Noch schlimmer ist der Inhalt des Berichts. Viele zentrale Punkte werden darin durch den Umstand überlagert, dass dieser Bericht aus meiner und unserer Sicht menschenverachtend ist. Das ist nicht gut für unser Land. Der Bericht ist gerade dort menschenverachtend, wo die Handschrift des Herrn Dr. Beckstein deutlich zu spüren ist. Herr Dr. Beckstein entzieht sich natürlich der Diskussion. Wir haben lange vor der seltsamen Situation gestanden, dass die CSU selbst gar nicht wusste, was sie unter Integration versteht. Vor gut einem Jahr begann die unsägliche Unterschriftenaktion.
Herr Dr. Bernhard, diese Unterschriftenaktion hat zu Unfrieden geführt. Auf der linken Seite der Unterschriftenliste standen die Worte „Ja zu Integration“. Wenn ich die CSU-Kolleginnen und CSU-Kollegen gefragt habe, was sie unter Integration verstünden, haben sie geantwortet: Wir warten auf einen Bericht, den die Staatsregierung geben soll. Dies war ein wesentlicher Inhalt Ihrer Kampagne, die auf Vorurteilen und nicht auf einer Sachdiskussion beruhte.
Wir meinen, für das friedliche Zusammenleben ist es notwendig, Brücken zu bauen. Sie dagegen diskriminieren und grenzen aus. Das ist schäbig und schädlich für uns alle.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU – Dr. Bern- hard (CSU): So ein Schmarren!)
Für uns ist wichtig, dass Deutsche, Ausländer und Zugewanderte aufeinander zugehen. Alle sind aufgerufen, sich gegenseitig zu fordern, aber nicht zu überfordern. Von zentraler Bedeutung dabei ist – und das taucht bei Ihnen gar nicht auf – die Möglichkeit zur gleichberechtigten Eingliederung in die Werte- und Rechtsgemeinschaft unserer Gesellschaft. Dabei wissen wir uns in Übereinstimmung mit vielen anderen. So hat zum Beispiel die Vollversammlung – leider nicht die des Hohen Hauses hier – des Landeskomitees der Katholiken in Bayern im letzten Jahr gefordert – ich zitiere –: „Wir müssen denen, die ihren dauerhaften Lebensmittelpunkt in Deutschland haben, die volle Teilhabe am politischen und sozialen Leben in der Bundesrepublik ermöglichen.“ Es wäre schön, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn Sie so christlich wären wie dieses Landeskomitee.
Die „volle Teilhabe an unserer Gesellschaft“ taucht im Bericht nicht und in Ihrem Dringlichkeitsantrag schon gar nicht auf. Man schiebt das Problem einfach beiseite. Sie haben alle unsere Anträge zum Komplex Teilhabe am öffentlichen und staatlichen Leben abgelehnt, angefan
gen von Möglichkeiten, sich stärker in der Kommunalpolitik zu engagieren bis hin zur Schaffung eines Ausländerbeauftragten, den es mittlerweile in 14 anderen Bundesländern gibt. Dies steht in einem nicht erklärlichen Widerspruch zu den ständigen Bekundungen Ihres Fraktionsvorsitzenden, Alois Glück, der immer wieder von der Bürgergesellschaft spricht, allerdings beschränkt auf 90% der Bevölkerung dieses Landes.
In den Bereichen Bildung, Soziales und Kultur haben Sie sich zum Teil bewegt. Die Menschen in diesen Lebensbereichen treten bei Ihnen aber nicht als handelnde Subjekte auf, sondern sie werden im Dringlichkeitsantrag der CSU als passive Objekte unter dem Oberbegriff „Problemlagen“ abgehandelt. Für uns sind Menschen keine „Problemlagen“, sondern Nachbarn, mit denen wir zusammenleben und unser Leben gemeinschaftlich gestalten wollen. Das ist der wesentliche Unterschied zu Ihnen. Kein Wunder, dass die Schlagzeilen über Ihre Pressekonferenz, Frau Stamm, beeinflusst waren von dem, was der heute nicht anwesende Innenminister gesagt hat, zum Beispiel: „Beckstein dringt auf Beschränkung des Zuzugs von Ausländern.“ Soziales, Schulisches oder Kulturelles tauchte nur versteckt auf.
Auch wir wollen kein Füllhorn von Wohltaten ausschütten, sondern Anstrengungen der Menschen sehen, die zu uns gekommen sind, und zwar in Sprache, Ausbildung und kulturellem Leben. Dies darf aber nicht einseitig mit offenem oder verdecktem Zwang geschehen. Hier müssen Angebote gemacht werden. Ihre Vorschläge haben, jedenfalls versteckt, immer einen Zwangscharakter. In der Wirtschaft würde man von „feindlicher Übernahme“ sprechen. Sie machen im Grunde genommen nichts anderes. Das ist aber zu kurz gedacht und auf die Dauer für die Gesellschaft in Bayern nicht tragbar.
(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CSU – Glück (CSU): Sie hätten besser eine Skitour machen sollen als einen solchen Schmarren zu verzapfen!)
Wir hoffen, dass manche positive Ansätze im Bericht Wirklichkeit werden. Wenn Sie sich tatsächlich für Sprachfähigkeit einsetzen wollen, sollten Sie sich an der Bundesregierung ein Beispiel nehmen, die im Jahr 1999 die Mittel für das Projekt „Sprachverband Deutsch für ausländische Arbeitnehmer“ von 25 Millionen DM auf 34 Millionen DM erhöht hat, was einer Steigerung um 36% entspricht. Das sollte für Sie auch mit Blick auf andere Punkte im Bericht Maßstab sein. Daran werden wir Sie bei den Haushaltsberatungen erinnern. Wir hoffen auch, dass manche positive Ansätze eine gewisse Ausstrahlung auf Ihre eigenen Leute haben. Im Bericht wird auf den Seiten 230 folgende das Hohe Lied der Ausländerbeiräte gesungen. In der Überschrift heißt es: „Ausländerbeiräte bringen die Integration voran.“ Nach der Klausurtagung der Münchener CSU am Montag dieser Woche hieß es aber: „Weg mit dem Ausländerbeirat!“ Und das, obwohl dieser Beirat 25 Jahre lang beste Arbeit geleistet hat. Da waren Sie, Herr Unterländer und Herr Haedke, auch dabei. Trotzdem scheuten Sie sich nicht, den Dringlichkeitsantrag der CSU zu unterschreiben, in dem der Bericht der Staatsregierung begrüßt wird. Doppelzüngiger geht es nicht mehr.
Auf Seite 190 Ihres Berichts, Frau Stamm, heißt es: „Die Erziehungsverantwortung der Eltern gegenüber ihren Kindern besteht unabhängig von der Staatsangehörigkeit.“
Nein. Dann wird das Hohe Lied des bayerischen Erziehungsgeldes gesungen. Kein Wort davon, dass 70% der Eltern, die nicht EU-Staatsangehörige sind, auch nicht in den Genuss von Erziehungsgeld kommen. Deshalb fordern wir und all diejenigen, zum Beispiel auch der DGB, die über die soziale Wirklichkeit einigermaßen Bescheid wissen, die Anspruchsvoraussetzungen entsprechend anzupassen.
Der schlimmste Teil des Berichts ist aber von den Herren Beckstein und Regensburger aus dem Innenministerium zu verantworten. Neben der Ablehnung selbstverständlicher Partizipationsmöglichkeiten werden vom Innenministerium Vorstellungen präsentiert, die an der Kraft unserer Verfassung zweifeln lassen.
Da wird gefordert, das Nachzugsalter für Kinder auf sechs Jahre herabzusetzen. Da wird eine Sprachprüfung für nachziehende Ehegatten gefordert. Wir werden dann irgendwann so weit sein, dass auch die Deutschen, die eine Ausländerin oder einen Ausländer heiraten, für ihren Ehegatten erst eine Sprachprüfung machen lassen müssen, bevor sie in der Bundesrepublik zusammenleben können. Man sollte sich dabei vor Augen halten: Von den in München geschlossenen Ehen sind fast 30% Ehen zwischen Deutschen und Ausländern. Was Sie hier an Diskriminierung machen, ist eigentlich unvorstellbar.
Ich habe den Eindruck – und nicht nur ich! –, dass das fast schlimmer ist, Herr Regensburger, als die Zeit vor 1965. Damals hatten wir noch kein Ausländergesetz. Damals galt noch die Ausländerpolizeiverordnung von 1938. In diesen Bahnen bewegen Sie sich, und da gibt es auch makabere Parallelen zu dem, was sich zurzeit in unserem Nachbarland Österreich abspielt. Ich habe das Gefühl, dass hier offensichtlich ein unseliger Wettbewerb zwischen Beckstein und Jörg Haider stattfindet.
Das ist ein unseliger Wettbewerb, der nicht ganz verwunderlich ist. Das ist doch langfristig angelegt, wenn Herr Stoiber noch im Oktober letzten Jahres die Schwesterpartei ÖVP ausdrücklich aufgefordert hat, doch mit der FPÖ zu koalieren. Das waren doch nicht unbekannte Strömungen in der FPÖ. Das ist traurig, glaube ich, und
Die CSU sollte sich wirklich noch einmal überlegen, ob sie nicht unseren Anträgen zustimmen sollte, ob sie nicht – wir brauchen nicht noch einen besonderen Dringlichkeitsantrag zu machen wie die GRÜNEN; dieser Antrag ist auch eine Zusammenfassung unserer 38 Anträge – dem Dringlichkeitsantrag der GRÜNEN zustimmen sollte. Wir können dann gern, Frau Stamm, Ihre 328 Seiten als Materialband benutzen – da ist manches Dienliche an Statistiken und Ähnlichem enthalten –, aber nicht Ihre Vorschläge, die zum Teil in die von mir skizzierte Richtung gehen, die nicht dazu dienen, etwas zu schaffen, was gut wäre für die Deutschen in Bayern, was gut wäre für die Ausländer in Bayern und was insgesamt unserem Land gut tun würde.
Daran werden wir auch unabhängig von der heutigen Diskussion weiter arbeiten, weil viele – die Kirchen, die Gewerkschaften und viele Gruppen –, denen wir uns verpflichtet fühlen, darauf warten.
Nachdem Sie gleich Antwort gegeben haben, allerdings nicht auf die Frage, hätten Sie auch die Frage beantworten können.
Deswegen bitte ich um Verständnis für die Redezeitbegrenzung, die wir im Ältestenrat beschlossen haben.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wegen der Begrenzung auf 15 Minuten spare ich es mir, Ihnen und Dr. Hahnzog, auf das von ihm Gesagte einzugehen. Darauf werden dann drei Kollegen zurückkommen, die Frau Kollegin Guttenberger, Herr Dr. Spaenle und Herr von Rotenhan. Sie werden dezidiert auf diese Dinge eingehen.
Ich möchte mich auf die Leitsätze unserer Entschließung beschränken und versuchen, einen Überblick über die Ausländerpolitik aus unserer Sicht zu geben.
Meine Damen und Herren, in der Politik weiß man meist erst hinterher, ob es richtig war, so und nicht anders gehandelt zu haben. Dennoch ist es wichtig, so weit und so präzise wie möglich vorauszuschauen, Entwicklungen zu erkennen, um entsprechend darauf reagieren zu können.
Dies gilt auch für die Frage: Wie halten wir es denn mit den Ausländern in unserem Lande? Brauchen wir noch mehr – die „Wirtschaftswoche“ wird nicht müde, immer wieder Derartiges zu fordern – oder ist – ich zitiere – „die Grenze der Belastbarkeit Deutschlands durch Zuwanderer überschritten?“, wie Bundesinnenminister Schily schon vor gut einem Jahr dem Berliner „Tagesspiegel“ gegenüber betonte?
Meine Damen und Herren, wenn wir in die Bevölkerung hineinhören, hat eindeutig Schily Recht. Bei einer Emnid-Umfrage schon im November 1998 erklärten 52%, es seien bereits jetzt zu viele Ausländer hier.
Die Reaktion auf unsere Unterschriftenaktion gegen die doppelte Staatsbürgerschaft ist ein weiterer Beweis. Und wie emotionsgeladen die Bevölkerung bei diesem Thema reagiert, das zeigen derzeit die Debatten in Österreich.
Herr Hahnzog, ich sehe die Situation in Österreich anders, als Sie sie gerade dargestellt haben. Unser Fraktionsvorsitzender Glück hat es dieser Tage gesagt, und Herr Prof. Falter hat es gestern Abend in der „Rundschau“ bestätigt: Herrn Haider haben eben nicht allein die Rechtsradikalen gewählt, sondern mehr Arbeiter haben Haider gewählt als die SPÖ, und deshalb sollten wir das nicht so auf die leichte Schulter nehmen und sagen, das sei der rechte Rand.
Meine Damen und Herren, es kommt an auf die Akzeptanz unserer Ausländerpolitik. Diese Akzeptanz beim Bürger hängt ab vom Wissensstand über die Ausländer, über die Auswirkungen auf den Bürger in seinen eigenen Belangen – er fragt: Was habe ich davon? – und von der Integration der Ausländer selbst.
Der Wissensstand in der Bevölkerung ist zum Teil sehr unzureichend. Die Politik kennt rund ein Dutzend Kategorien von Ausländern. – Da gibt es den Kontingentflüchtling, den Bürgerkriegsflüchtling, den Aussiedler, den Asylbewerber, alles wird ja dort in einen Topf geworfen – und dann haben wir auch noch verschiedene Genehmigungen des Hierseins. Das ist auf Seite 47 des Berichts der Staatsregierung sehr schön aufgelistet.
Besonders ärgerlich sind in den Augen vieler die angeblich hohen finanziellen Leistungen an die Ausländer. Sie sagen: Für die habt Ihr Geld, für uns nicht.