen aber Sie? Sie schränken den Rechtsstaat ein. Das kann ich nicht hinnehmen.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb werden wir nur unserem Antrag zustimmen können, Ihrem aber nicht. Wenn Sie die Bundestagsprotokolle zu dieser Diskussion durchlesen, dann werden Sie sehen, dass Sie sich nicht nur am Rande der Gesetzesmäßigkeit bewegen, sondern dass Sie meines Erachtens die Grenze zur Verfassungswidrigkeit überschritten haben.

Wenn Sie daher das Gesetz, das Sie vorgeschlagen haben, beschließen, behalten wir uns alle Schritte zu den Verfassungsgerichten vor, was ich hiermit ausdrücklich ankündige.

(Beifall bei der SPD)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Nächste Wortmeldung: Frau Stahl.

Frau Präsidentin, meine Herren und Damen! Im Vorfeld wurde bereits in den Ausschüssen ausreichend über das Thema diskutiert, weshalb Sie mir sicher gestatten, dass ich auf den einen oder anderen Punkt, der dort als Argument gebracht wurde, eingehe, auch wenn er heute hier im Plenum nicht angesprochen wurde. Angesichts eines so schwerwiegenden Grundrechtseingriffs wie der akustischen Wohnraumüberwachung – das haben auch meine Vorredner schon gesagt – begrüßen wir grundsätzlich die Einrichtung eines Gremiums zur parlamentarischen Kontrolle von Maßnahmen zu einer akustischen Wohnraumüberwachung. Diese Einrichtung ist sowohl für die Bundesebene als auch für die Landesebene gesetzlich vorgesehen.

Über die gesetzliche Ausgestaltung kann man jedoch sehr wohl unterschiedlicher Meinung sein. Hier greift Ihre Behauptung, wir würden den Gesetzentwurf der CSU nur ablehnen, weil wir den Lauschangriff von

Anfang an nicht wollten, schlicht und einfach völlig daneben. Eben weil wir den Lauschangriff als untaugliches Mittel, das aber massiv in Bürgerrechte eingreift, ablehnen, kann uns eine parlamentarische Kontrolle gar nicht weit genug gehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Eher ist noch dem Gesetzentwurf der CSU anzumerken, dass man über eine umfassende Kontrolle nicht erbaut ist und dass man das parlamentarische Kontrollgremium einrichten muss, weil es vorgeschrieben ist. Ansonsten kann ich mir nicht erklären, wieso Sie uns ein Grundmandat verweigern, wieso Sie keinen Bericht im Plenum geben wollen und wieso Sie die problematische Zusammenfassung von Verfassungsschutz-Kommission und Gremium zur Kontrolle der Wohnraumüberwachung vornehmen wollen. Vom Datenschutzbeauftragten und seiner Nichtberücksichtigung will ich jetzt gar nicht sprechen. Dazu nehme ich noch Stellung.

Es gibt Grenzen der Verwaltungsvereinfachung. Ich sage, gerade in diesem Punkt verbietet sich eine Verwaltungsvereinfachung. Es kam doch das Argument, man möchte die Angelegenheit beschleunigen und wirft deshalb alles in einen Topf. Zu dieser Einschätzung hat nicht zuletzt Ihre sehr diffuse Argumentation im Vorfeld geführt. Ein Kollege befürchtet die Begünstigung mafiöser Netzwerke, weil durch einen Bericht im Parlament die Informationen bis nach Neapel gelangen könnten. Sie haben es heute wieder angedeutet, Herr Kreuzer. Gleichzeitig sagen dieselben Kollegen, das Gremium bräuchte es theoretisch gar nicht, denn bisher hätte es nur eine Abhörung gegeben. Ich muss Ihnen sagen, ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie sich auf eine Argumentationslinie einigen könnten. Das würde die sachliche Argumentation wirklich erleichtern.