Protocol of the Session on April 3, 2003

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Meyer, was Sie hier abgeliefert haben, war wahrlich keine Glanzvorstellung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie haben über alles und über jedes geredet, nur über den Hauptpunkt nicht, nämlich welches Modell für die Gewerbesteuer die CSU unterstützen will. Und das sagt eigentlich schon alles. Sie versuchen sich davor zu drücken und sich hindurchzulavieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die Stärkung und Sicherung der kommunalen Finanzen ist Daueraufgabe. Seit ich im Landtag bin, steht dieses Thema auf der Tagesordnung. Und wie ich kürzlich gesehen habe, haben auch schon vor 50 Jahren die bayerischen Kommunen eine Finanzreform gefordert. – Warum? Herr Kollege Meyer, wenn Sie nur anschauen, was hier im Bereich Schule und Kinderbetreuung auf die Kommunen verlagert wird, weil auch sie versuchen, sich zulasten der Kommunen von Aufgaben zu befreien, Bund und Land mit dem Freistaat Bayern immer an der Spitze.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Bernhard (CSU): Kinderbetreuung ist eine kommunale Aufgabe!)

Ich wusste nicht, dass Schule eine kommunale Aufgabe ist; dann wäre ja hier das Bildungsministerium gänzlich überflüssig und wir könnten einen kommunalen Bildungsreferenten anstellen. So billig kommen Sie hier nicht davon. Wir als Fraktion der GRÜNEN wollen hier eine lösungsorientierte Diskussion, keine schuldzuweisungsorientierte Diskussion, weil das den Kommunen keinen Euro mehr in die Kasse bringt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Meyer, Sie wollen heute die Aktion „Goldfinger“ von Theo Waigel wiederbeleben, der auch einmal versucht hat, mit Zugriff auf Bundesbankgewinne seinen Haushalt zu entlasten. Heute kommen Sie bzw. letztes Jahr war es Ministerpräsident Dr. Stoiber, der diesen glorreichen Einfall hatte, man könnte doch die Bundesbankgewinne nehmen, um die Flutopferhilfe zu bezahlen. Ich muss sagen: Das war nichts, das ist nichts und wird auch in Zukunft nichts sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Maget?

Ja, bitte.

Frau Kollegin Kellner, würden Sie vielleicht Herrn Meyer erklären, dass die Steuersenkung für den Fall, dass man die Flutopfer so finanziert hätte, wie geplant eingetreten wäre und damit die Kommunen in Bayern exakt um den Betrag belastet worden wären, um den sie jetzt von der Bundesregierung entlastet werden?

Vielleicht erklären Sie ihm diesen Sachverhalt.

Herr Kollege Maget, ich muss das sogar noch weiter ausführen, weil sich hier die Oberscheinheiligkeit abgespielt hat. Die CSU-Kolleginnen und -Kollegen in den Kommunen haben behauptet, die Bundesregierung würde den Kommunen Geld wegnehmen. Die Einzigen, denen Geld weggenommen wurde, waren die Steuerzahler und die Steuerzahlerinnen, weil die Steuerreform und damit ihre Entlastung um ein Jahr verschoben wurde. Mich bringt besonders auf, dass Sie das gewusst haben, weil alle

den Merkzettel des Finanzministeriums, wonach die Steuerreform zu Lasten der Steuerzahler und nicht zu Lasten der Kommunen verschoben wird, bekommen haben. Obwohl Sie den Sachverhalt genau kannten, haben Sie in den Kommunen das Gegenteil behauptet und Aggression und Unmut geschürt. Das nenne ich schäbig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Frau Schopper (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man muss die Lesekompetenz prüfen!)

Die Lesekompetenz ist vielleicht vorhanden, aber man muss auch den Sachverhalt erfassen können.

(Frau Radermacher (SPD): Das ist die höchste Stufe der Lesekompetenz!)

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Kollegen Prof. Dr. Vocke?

Verehrte Frau Kollegin! Ist Ihnen bewusst, dass in den letzten Jahren aufgrund der Körperschaftssteuerreform, die dramatische Einbrüche bei Ländern und Kommunen hervorgerufen hat, auch entsprechend die Gewerbesteuer weggebrochen ist? Diese Fakten können Sie doch nicht einfach negieren.

Herr Kollege Dr. Vocke, ich kenne die Steuersituation genau. Sie wissen, dass die Kommunen zunächst von der Körperschaftsteuer nichts haben, außer was über den Steuerverbund eingeht.

(Zuruf des Staatsministers Prof. Dr. Faltlhauser (Finanzministerium))

Moment, ich kenne mich aus, Herr Finanzminister. Werden Sie nicht gleich unruhig, geben Sie die Nachhilfestunden lieber jemand anderen.

Nun zurück zur Flutopferhilfe. Der CSU ist etwas passiert, was Sie, Herr Kollege Meyer, aufbringt. Sie haben gemeint, mit einem Antrag im Landtag die Bundesregierung in Schwierigkeiten bringen zu können, indem Sie gefordert haben, dass die Reste der Flutopferhilfe an die Kommunen zurückverteilt werden sollen. Genau das hat die Bundesregierung gemacht. Nun haben Sie wieder nichts in der Hand. Sie müssen sich etwas Neues ausdenken. Sie könnten sich zum Beispiel, Herr Kollege Meyer, zu einem Modell der Gewerbesteuerreform bekennen. Das tun Sie nicht, weil Sie feige sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Teilen der SPD)

Sie versuchen in Ihrem Antrag das Thema zu umschiffen. Aber der Sinn Ihres Antrags ist es doch, die gerechte Lastenverteilung zu gewährleisten, die sich an der Leistungsfähigkeit der Unternehmen orientiert und nur den Ertrag besteuert. Es wird sich nichts ändern, wenn die vorgeschlagene kommunale Betriebsteuer

nicht eingeführt wird. Wenn abgespeckt wird, wird sogar der Status quo verschlechtert. Die kommunalen Spitzenverbände haben dies berechnet. Man muss sich dazu bekennen, Herr Kollege Dr. Bernhard, ob man fresh money zuschießen will oder ob man alles lässt wie es ist und nur ein bisschen anders verteilt. Das wird Ihnen nicht reichen. Sie täuschen sich, Herr Kollege Dr. Bernhard, wenn Sie meinen, dass Sie mit Ihrem Vorschlag der Einführung einer Bürgersteuer durchkommen werden. Wo kämen wir hin, wenn die Unternehmen noch einmal zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger entlastet würden? Die Unternehmen vor Ort verursachen den Kommunen Infrastrukturausgaben. Dafür müssen sie bezahlen. Schluss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nicht der Steuerzahler und die Steuerzahlerin sollen zahlen.

Ich habe erlebt, dass Sie sich wegen der Gewerbesteuerumlage „aufgepumpt“ haben. Tatsache ist, dass bei der Steuerreform unter Zustimmung Bayerns beschlossen wurde, dass die Gewerbesteuerumlage erhöht werden soll. Damals ging man von anderen Voraussetzungen aus. Alle, auch der Freistaat Bayern, haben geglaubt und gehofft, dass die Steuereinnahmen steigen werden. Deshalb war man der Meinung, dass auch die Kommunen ihren Anteil leisten sollen. Das ist nicht eingetroffen. Deshalb strebt die Landtagsfraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN in Bayern die Aussetzung der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage an.

(Meyer (CSU): Warum haben Sie nicht abgelehnt?)

Wir haben soviel Selbstbewusstsein, zu entscheiden, was wir für Bayern wollen.

(Meyer (CSU): Das ist scheinheilig!)

Das ist nicht scheinheilig. Sie haben sich das nicht getraut. In der Koalition mit der FDP waren Sie gegen die Kürzung des Solidaritätsbeitrags, die FDP aber dafür. Sie haben den Kopf eingezogen und den Vorschlag der FDP mitgetragen. So machen Sie es, wir aber nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich komme nun zu anderen Punkten in den unterschiedlichen Anträgen. Wir sind der Auffassung, dass derjenige die Aufgaben bezahlen soll, der ursächlich verantwortlich ist. Im Freistaat Bayern erleben wir jedoch seit Jahr und Tag eine gigantische Verschiebung nach unten. Dabei handelt es sich vor allem um den Kinder- und Jugendbereich. In der Diskussion um die R 6 haben Sie behauptet, die Kommunen würde das keine müde Mark kosten. Inzwischen geht es um dreistellige Millionenbeträge. Sie sollten sich bei der Ehre gepackt fühlen und diese Ausgaben den Kommunen erstatten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus diesem Bereich könnte ich viele Maßnahmen anführen. Sie haben stets die Ausgaben nach unten weitergedrückt und sich für Ihre Aktivitäten im Schul-, Kinder- und

Jugendbereich feiern lassen. „Wir führen die Ganztagsbetreuung ein“, haben Sie gesagt. Aber der Satz muss ergänzt werden: „.... und die Kommunen lassen wir sie bezahlen.“ Das ist keine noble Geste.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie machen Gesetze und lassen andere zahlen. Normalerweise gilt: Wer bestellt, der zahlt. Sie sagen: Wir bestellen, zahlen sollen die anderen. Das ist Ihre Art von Politik.

Sie sind noch nicht einmal zu allerkleinsten Maßnahmen bereit. Sie sind nicht bereit, den Kommunen das Steuerfindungsrecht zuzugestehen, obwohl Sie wissen, dass die Zweitwohnungen den Gemeinden sehr hohe Infrastrukturkosten aufbürden. Es wäre eine Geste, das Steuerfindungsrecht der Kommunen zuzulassen, damit diese gegebenenfalls eine Zweitwohnungsteuer einführen können.

Den Antrag der SPD können wir nicht mittragen. Wir sehen sehr wohl, dass die Kommunen Entlastung brauchen und dass der Freistaat Pflichten zu erfüllen hat. Wir wollen aber, dass die Zuwendungen aufgabenorientiert für den Kinder- und Jugendbereich vergeben werden. Es wäre nicht hilfreich, für einige die Solidarumlage gänzlich auszusetzen und eine Gebietskulisse aufzubauen, die wir schon einmal mit der Grenzlandförderung hatten. Wir halten das nicht für hilfreich, zumal niemand weiß, was die Kommunen mit dem Geld machen werden, das sie pauschal bekommen.

Wir würden das System, das mit großen Mühen ausgehandelt wurde, belassen, aber den Kommunen gezielt Entlastung verschaffen für Schule, Kinder und Jugendliche.

Das Investitionsprogramm der KfW, das es jetzt gibt, wird die Probleme nicht lösen, weil die Kommunen, die das Geld am dringendsten bräuchten, keine Kredite mehr aufnehmen können.

(Dr. Bernhard (CSU): Das ist richtig!)

Ja, das ist so. Dieses Programm wird allenfalls Mitnahmeeffekte produzieren.

(Dr. Bernhard (CSU): Warum wird es dann gemacht?)

Herr Kollege Dr. Bernhard, das wird nicht von uns gemacht.

(Dr. Bernhard (CSU): Von euren Freunden!)