Protocol of the Session on February 2, 2000

Mit dieser Organisationseinheit können wir einen wirksamen Beitrag zur Fortentwicklung der Integrationspolitik in Bayern leisten.

Herr Kollege Dr. Hahnzog, nun kritisieren Sie uns dafür, dass wir keinen Ausländerbeauftragten wollen. Nach meiner Einschätzung müssen wir schon aufpassen und sollten nicht meinen, dass sich die Verhältnisse in unserer Gesellschaft besserten, wenn wir immer mehr Beauftragte bekämen.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Wenn wir für alles einen Beauftragten haben, meinen wir irgendwann, nur diese Personen seien zuständig.

(Dr. Hahnzog (SPD): In 14 Bundesländern hat es sich bewährt, einen Ausländerbeauftragten einzusetzen!)

Wenn wir uns zwar nicht für die Einsetzung eines Ausländerbeauftragten entschieden haben, aber für die erwähnte Organisationseinheit, können Sie nicht einfach so tun, als ob wir nichts weiterentwickeln wollten. Es ist entscheidend, dass alle Aspekte der Integration gesehen werden, zum einen die Anforderung der Aufgeschlossenheit, die sich im Hinblick auf eine erfolgreiche Integrationspolitik an die deutsche Bevölkerung richtet, zum anderen die Anforderung an die Ausländerinnen und Ausländer, ihren Integrationsbeitrag zu leisten.

Eine der zuerst zu erfüllenden Aufgaben wird darin bestehen, die Ergebnisse einer Umfrage zum Stand der Integrationspolitik auszuwerten, die bei den bayerischen Kommunen durchgeführt wurde. Damit wird uns ein wertvoller Überblick über das Spektrum kommunaler Integrationsmöglichkeiten und über einzelne Problemfelder zur Verfügung stehen. Die Umfrageergebnisse werden den Kommunen im Laufe dieses Jahres übermittelt werden.

Die Kommunen spielen sicherlich eine bedeutende Rolle bei der Integration. Das bringt unser Bericht deutlich zum Ausdruck. Zu erwähnen sind in dem Zusammenhang vor allem die Integrationsleistungen der Kommunen. Die Gemeinden sind sozusagen die Kristallisationspunkte der Integration – bei der Kinderbetreuung oder der Jugendhilfe, insbesondere aber bei Stadtentwicklung und Wohnen. So enthält das von der Staatsregierung erarbeitete Praxishandbuch „Intakte Stadtquartiere“ viele Empfehlungen dafür, wie Konflikte in Stadtquartieren von vornherein zu vermeiden sind.

Die Staatsregierung hat den an sie gerichteten Berichtsauftrag sehr sorgfältig erfüllt. Ich darf mich bei den Kolleginnen und Kollegen der CSU-Fraktion, vor allem bei der von Herrn Kollegen Dr. Merkl verantwortlich geleiteten Arbeitsgruppe, sehr herzlich für die Aufforderung zur Berichterstattung bedanken. Wir haben damit unsere Auffassung von Integration darlegen können. In unserem Bericht konnten wir auch herausstellen, welche Integrationsleistungen von Staat, Kommunen, Kirchen, gesellschaftlichen Gruppen und jedem von uns erbracht werden und welche noch zu erbringen sind.

Der Bericht bietet eine solide und umfassende Basis zur Beurteilung der hiesigen Integrationspolitik und eine wichtige Grundlage für künftige politische Weichenstellungen. Er ist aber zugleich eine Fundgrube für alle, die Integrationsarbeit leisten. Überall dort, wo Integration offensiv vorangebracht wird, wird er eine wertvolle Hilfe sein.

(Anhaltender Beifall bei der CSU)

Wir fahren jetzt in der Aussprache fort. Das Wort hat Frau Kollegin Hirschmann.

Herr Präsident, Kollegen und Kolleginnen! Herr Dr. Merkl und Frau Kollegin Stamm, nein zum Ausländerbeirat, nein zum Doppelpass, nein zum weiteren Zuzug von Ausländern nach München – so, liebe Kollegen und Kolleginnen, war es letzte Woche in der „Abendzeitung“ nachzulesen. Nun wird auch mit dem Bericht, den ich sehr gründlich gelesen habe, versucht, deutlich zu machen, dass gemeinsame Bemühungen in Gang gesetzt werden, die der Integration dienen. Erklären Sie mir bitte, liebe Kollegen und Kolleginnen von der CSU, wie dieses mit dem Bericht in der „Abendzeitung“ in Einklang zu bringen ist.

Ich beginne mit dem Ausländerbeirat in München, den Sie auch in Ihrem Bericht in einer Auflistung von Ausländerbeiräten skizzieren. Wie ist es in Einklang zu bringen, wenn auf der einen Seite in Ihrem Bericht steht, dass die Ausländerbeiräte als eine wichtige Brückeninstanz zur Integration beitragen, auf der anderen Seite aber Kolleginnen und Kollegen aus der CSU sich trauen, in München das Gegenteil davon zu sagen? Nun verlangen Sie im Rahmen der Integration auch noch weiter, dass Ausländer und Ausländerinnen dies alles verstehen sollen. Damit habe ich als Deutsche schon Schwierigkeiten, und ich denke, auch Ausländer und Ausländerinnen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Merkl, wenn Sie in diesem Zusammenhang auch noch darauf hinweisen, dass bei Umfragen 52% der Befragten zum Ausdruck bringen, dass zu viele Ausländer und Ausländerinnen hier seien – übrigens gewöhne ich mich allmählich an den Ausdruck Migranten und Migrantinnen, von dem zumindest in der Wissenschaft Gebrauch gemacht wird –, gleichzeitig aber auch sagen,

(Hofmann (CSU): Schily sagt, es ist zu viel!)

dass man versuchen muss, nicht noch weiter Stimmung zu machen, sondern das Positive hervorzuheben,

(Hofmann (CSU): Schily sagt es!)

dann ist es erforderlich, eine Meinung zu vertreten. So sind nämlich auch die Deutschen verunsichert,

(Hofmann (CSU): Das diskutieren sie einmal in der SPD aus!)

lieber Herr Kollege Hofmann, wenn Sie in der „Abendzeitung“ nachlesen müssen: Nein, den Ausländerbeirat wollen wir nicht mehr; die doppelte Staatsbürgerschaft wollen wir auch nicht. Das trägt nämlich zur Verunsicherung bei. Dagegen müssen wir uns wehren.

(Beifall bei der SPD)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Hofmann?

Nein, Herr Dr. Ritzer, ich erlaube es nicht; ich bin aber hinterher und auch in den Ausschüssen gerne bereit, mich damit auseinander zu setzen.

(Hofmann (CSU): Mit Schily müssen Sie darüber diskutieren!)

Ich diskutiere auch mit Herrn Kollegen Schily; da können Sie sicher sein. Ich bin aber nicht hier, um über Schily zu sprechen, sondern ich bin hier, um gemeinsam mit Ihnen nach Möglichkeiten zu suchen, die der Integration dienen sollen.

(Beifall bei der SPD – Hofmann (CSU): Hier so und da so! So einfach ist das!)

Kolleginnen und Kollegen, ich komme zu einem weiteren Bereich, der zur Weltoffenheit beiträgt. Auf ihn hat Kollegin Köhler schon hingewiesen. Vor mir sehe ich den Kollegen Dr. Bernhard; deshalb werde ich auch daran erinnert: Zur Weltoffenheit gehört unseres Erachtens auch, dass wir, wenn Mitbürger in unserem Land, in unserem gemeinsamen Stimmkreis wünschen, zum Beispiel eine Moschee zu errichten, dies dann auch unterstützen, damit auch jene Gruppe ihre Religion ausüben kann.

(Dr. Bernhard (CSU): Wir haben schon eine!)

Herr Kollege Dr. Bernhard, nicht Sie, aber andere Kollegen aus Ihrer Fraktion oder Ihrer Partei haben sogar versucht, diese Weltoffenheit dadurch infrage zu stellen, dass sie gefragt haben, ob es nicht möglich sei, das Baugesetz zu ändern, damit die Moschee nicht erbaut werden kann. Gleichzeitig wollen Sie weismachen, dass Weltoffenheit vorhanden ist. Ich sage: Dies ist das Gegenteil. Das wird uns allen nicht gut bekommen. Nun ist die Moschee errichtet, und Kontakte finden auch statt. Muss es aber erst so sein, dass Sie dagegen sind und versuchen, das niederzumachen? Wenn Integration

ernst gemeint ist, müssen wir auch zu solchen Bauten stehen.

Ich komme zu Frau Kollegin Stamm. Sie haben in Ihrem Bericht – das haben Sie eben auch ganz deutlich gemacht – darauf hingewiesen, wie wichtig eine gemeinsame frühe Erziehung von Kindern und Jugendlichen ist, um zur Integration, zu einem Miteinander zu kommen. Das ist in Ordnung; dem stimmen wir auch zu. Mir fällt es aber sehr schwer, nachzuvollziehen, wenn Sie den Wohlfahrtsverbänden, die bei der frühkindlichen Entwicklung eine wichtige Arbeit leisten, nahe legen, Gelder zu kürzen. Dies ist schwer mit Integration zu vereinbaren.

(Beifall bei der SPD)

Zur Ehrlichkeit gehört auch, sich draußen genauso zu verhalten, wie Sie im blauen Buch geschrieben und in Ihrer Rede gesagt haben.

Frau Kollegin Stamm, Sie sprechen weiter davon, wie wichtig die gemeinsame Ausbildung, die Schule ist. Sehr richtig. In dem Sozialbericht ist deutlich zum Ausdruck gekommen, dass der Anteil der ausländischen Hauptschülerinnen und Hauptschüler, die den Hauptschulabschluss machen, viel niedriger ist als der Anteil ihrer deutschen Mitschülerinnen und Mitschüler. Wenn Sie jetzt sagen und in Ihrem Bericht nachweisen, dass der Schulabschluss wichtig ist, dann erlauben Sie mir bitte auch die Frage – in den letzten Jahren haben wir dazu viele Anträge gestellt –: Warum haben Sie denn nicht schon etwas unternommen?

(Beifall bei der SPD)

Ich glaube, all dieses, heute so zu reden, morgen so zu sprechen, trägt letzten Endes dazu bei, dass immer noch mehr Unsicherheit entsteht und dass das Miteinander nicht leichter wird. Wir müssen erkennen, dass das Miteinander auch im Rahmen des Zusammenwachsens von Europa ein permanenter Prozess ist. Wir kommen nicht darum herum, uns auch mit Zuwanderung auseinander zu setzen. Ob es uns passt oder nicht, Zuwanderung findet statt.

Ich komme zu einem weiteren Bereich – damit komme ich auch langsam zum Ende –, der aus meiner Sicht der Integration nicht zuträglich ist. Ich komme auf Herrn Kollegen Singhammer von der CSU zu sprechen – auch von meinen Vorrednern ist schon darauf hingewiesen worden –, der auch ein wenig Einfluss auf die Politik hat. Er hat – das ist in der „Abendzeitung“ nachzulesen – gesagt: Integration erfordert von den Ausländern die Anerkennung unserer Kultur als Leitkultur. Ich frage: Ist das ein Neuanfang von Rassenideologie?

(Beifall bei der SPD – Glück (CSU): So ein Schmarrn!)

Als nächster Rednerin erteile ich Frau Kollegin Guttenberger das Wort.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die zentrale Aufgabe der Integrationspolitik ist die Gestaltung des Zusammenlebens von Menschen mit unterschiedlicher kultureller Prägung. Das sollten wir uns immer vor Augen halten. Ich halte es nicht für sehr sinnvoll, auf einem so wichtigen politischen Feld ideologisch zu argumentieren, wie es soeben Frau Hirschmann getan hat. Das wird der Angelegenheit in keinster Weise gerecht.

Zuwanderer aus dem europäischen Kulturkreis können sich in der Regel gut integrieren und werden in der Regel auch gut integriert. Wichtig ist jedoch, dass wir den Mut haben, eine für uns alle verbindliche Leitkultur zu definieren. Ich bin der Ansicht, dass es durchaus ein Recht der hier lebenden Bevölkerung ist, eine Leitkultur zu definieren. Leitkultur heißt nicht, dass ich vom anderen eine kulturelle Assimilierung verlange, sondern es heißt letztendlich, dass ich verbindliche Werte und Normen festlege, die alle in einem Gemeinwesen beachten. Das bedeutet, dass wir die kulturelle Vielfalt pflegen und dennoch friedlich miteinander leben. Das heißt auch, dass wir Werte einer Zivilgesellschaft festlegen müssen, die von allen geteilt werden und die auch von den hier lebenden Ausländerinnen und Ausländern aus tiefstem Herzen bejaht und – das ist das Wichtigste – im täglichen Leben praktiziert werden.

Demokratische Integration und kulturelle Assimilation sind zweierlei, ebenso wie kulturelle Vielfalt und Multikultur. Ich dachte eigentlich immer, dass in dieser Beziehung alle demokratischen Parteien einer Meinung sind. Zum inneren Frieden einer Gesellschaft gehört die Akzeptanz einer Leitkultur als Quelle einer verbindlichen Werteorientierung für das Zusammenleben und für das friedliche Miteinander in einem demokratischen Gemeinwesen. Das ist unabhängig von der religiösen Prägung und von der Staatsangehörigkeit.

Leider – dieser Einsicht, die auch in dem Bericht zum Ausdruck kommt, müssen wir uns stellen – ist die Bereitschaft zur Integration inzwischen rückläufig. Wir müssen uns auch der Einsicht stellen, dass eine längere Aufenthaltsdauer in einem Land die sozialen Beziehungen zwischen Immigranten und Einheimischen nicht automatisch intensiviert.

1994 hatten 86% der Zuwanderinnen und Zuwanderer aus der Türkei, Italien, Griechenland, Spanien und dem ehemaligen Jugoslawien einen Rechtsanspruch auf Einbürgerung. 6% hätten sich im Wege der Ermessenseinbürgerung einbürgern lassen können. Nur 18% haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht bzw. diese Möglichkeit überhaupt in Erwägung gezogen.

Machen wir uns nichts vor, meine Damen und Herren: Allein der Pass und die Staatsangehörigkeit ersetzen in keinster Weise Integrationswilligkeit und Integrationsbereitschaft.

Frau Staatsministerin Stamm hat es so formuliert: Integration ist keine Einbahnstraße. Erst wenn Ausländerinnen und Ausländer sich sprachlich artikulieren können und die Wertespielregeln unserer Gesellschaft beherrschen, kann eine Lebensgestaltung vor Ort erfolgen, die

für die Zukunft erfolgreich sein wird. Erst wenn bei den Eltern ausländischer Kinder das Bewusstsein herrscht, dass insbesondere die sprachliche Integration die Basis für erfolgreiche Schullaufbahnen und damit für ein Bestehen in der Arbeitswelt herrscht, sind wir einen wesentlichen Schritt vorangekommen. Allein die Staatsangehörigkeit bewirkt all dies nicht. Sie schafft keine neuen Chancen. Bisweilen hat man den Eindruck, sie beruhige in manchen Bereichen das Gewissen. Das führt letztendlich dazu, dass man sich keine anderen Gedanken darüber zu machen braucht, wie die Integration voranzubringen ist.

Werbekampagnen für eine Einbürgerung werden deshalb die Probleme nicht lösen, sie greifen sie nicht einmal auf. Wir sollten uns auch von dem Gedanken lösen, dass die hier lebenden Ausländerinnen und Ausländer Personen sind, die von uns betreut und an die Hand genommen werden müssen. Der rege Zulauf bei den zuständigen Ämtern vor Ort beweist, dass Ausländerinnen und Ausländer gut informiert sind und selbst freiwillig entscheiden, ob sie eine Einbürgerung erreichen wollen oder darauf ganz bewusst verzichten. Auch dies müssen wir in einer Gesellschaft akzeptieren.

(Dr. Hahnzog (SPD): Sie sollten zu uns in den Ausschuss kommen, wenn wir Petitionen zur Einbürgerung behandeln!)