Es gibt ohnehin Möglichkeiten in den nicht zulassungsbeschränkten Fächern. Hier sind wir nicht durch Kapazitätsprobleme gehindert, mit Geld Besserungen zu schaffen. Aber auch in den zulassungsbeschränkten Fächern müsste das geschehen. Alle Verantwortlichen müssen nach meiner Einschätzung mehr Geld in die Hand nehmen, wenn wir ernsthaft in den nächsten Jahren wenigstens in einer Reihe von Studiengängen mit den Spitzenuniversitäten der Welt konkurrieren wollen – was wir von der Forschung her durchaus können. Es ist mehr Geld für Dozenten, Tutoren, Sachmittel, Literatur, Lehrbeauftragte und Studienberatung zur Verbesserung der Betreuung – also des Kardinalfehlers der deutschen Hochschulen – nötig.
Der neue Landtag, die neue Staatsregierung, meine Damen und Herren, werden in diesem Punkt – der mangelnden Betreuung und der Unterfinanzierung der Hochschulen in Deutschland – heute schon, aber auch, wenn die Studierendenzahlen stark zugenommen haben werden – was alle prognostizieren – mutig sein müssen im Umschichten zugunsten der Hochschulen und im Erschließen neuer Finanzquellen. Meine Hoffnung – damit möchte ich schließen – für die Hochschulen ist, dass die Mutigen in Staatsregierung und Parlament klug überlegen, und dass die Klugen mutig werden. Dann werden die Hochschulen Bayerns auch in den nächsten fünf Jahren noch mehr als heute hervorragend und ganz vorne und ganz oben sein.
Frau Präsidentin, meine Kolleginnen und Kollegen! „Universitas semper reformanda“, Herr Dr. Wilhelm, so haben Sie vor mehreren Monaten bei der Einbringung dieses Gesetzentwurfs mit unüberhörbarem Selbstbewusstsein die Beratungen eingeleitet. Jetzt, am Ende der Beratungen, hat sich dieser Wahlspruch in einer Art und Weise bewahrheitet, wie es leider Gottes seit etlichen Jahren für die bayerische Hochschulpolitik charakteristisch ist.
Was am Ende eines lange – zugegebenermaßen weitgehend sachlich orientierten – Beratungsprozesses herauskommt, ist wieder einmal gesetzlich fixierter Beweis für bayerische Reformunfähigkeit in der CSUHochschulpolitik. Ihr eingangs in Erinnerung gerufenes Zitat ist richtig; denn Sie produzieren die Reformnotwendigkeit der Hochschulen stets aufs Neue. Ihre Hochschulpolitik müsste aber selbst einem umfassenden Reformprozess unterzogen werden.
Dazu – das haben die Beratungen gezeigt – sind Sie nicht in der Lage. Anfang des Jahres haben Sie einen großen Schritt nach vorne angekündigt. Herausgekommen ist ein tänzelndes Hüpfen auf der Stelle mit konzeptionslosen Ausfallschritten in unterschiedliche Richtungen, nach arhythmischen unkoordinierten Vorgaben, einmal vom Ministerium, dann von der CSU-Fraktion, dann vom Ausschussvorsitzenden, mal mit, mal ohne
Meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, Sie verspielen eine wichtige Chance, indem Sie in einer nicht enden wollenden Reihe eine vermeintliche Topreform der nächsten hinterherschicken, während die anderen Bundesländer den bayerischen Reformzug schon längst abgehängt haben.
In der Bewertung Ihrer Politik fällt mir aus den Erzählungen von Jim Knopf und Lukas dem Lokomotivführer die Geschichte vom Scheinriesen TurTur ein. Aus der Ferne betrachtet erscheint dieser TurTur riesengroß. Je näher man ihm kommt, desto kleiner wird er. In diesem Sinne haben wir es bei der CSU-Hochschulpolitik mit dem Phänomen des Scheinriesen zu tun: Aus der Nähe betrachtet bleibt nicht mehr viel übrig. CSU-Hochschulpolitik ist TurTur-Politik, und das wissen Sie selbst auch.
Da vergleicht der Stifterverband für die deutsche Wissenschaft die Landeshochschulgesetze im Spätsommer 2002 unter der Überschrift „Qualität durch Wettbewerb und Autonomie“ und konstatiert, Bayern rangiere lediglich auf einem sehr mittelmäßigen Platz.
Da versucht die Bayerische Hochschulrektorenkonferenz noch in letzter Minute, über eine Petition den Hochschulleitungen auch wirklich den versprochenen Einfluss bei den Berufungen zu sichern – eine der Ankündigungen bei der Einbringung –, aber ohne Erfolg. Wissenschaftsministerium und CSU-Fraktion können sich nicht einigen. Sie reden von mehr Selbstständigkeit für die Hochschulleitungen, verankern aber die „Lex Oberreuther“ im Hochschulgesetz, um auch wirklich und sicher den Ministerien den Durchgriff bei Berufungen zu gewährleisten.
Da führen Sie immer wieder das Wort Frauenförderung im Mund, es ist Ihnen aber nicht gelungen, aus gleichstellungspolitischen Lippenbekenntnissen verlässliche und notfalls auch einklagbare Rechtsregelungen zu formen.
Sie reden von Förderung und Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses, haben sich aber beharrlich allen Versuchen widersetzt, dem Mittelbau an den Hochschulen mehr Mitsprache und Selbstständigkeit sowie Eigenverantwortung zu gewähren. Damit schwächen Sie auf Dauer die Attraktivität und Zukunftsfähigkeit der akademischen Berufe an den Hochschulen.
Wo man hinschaut TurTur-Politik: große Ankündigungen und kleinste, zum Teil widersprüchliche Maßnähmchen. Immer, wenn wir dazu Änderungsanträge einbringen, heißt es: „Jetzt ist nicht die Zeit“, „Das werden wir bei der nächsten Änderung berücksichtigen“, „Das bedarf einer umfassenden Umstrukturierung“, „Das ist noch nicht diskutiert“, „Da haben wir noch Beratungsbedarf“ oder „Das ist heute nicht unser Thema“. Universitas semper reformanda – zum Teil eine Satire über das Reformverständnis bayerischer Hochschulpolitik.
Natürlich will ich nicht verhehlen, dass wir mit den hinter uns liegenden Gesetzesberatungen, von denen Sie auf
fallend wenig hier zitiert haben, Herr Dr. Wilhelm, auch Wichtiges und Richtiges auf den Weg gebracht haben. So unterstützt meine Fraktion die vorgeschlagenen Regelungen zur Drittmitteleinwerbung. Wenn wir aber hören, welcher Änderungsantrag heute kommen soll, dann befürchten wir, dass Sie anscheinend Angst vor der eigenen Courage haben. Wir begrüßen außerdem die vorgeschlagenen Verbesserungen zur Internationalisierung der Hochschulen. All diese Änderungen finden unsere Unterstützung.
Weil wir aber in vielen anderen Fragen nicht mit der CSU-Vorlage einverstanden sind, lehnen wir den Gesetzentwurf, so wie er im federführenden Ausschuss verabschiedet und im Rechtsausschuss endberaten wurde, ab. Wir lehnen ihn ab, weil die hier vorgeschlagenen Änderungen des Bayerischen Hochschulgesetzes und des Hochschullehrergesetzes bei weitem nicht den Anforderungen an eine fortschrittliche Politik für die Hochschulen der Zukunft entsprechen.
Ich darf dies genauer erläutern und dabei auf Gedanken zurückgreifen, die an anderer Stelle vom Wissenschaftsund Hochschulminister aus Rheinland-Pfalz, Prof. Dr. Jürgen Zöllner, entwickelt wurden – es wäre ganz schön, wenn Sie ein bisschen ruhiger sein könnten, wenn Sie schon nicht zuhören; meine Kollegen hören zu, und dann könnte ich wenigstens konzentriert reden –: Vor den explosionsartig zunehmenden Möglichkeiten der Informations- und Kommunikationstechnologie über die Entwicklung der Gentechnologie bis hin zur Analyse und zum Verständnis von Informationsspeicherung im Gehirn, von der Untersuchung globaler ökologischer Verflechtungen und Abhängigkeiten bis hin zur Analyse weltweiter ökologischer Zusammenhänge – unsere Gesellschaft muss sich in einem Ausmaße mit veränderten Rahmenbedingungen auseinander setzen, wie dies wohl kaum je vorher der Fall war. Nahezu alle diese Veränderungen sind durch Wissenschaft geprägt und beeinflusst. Wissenschaft hat dabei auch zugleich die Aufgabe und die Verpflichtung, die skizzierten Prozesse für Menschen begleitbar und gestaltbar zu machen, Wege zur Problembewältigung aufzuzeigen und zur positiven Weiterentwicklung der existenziellen Grundverhältnisse Mensch-Mensch, Mensch-Natur beizutragen. Dies kann angesichts der Komplexität der Informationen und der Prozesse nicht mehr mit den klassischen Mechanismen der zentralen dirigistischen Detailsteuerung erreicht werden. Problembewältigung und positive Weiterentwicklung sind nur erreichbar, wenn Menschen, die diese Entwicklungen optimal beurteilen können, selbst in lernfähigen Organisationseinheiten arbeiten und Organisationseinheiten hier alle Möglichkeiten besitzen, Fehler zu vermeiden und zu korrigieren.
Hochschulen, staatliche Forschungs- und Wissenschaftseinrichtungen sind solche lernfähigen Organisationseinheiten. Daher ist es eine erste wichtige Aufgabe der Politik, Systeme zu schaffen, die in solch schwierigen Feldern unter Wahrnehmung eigener Verantwortung reaktionsfähig, also lernfähig und damit zukunftsfähig bleiben.
Eine zweite und damit nicht minder wichtige Aufgabe der Politik ist es, interessenorientiert – das kann in einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft nur am Wohle der Gesellschaft orientiert bedeuten –, demokratisch legitimiert und kontrolliert Wissenschaft zu begleiten und als zentralen Bestandteil der Gesellschaft zu fördern, somit also den Förderrahmen für Forschung und Lehre zu setzen und die Einhaltung eben dieser Rahmenbedingungen kontinuierlich zu überwachen und gegebenenfalls auch zu sanktionieren. Freiheit und Verantwortung sind hier für die Wissenschaft und die Politik auf das Engste miteinander verbunden.
Ein Mehr an Eigenverantwortung und Selbstständigkeit für die Hochschulen ist also nicht mit einem Weniger an staatlicher und parlamentarischer Verantwortung für Hochschulpolitik gleichzusetzen. Viel zu wenig ist es der Staatsregierung und der sie tragenden Mehrheitsfraktion in der Vergangenheit gelungen, auf dem Feld der Hochschul- und Wissenschaftspolitik diese Entwicklungsprozesse zu thematisieren. Die CSU und die von ihr getragene Staatsregierung verschlafen zukunftsweisende parlamentarisch zu bestimmende, weil parlamentarisch zu verantwortende Entwicklungsprozesse in Wissenschafts- und Forschungsorganisationen.
Zwischen einem neo-liberalen stoiberschen Verständnis von Hochschulpolitik als reiner Standortpolitik und einer antiquiert hierarchisch organisierten Bürokratie, die nicht in kontrollierte Eigenverantwortung entlassen kann, dümpelt das bayerische Hochschulschiff auf der Stelle vor sich hin, im Visier des Fernrohrs utopische Eilande mit Eliteförderung, auf dem Deck überladen und überlastet, und unter Deck gefährliche Wassereinbrüche aufgrund fehlender Reparaturen und chronischer Unterfinanzierung.
(Beifall bei der SPD – Dr. Wilhelm (SPD): Von welchem Land sprechen Sie eigentlich? Bayern ist nicht wiederzuerkennen!)
Hochschulen sind als Knotenpunkte der Wissensgesellschaft, der Qualität in Forschung und Lehre entscheidend für die Lebensqualität und die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit in unserem Land und im internationalen Wettbewerb – so hat es meine Fraktion schon vor etlichen Jahren formuliert. Solche Hochschulen benötigen Rahmenbedingungen, Organisations- und Finanzierungssysteme, die ein eigenständiges und selbstverantwortliches Handeln, orientiert an gemeinsamen gesellschaftlich-politischen Wert- und Zielvorstellungen, ermöglichen. Überprüft man den zur Abstimmung stehenden CSU-Gesetzentwurf an diesen Zielen, so macht sich sehr schnell Ernüchterung breit. Ich will dies an vier Punkten beispielhaft erläutern:
Der Gesetzentwurf spart systematisch die Entwicklung von Finanz- und Steuerungssystemen zur Finanzierung von Hochschulen und Wissenschaft aus. Das bedeutet doch im Klartext, dass den im Hause verantwortlichen politischen Mehrheiten das Vertrauen in die inhaltliche und finanzielle Selbststeuerungskompetenz der Hochschulen, das Vertrauen auf ihre Eigenverantwortlichkeit völlig fehlt.
Globale Mittelzuschüsse auf der Basis verbesserter und damit ausreichender Zuweisungen, mehrjährige Planungssicherheit für die Hochschulen, Zielvereinbarungen als partnerschaftliche Koordinationsinstrumente zwischen den Hochschulen und dem Staat, umfassende gegenseitige Deckungsfähigkeit zwischen allen Ausgabenarten, unbeschränkt gesetzlich verankerte Übertragbarkeit und Rücklagenbildung, leistungsbezogene Mittelverteilung – an Belastungs-, Leistungs- und Innovationskriterien orientiert und auf der Basis von Ziel- und Leistungsvereinbarungen ermittelt –, ein gesetzlich vorgeschriebenes Rechnungswesen, das Information zur Kontrolle und Steuerung bietet und das im Controlling durch eine Kosten- und Leistungsrechnung sowie eine Vermögensrechnung unterstützt wird: Alle diese Themen sind in der bundesdeutschen und europäischen Hochschulpolitik und darüber hinaus längst alltäglicher Standard in der Hochschulgesetzgebung; in Bayern werden sie kaum diskutiert, geschweige denn in Angriff genommen.
Ich gebe zu, dass man sehr wohl aufpassen muss, dass das Haushaltsrecht als wichtigstes parlamentarisches Recht dadurch in seiner letzten demokratischen Verantwortlichkeit nicht ausgehebelt werden darf. Ich gebe zu, dass im Blick nach Österreich, wo wir uns vor einigen Wochen die dortige konservative Gesetzgebung angeschaut haben, für mich noch einige Fragen nach dem Selbstverständnis des Parlaments und des zuständigen Fachausschusses offen bleiben. Ich gebe auch zu, dass die Gefahr sehr groß ist, Globalhaushalte und Budgetierung als Sparinstrumente zu missbrauchen. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Lassen Sie uns im demokratischen Streit endlich nach den richtigen vorwärts weisenden Strukturen suchen; Sie stecken bisher den Kopf weitgehend in den Sand und halten an althergebrachten und überholten Finanzinstrumenten fest.
Lassen Sie mich noch eines aus aktuellem Grund anfügen: Wenn Sie jetzt glauben, sich mit einem Aufleben der Diskussion um Studiengebühren über Ihre haushalts- und finanzpolitischen Schwächen und Fehler im Hochschulbereich hinwegmogeln zu können, dann befinden Sie sich auf dem Holzweg. Partei und Fraktion der Bayern-SPD lehnen diesen Weg der Bildungsfinanzierung ab. Bildung, auch Hochschulbildung, ist und bleibt verpflichtende Aufgabe des Staates und muss gebührenfrei bleiben. Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wenn Sie schon dabei nicht auf unsere oft vorgetragenen Gründe hören, dann hören Sie doch wenigstens auf Ihren eigenen Staatsminister, der Ihnen in diesem Bereich alle Argumente detailliert und richtig auflis
ten kann. Wir können gern über Studienkonten und andere Anreizsysteme diskutieren; aber stopfen Sie schleunigst Ihre Vorstellungen von Studiengebühren in die bildungspolitische Mottenkiste, wo sie hingehören.
Zweitens. Die halbherzige Autonomie für die Hochschulleitungen bei den Berufungen: In der Neufassung des Artikels 56 wird die Stellung der Hochschulleitung im Berufungsverfahren gestärkt. Wir haben dies begrüßt und wollten von vornherein noch einen Schritt weitergehen, dass die Hochschulleitung und nicht der Senat für jedes Berufungsverfahren auch einen Berichterstatter bestellt, um diese gestärkte Position im Sinne eines übergreifenden Interesses zu untermauern. Dazu konnte sich die Mehrheit erst nach einer Petition durch die Bayerische Rektorenkonferenz durchringen. Es ist schon kindisch und spricht für die fragwürdige Souveränität der CSU Bände, wenn man sieht, wie SPD-Vorschläge erst einmal generell abgelehnt werden. Kommen sie dann von einer anderen Seite, mit der man sich nicht überwerfen will, dann folgt die Kehrtwende stehenden Fußes.
Wie halbherzig aber generell der Gedanke einer stärkeren Autonomie der Hochschulleitung vertreten wird, das zeigt sich an anderer Stelle: Die Bayerische Rektorenkonferenz wünscht zur Durchsetzung fakultätsübergreifender Aspekte ein substanzielles Mitspracherecht bei den Wahlvorschlägen im Berufungsverfahren selbst. Uns erschien dies sinnvoll, gibt es doch eine Reihe von Fragen und Problemkreisen, die es rechtfertigen, der Hochschulleitung aus einem übergeordneten Interesse heraus ein größeres Mitspracherecht im Einvernehmen mit dem Senat einzuräumen: die Profilbildung der Hochschulen, die Umsetzung der Hochschulentwicklungspläne, die Umsetzung des Gleichstellungsauftrags. Diese Beispiele mögen genügen. Sie rechtfertigen ein größeres Mitspracherecht für die Hochschulleitung, gerade auch im Sinne der oben angeführten selbstständigen und lernfähigen Organisationseinheiten für einen zukunftsfähigen Wissenschaftsbetrieb.
Das Misstrauen aus dem Ministerium und von großen Teilen der CSU-Fraktion gegenüber der Verantwortungsfähigkeit der Hochschulleitungen war so groß, dass sich leider Gottes nicht einmal der Ausschussvorsitzende dagegen wehren konnte. Also bleibt es weiterhin beim Klein-klein bei der Entwicklung von Vorschlägen für die Berufungen.
Wir wollten außerdem Berufungen auf Antrag generell den Hochschulen übertragen, wenn sie es denn wollen. Unisono erklärt die CSU-Fraktion und die Ministerialbürokratie, dass das doch nun wirklich nicht ginge. Sie haben zwar gerade von der Experimentierklausel gesprochen, aber da war Ihre Experimentierfreude zu Ende. Trotz aller schönen Begründungen, die Sie sich zurechtgelegt haben: Im Kern, meine Kolleginnen und Kollegen von der CSU, wollen Sie das nicht, weil dann der CSU-Einfluss verloren geht. Ihr Verständnis von eigenverantwortlicher und selbstverantworteter und selbstverwalteter Hochschulorganisation endet dort, wo Freiheit und Selbstständigkeit der Forschung und Lehre
der CSU politischen Einfluss wegzunehmen drohen. Gänzlich entlarvt sich dieses CSU-Vorgehen bei der Neufassung des Artikels 56 Absatz 6. Da wird nun ein Satz 4 angefügt. Weil es gar so schön ist, darf ich zitieren:
Aufgrund eines Sondervotums kann der Staatsminister auch einen Bewerber berufen, der in der vom Senat beschlossenen Vorschlagsliste nicht aufgeführt ist.
Nachtigall, ick hör dir trapsen: Gab es da nicht Vorkommnisse am Geschwister-Scholl-Institut der LMU, über die der „Spiegel“ in seiner Uni-Sondernummer vom 15. 11. 2002 unter der Überschrift „Bayerischer Intrigantenstadl – akademische Amigos“ berichtet hat? Gestützt auf ein Sondervotum hat eine ministerielle Entscheidung zugunsten eines sechzigjährigen Hoffnungsträgers, der natürlich die in der Ausschreibung verlangte Voraussetzung der Einhaltung der Altersgrenze von 52 Jahren nicht erfüllen muss, die Wogen hochschlagen lassen. Ich will nicht in die Detailerörterung dieser Berufungsvorgänge am Geschwister-Scholl-Institut einsteigen.
Es steht mir auch nicht zu, mich über die Qualifikation der Betroffenen auszulassen. Aber es war schon aufschlussreich, wie man im Ausschuss teils mit Schmunzeln, teils mit halbherzigem Kopfschütteln jeder Diskussion um diese neu gefasste Lex Oberreuter aus dem Weg ging. Es ist gelinde gesagt ein Skandal, –
wie Sie von der CSU mit der Hochschulautonomie umgehen, wenn es um die Durchsetzung parteitaktischer Motive geht. Das hat viel mit althergebrachter feudaler Vettern- und Pfründewirtschaft und wenig mit moderner Hochschulpolitik zu tun. Jetzt wollen Sie Ihr vorgestriges hochschulpolitisches Verständnis auch noch in Gesetzesnorm fassen. Arme bayerische Hochschulen, kann ich da nur sagen, angesichts der Befürchtungen, was da noch alles an Berufungen auf sie zukommen kann.
Drittens: Habilitation contra Juniorprofessur und fehlende selbstverantwortliche gleichberechtigte Einbindung des akademischen Mittelbaus. Bis vor einigen Monaten war ich eigentlich immer noch der Auffassung, dass wir uns inhaltlich im Streit um Habilitation und Juniorprofessur gar nicht so weit voneinander entfernt haben. Ich glaubte uns einig in den Bedenken über die Habilitation als zeitraubende Hürde auf dem Weg zur Professur. Ich sah uns in Übereinstimmung über die wichtigsten Vorteile der Juniorprofessur, die das Recht auf selbstständige und eigenverantwortliche Forschung und Lehre sichert, ein eigenes Budget und eine drittmittelfähige Grundausstattung gewährleistet, das Recht zur Betreuung von Promotionen verleiht, die kooperationsrechtliche Zugehörigkeit der Gruppe der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer herstellt und die vor allem auch für Frauen bessere berufliche Perspektiven im Hochschulbereich eröffnet.
Nun kann man darüber streiten, ob es vielleicht sinnvoller gewesen wäre, Habilitation und Juniorprofessur nicht nur in der Übergangsphase nebeneinander existieren zu lassen und auf den Wettbewerbsvorteil der Juniorprofessur zu setzen. Wie sich aber nun die CSU in dieser Frage verhält, das ist überhaupt nicht mehr nachvollziehbar: nach außen ein „Ja“ oder ein „Jein„ zur Juniorprofessur, begleitet von einem „Na ja“ zur Habilitation, dann der Gang nach Karlsruhe, angeblich wegen des vermeintlich unzulässigen Bundeseingriffs in den Zuständigkeitsbereich der Länder, öfters jetzt aber auch mit dem entschiedenen Nein zur faktischen Abschaffung der Habilitation und zum Verbot von Studiengebühren begründet, um dann hier in Bayern ein Gesetz vorzulegen, das die Juniorprofessur gänzlich negiert und an der Habilitation etwas herumdoktert.
Es hätte zwei sinnvolle Alternativen gegeben. Wenn Sie die Juniorprofessur grundsätzlich als gleichwertiges Pendant neben der Habilitation verstehen, warum fügen Sie dann nicht entsprechende Regelungen in Ihren Gesetzentwurf ein? Diese Frage haben Sie nicht beantwortet. Die andere Alternative: Wenn Sie davon ausgehen, dass das Karlsruher Urteil zu Konsequenzen in der Ländergesetzgebung führt, warum warten Sie es dann nicht ab? So, wie Sie es gemacht haben, ist Ihr Gesetz auf jeden Fall im Herbst korrekturbedürftig. Das haben Sie auch selbst eingestanden. Aber, meine Kolleginnen und Kollegen, die Legislative ist doch keine Spielwiese für ungeduldig wartende Profilierungssüchtige im Landtagswahlkampf.