Protocol of the Session on May 7, 2003

Herr Minister.

Das ist eine interessante Frage, Herr Kollege. Sie kennen die Mechanik der Vorgehensweise bei der Zuweisung von Bedarfszuweisungen. Sie ist so, dass unter Einbindung der kommunalen Vertreter abgewogen wird, weil eine Vielzahl von Anträgen vorliegt. Dazu brauchen Sie objektivierte Kriterien. Die objektivierten Kriterien drücken sich in Finanzkraftzahlen aus, nicht in strukturpolitischen Erwägungen. Ihre interessante Frage zielt ab auf besondere Anlässe, warum es den Kommunen schlecht geht. Diese Arbeitsgruppen stellen nur auf Zahlen ab und ich glaube, dass es richtig ist, dass sie nur auf Zahlen abstellen. Sonst wären sie gewissermaßen herausgefordert, Wirtschaftspolitik zu machen. Das ist nicht deren Aufgabe.

Ich kann mir vorstellen, dass ich als Abgeordneter vor Ort genau solche Überlegungen anstellen würde, aber Sie werden mir unterm Strich Recht geben, dass es sinnvoll ist, bei dieser Finanzkraftbeurteilung zu bleiben. Alles, was an wirtschaftspolitischen Überlegungen anzustellen ist, ist wieder eine politische Angelegenheit, die in diesem Haus zu behandeln wäre.

Danke schön. Herr Minister, damit sind die an Sie gerichteten Fragen zu Ende. Ich bitte noch den Staatssekretär aus dem Sozialministerium, Herrn Kollegen Schmid, um die Beantwortung der nächsten Frage. Fragestellerin ist Frau Kollegin Steiger.

Herr Staatssekretär, wie bewertet die Bayerische Staatsregierung das Vorgehen der Kassenärztlichen Vereinigung Oberfranken, der Diabetikerambulanz an der Frankenwaldklinik in Kronach die Ermächtigung zur Mitbehandlung von Diabetes-mellitusPatienten zu entziehen, und was gedenkt die Bayerische Staatsregierung gegen dieses für die Betroffenen nicht nachvollziehbare Verhalten zu unternehmen, damit die Diabetikerambulanz zur Versorgung der Patientinnen und Patienten wieder zugelassen wird?

Herr Staatssekretär.

Herr Präsident, Frau Kollegin Steiger, die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns hat bestätigt, dass der Chefarzt der Frankenwaldklinik Kronach über eine persönliche Ermächtigung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung verfügt. Diese Ermächtigung hat der zuständige Zulassungsausschuss insoweit eingeschränkt, als sie sich ab 1. April dieses Jahres nicht mehr auf die ambulante Behandlung von Diabetes-Patienten erstreckt. Grund für diese Entscheidung war die veränderte Bedarfssituation in der vertragsärztlichen Versorgung im Planungsbereich Kronach, die es mittlerweile ermöglicht, dass Diabetes-Patienten durch eine ausreichende Anzahl niedergelassener fachärztlicher Internisten betreut werden. Nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns sind im Planungsbereich Kronach bei einem rechnerischen Soll von zwei Facharzt-Internisten mittlerweile sieben Facharzt-Internisten niedergelassen. Das entspricht einem Versorgungsgrad von 417,4%.

Das Sozialgesetzbuch V und die Ärzte-Zulassungsverordnung sehen für die ambulante ärztliche Versorgung einen Vorrang der niedergelassenen Ärzte vor. Eine Ermächtigung für Krankenhausärzte zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist nur dann zu erteilen, soweit und solange eine ausreichende Versorgung ohne die besonderen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden oder Kenntnisse von hierfür geeigneten Krankenhausärzten nicht sichergestellt wird.

Angesichts des hohen Versorgungsgrades im fachärztlich-internistischen Bereich in Kronach sehe ich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zulassungsausschuss seine Entscheidung auf rechtswidrige Erwägungen gestützt hat.

Ergänzend weise ich darauf hin, dass die Entscheidung über die Ermächtigung eines Krankenhausarztes zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung sowie deren Entziehung ausschließlich dem örtlich zuständigen Zulassungsausschuss vorbehalten sind. Bei den Zulassungsausschüssen handelt es sich um selbständige Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen, die sich in eigener Verantwortung und Unabhängigkeit befinden und deren Mitglieder an Weisungen nicht gebunden sind.

Die Rechtmäßigkeit der Sachentscheidungen der Zulassungsausschüsse kann ausschließlich im Rahmen von Widerspruchsverfahren von den zuständigen Berufungsausschüssen und weiter im Klagewege von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit überprüft werden.

Das bayerische Sozialministerium hat keine Möglichkeit, Beschlüsse eines Zulassungsausschusses rechtsaufsichtlich zu überprüfen bzw. im Voraus darauf Einfluss zu nehmen, da sich die Rechtsaufsicht lediglich auf die Geschäftsführung der Zulassungsgremien erstreckt, nicht dagegen auf deren Sachentscheidungen.

Zusatzfrage: Frau Steiger.

Herr Staatssekretär, die Diabetikerambulanz an der Frankenwaldklinik ist die einzige an einer Klinik in ganz Oberfranken und wirkt damit weit über den Landkreis Kronach hinaus. Sie versorgt Patienten aus ganz Oberfranken und ist federführend in der Behandlung und Betreuung der Patienten.

Dazu habe ich die Frage: Teilt die Staatsregierung meine Auffassung, dass sich die Entscheidung der Kassenärztlichen Vereinigung in Oberfranken an den Bedürfnissen der Patienten und nicht lediglich an den Bedürfnissen der Mitglieder der Kassenärztlichen Vereinigung in Oberfranken orientieren sollte?

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Frau Kollegin Steiger, wir müssen zunächst von der gültigen Rechtslage ausgehen. Diese habe ich eben in knappen Worten darzustellen versucht, obwohl sie sehr kompliziert ist. Die Rechtslage ist so, dass diese Frage von den Zulassungsausschüssen entschieden wird.

Die Zuständigkeit des Sozialministeriums ist darauf beschränkt zu untersuchen, ob sich die Zulassungsausschüsse in der Geschäftsführung korrekt verhalten. Aber da ist nichts zu beanstanden.

Ich darf aber noch einmal sagen, dass sich die Rechtsaufsicht nicht auf die Sachentscheidungen bezieht. Der Gesetzgeber hat es eben so geregelt. Wenn wir es nicht so haben wollten, müssten wir das Gesetz ändern. Dann müsste vorgeschrieben werden, dass die Bedarfsentscheidungen nicht mehr von den Zulassungsausschüssen getroffen werden, sondern von der Verwaltung, der Staatsregierung, den Ministerien. Aber solange die jetzt gültige Rechtslage gegeben ist, müssen wir sie bei den entsprechenden Entscheidungen zugrunde legen.

Frau Steiger.

Noch eine Zusatzfrage. Die Rechtslage ist die eine Sache. Aber ich denke, die Verpflichtung zu einer ordentlichen und vertrauensvollen Patientenversorgung ist die andere Sache.

In der Diskussion zur Gesundheitsreform wird auch der Standpunkt vertreten, dass man ambulante und stationäre Versorgung besser miteinander verzahnen sollte. Das ist ein wichtiges Thema. Dazu frage ich, ob Sie meine Auffassung teilen können, dass diese Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung bisher hervorragend funktioniert hat. Und teilen Sie die Befürchtung des Diabetikerbundes Oberfranken, der aufgrund seiner Funktion in der Sache sicherlich sehr gut Bescheid weiß, dass sich die Versorgung der Patienten in Oberfranken erheblich verschlechtern wird? Dieser Auffassung des Diabetikerbundes kann auch ich mich anschließen.

Herr Staatssekretär.

Staatssekretär Georg Schmid (Sozialministerium) : Natürlich, Frau Kollegin Steiger, ist der oberste Grundsatz die ordnungsgemäße Versorgung der Patientinnen und Patienten; das will ich noch einmal ausdrücklich dokumentieren. Nur hat die Entscheidung über die Frage, ob eine solche Versorgung vorliegt oder nicht, nicht die Bayerische Staatsregierung zu treffen, sondern ist in die Hand der Kassenärztlichen Vereinigung bzw. der Zulassungsausschüsse gelegt.

Ich glaube, von Ihnen wird auch nicht die Zahl bestritten, dass ein rechnerisches Soll von zwei Stellen besteht. Es stehen ja sieben Facharztinternistenstellen zur Verfügung, sodass eine Versorgung von gut 400% gewährleistet ist.

Daher gehe ich davon aus, dass der Zulassungsausschuss zu Recht bestätigt hat, dass eine ausreichende Versorgung sichergestellt ist.

Wenn jemand die Auffassung vertritt, die Sicherstellung sei nicht gewährleistet, so würden aus rechtlicher Betrachtung, auf der ich hier beharren muss und auf die ich noch einmal verweisen darf, das Widerspruchs- und das entsprechende Klageverfahren herangezogen werden müssen. So ist jedenfalls die Rechtslage.

Die Diskussion, auf die Sie hier konkret bezüglich des Bereichs der Diabetes abheben, haben wir auch in vielen anderen Bereichen, wo Anträge auf Zulassung gestellt werden. Dabei wendet man sich auch immer wieder an die Staatsregierung. Wir müssen dann auf die Rechtslage hinweisen. Und die Anliegen werden dann oft im Klageverfahren durchgesetzt.

Herr Staatssekretär, ich bedanke mich für die Beantwortung der Fragen.

Die Fragestunde ist abgelaufen. Damit schließe ich die Fragestunde.

Ich rufe auf:

Tagesordnungspunkt 8

Regierungserklärung des Staatsministers für Wissenschaft, Forschung und Kunst zum Thema „Elitenetzwerk Bayern“

Dazu hat Herr Staatsminister Zehetmair das Wort.

Herr Präsident, Hohes Haus! Die Menschen lassen sich in drei Gruppen einteilen – so sagt ein arabisches Sprichwort –: diejenigen, die unbeweglich sind, diejenigen, die beweglich sind, und schließlich diejenigen, die sich tatsächlich bewegen.

Das besondere politische Interesse der Bayerischen Staatsregierung und ihre konsequent innovative Politik galt schon immer und gilt gerade jetzt, wo das Wirtschafts- und Sozialsystem in Deutschland zum Sanierungsfall geworden ist, insbesondere gegenüber den

Menschen, die sich wirklich bewegen, die etwas Besonderes leisten, die Führung übernehmen wollen.

Dabei, meine Damen und Herren, gibt es solche Menschen in jeder gesellschaftlichen Gruppe. Dazu gehört der Nobelpreisträger; das ist natürlich auch der Facharbeiter, der zuverlässig und gut arbeitet; das ist der Handwerksmeister, der sich selbständig macht; es ist die Krankenschwester am Intensivbett; es sind die Eltern, die sich verantwortungsvoll der Erziehung ihrer Kinder widmen.

Für den Wissenschaftsminister sind entsprechend die hochqualifizierten jungen Leute mit Hochschulabschluss ein besonderes Anliegen. Aber gerade bei letzteren erlebt Deutschland zurzeit einen dramatischen, einen – ich muss es so nennen – noch nie da gewesenen Exodus.

Professor Dieter Oberndörfer aus Freiburg, einer der angesehensten Migrationsforscher, beziffert die Zahl derjenigen, die Deutschland für immer verlassen, auf über 100000 pro Jahr. Gewiss, etliche sind Rentner, die die Wärme des Südens suchen. Überproportional viele, so der Experte, sind aber – darauf will ich hinaus – junge, hochqualifizierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit unternehmerischen und wissenschaftlichen Zielen in den USA, Kanada, Großbritannien und Australien.

Warum, so fragt man besorgt, kehren gerade diese mobilen Menschen, die bei uns eigentlich so viel bewegen könnten, Deutschland den Rücken? Deren Antwort ist, dass dort, am Ziel ihrer Wünsche, die Rahmenbedingungen und Chancen für Hochqualifizierte weitaus besser seien als hier zu Lande.

Für uns in Deutschland und natürlich auch in Bayern stellt sich daher die dringliche Frage, wie lange wir uns die Abwanderung eines beträchtlichen Teils der Leistungselite noch leisten können und wollen. Denn angesichts der prekären Lage unserer Wirtschafts- und Sozialsysteme muss die Forderung lauten: Unser Land braucht genau diese und viele andere junge Menschen einer neuen Führungs- und Verantwortungselite auf Leistungsbasis.

Beunruhigend an diesem Exodus ist nicht nur die Tatsache, dass in zehn Jahren auf diese Weise eine Million Menschen Deutschland verlassen, ohne dass eine etwa gleich hohe Zahl von wenigstens annähernd gleich geeigneten Zuwanderern die Lücken füllt. Besonders bedenklich stimmt die angegebene Begründung, dass hier zu Lande offenbar die Rahmenbedingungen für Hochqualifizierte nicht stimmen.

Woran liegt das? Liebe Kolleginnen und Kollegen, am Ende ist es so, dass die Pisa-Ergebnisse nur oder jedenfalls auch ein Spiegel mangelnder Leistungsbereitschaft und mangelnder Leistungsanerkennung in unserer Gesellschaft sind.

Es ist müßig, der Frage nachzugehen, ob und inwieweit Herbert Marcuses Aufrufe aus den Sechzigerjahren des vorigen Jahrhunderts an die studentische Protestbewe

gung zur „Great Refusal“, zur großen Leistungsverweigerung, unbewusst oder bewusst immer noch Gehör in unserem Lande finden. Eines aber steht fest: Wir alle – und hier schließe ich die Verantwortlichen aus Wissenschaft, Politik, Gesellschaft und Wirtschaft mit ein – müssen erneut zur Akzeptanz und Honorierung von Streben und Erfolg, von Leistungsbereitschaft und Leistung, von Hochbegabung und Engagement finden, wenn unser Land diese „Abstimmung mit den Füßen“ aufhalten und umkehren will.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe in den letzten Wochen mit vielen Vertretern aus Wissenschaft und Politik, aus Gesellschaft und Wirtschaft gesprochen und große Aufgeschlossenheit festgestellt für Leistungsakzeptanz und Leistungshonorierung. Das ist mir aber nicht genug; denn durch Worte allein ändert sich wenig. Wir müssen dazu kommen, hier auch markante, für die Betroffenen sichtbare Zeichen des Bewusstseinswandels zu setzen.

Die Bayerische Staatsregierung wird genau an dieser Stelle in Deutschland vorangehen und – aufbauend auf einer sehr guten Breitenbildung und auf mutigen Weichenstellungen der Vergangenheit – die Zukunft durch Qualifizierung der Besten gestalten. Bayern kann bereits wie kein anderes Land auf eine lange und erfolgreiche Tradition der Leistungsbesten-Förderung zurückblicken:

Ich möchte an dieser Stelle nur an die seit 200 Jahren bestehende Stiftung Maximilianeum erinnern. Ich erinnere an das 1966 erlassene und bisher einzige deutsche Begabtenförderungsgesetz, an das bayerische Nachwuchswissenschaftlerprogramm in den Neunzigerjahren und an die im Jahre 2000 gestartete Bayerische Eliteakademie. Wissenschaftliche Forschung und wissenschaftliche Ausbildung an unseren Hochschulen sind gut bis hervorragend, wie zuletzt die vor wenigen Tagen von der Humboldt-Stiftung veröffentlichten Ranking-Plätze bayerischer Universitäten belegen.

Doch damit wollen wir uns nicht zufrieden geben. Der Freistaat wird, wie es der Herr Ministerpräsident vor diesem Hohen Haus bereits in seiner Regierungserklärung am 29. Januar angekündigt hat, ein neues, übergreifendes und landesweit angelegtes Instrument der institutionalisierten Spitzenausbildung schaffen, genannt das Elitenetzwerk Bayern. Mit ihm wird Bayern in der Qualifizierung seiner besten Studentinnen und Studenten sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler weiter zur internationalen Spitze aufschließen.

Nach den Vorarbeiten und Empfehlungen einer hochrangig besetzten wissenschaftlichen Kommission mit dem Präsidenten der ETH Zürich, Herrn Prof. Kübler, an der Spitze, mit dem Präsidenten der Studienstiftung des deutschen Volkes, Herrn Prof. Altner, mit dem Präsidenten der Helmholtz-Gemeinschaft, Herrn Prof. Kröll, und mit dem Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Herrn Prof. Winnacker, hat die Bayerische Staatsregierung in ihrer gestrigen Ministerratssitzung die Eckpunkte für das Elitenetzwerk Bayern beschlossen, nach denen das Prinzip der Leistungsdifferenzierung und Leistungsbesten-Förderung an unseren Hochschu