Der Bayerische Landtag wird den Verstorbenen ein ehrendes Gedenken bewahren. Sie haben sich zu Ehren der Toten von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Landeswahlleiter hat mir schriftlich mitgeteilt, dass als Nachfolger des verstorbenen Kollegen Manfred Hölzl nach Artikel 48 des Landeswahlgesetzes Herr Rolf-Jürgen Picker am 12. Juni 2003 die Rechtsstellung eines Mitglieds des Bayerischen Landtags erworben hat. Ferner gebe ich gemäß § 24 Absatz 2 der Geschäftsordnung bekannt, dass die CSU-Fraktion Herrn Kollegen Picker als Mitglied des Ausschusses für Kommunale Fragen und Innere Sicherheit benannt hat.
Ich heiße den neuen Kollegen herzlich willkommen, gratuliere ihm nachträglich zu seinem runden Geburtstag, den er am 13. Juni 2003 feierte, und wünsche ihm für seine Aufgaben im Parlament Kraft, Erfolg und alles Gute.
Ich darf noch zwei Glückwünsche nachholen. Halbrunde Geburtstage feierten Herr Kollege Ludwig Wörner am 31. Mai 2003 und Herr Vizepräsident Dr. Helmut Ritzer – der soeben noch Herrn Prof. Dr. Schröder begleitet – am 9. Juni 2003. Ich gratuliere den beiden Kollegen im Namen des gesamten Hauses und persönlich sehr herzlich. Herrn Kollegen Dr. Helmut Ritzer danke ich besonders für die gute und kollegiale Zusammenarbeit im Präsidium und im Ältestenrat. Beiden Kollegen wünsche ich alles Gute, vor allem Gesundheit und Erfolg bei der Erfüllung ihrer parlamentarischen Arbeit. – Außerdem gratuliere ich allen, die heute am Johannistag ihren Namenstag feiern.
Für die heutige Sitzung ist die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN vorschlagsberechtigt. Sie hat eine Aktuelle Stunde zum Thema „Kleingeist überwinden – Bayern sagt Ja zu Europa“ beantragt.
In der Aktuellen Stunde dürfen die einzelnen Redner grundsätzlich nicht länger als fünf Minuten sprechen. Auf Wunsch einer Fraktion erhält eines ihrer Mitglieder zehn Minuten Redezeit. Dies wird auf die Gesamtredezeit der jeweiligen Fraktion angerechnet. Ergreift ein Mitglied der Staatsregierung das Wort für mehr als zehn Minuten, erhält eine Fraktion auf Antrag für eines ihrer Mitglieder zusätzlich fünf Minuten Redezeit. Achten Sie bitte auf mein Signal. Die erste Rednerin ist Frau Kollegin Gote. Sie wird zehn Minuten in Anspruch nehmen. Bitte, Frau Kollegin Gote.
Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Da ist er also wieder, der alte Reflex. Der Antieuropäer Stoiber meldet sich wieder lautstark zu Wort. Vorbei sind nun endgültig die Zeiten des staatsmännischen Kandidaten. Es lebe der Provinzfürst. Erst muss die CSU-Europagruppe in Straßburg gegen den Beitritt der Tschechischen Republik stimmen. Erneut werden Ängste vor der EU-Erweiterung geschürt, indem überall im Land das Sicherheitsrisiko Osteuropa beschworen wird. Auch Schengen will man den Beitrittsländern noch auf Jahre verweigern. Auf dem Pfingsttreffen der Sudetendeutschen schlägt Stoiber Töne an, die selbst den Vertriebenen langsam peinlich sind. Sie schaden Bayern, und Sie schaden Deutschland, wenn Sie unsere Nachbarn in dieser Weise attackieren.
Seien Sie versichert, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, die aktuelle Erklärung der Tschechen zu den Benesch-Dekreten erfolgte nicht wegen, sondern trotz Ihres unsäglichen Auftretens an Pfingsten. Dahinter stehen jahrelange Bemühungen unserer Bundesregierung um eine gute Nachbarschaft und Verständigung mit den tschechischen Nachbarn.
Und nun Ihre Herummäkelei am Verfassungsentwurf für die Europäische Union, den der Verfassungskonvent vorgelegt hat. Immer dann, wenn Stoiber Europapolitik betreibt, droht Bayern Gefahr. Dann darf Bocklet plötzlich nicht mehr, wie er eigentlich will, sondern dann bestimmt wieder schwarzer Kleingeist die Politik unseres Landes. Der Ministerpräsident schadet Bayern mit diesem Kleingeist. Er schadet insbesondere den Grenzregionen unseres Landes, die von Europa profitieren könnten und die er sowieso so häufig aus seinem oberbayerischen Blickwinkel heraus übersieht.
Vielleicht sind es ja die hohen Berge, die er in Wolfratshausen immer vor der Nase hat und die ihm den Blick auf ein Europa ohne Grenzen verstellen. Wir jedoch – die bayerische Bevölkerung und ganz besonders die Menschen in den Grenzregionen Bayerns – wollen die Öffnung und Weiterentwicklung Europas, und wir sind offen für die Zukunft der EU, in die uns die europäische Verfassung tragen wird.
Die Verfassung der Europäischen Union liegt nun also vor. Zwar wird der Konvent im Juli noch einmal über den dritten Teil beraten, in dem die Zuständigkeiten der EU in den einzelnen Politikfeldern definiert werden, zum Beispiel die Außen- oder Umweltpolitik, aber der eigentliche Verfassungsteil ist fertig.
Was bringt sie nun den europäischen Bürgerinnen und Bürgern tatsächlich? – Der Konvent hat seinen Auftrag erfüllt, eine transparentere und bürgernähere Union zu schaffen. Wichtige Integrationsfortschritte wurden erzielt, die bei den letzten Regierungskonferenzen – ich erinnere an Nizza – noch illusorisch gewesen wären. Besonders erfreulich ist die Stärkung des Europäischen Parlaments. Es ist nun, gleichberechtigt mit dem Ministerrat, Gesetzgeber und Haushaltsbehörde der EU. Zwar gibt es immer noch einige Ausnahmen von dieser Regel, die uns nicht gefallen, wir sind aber einen bedeutenden Schritt vorangekommen, was die Demokratisierung der Europäischen Union angeht. Wirklichkeit wird nun auch die EU-Grundrechtscharta. Sie war ja im Dezember 2000 nur feierlich proklamiert worden. Jetzt aber ist sie Teil der Verfassung und somit rechtsverbindlich. Dies ist wichtig für die EU-Bürgerinnen und Bürger, denn nun sind europäische Grundrechte auch einklagbar.
Die Verfassung führt auch zu größerer Effizienz in der EU, aber leider nicht überall. Im Bereich der Außenpolitik wird im Ministerrat immer noch einstimmig abgestimmt. Hier hätten wir Grüne uns einen Übergang zu mehr Mehrheitsentscheidungen gewünscht. In einigen Bereichen ist dies gelungen, zum Beispiel auf dem Feld der
Justiz- und Innenpolitik. Der Trost für die EU-Außenpolitik ist aber, dass sie durch die Schaffung eines europäischen Außenministers weiter gestärkt wird. Dies ist wichtig für den langfristigen Aufbau einer wirklich gemeinsamen Außenpolitik, die Europas Rolle in der Welt stärken wird.
Wichtige Reformen für den Ministerrat sind außerdem, dass er nun öffentlich tagt, wenn er über Gesetzgebungsvorschläge berät oder Gesetzgebungsvorschläge annimmt, und dass sein Abstimmungsverfahren einfacher wird. Das ist das Ende der Mauschelei hinter europäischen Türen. Die Europäische Kommission wird demokratischer und effizienter. Ihr Präsident wird künftig vom Europäischen Parlament gewählt. Somit können die Bürgerinnen und Bürger mit der Europawahl – hoffentlich schon mit der nächsten Europawahl – auch Einfluss auf die Entscheidungen des EU-Spitzenpersonals ausüben.
Die Kommission wird ab 2009 verkleinert, um ihre Handlungsfähigkeit auch bei 25 oder vielleicht dann sogar 27 Mitgliedstaaten erhalten zu können. Wir Grünen begrüßen ausdrücklich, dass die neuen Mitgliedstaaten Mittel-, Ost- und Südeuropas in den ersten fünf Jahren ihrer Mitgliedschaft gleichberechtigt in der Kommission vertreten sein werden. Dies ist deshalb zu begrüßen, weil es ein wichtiges Symbol dafür ist, dass sie gleichberechtigte Partner in der EU sein werden.
Der Verfassungsentwurf ist also ein guter Kompromiss. Die Zuständigkeiten innerhalb der EU werden klarer geregelt. Gerade hier wurden gute Fortschritte erzielt, so dass sich zum Beispiel der baden-württembergische Amtskollege des Ministerpräsidenten Erwin Teufel dazu folgendermaßen geäußert hat: „In der Summe haben wir einen guten Verfassungsentwurf erarbeitet.“
Weiter sagte er sinngemäß, die Interessen der deutschen Länder seien gut berücksichtigt worden. Elmar Brock, ihr Verhandlungsführer von der EVP, sagte:
Auch Merkel, Rüttgers und Hinze loben den Entwurf. Nur die CSU in Bayern sieht das alles anders. Sie stehen allein mit Ihrer kleingeistigen Kritik. Diesmal haben Sie sich wirklich verrannt. Selbst Ihre eigenen Leute verstehen nicht mehr, was das soll.
Nein, Herr Bocklet, das ist gar nicht möglich. Das tun Sie nämlich schon selbst mit Ihrer Kritik am Verfassungsentwurf.
In Bezug auf die Wirtschaftspolitik verabschieden Sie sich vom Prinzip des solidarischen Europas, und in der Zuwanderungs- und Asylpolitik setzen Sie ihre altbekannte weltfremde Blockadehaltung, die wir nur zu gut aus Deutschland kennen, nun auf europäischer Ebene
fort. Aber diesmal stehen Sie allein in Europa. Sie gehen mit antieuropäischem Populismus auf Stimmenfang. Das ist eigentlich schon schlimm genug. Aber dann betrügen Sie auch noch diejenigen, die Ihnen dafür Beifall klatschen; denn Sie wissen ganz genau, dass die Entscheidung über die EU-Verfassung erst nach der Landtagswahl in Bayern ansteht. Nach der Wahl werden Sie dann sicher wieder ganz leise sein und sich stillschweigend hinter der großen Schwesterpartei verstecken. Das ist das alte Spiel der CSU-Europapolitik.
Hier wurde schon immer anders getönt; hier im Land wird geholzt, und in Brüssel wird dann ganz anders gehandelt. Aber irgendwann wird auch dieses Spiel nicht mehr aufgehen, denn die Menschen lassen sich nicht dauerhaft für dumm verkaufen.
Ihr Kleingeist darf Europas Zukunft nicht blockieren. Kommen Sie endlich auf den Boden der Tatsachen zurück und riskieren Sie mit dieser billigen Wahlkampftaktik nicht länger, Bayern in Europa zu isolieren.
Unterstützen Sie die zukünftige Entwicklung der Europäischen Union und stimmen Sie im Bundesrat, wenn es dann so weit ist, dieser Europäischen Verfassung zu.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Gote, ich habe nichts anderes von Ihnen erwartet. In Bezug auf Ihre Feststellungen zu den Benesch-Dekreten sollte man darauf hinweisen, dass es immer Bayern und der Bayerische Ministerpräsident gewesen sind, die dafür gesorgt haben, dass dieses Unrecht in Europa in Erinnerung geblieben ist. Dass Tschechien heute nachgegeben und sich entschuldigt hat, ist ein Erfolg der Bayerischen Staatsregierung, seines Ministerpräsidenten und der CSU.
Sie haben den Prozess von Nizza positiv beurteilt, aber ich frage Sie: Wer hat denn in Nizza die Frage der Kompetenzabgrenzung – Europa der Regionen, Europa der Subsidiarität – in das Gespräch gebracht? – Es war die CSU.
Tatsache ist, dass das damals Streibl, Rau und vorweg Franz Josef Strauß waren. Faktum, Herr Müller, ist, dass bei einem Kamingespräch der Ministerpräsidenten das Thema Subsidiarität und vor allem Kompetenzabgrenzung in Deutschland hoffähig gemacht worden ist. Hierzu hat der Bayerische Ministerpräsident ganz erheb
Ein weiterer Gesichtspunkt, mit dem ich die positive Seite beleuchten will: Vorhin haben wir diese Gedenkstunde zum 50. Jahrestag des 17. Juni veranstaltet. Dabei kann man auch einmal darauf verweisen, dass Europa, insbesondere im Westen, eine außerordentlich positive Entwicklung genommen hat.
Die CSU ist von der ersten Stunde an positiv zur Integration Europas gestanden. Wenn die CSU hier und dort die eine oder andere Entwicklung etwas kritisch betrachtet, dann deswegen, weil sie eine Integration Europas will, mit der sich auch die Bürgerinnen und Bürger Europas identifizieren können. Ich nehme an, dass alle Mitglieder dieses Hohen Hauses kein Europa wollen, in dem die Bürger sagen: Europa, nein danke. Das ist der entscheidende Punkt. Ich glaube, dass die geringe Wahlbeteiligung an den Wahlen zum Europaparlament 1999 klar zum Ausdruck gebracht hat, dass sie nicht ganz zu diesem Europa, zu diesem Zentralismus und zu diesem Bürokratismus stehen, wie Sie es umgekehrt – Frau Gote – jetzt darlegen wollen.
Wie heißt es so schön? Den Tag soll man nicht vor dem Abend loben. Faktum ist, dass ein Entwurf vorliegt und dass dieser Entwurf sicherlich noch viele Veränderungen erfahren wird. Tatsache ist, dass eine Regierungskonferenz letztendlich den Verfassungsvertrag abstimmen wird und wir in den einzelnen Nationalparlamenten dann diskutieren können. Frau Gote, Sie haben dargestellt, wie positiv dieser Entwurf ist, der jetzt auf dem Tisch liegt. Ich darf daran erinnern, dass die Mehrheit im Bayerischen Landtag einige Punkte zu diesem Europäischen Verfassungsvertrag klar formuliert hat: nämlich die Frage der klaren Kompetenzabgrenzung – hier gibt es tatsächlich noch erhebliche Lücken –, die Frage der Transparenz und der Bürgernähe – auch hier spüren wir, dass noch vieles von dem nicht erreicht worden ist, was wir mit unserem Beschluss des Bayerischen Landtags formuliert haben. Die Verankerung des Gottesbezuges, die den religiösen Traditionen Europas entspricht und zugleich auch in die Zukunft verweist, vermissen wir in diesem Verfassungsentwurf. Man wird sehen, was in den nächsten Monaten noch auf den Weg gebracht werden kann.
Ich verweise darauf, dass beispielsweise auch in den Vertragsgestaltungen Dinge enthalten sind, mit denen die Europäer, sprich die Kommission oder auch das Europäische Parlament, letztendlich Herren der Verträge werden können und nicht mehr die Nationalstaaten. Gerade in diesem Beschluss des Bayerischen Landtags haben wir ganz klare Grenzen aufgezeigt.
Wir müssen schon darauf verweisen, dass in diesem Verfassungsentwurf Formulierungen enthalten sind, beispielsweise die Koordinierung der Wirtschaftspolitik in der Europäischen Union, denen zuzustimmen außerordentlich gefährlich ist.