Frau Kollegin Schopper, Absatz 1 und Absatz 2 Ihres Antrags widersprechen einander völlig; ich komme später noch darauf zu sprechen. An dieser Stelle ist es nicht möglich, auf Details in beiden Verhandlungspaketen zur Gesundheitsreform einzugehen. Ich möchte nur einige Trends aufzeigen. Die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen steigt permanent und wird auch weiter steigen. Das hat mehrere Ursachen: die allgemeine Steigerung der Ansprüche an Gesundheitsleistungen, Ausweitung der medizinischen Möglichkeiten, ein wachsender Bedarf an Diensten für Ältere und Pflegebedürftige. All diese Dinge spielen hier herein.
Die Finanzierungsbasis schwindet zunehmend. Das hat ebenfalls mehrere Ursachen, nämlich die demografische Entwicklung, die sinkende Zahl der Beitragszahler aufgrund der zunehmenden Massenarbeitslosigkeit und aufgrund der falschen Rahmenbedingungen sowie die politischen Entscheidungen, die in den letzten Jahren zu Verschiebebahnhöfen geführt haben, auf denen die Kosten einfach verschoben worden sind.
Die Herausforderungen machen eine grundlegende Reform des deutschen Gesundheitswesens überfällig. Die bisherige Rechnung, nämlich das Anziehen der Bei
tragsschraube, geht aufgrund der hohen Kostenbelastung nicht mehr auf. Wir brauchen auch in Zukunft für das deutsche Gesundheitswesen ein festes Fundament an Solidarität. Jede und jeder müssen sich dessen sicher sein können, dass sie im Falle einer existenziellen Gefährdung durch Krankheit auf die notwendigen Hilfeleistungen der Solidargemeinschaft zählen können. Die Solidarität gegenüber den Kranken darf nicht – ich sage das ganz offen – durch Markt und Wettbewerb ersetzt werden. Die Solidarität der Gesunden mit den Kranken und der Starken mit den Schwachen muss sich in einem solidarischen Finanzierungssystem niederschlagen, welches an Leistungs- und Belastungsgerechtigkeit ausgerichtet ist. Natürlich müssen Missbräuche, Mitnahmeeffekte, Uneffizienz usw. beseitigt oder abgebaut werden.
Im Zusammenhang mit der Solidarität wird seit längerer Zeit über die Einbeziehung aller Einkommensarten in die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung diskutiert. Frau Kollegin Schopper, diese Überlegung ist nicht neu. Mittelfristig muss es zulässig sein, an solche Maßnahmen zu denken. Sie gehören aber nicht in die aktuelle Gesundheitsdiskussion. Ich muss das hier klipp und klar sagen. Mittelfristig schließe ich aber solche Diskussionen über eine breitere Finanzierungsbasis nicht aus. Der Kreis derjenigen, die in das Solidarsystem einbezogen werden, wird möglicherweise eines Tages größer gefasst werden müssen. Ich schließe das nicht aus.
Zum jetzigen Zeitpunkt sollten wir darüber aber nicht diskutieren. Jetzt müssen andere Verhandlungen geführt werden. Dabei aber ist dieser Gedanke fehl am Platz. Wir können nicht alles auf einmal bewegen. Wir beschließen hier auch nicht über die beiden in Berlin eingebrachten Pakete an Vorstellungen. Wir beschließen hier auch nicht über die Einführung einer Bürgerversicherung. Mittelfristig aber muss oder kann darüber sehr wohl diskutiert werden. Einbezogen werden müssen dann in die Diskussion auch die weiteren Modelle der Bürgerversicherung. Hier gibt es eine weite Palette. Alle Versicherungszweige – Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Pflegeversicherung – müssen in diese Diskussion einbezogen werden.
Wer sich mit den Sozialversicherungssystemen der Nachbarländer und der der EU-Beitrittsländer beschäftigt, stellt fest, dass der Zug der Zeit von der alleinigen Finanzierungsgrundlage Löhne und Gehälter wegführt. Das müssen wir erkennen. Löhne und Gehälter werden möglicherweise auf Dauer nicht ausreichen, wenn sonst keine Änderungen vorgenommen werden. Wir schmeißen uns damit aus dem internationalen Wettbewerb. Darüber, glaube ich, gibt es einen breiten Konsens. Wenn es, was wir hoffen, zu einem Konsens über die Vorstellungen von Rot-Grün und der Union kommt, wenn also die Abgabenquote bei der Krankenversicherung von 15% auf unter 13% gesenkt werden kann, werden wir in wenigen Jahren erneut feststellen, dass aufgrund demografischer Entwicklung, medizintechnischer Fortschritte usw. die Kostenspirale wieder nach oben gehen wird. Eine endgültige Lösung werden wir nicht finden können. Bei dem von Rot-Grün auf Bundesebene vorgelegten Gesundheitsmodernisierungsgesetz zahlen leider primär die Versicherten und die Patienten den Preis. Wir
müssen alles daran setzen, dass es nicht zu größeren Qualitätseinschränkungen und Ausgrenzungen kommt.
Auch die Herauslösung von Leistungen hat ihre Grenzen. Versicherungsfremde Leistungen über die Steuern zu finanzieren, ist richtig und überfällig. Hier ist man auf dem richtigen Weg. Die Forderung, das Krankengeld zu privatisieren bzw. von den Versicherten allein finanzieren zu lassen, wie es Rot-Grün in seinem Konzept vorsieht, stößt bei der Union auf Widerstand. Wer das will, reißt einen Grundstein der Krankenversicherung aus dem Mauerwerk der solidarischen Absicherung des Krankheitsrisikos und bläst zum Sturm auf das bewährte Krankenversicherungssystem. Das Krankengeld muss auch zukünftig von den Arbeitnehmern und Arbeitgebern paritätisch finanziert werden.
Wenn wir mit solchen Maßnahmen beginnen würden, würden wir das Einfallstor dafür aufmachen, dass im nächsten oder übernächsten Jahr weitere wichtige Bereiche aus der Krankenversicherung herausgenommen werden. Das Krankengeld muss als eine der Kernleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung auch in Zukunft existenzielle Risiken absichern.
Ich leugne auch nicht, dass es bei den Zahnersatzleistungen unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich sage das ganz offen; denn es wäre ein Unding, das zu verheimlichen. Über die Zahnersatzleistungen muss weiter diskutiert werden. Es darf auch hier unterschiedliche Meinungen geben. Bei Ihnen ist das doch auch an der Tagesordnung. Diese Vorstellungen werden nun in Berlin erörtert werden. Vielleicht gibt es irgendwo in der Mitte einen Kompromiss, bei dem wir die eine gegen die andere Lösung austauschen. Es ist doch nicht verboten, auch anders zu denken.
Bei einer allzu forschen Ausgliederung von Leistungen sehen wir immer noch die Sorgen und die Wünsche der so genannten kleinen Leute. Wir, die Union, sehen uns auch als Anwalt der Sorgen, Probleme und Anliegen der kleinen Leute. Leider enthält das Gesundheitsmodernisierungsgesetz von Rot-Grün keinerlei grundsätzliche Ansätze zur Sicherung der Sozialsysteme. Der Vorschlag ist ein ziemliches Flickwerk.
Ich glaube, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN will mit dem heutigen Antrag von den zahlreichen Schwachstellen des Regierungsentwurfs ablenken. Sie wollen einen Nebendiskussionsschauplatz eröffnen, damit nicht so sehr bekannt wird, dass sie das Recht der freien Arztwahl massiv einschränken wollen. Sie brauchen eine andere Diskussionsebene, um von diesen Forderungen abzulenken. Sie wollen die wohnortnahe, flächendeckende und kassenübergreifende fachärztliche Versorgung ausrangieren. Sie wollen mehr Staatsmedizin. Das zeigt sich im Institut für Qualität in der Medizin, wo Bataillone von Bürokraten wieder eingestellt werden sollen. Dazu darf es nicht kommen. Das widerspricht unserer Philosophie von einer freiheitlicheren Krankenversicherung.
Mit den vorgeschlagenen Eingangsmodellen und mit der Öffnung der Krankenhäuser zerschlagen Sie die medizinische Versorgungsstruktur. Ich bin über Ihre Vorstellungen nicht glücklich, weil sie zum Crash führen und chaotische Zustände erzeugen. Erst in den letzten Tagen habe ich mehrere Gespräche mit Krankenhausleitern darüber geführt, wie das, was Sie hier fordern, in der Praxis umgesetzt werden soll.
Für das Unionskonzept, welches dem Konzept von RotGrün als Verhandlungsgrundlage gegenübergestellt wird, gilt als Hauptziel, dass das freiheitliche und humane Gesundheitswesen fortentwickelt werden soll. Wir wollen eine Stärkung der Prävention und eine verantwortungsbewusste Inanspruchnahme von Leistungen mit einer Selbstbeteiligung der Patienten. Wir wollen eine Absenkung der Mehrwertsteuer und den Erhalt der freien Arzt- und Krankenhauswahl. Die freie Arztwahl ist eines der Herzstücke unserer Krankenversicherung. Das wollen wir nicht aufs Spiel setzen.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich abschließend noch einige Anmerkungen machen zum Begehren, die gesetzliche Rentenversicherung und Krankenversicherung in eine Bürgerversicherung umzuwandeln. Auf Anhieb ist dieser Vorschlag möglicherweise bestechend. Verfassungsrechtlich hat er aber sehr große Haken. Wie schon angedeutet, ist es der falsche Weg, dieses Ansinnen zum jetzigen Zeitpunkt in die Reformdebatte einzubringen. Damit bringen Sie die Reform nur durcheinander. Damit erreichen Sie überhaupt keinen Konsens. Ich sage es etwas pointiert: Das wäre Sand im Getriebe der optimal angelaufenen Beratungen.
Ich finde es optimal, dass die Beratungen jetzt angelaufen sind. Es sollte kein Sand ins Getriebe geschüttet werden, oder man sollte auch nicht Brandstifter spielen, um auf diesem Gebiet einen Brand löschen zu müssen.
Da die GRÜNEN auf Bundesebene nicht genug Mumm und nicht die nötige Kraft und Mehrheit haben, wollen sie den Antrag mit Hilfe der Staatsregierung und des Bayerischen Landtags auf Umwegen einbringen. Der direkte Ansprechpartner sitzt in Berlin, meine verehrte Kolleginnen und Kollegen. Die Forderung kann nicht im Hauruckverfahren über Bayern eingebracht werden. Das Thema Bürgerversicherung steht gegenwärtig zumindest in Bayern nicht zur Beratung an. Es ist etwas anderes, dass in den Facharbeitskreisen darüber beraten wird. Das Thema steht aber weder in Bayern noch auf Bundesebene auf der Tagesordnung des Parlaments zur Beratung an.
Aktuell geht es darum, die von der Bundesregierung unter Ihrer Mitverantwortung fast schon an die Wand gefahrenen sozialen Sicherungssysteme vor dem Kollaps zu retten. Wir sollten konstruktiv mit der Union zusammenarbeiten und über die beiden Reformvorschläge diskutieren, die in Berlin zur Beratung anstehen. Die Diskussionsvorschläge liegen auf dem Tisch. Der Antrag der GRÜNEN geht derzeit in eine völlig falsche Richtung, hat den falschen Adressaten und muss von
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der GRÜNEN ist offensichtlich ein Reflex auf den innerparteilichen Streit der Union. Insofern verstehe ich, dass Sie sich ärgern. Die GRÜNEN haben etwas thematisiert, das in der Tat im Augenblick nicht aktuell auf der Tagesordnung steht, was aber von Ihrem Vertreter in der Verhandlungskommission auf Bundesebene, Herrn Seehofer, thematisiert worden ist.
Man muss schon mal fragen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wie Sie es denn mit der Seriosität Ihrer Vorschläge halten. Bisher haben Sie eine bequeme Haltung an den Tag legen können. Sie haben alles, was die Bundesregierung vorgelegt hat, rundweg abgelegt. Sie sagen zwar – Frau Stewens tut dies jeden Tag –, dass wir Reformbedarf hätten und etwas passieren müsse. Herr Kobler fügte, ohne rot zu werden, hinzu, Rot-Grün habe die Sicherungssysteme an die Wand gefahren. Darauf komme ich noch zurück. Dieses Szenario haben Sie bisher aufgebaut. Frau Stewens hat es mit der inhaltsreichen Aussage gekrönt: Das Gesundheitsmodernisierungsgesetz – das ein Ziegelstein ist – ist ein Schmarrn. Das war die einzige essenzielle Aussage, die sie bisher zu dem wichtigen Reformgesetz hat.
Nun zeigt sich, dass die Union offenbar anderen Sinnes geworden ist, dass sie sich nämlich wegen dieses „Schmarrns“ mit der rot-grünen Regierung an den Tisch setzt und darüber verhandelt. Ich meine, das ist im Interesse der Versichertengemeinschaft, aber auch der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung gut so. Darum sollten Sie kein solches Szenario aufbauen und sollten nicht Vergangenheitsbewältigung betreiben – schon gar nicht eine falsche.
Wir wollen etwas tiefer in die Geschichte eindringen und uns an das Jahr 1990 zurückerinnern. Spätestens dann wäre der richtige Zeitpunkt gewesen, die sozialen Sicherungssysteme, auch im Hinblick auf die Herausforderungen der Deutschen Einheit, zu reformieren. Was haben Sie gemacht, und was hat die Kohl-Regierung, was hat Gesundheitsminister Seehofer damals gemacht? – Sie haben die sozialen Sicherungssysteme einseitig mit den Folgen der Deutschen Einheit belastet. In der Zeit von 1990 bis 1998, also bis zum Regierungswechsel, sind die Beitragssätze sowohl bei der gesetzlichen Krankenversicherung als auch bei der Rentenversicherung in einem Maße gestiegen, wie wir das nicht einmal heute unter wirtschaftlich sehr viel schwierigeren Bedingungen haben.
Ich erinnere an das Jahr 1997. Das haben Sie offenbar verdrängt. 1997 drohte der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung auf 21% zu steigen. Nur weil die
SPD – damals in der Opposition – der Regierung die Hand gereicht hat, hat man mit der Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Punkt den Rentenbeitragssatz von 20,3% erhalten. Wir sind dabei nicht stecken geblieben. Wir haben seit 1998 reformiert, und wir haben auch da reformiert, wo es uns keinen Beifall gebracht hat.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich ein paar grundsätzliche Ausführungen machen. Über die Notwendigkeit von Reformen – das sagte ich schon – sind sich alle einig. Wenn es dann darum geht, Details einer solchen Reform zu beschreiben, wie es die Regierung mit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz oder dem Beitragssicherungsgesetz, das zum 01. 01. 2003 in Kraft getreten ist, getan hat, sind sofort alle Bedenkenträger da. Dann ist die Lobby da, sind die Ärzte, die Pharmaindustrie, die Apotheker und die Krankenkassen da, und dann ist vor allem die Opposition da. Nur, meine Damen und Herren, dazu, wie wir die Krise bewältigen und in welche Richtung wir sie bewältigen, gibt es sehr unterschiedliche Vorstellungen.
Zum einen fordert Herr Seehofer die Bürgerversicherung, die im Übrigen nicht von ihm stammt, sondern von der Rürup-Kommission vorgeschlagen wurde. Das muss man wissen; denn die Rürup-Kommission arbeitet nicht in Ihrem Sinne. Deshalb haben Sie als Gegenpol die Herzog-Kommission eingesetzt.
Außerdem hat sich Herr Seehofer über die „Privatisierungsorgie“ der Union aufgeregt und gesagt, die Union könne nicht die Hand dazu reichen, dass der Zahnersatz aus dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gestrichen wird. Recht hat er! Recht hat er – wir unterstreichen das. Nur, aus dem Mund von Herrn Seehofer klingt das nicht ganz so glaubwürdig, wie das manche gerne hätten und es die Publizistik hinstellen will. Erinnern wir uns, denn das Gedächtnis mancher ist sehr kurz: Es war Herr Seehofer, der vor dem Jahr 1998 als Gesundheitsminister den ersten Schritt in diese Richtung getan hat, indem er denen, die nach 1978 geboren sind, die Leistungen für den Zahnersatz gestrichen hat. Die rot-grüne Koalition hat das rückgängig gemacht. Ich glaube, das war eine richtige Entscheidung.
Meine Damen und Herren, wir müssen die Diskussion hart führen, wie wir die sozialen Sicherungssysteme erhalten oder ob wir sie, wie manche Teile der CSU im Bundestag, einreißen wollen. Wir Sozialdemokraten bekennen uns uneingeschränkt zur Solidarität innerhalb der sozialen Sicherungssysteme, weil sie seit 100 Jahren das tragende Fundament sind und sich nachhaltig bewährt haben. Aber – da sind wir ehrlicher als Sie – wir meinen, dass diese Systeme wegen der veränderten Bedingungen zukunftsfest gemacht werden müssen.
Das ist auf der einen Seite die wirtschaftliche Entwicklung. Lieber Herr Kollege Kobler, im Unterschied zu Ihnen – Sie hatten bis 1998 dazu Gelegenheit gehabt – sind wir strukturelle Reformen seit 1998 angegangen. Wir haben beispielsweise bei den Renten die versicherungsfremden Leistungen herausgenommen und finanzieren sie jetzt über Steuern – von Ihnen heftig bekämpft. Was würden Sie denn machen, wenn Sie 2002 – was der Wähler Gott sei Dank verhindert hat – an die Regierung gekommen wären? – Sie hätten – da wage ich, meine Hand dafür ins Feuer zu legen – nichts verändert, Sie hätten es so belassen, weil es nämlich so der richtige Weg ist.
Wir müssen diesen Weg weiter beschreiten, auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung, indem wir strukturelle Eingriffe vornehmen, aber nicht so wie Sie, indem wir den Leistungskatalog kürzen, sondern indem wir beispielsweise eine Über- oder Fehlversorgung besser steuern. 20 Prozent der ja nicht gerade geringen Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung gehen durch eine Über- bzw. Fehlsteuerung von Leistungen verloren. Das müssen wir verändern, und deswegen brauchen wir mehr Qualität und mehr Transparenz. All das sind Dinge, die in diesem Gesundheitsmodernisierungsgesetz stehen und die Frau Stewens als „Schmarrn“ tituliert hat.
Es geht aber auch um mehr: Es geht darum, aus den gesetzlichen Krankenversicherungen versicherungsfremde Leistungen herauszunehmen und sie ebenfalls über Steuern zu finanzieren. Wir haben auch einen Gegenfinanzierungsvorschlag gemacht, aber Sie drücken sich davor. Sie haben bisher zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung nicht einen einzigen vernünftigen Finanzierungsvorschlag gemacht.
Wir haben gesagt, wir wollen die Tabaksteuer erhöhen. Das ist sicher – auch bei manchen in meiner Fraktion – nicht ganz gut angekommen, aber es ist vielleicht eine hilfreiche Maßnahme, weil es den einen oder anderen Raucher zu der Überlegung veranlassen könnte, ob das, was er tut, nicht nur der eigenen Gesundheit abträglich ist, sondern generell ein Verzicht auf mehr oder weniger Rauchen ein Dienst an der Gesellschaft ist. Wir haben ganz konkrete Maßnahmen ergriffen, um dieses Sicherungssystem strukturell zu verändern und damit zukunftsfest zu machen.
Nun gibt es einen weiteren Gesichtspunkt, und der ist Gegenstand des Antrags der Grünen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in einem Punkt – aber nur in dem einen Punkt – muss ich Herrn Kobler Recht geben, nämlich dass die Behandlung dieses Themas heute vielleicht etwas verfrüht ist und dass wir darüber erst ernsthaft reden können, wenn die Vorschläge der Rürup-Kommission im Herbst vorliegen. Dann wissen wir auch vor dem Hintergrund einer gesicherten Datenbasis, worüber wir reden.
Die Kolleginnen und Kollegen aus dem sozialpolitischen Ausschuss werden sich auch noch an eine gemeinsame Fahrt nach Frankreich erinnern. Es wird ja manchmal von außen kritisiert, warum wir solche Fahrten unterneh
men. Wir haben damals in Frankreich gesehen, dass eine breitere Finanzierungsbasis der verschiedenen Risiken durchaus Sinn macht. Die Franzosen haben schon Schritte in diese Richtung unternommen, indem sie die Einnahmebasis verändert haben, indem sie Mieteinnahmen oder Einkünfte aus Kapitalerträgen mit einbeziehen. Wenn wir im Augenblick darüber nachdenken – der Gedanke ist mir, ehrlich gesagt, nicht sympathisch –, die Rentner bei der Krankenversicherung in Zukunft vielleicht stärker zu belasten, dann gehört es zur sozialen Gerechtigkeit, auch darüber nachzudenken, diejenigen, die auf der bessern Seite des Lebens stehen, die höhere Einkünfte haben, mehr in dieses Sozialversicherungssystem einzahlen zu lassen bzw. sie an diesem System zu beteiligen. Insofern ist dieser Gedanke nicht nur nicht abwegig, sondern er ist notwendig. Nur der Weg dorthin ist außerordentlich schwierig.
Ich will das nur einmal am Beispiel der Beamten anreißen. Wir haben bei den Beamten – das gilt in besonderer Weise für die Altersversorgung, aber auch für die Krankenversorgung – ein ganz anderes Prinzip. Es ist natürlich so, dass wir bei der Frage einer weiteren Beitragsbemessung, sprich der Einbeziehung der Freiberufler und der Beamten, gewinnen können, insbesondere bei der Krankenversicherung. Ich habe aber gesagt, bei den Beamten macht es Schwierigkeiten, weil es für sie ein ganz anderes Versorgungsprinzip gibt, nämlich das sogenannte Alimentationsprinzip. Deswegen kann man nicht von heute auf morgen sagen, wir beziehen alle mit ein, sondern es bedarf der sorgfältigen Überlegung, schon deswegen, weil über allem das Bundesverfassungsgericht thront und wir keine verfassungswidrigen Gesetze machen sollten und wollen.
Das Problem, das durch den Antrag angerissen ist, ist erkannt, und ich glaube, auch die Richtung stimmt, wenn man daran geht, mehr in die Solidarkassen einbezahlen zu lassen. Nur wie wir das bewältigen, darüber müssen wir uns noch unterhalten. Deswegen sind auch Einzelheiten, die in diesem Antrag aufgeführt sind, für uns nicht ohne weiteres nachvollziehbar, im Gegenteil: Wir würden sie auch nicht unterstützen können. Das ist zum Beispiel die Herausnahme der beitragsfreien Mitversicherung unter den gegenwärtigen Umständen.
Ja, ich weiß, dass Sie das fordern. Das ist aber nicht unsere Position, und ich vertrete hier nur die Position der Sozialdemokraten.