Protocol of the Session on July 8, 2003

(Beifall bei der CSU)

Die Frage nach der Bürokratielast ist also begründet. Auf Bundesebene sind allein in den letzten vier Jahren 400 Gesetze und fast 1000 Rechtsverordnungen neu hinzugekommen. Das bedeutet: Rot-Grün steht für mehr Regulierung und mehr Bürokratie. Ich nenne nur die Stichworte Betriebsverfassungsgesetz, Scheinselbstständigengesetz, Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie die Riester-Rente mit ihren unverständlichen bürokratischen Regelungen. Das demotiviert insbesondere den Mittelstand.

(Beifall bei der CSU)

Die Schlussfolgerung lautet: Die rot-grüne Bürokratie erstickt Unternehmergeist und Eigenverantwortung und lähmt die Kreativität. Meine Damen und Herren, sehen Sie nicht, dass wir allein in diesem Jahr etwa 40000 Firmenzusammenbrüche in Deutschland haben werden? Wenn Sie das nicht beunruhigt, sind Sie unfähig, politische Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei der CSU)

Mit dieser Reglementierungswut schadet Rot-Grün der Wettbewerbsfähigkeit und gefährdet damit Arbeitsplätze. In einer ersten Reaktion auf die Vorlage des Berichts der Henzler-Kommission habe ich gelesen, dass die SPD Bayern der Auffassung ist, hier würden soziale Rechte abgebaut. Dies ist erstaunlich, weil diese Reaktion da war, bevor Sie den Henzler-Bericht hatten. Das zeigt aber auch das Blockadedenken. Wer überhaupt nicht mehr in der Lage ist, die gegenwärtigen Regelungen zu überdenken und sofort soziale Komponenten anführt, übersieht, wie diese Regulierungsdichte heute Arbeitsplätze vernichtet und die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert.

(Beifall bei der CSU)

Ich habe gehört und gelesen, dass der Spitzenkandidat der SPD in Bayern durch die Bierzelte zieht und immer wieder behauptet, die Bayerische Staatskanzlei sei größer als das Weiße Haus. Ich kann nur sagen: Das ist absurd. Ich schlussfolgere: Da die SPD mit falschen Behauptungen punkten will, beweist sie nur, dass sie keine politische Alternative zur erfolgreichen Arbeit der Staatsregierung hat.

(Beifall bei der CSU)

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen gerne einen weiteren Beweis geben.

(Frau Werner-Muggendorfer (SPD): Was haben Sie denn bisher bewiesen?)

Einen Beweis für Ihre Alternativlosigkeit und Einfallslosigkeit. Unvergessen ist, dass die SPD im Jahre 1998 in diesem Hohen Hause einen berühmt-berüchtigten Gesetzentwurf zur Schaffung einer Volksfestschutzverwaltung eingebracht hat. Hierzu sollte eine Untere Volksfestschutzbehörde, eine Obere Volksfestschutzbehörde und eine Oberste Volksfestschutzbehörde gehören. Gefehlt hat nur noch die Mittlere Volksfestschutzbehörde und der Beauftragte für den Volksfestschutz. Soviel zum Thema „SPD und schlanker Staat“.

(Beifall bei CSU)

Im Übrigen: Von Volksfesten verstehen wir mehr als Sie.

(Heiterkeit bei der CSU)

Zurück zur schwierigen und bitteren Situation Deutschlands. Der Patient Deutschland ist rot-grün im Gesicht und ringt nach Luft. Unnötige Bürokratie drückt der deutschen Wirtschaft die Luft ab. Unnötige Bürokratie ist der Bazillus dieser Krankheit. Meine Damen und Herren, unnötige Bürokratie ist eine Form der Enteignung von Arbeitszeit, Kapital und Lebensleistung der Menschen. Deshalb brauchen wir eine Trendwende in Deutschland.

(Beifall bei der CSU)

Jeder, der lesen und rechnen kann, sieht, dass Bayern trotz der Probleme in der gesamten Volkswirtschaft – die wir nicht leugnen – in einer vergleichsweise besseren Ausgangslage beim Wirtschaftswachstum, bei der Beschäftigung, bei der Wettbewerbsfähigkeit und bei den staatlichen Investitionen ist. Zu diesen Erfolgen hat sicherlich auch die öffentliche Verwaltung maßgeblich beigetragen. Die Staats- und Kommunalverwaltung in Bayern hat einen hervorragenden Ruf. Meine Damen und Herren von der SPD und den GRÜNEN, da Sie gelegentlich über die so genannte Ministerialbürokratie schimpfen, möchte ich Ihnen einmal Folgendes vor Augen halten: Wenn zwischen Bund und Ländern Konzepte auszuarbeiten sind oder Gesetzentwürfe bewertet werden müssen, wird immer die Kompetenz und die Kapazität der Verwaltung in Bayern gefordert. Diese Kompetenz ist in ganz Deutschland anerkannt. Fragen Sie einmal Ihre Kollegen in Berlin.

(Beifall bei der CSU)

Viele Politiker machen es sich im Umgang mit der Bürokratie leicht. Deshalb will ich betonen: Wir, die wir in Staatsregierung und Landtag in der politischen Verantwortung stehen, dürfen uns nicht entlasten, indem wir vordergründig die Verwaltung kritisieren. Das ist zu billig. Gesetzgeber und Regierung geben vor, was die Verwaltung auszuführen hat. Deshalb ist es zuvörderst die Verantwortung der Politik, die richtigen Rahmenbedingungen zu setzen.

Meine Damen und Herren, unsere Maßnahmen für einen schlanken und effizienten Staat und für mehr Serviceorientierung bedeuten deshalb weder eine Fundamentalkritik noch einen Kahlschlag der Verwaltung. Niemand sollte bezweifeln, dass die bayerische Verwaltung schon jetzt ein gewaltiger Standortvorteil ist.

Ich möchte deshalb gegenüber den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Verwaltung, die motiviert sind und hervorragende Arbeit im Dienst für den Bürger und die Unternehmen sowie für Bayern leisten, unseren Dank und unseren Respekt zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der CSU)

In der Öffentlichkeit ist von der Opposition im Zusammenhang mit der Henzler-Kommission die Frage gestellt worden: Wo steht Bayern in Deutschland, und was ist bisher geschehen? – Lassen Sie mich dazu einige Bemerkungen machen. Bayern ist schon heute in Deutschland der Maßstab für die Modernisierung der Verwaltung. Bereits 1993 haben wir die Projektgruppe Verwaltungsreform eingesetzt. 1996 hat die Staatsregierung ein 20-Punkte-Aktions-Programm mit einem Gesamtkonzept zur Staats- und Verwaltungsreform beschlossen.

Ich möchte auch der Arbeitsgruppe zur Entbürokratisierung und Deregulierung der Mehrheitsfraktion des Hohen Hauses unter der Leitung des Kollegen Franz Meyer aufrichtig danken für die gute Arbeit in den letzten fünf Jahren.

(Beifall bei der CSU)

Zahlreiche Vorschläge dieser Arbeitsgruppe wurden bereits in die Tat umgesetzt.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN))

Was ist das Ergebnis? – Wir haben 1500 Behörden in der staatlichen Verwaltung einschließlich aller Ministerien gründlich reformiert und die Verwaltungsstrukturen gestrafft. Bis Ende des Jahres 2007 werden insgesamt 12600 Stellen in der staatlichen Verwaltung abgebaut. Diese Effizienzsteigerung hat es uns trotz des Sparzwangs ermöglicht, politische Schwerpunkte zu setzen, etwa bei der Bildung, bei der inneren Sicherheit und beim Verbraucherschutz. Hier wurden nicht Stellen gestrichen, sondern neue Stellen geschaffen, ohne dass der Gesamthaushalt in Schieflage geraten ist.

Viele frühere Aufgaben des Staates sind bereits weggefallen, delegiert oder privatisiert worden. Verfahrensabläufe wurden vereinfacht und beschleunigt, zum Beispiel durch die Tätigkeit von Pilot- und Projektmanagern.

Ich möchte Ihnen noch ein sehr eindrucksvolles Beispiel als Ergebnis dieser Aktivitäten nennen. Seit Inkrafttreten der ersten Bauordnungsnovelle sind von 1994 bis einschließlich April 2003 in Bayern fast 104000 und damit fast ein Drittel aller seitdem errichteten Wohngebäude genehmigungsfrei gebaut worden. 104000 Gebäude genehmigungsfrei! Dies und das vereinfachte Genehmigungsverfahren haben den Bauherren Gebühren von über 130 Millionen e erspart. Ich möchte daran erinnern, dass dies vor gut zehn Jahren durchaus auch gegen Bedenken aus der Wirtschaft durchgesetzt wurde. Manche haben seinerzeit gesagt, es sei doch ganz positiv, wenn das Landratsamt noch einmal prüfe; wenn ein amtlicher Stempel drauf sei, gäbe es mehr Sicherheit und noch mehr Möglichkeiten, Risiken zu reduzieren.

Meine Damen und Herren, nach zehn Jahren darf ich feststellen. Das Vertrauen, das wir in die private Wirtschaft, in die Bauherren, in die Fachleute und die Ingenieure gesetzt haben, hat sich als gerechtfertigt erwiesen. Obwohl es keine Genehmigungspflicht mehr gibt, ist kein Haus zusammengefallen. Die Bauherren konnten 130 Millionen e sparen. Das ist doch eine Bilanz, die sich sehen lassen kann.

(Beifall bei der CSU)

Unser Ziel muss es sein, die Genehmigungsfreistellung im Baurecht generell – auch für gewerbliche Vorhaben – bis zur Sonderbaugrenze auszuweiten, die Baugenehmigungsverfahren noch weiter zu vereinfachen und damit gerade der gewerblichen Wirtschaft und den Existenzgründern effektive Hilfe zu leisten.

(Beifall bei Abgeordneten der CSU)

Viele dieser Maßnahmen waren so wirkungsvoll, dass sie inzwischen von anderen Ländern übernommen wurden. Trotz all dieser Erfolge ist klar: Die Verwaltungsreform in Bayern ist noch lang nicht an ihr Ziel gekommen. Die Anzahl der Gesetze und Verordnungen in Bayern hat sich in den vergangenen zehn Jahren kaum verändert. Worunter aber die Wirtschaft und die Eigeninitiative leiden, ist die Dichte der Einzelregelungen. Viel Gutgemeintes und für sich betrachtet Sinnvolles kann in der Summe schädlich sein. Ein zu dichtes Netz an Regelungen beschneidet die Freiheit für Innovation, Dynamik und Wachstum. Wir sind deshalb lernfähig nach dem Motto: so viel Freiheit wie möglich, so viel Staat wie nötig.

(Zuruf des Abgeordneten Dr. Hahnzog (SPD))

Deregulierung und Entbürokratisierung sind eine Daueraufgabe für Landtag und Staatsregierung. Die wichtigsten Ziele sind überschaubare, verständliche Vorschriften, die nur das wirklich Wichtige regeln; schnelle und transparente Entscheidungswege; eine ausgeprägte Serviceorientierung der öffentlichen Verwaltung. Diese Ziele wird die Staatsregierung gerade mit Hilfe der Vor

schläge der Henzler-Kommission weiterverfolgen. Ihre Arbeitsweise war ausgesprochen praxisorientiert.

Zum besseren Verständnis darf ich darauf hinweisen: Auftrag und Bitte an die Kommission war es, speziell die Vorschriften unter die Lupe zu nehmen, die heute für die Wirtschaft belastend sind, welche die Investoren hemmen und die Existenzgründer heute in Schwierigkeiten bringen und insgesamt das wirtschaftliche Gefüge lähmen. Es war nicht Aufgabe der Kommission, wie irrtümlich angenommen wurde, den gesamten Staatsapparat unter die Lupe zu nehmen.

(Lebhafter Widerspruch bei der SPD)

Hören Sie doch zunächst einmal zu! Zum einen haben wir einen großen Teil dieser Aufgabe bereits erledigt, wie ich bereits dargestellt habe.

(Lachen bei der SPD)

Zum anderen ist das eine Aufgabe, welche die Staatsregierung jetzt selbst anpackt und weiterführt. Bei 4,3 Millionen Arbeitslosen, bei so vielen Firmenzusammenbrüchen und bei so vielen Schwierigkeiten mit Investitionen ist es heute primäre Aufgabe, die Wirtschaft flottzumachen.

(Beifall bei der CSU)

Sie sollten in Ihrer Ermattung hier keine Ablenkungsmanöver betreiben. Unsere Aufgabe ist es heute, dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft vorankommt und dass Hemmnisse und Hürden für Investitionen reduziert oder beseitigt werden.

Um Erfahrungen aus der Wirtschaft aufnehmen zu können, hat die Kommission eine innovative Arbeitsweise gewählt. Mehr als 3600 Teilnehmer haben sich an einer Online-Umfrage bei bayerischen Unternehmen beteiligt. Das ist eine der größten Umfragen dieser Art, die es bisher in Deutschland gegeben hat. Die Kommissionsmitglieder haben rund 400 persönliche Interviews mit Unternehmern durchgeführt. Zuschriften von rund 200 Unternehmen wurden ausgewertet, und es wurden mehrere Unternehmenshearings durchgeführt, in denen Unternehmer die Möglichkeit hatten, ihre persönlichen Erfahrungen in Frage und Antwort darzustellen. Insgesamt hat die Kommission rund 1200 Verbesserungsvorschläge erhalten, bewertet und zu sechs Themenbereichen zusammengefasst mit 32 Maßnahmenpaketen.

Ich möchte Ihnen zu vier wichtigen Bereichen einen Überblick geben. Erstens: Wir wollen die Schaffung eines „Kleinunternehmensrechts“. Deutschland braucht dringend eine spürbare Entlastung von Regulierung und Bürokratie, vor allem für Unternehmen bis zu 20 Mitarbeitern. Die Staatsregierung bewertet die Vorschläge der Kommission hierzu als sehr effizienten Befreiungsschlag für Unternehmergeist und Arbeit.

Ein Beispiel: Eine Untersuchung im Auftrag der Europäischen Union aus dem Jahr 2002 hat ergeben, dass die Gründung einer GmbH in Deutschland durchschnittlich 22 Werktage in Anspruch nimmt, in Großbritannien

dagegen nur sieben Tage. Das muss auch unser Ziel sein.

Wir haben laut Schätzung der Kommission rund 500000 Kleinunternehmen in Bayern. Diese sollen vom Kündigungsschutz entlastet und von Detailregelungen des Arbeitsstättenrechts befreit werden. Das Arbeitszeitrecht soll flexibilisiert werden. Die Möglichkeiten zur Lösung von der Tarifbindung sollen erweitert werden. Kleinunternehmen sollen durch Abbuchungsverfahren für die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge vom Berechungsaufwand befreit und auch von steuerlichen Buchführungspflichten deutlich entlastet werden.