Protocol of the Session on February 1, 2000

Zu den Bemerkungen an die Adresse der Staatsregierung möchte ich auf Folgendes hinweisen. Herr Kollege Maget, wir haben Ihre Anfrage nach den Kontakten zu den Herren Holzer und Schreiber sachlich und umfassend beantwortet. Ich verstehe nicht, dass hier bestimmte Personen stigmatisiert werden sollen, während der gleiche Mann als Ehrengast zum SPD-Parteitag eingeladen wurde und die Ehre eines persönlichen Gesprächs mit dem Bundeskanzler hatte. Wer so verfährt, hat keinen Grund, irgendwelche Vorwürfe gegen uns zu erheben.

(Beifall bei der CSU – Herbert Müller (SPD): Herr Huber, das war unkorrekt!)

Frau Paulig hat kritisiert, dass ich zu den Parteispenden keine Bemerkungen gemacht hätte. Ich habe zu Recht davon abgesehen, denn darin ist weder die CSU noch die Staatsregierung involviert. Wir haben immer deutlich gemacht, dass im Zusammenhang mit den Parteispenden alles restlos aufgeklärt werden müsse. Daneben müssen aber auch strukturelle und personelle Konsequenzen gezogen werden, und daran arbeitet die CDUFührung trotz aller Schwierigkeiten.

Frau Kollegin Paulig, nach meinem Eindruck ist es Ihnen bei der Darstellung dieses Themas nicht um die Zukunft der Demokratie in Deutschland gegangen, sondern darum, diesen Skandal gegen die politischen Gegner zu instrumentalisieren.

(Beifall bei der CSU)

Diese Scheinheiligkeit führt in keiner Weise weiter. Jeder, der sich mit diesen Themen ernsthaft auseinander setzt, spürt die Sorge um verloren gegangenes Vertrauen. Außerdem wird keine der demokratischen Parteien von dieser Diskussion verschont bleiben. Es geht doch darum, dass wir gemeinsam das Vertrauen wieder herstellen, das durch die Vorgänge, die ich keinesfalls beschönigen möchte, verloren gegangen ist. Wir müssen insgesamt Glaubwürdigkeit gewinnen. Vordergründige Polemik, die Sie, Frau Paulig, betreiben, verschlimmert die Situation nur noch. Zu einem positiven Denken im staatspolitischen Sinne trägt sie nicht bei.

(Beifall bei der CSU)

Lassen Sie mich noch zwei Bemerkungen zu den Vorgängen in Österreich machen. Österreich hat eine gefestigte Demokratie.

(Zuruf von der SPD: Noch!)

Wir vertrauen darauf, dass das Volk und die handelnden Parteien Österreichs auch in Zukunft im Konzert der demokratischen Parteien und Völker Europas mitarbeiten werden.

Wir haben keinerlei Anlass, irgendwelche Äußerungen von Herrn Haider zu beschönigen oder zu verniedlichen.

(Frau Radermacher (SPD): Hoffentlich!)

Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist unsäglich und in der Nachkriegsgeschichte einmalig, dass 14 Staaten der Europäischen Union über das kleine Österreich herfallen.

(Widerspruch bei der SPD)

Nein, ich meine, die Europäische Union ist ein Zusammenschluss freier, selbstständiger und souveräner Staaten. Dazu gehört zunächst einmal die Respektierung der Entscheidung eines Volkes für seine Zukunft.

(Beifall bei der CSU)

Im übrigen, Herr Kollege Maget, hätten Sie anfügen können, warum Ihr sozialdemokratischer Parteifreund Klima – um Bundeskanzler zu bleiben – um die Tolerierung seitens der FPÖ gebuhlt hat. Wer dies als Niedergang der Demokratie in Österreich bezeichnet, darf nicht um eine solche politische Gruppe buhlen.

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Warum haben Sie den Regierungseintritt begrüßt?)

Ich sehe dahinter ein Zusammenwirken von sozialistischen Kräften in Europa, die aus vordergründigen, auch

parteipolitischen Überlegungen nun über das kleine Österreich herfallen.

(Hoderlein (SPD): Sie werden demnächst über das noch kleinere Liechtenstein herfallen!)

Es wird die Aufgabe von uns allen sein, in gut nachbarschaftlicher, partnerschaftlicher und die Souveränität eines Landes achtender Zusammenarbeit dafür zu sorgen, dass Österreich Mitglied der NATO wird. Warum hat die SPÖ nicht die Bereitschaft erklärt, dass Österreich zur NATO kommt? Auch daran ist die Vereinbarung mit der ÖVP gescheitert. Darüber sollten Sie nachdenken, meine Damen und Herren.

(Maget (SPD): Die Österreicher wollen das so!)

Wir werden auch künftig mit Österreich vernünftig zusammenarbeiten. Was jedoch zur Zeit stattfindet, ist aus unserer Sicht die Verletzung des Völkerrechts und der vernünftigen Zusammenarbeit der Staaten Europas.

(Beifall bei der CSU)

Als Letztes möchte ich einen Punkt aufgreifen, der zum Himmel schreit. Frau Kollegin Paulig hat den Freistaat Bayern und die Staatsregierung mit ihrer Politik als „Standortrisiko für die wirtschaftliche Entwicklung“ dargestellt. In welcher Welt leben Sie?

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ist Ihnen denn völlig entgangen, dass Bayern die niedrigste Arbeitslosigkeit hat? Dass Bayern überdurchschnittliches Wachstum hat? Dass die junge Generation in Bayern unter allen Bundesländern die besten Chancen hat? Dass wir die beste Lehrstellenbilanz haben?

(Herbert Müller (SPD): Die besten Mathe-Ergebnisse! – Frau Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Mathetest!)

Kein Land, in dem die SPD regiert und in dem die GRÜNEN „mitfahren“ dürfen, hat auch nur ansatzweise vergleichbare Daten wie der Freistaat Bayern. Deshalb, meine Damen und Herren, behaupte ich: Weil wir 40 Jahre lang erfolgreich gearbeitet haben, stehen wir an der Spitze und wir werden verhindern, dass Rot-Grün auch dieses Land nach unten zieht.

(Beifall bei der CSU)

Frau Zweite Vizepräsidentin Riess: Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen und der Tagesordnungspunkt erledigt.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 2

Aktuelle Stunde

Bessere Bildung für alle

Für die heutige Sitzung ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt. Die einzelnen Redner dürfen grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion kann einer ihrer Redner zehn Minuten sprechen. Dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Wenn ein Mitglied der Staatsregierung kraft seines Amtes das Wort nimmt, wird die Zeit seiner Rede nicht mitgerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält auf Antrag einer Fraktion eines ihrer Mitglieder die Gelegenheit, fünf Minuten ohne Anrechnung auf die Zeit der Dauer der Aussprache zu sprechen. Ich bitte Sie also, auf mein Signal zu achten.

Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Münzel. Bitte.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Wir GRÜNEN stehen für eine Bildungspolitik, die eine bessere Bildung für alle Schülerinnen und Schüler in allen Schularten zum Ziel hat. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine Schulreform, die diesen Namen verdient, für alle Schülerinnen und Schüler spürbare Verbesserungen bringen muss. Sie darf nicht allein eine Schulart im Blick haben. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit.

Die geplante Reform der Staatsregierung, die sechsstufige Realschule einzuführen, erfasst lediglich einen Teil der Kinder, nämlich diejenigen, die für die Realschule geeignet sind, und erfüllt somit diese Voraussetzungen nicht. Dies ist umso bitterer, als bei den knappen finanziellen Mitteln für den Großteil der Schülerinnen und Schüler nichts mehr übrig bleibt. Nicht nur das. – Mit der Einführung der sechsstufigen Realschule verfolgt die Staatsregierung eine Schulpolitik, die eigentlich gescheitert ist. Allein der Blick auf die internationale TIMSS-Studie zeigt, dass sich die Hoffnung, das dreigliedrige System würde sich als das leistungsfähigere erweisen, nicht erfüllt hat.

Das dreigliedrige Schulsystem jetzt noch zu verschärfen, entbehrt jeglicher Vernunft. Was die Staatsregierung betreibt, ist Schulpolitik von gestern. Gesellschaftliche Anforderungen und Lebensverhältnisse haben sich massiv verändert. Alte Rezepte haben ausgedient. Alles ist wichtiger, interessanter und erlebnisreicher als Schule – wenn man das aus dem Blickwinkel der Schüler und Schülerinnen ansieht. Ganze Erfahrungswelten brechen zusammen, Wissen ist per Mausklick abrufbar, und nur der Wechsel ist verlässlich. Sich darüber Gedanken zu machen, wie wir in der Schule der Zukunft mit dieser Entwicklung umgehen, ist das Gebot der Stunde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die viel wichtigere Frage nach der Qualität von Unterricht an allen Schularten muss in den Mittelpunkt der schulpolitischen Debatte gestellt werden.

Kolleginnen und Kollegen, dass in der Auseinandersetzung um das Volksbegehren mit harten Bandagen gekämpft werden wird, war zu erwarten. Mittlerweile

nimmt sie allerdings Formen an, die so nicht mehr zu akzeptieren sind. Die Ministerin wirbt hemmungslos an den Schulen für ihr Reformvorhaben und erwartet offensichtlich, dass die Beamten und Beamtinnen ihr Reformvorhaben vorbehaltlos unterstützen. Die Pläne des Volksbegehrens dürfen nicht in gleicher Weise offensiv vertreten werden. Ich möchte Ihnen einen Zeitungsartikel aus meiner Heimatzeitung, dem „Main-Echo“ vom 28.01.2000 zitieren. Er trägt die Überschrift: „Positionen der bayerischen Regierung zur Schulreform offensiv vertreten“. Ich zitiere:

Röhling

(der Leiter der Schulabteilung bei der Regierung von Unterfranken) –

sagte auf Anfrage, dass verbeamtete Lehrer und Lehrerinnen verpflichtet seien, die Schulpolitik der bayerischen Staatsregierung, etwa im Gespräch mit Eltern offensiv zu vertreten.

(Prof. Dr. Stockinger (CSU): Sehr richtig!)

Ich habe mit ihm gesprochen. Er meinte, er habe nicht „offensiv“, sondern „objektiv“ gesagt.