Protocol of the Session on March 12, 2003

Aus diesem Grund wollen wir bei der Einschulung der Kinder flexibel bleiben. Ursprünglich hatte der Entwurf den Ansatz, dass alle Kinder zur Einschulung bei der Regelschule angemeldet werden. Die Regelschule sollte dann entscheiden, ob das einzelne Kind dort erfolgreich beschult werden kann. Wir waren der Meinung, damit einen großen Schritt in Richtung Integration zu tun. Wir wollten sozusagen ein Zeichen für unsere Integrationsbemühungen setzen. Aber es kam großer Widerstand von der Elternschaft und von den Schulen im Hinblick auf die geistige Entwicklung. Sie argumentierten, die Kinder sollen nicht Negativerlebnisse durchmachen müssen, bevor sie an die Schule kommen, die für sie die richtige ist. Diese Argumente sind nicht falsch, da über Frühförderung und Schulvorbereitung mit Tests und Gutachten der sonderpädagogische Förderbedarf des einzelnen Kindes festgestellt ist und die Einschulung in die Förderschule sofort erfolgen könnte, wenn die Förderschule als richtig angesehen wird. Deshalb wollen wir es nun so machen, dass das Problem über entsprechende Ausführungsbestimmungen gelöst wird.

Warum eigentlich überhaupt seit einigen Jahren das Ringen um die Veränderungen im EUG? – Das Thema ist von zwei Seiten zu sehen:

Erstens. Unsere Gesellschaft hat sich verändert, und damit haben sich die Voraussetzungen für einen erfolgreichen Schulbesuch vieler Kinder verändert bzw. verschlechtert. Ging man früher von 3% bis 5% der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf aus, so kommt man nach neueren Erfahrungen auf einen Anteil dieser Kinder zwischen 15% und 20%. Bei solchen Zahlen ist nicht die Sonderbeschulung der richtige Weg, sondern eine rechtzeitige präventive Erfassung bei der Frühförderung in den schulvorbereitenden Einrichtungen und eine stützende Begleitung in der Regelschule, zum Beispiel mit den mobilen Diensten. Genau das machen wir in Bayern. Wir nehmen damit auch eine wesentliche Forderung auf, die sich aus den Erkenntnissen der PisaStudie ergeben hat.

Dass aber nicht sofort mit jeder zusätzlichen Maßnahme jeder Förderbedarf abgedeckt werden kann und dass die Lernziele der jeweiligen Schulen nicht immer erreicht werden können, sondern dass die Ziele zwar vorhanden, aber die Qualität der erreichten Leistung durchaus unterschiedlich sein kann, dass auch eine intensive Förderung nicht jedem Förderbedarf gerecht werden kann, ist ein wesentlicher Ausgangspunkt unserer Überlegungen. Deshalb ist im neuen EUG erfolgreiches Lernen nicht mit dem Erreichen der Lernziele gleichzusetzen. Vielmehr soll der Besuch einer Regelschule möglich sein, wenn das Kind sich aktiv am Unterrichtsgeschehen beteiligen kann, wenn es den Unterrichtsformen der allgemeinen Schule folgen kann und wenn es dabei schulische Fortschritte erzielt.

Es geht um schulische Fortschritte und nicht mehr um die Formulierung, dass erfolgreiches Lernen von dem Erreichen festgesetzter Lernziele abhängig sei. Entscheidend ist, dass der richtige Förderort gesucht wird und dass die Wahl des richtigen Förderortes immer vom einzelnen Kind ausgeht. Bei der Abwägung, welcher der richtige Förderort ist, müssen allerdings auch die organisatorischen, personellen und sachlichen Möglichkeiten der einzelnen Schule berücksichtigt werden. Das endgültige Abrücken von der so genannten Lernzielgleichheit ist ein großer Schritt in die Richtung, integrative Beschulung verstärkt zu ermöglichen.

Zweitens. Seit Jahren diskutieren wir über die Möglichkeiten, Kinder mit großem sonderpädagogischen Förderbedarf in wohnortnahe Regelschulklassen aufzunehmen. Gerade Eltern, die voller Verantwortung ihr behindertes Kind annehmen und in das Leben der Familie einbeziehen, erwarten das auch von der Gesellschaft. Diese Erwartung beinhaltet auch den Wunsch nach dem gleichen Lernort, den auch die Geschwister, die Nachbarskinder und die Spielkameraden besuchen. Auch hier eröffnet das Gesetz neue Möglichkeiten.

Wenn allerdings eine Mitarbeit in der Klassengemeinschaft nicht möglich ist und wenn nur mit Zweitlehrkraft und mit zusätzlichen Hilfskräften mit diesem Kind gearbeitet werden kann, dann ist eine integrative Beschulung fragwürdig; denn räumliche Anwesenheit allein ist nicht Integration. Hier bietet das neue EUG bessere Möglichkeiten an, sei es in Außenklassen oder in speziellen Kooperationsklassen. Allerdings soll dabei der Sachaufwandsträger gehört werden, und die finanziellen Mög

lichkeiten der Kommune sollen in die Entscheidung einbezogen werden.

Einwände und Befürchtungen von kommunaler Seite in Bezug auf etwaige Kostenentwicklungen sollen durchaus ernst genommen werden. Deshalb wollen wir, dass zwei Jahre nach dem In-Kraft-Treten der Gesetzesnovelle geprüft wird, ob finanzielle Mehr- oder Minderbelastungen entstehen. Auf dieser Basis soll nach dem Konnexitätsprinzip ein Ausgleich erfolgen. Anders ist es bei den schulvorbereitenden Einrichtungen. Hier war im ursprünglichen Entwurf der Haushaltsvorbehalt festgeschrieben. Wir meinen aber, dass präventive Arbeit beim Übergang in die Schule von großer Bedeutung ist. Deshalb haben wir durchgesetzt, dass diese Arbeit nicht vom Haushaltsvorbehalt betroffen ist. Allerdings wollen wir auch erreichen, dass die Arbeit auf dem vorschulischen Sektor fachlich verankert wird; denn wir wollen eine gezielte, von Sachkenntnis getragene Arbeit.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Dafür brauchen wir mehr Personal!)

So legen wir Wert darauf, dass schulvorbereitende Einrichtungen Bestandteil von Volksschulen zur sonderpädagogischen Förderung sind und dass der Schulleiter auch Leiter der schulvorbereitenden Einrichtung ist. Schulorganisatorisch soll es so sein, dass die schulvorbereitende Einrichtung einer Förderschule mit entsprechendem Förderschwerpunkt zugeordnet wird. Das heißt, dass zum Beispiel eine schulvorbereitende Einrichtung mit dem Förderschwerpunkt Sprache nicht einer Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung angegliedert wird.

Gerade in schulvorbereitenden Einrichtungen, in denen Kinder mit einem unterschiedlich ausgeprägten Bedarf an verschiedenartiger Förderung zusammenkommen, ist die fachliche Leitung von Förderzentren her geradezu notwendig; denn hier muss ein Netzwerk an Fachlichkeit aufgebaut werden.

(Zuruf der Frau Abgeordneten Marianne Schieder (SPD))

Nun zur Stellung der Eltern: Es gibt jetzt schon ein förmliches Beteiligungsverfahren der Eltern. Die Eltern werden eingebunden, wenn es Probleme mit dem Kind gibt und wenn ein Gutachten ansteht. Die Eltern werden auch wieder hinzugezogen, wenn es um den richtigen Förderort geht, wenn die Frage lautet, was das Beste für das Kind ist. In der Neufassung des EUG werden die Eltern in einem mehrstufigen Verfahren an der Entscheidung über den richtigen Förderort beteiligt, und es werden einschließlich der Revisionsinstanz mehrere voneinander unabhängige Gremien den Einzelfall sorgfältig prüfen. Mehrere Schritte auf dem Weg zum richtigen Förderort bei verstärkter Beteiligung der Eltern sind vorgesehen.

(Frau Marianne Schieder (SPD): Minimalbeteiligung der Eltern!)

Auch wenn letztlich keine Einigung mit den Eltern erzielt wird und die staatliche Stelle über den Schulort entschei

det, so sind doch mit der Anhörung der Erziehungsberechtigten bei der Erstellung des Gutachtens, mit der Einbeziehung der Eltern in die Entscheidungsfindung, durch die Beratung aller am Prozess Beteiligten bei der Wahl des Förderorts, mit der Möglichkeit der Anrufung einer überörtlichen unabhängigen Fachkommission wesentliche Gewichtungen von Elternrechten eingebracht.

Lassen Sie mich noch einige Sätze zum Haushaltsvorbehalt bei der Umsetzung wesentlicher integrativer Maßnahmen in den Schulen sagen. Zwar wäre es wünschenswert, wenn wir alle Wünsche an integrativen Einrichtungen realisieren könnten, aber die Wirklichkeit ist anders. Gerade in Zeiten, in denen ein massiver Verteilungskampf um die zurückgegangenen Steuereinnahmen auf allen Ebenen stattfindet, in Zeiten, in denen man sogar in Sorge um die notwendigen Mittel zur Grundversorgung der Menschen sein muss, wäre es nicht zu verantworten, zu hohe Forderungen anzumelden. Vielmehr müssen wir Prioritäten neu durchbuchstabieren und versuchen, vom Wichtigen das Wichtigste zu tun, wie es unser Fraktionsvorsitzender gesagt hat.

Zum Haushaltsvorbehalt möchte ich noch auf die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1997 eingehen. Das Bundesverfassungsgericht stellt fest, dass eine Benachteiligung erfolgt, wenn der Besuch der allgemeinen Schule durch einen vertretbaren Einsatz von sonderpädagogischer Förderung ermöglicht werden könnte. Zugleich stellt das höchste deutsche Gericht aber ebenso fest, dass integrative Unterrichtung dann erfolgen soll, wenn einerseits der individuelle Förderbedarf des Kindes erfüllt werden kann und andererseits die organisatorischen, personellen und sachlichen Gegebenheiten es erlauben. Die Richter ergänzen diese Beurteilung mit dem Hinweis, dass der Gesetzgeber von einer Gesamtschau seiner Aufgaben ausgehen muss, dass er alle Belange der Gemeinschaft berücksichtigen muss und begrenzt verfügbare Mittel auf diese Belange verteilen muss. Genau durch diese Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts werden wir hier in Bayern in dieser hier zu beschließenden Gesetzesvorlage der Staatsregierung bestätigt.

Mit dieser Gesetzesvorlage tun wir einen großen Schritt in Richtung einer weiteren Öffnung der Regelschule für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf, in Richtung der Einbeziehung der Eltern durch gemeinsame Beratung und in Richtung Mitsprache der Eltern. Wir tun das aber in dem Bewusstsein, dass das bestehende Förderschulsystem seine eigene Wertigkeit hat, die in unseren Überlegungen berücksichtigt werden muss. Ich möchte bei dieser Gelegenheit allen danken, die dieses Vorhaben über lange Jahre hinweg positiv begleitet haben. Denn Sonderpädagogik ist ein Randbereich, mit dem sich nicht alle auseinandersetzen können. Meine Fraktion war aber immer dabei. Vor allem Alois Glück hat die Sache sehr unterstützt. Auch unser Referent Herr Denneborg und Herr Graf vom Kultusministerium haben sich hohe Verdienste um diese Gesetzesvorlage erworben. Wir schaffen mit diesem Gesetz eine neue Flexibilität, an der weitergearbeitet werden muss; denn auch in der Pädagogik und in Fragen der Schule bleiben wir nicht stehen; auch da sind wir immer auf dem Weg.

Die CSU-Fraktion wird dem Gesetzentwurf der Staatsregierung in der Fassung, wie sie im Ausschuss formuliert und beschlossen wurde, und mit der Änderung, die von der CSU-Fraktion eingebracht wurde, zustimmen.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt hat Frau Kollegin Münzel das Wort.

Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Die Änderung des Bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetzes, die wir heute in Zweiter Lesung beraten und die in der Hauptsache die Integration von Behinderten zum Inhalt hat, ist nicht der große Wurf, wie es uns die CSU glauben machen will.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

Es ist zwar gelungen, in jahrelanger, zäher Arbeit der Opposition zusammen mit den Verbänden und den betroffenen Eltern die CSU davon zu überzeugen, die Lernzielgleichheit aufzugeben; allerdings wurden anstelle der Lernzielgleichheit andere Hürden aufgebaut, welche die Integration behinderter Kinder in Regelklassen weiterhin schwer machen. Die aufgebauten Hürden lauten unter anderem „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“, „im Rahmen der verfügbaren Stellen und Mittel“, „aktive Teilnahme“ und „gemeinschaftsfähig“. Angesichts dieser neuen Hürden befürchte ich, dass zwar auf dem Gesetz „Integration“ draufsteht, aber leider, für die meisten wenigstens, nicht drin ist. Diese Befürchtung habe nicht nur ich, sondern sie wird auch von den Teilnehmern des Runden Tisches „Integration behinderter Kinder in Regelschulen“ geteilt. Ich zitiere aus dem Protokoll von dessen Sitzung vom 20. 01. 2003:

Die Zielsetzung, behinderte Kinder in Regelschulen zu integrieren, wird im vorliegenden Gesetzentwurf nach wie vor nicht gesehen, und daher sind auch die Bedenken nicht ausgeräumt. So sind keine Vorgaben für Kooperationsklassen zu finden. Die Verantwortung wird auf die Grundschulen abgeschoben. Integration wird immer noch unter dem Aspekt der Zusatzkosten diskutiert. An Frau Stein wird daher der Wunsch herangetragen, die Forderungen des Runden Tisches den Verantwortlichen noch einmal zu unterbreiten.

Frau Ministerin und Herr Thätter haben in ihren Reden betont, wie wichtig die Förderschulen sind und welch gute Arbeit sie leisten. Da kann ich ihnen uneingeschränkt zustimmen. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Kinder an den Förderschulen gut aufgehoben sind und die Förderschule eine hervorragende Arbeit leistet. Es geht auch gar nicht darum, die Förderschulen abzuschaffen, sondern darum, ein Wahlrecht für die Eltern zu schaffen, damit die Eltern entscheiden können, ob das Kind in die Förderschule geht oder in eine Regelschule. Wir gehen von dem Grundsatz aus: Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden gemeinsam und lernzieldifferent mit Schülern und Schü

lerinnen ohne sonderpädagogischem Förderbedarf unterrichtet, wenn die Eltern dies wünschen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Klassengrößen sind entsprechend zu verringern, und die zusätzliche sonderpädagogische Betreuung und die Sachausstattung richten sich nach dem Förderbedarf.

Wir sehen uns dabei konform mit der Position der Behindertenbeauftragten der Bayerischen Staatsregierung, mit Frau Ina Stein, die im „Donaukurier“ folgendermaßen zitiert wird:

Meine Vision ist, dass behinderte und nicht behinderte Kinder zusammen in die Schule gehen, erklärte Stein. Deshalb müsse weiter für einen Rechtsanspruch behinderter Kinder auf Besuch einer Regelschule gekämpft werden, sagte sie mit Blick auf die Novelle zum Bayerischen Erziehungsund Unterrichtsgesetz. Dort ist ein solcher Anspruch nicht vorgesehen.

Das ist genau die Position der grünen Landtagsfraktion. Wir GRÜNE sind der festen Überzeugung, dass der gemeinsame Unterricht von Kindern mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf für alle Beteiligten ein Gewinn ist, dass alle von allen sozial, emotional und kognitiv lernen können – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.

Nun zu den Hürden: In Artikel 2 werden die Aufgaben der Schule definiert. Dort wird festgelegt, dass die sonderpädagogische Förderung im Rahmen ihrer Möglichkeit Aufgabe aller Schulen ist und dass sie dabei von den Mobilen Sonderpädagogischen Diensten unterstützt werden. Erfreulich ist es, dass die sonderpädagogische Förderung nun Aufgabe aller Schulen ist. Kann das aber letztendlich überhaupt durchgesetzt werden, wenn doch die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste zur Förderschule gehören und diese die Mobilen Sonderpädagogischen Dienste zur Unterstützung förderbedürftiger Schüler in den Schulen anderer Schularten oder in Förderschulen zur Verfügung stellen? – Hier sieht das Gesetz eben eine Einschränkung vor, indem es explizit festlegt, dass die Förderschule dies im Rahmen der verfügbaren Stellen und Mittel zu leisten hat. Angesichts dieser Einschränkungen ist es nicht schwer zu prognostizieren, dass ein echter Fortschritt in Richtung Integration nicht erreicht werden wird.

Herr Kollege Thätter, Sie sagten jetzt einfach, die wirtschaftliche Situation würde es nicht zulassen, dass man einen viel größeren Schritt in Richtung Integration mache. Hier widerspreche ich Ihnen massiv. Zum einen müsste man da sagen, dass die Integration behinderter Kinder auch aus anderen Töpfen gefördert wird. Wir müssen einfach einmal damit aufhören, stur in Töpfen zu denken. Zu Zeiten, als die wirtschaftliche Lage noch besser war, haben Sie diesen Schritt auch nicht getan. Auf Ihrer Seite bestehen nicht nur wirtschaftliche Bedenken. Sie meinen nicht nur, Sie könnten das nicht bezahlen, Sie haben auch Bedenken gegen eine weitergehende Integration und wollen deshalb den Rechtsanspruch auf

Integration nicht. Deshalb haben Sie nur ganz kleine, vorsichtige Schritte gemacht.

Ihr Gesetzentwurf enthält nicht nur monetäre Hürden, er enthält auch pädagogische Hürden. Der Schlüssel dabei ist der Artikel 41. Dort heißt es:

Schulpflichtige mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die am gemeinsamen Unterricht in der allgemeinen Schule nicht aktiv teilnehmen können oder deren sonderpädagogischer Förderbedarf an der allgemeinen Schule auch mit Unterstützung durch Mobile Sonderpädagogische Dienste nicht oder nicht hinreichend erfüllt werden kann, haben eine für sie geeignete Förderschule zu besuchen.

Dann wird der Begriff der aktiven Teilnahme definiert, darüber haben wir im Ausschuss auch noch einmal diskutiert. Aktive Teilnahme wird wie folgt definiert:

Ein Schüler kann aktiv am gemeinsamen Unterricht der allgemeinen Schule teilnehmen, wenn er dort, gegebenenfalls unterstützt durch Maßnahmen des Art. 21 Abs. 3, überwiegend in der Klassengemeinschaft unterrichtet werden, den verschiedenen Unterrichtsformen der allgemeinen Schule folgen und dabei schulische Fortschritte erzielen kann sowie gemeinschaftsfähig ist.

Diesen Passus, Kolleginnen und Kollegen von der CSU, halte ich für hochproblematisch. Dieser Passus ist nicht haltbar – das wissen Sie auch in der CSU –, denn er kann dazu dienen, der Integration einen Riegel vorzuschieben. So wie früher die Lernzielgleichheit das Totschlagargument gegen die Integration war, kann dies nun der Begriff der aktiven Teilnahme sein. Was heißt es, dass man den verschiedenen Unterrichtsformen der allgemeinen Schule folgen muss? Auch darüber haben wir im Ausschuss diskutiert. Herr Thätter, hierzu darf ich Sie zitieren. Sie haben die verschiedenen Unterrichtsformen folgendermaßen definiert – ich zitiere aus dem Protokoll:

Unter verschiedenen Unterrichtsformen verstehe man alle möglichen Unterrichtsformen. Der Bogen spanne sich vom Frontalunterricht über den Gruppenunterricht und den Einzelunterricht bis hin zur freien Arbeit. Man bringe alle Unterrichtsformen ein, die das Kind im Unterricht unterstützen.

Herr Kollege Thätter, ich sehe es so, dass die Unterrichtsformen der allgemeinen Schule im Großen und Ganzen auch die der Förderschule sind. In meinen Augen ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Lehrkräfte ihre Unterrichtsformen an den Schülerinnen und Schülern ausrichten, die sich in ihrer Klasse befinden. Wenn sich in der Klasse Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf befinden, müssen sich die Lehrkräfte bei der Auswahl ihrer Unterrichtsformen darauf einrichten.

Als problematisch empfinde ich auch den Begriff „gemeinschaftsfähig“. Was soll dieser Begriff eigentlich ausdrücken? Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf gehen bei uns normalerweise in die Förderschule. Dort gibt es auch eine Gemeinschaft; dort befin

den sie sich auch in einer Klasse. Die Klasse ist zwar kleiner, aber die Gemeinschaft ist vorhanden. Also sind diese Kinder auch gemeinschaftsfähig. Kommt ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf in die Regelklasse, dann ist es doch selbstverständlich klar, dass sich die Rahmenbedingungen in dieser Klasse verändern müssen, damit das Kind mit Förderbedarf auch in der Regelklasse zurecht kommt. Das bedeutet, dass zunächst einmal die Klassenstärke dieser Klasse enorm heruntergesetzt werden muss.

Wir sind der Meinung, dass nicht das Kind an Normen angepasst werden darf, die es nicht erfüllen kann, sondern dass die Norm so verändert werden muss, dass sie für alle Kinder passt. Das ist auch in der Regelschule möglich. Herr Kollege Thätter, im Prinzip beschleicht auch Sie bei diesen Begriffen ein Unbehagen, denn dankenswerterweise haben Sie zumindest den Begriff „sozial integrierbar“ gestrichen. Dann streichen Sie doch auch die aktive Teilnahme und das Erzielen der schulischen Fortschritte! An welchem Maß wird denn das Erzielen schulischer Fortschritte gemessen? – Streichen Sie auch den Begriff gemeinschaftsfähig.

Lassen Sie mich als weiteres Problem das der schulvorbereitenden Einrichtungen ansprechen. Die schulvorbereitenden Einrichtungen sollen den gleichen Förderschwerpunkt haben wie die Förderschulen, denen sie angegliedert sind. Für die schulvorbereitenden Einrichtungen auf dem Land hätte das verheerende Auswirkungen, denn dann müssten Kinder, welche einen anderen Förderbedarf als den der Förderschule haben, weite Wege auf sich nehmen, um eine schulvorbereitende Einrichtung zu besuchen. Dabei ist diese Änderung nicht notwendig. In meinem Landkreis gehen alle Kinder in eine schulvorbereitende Einrichtung. Vier Stunden pro Woche werden sie von einem Sonderschullehrer oder einer Sonderschullehrerin gefördert. Da es viele Sonderschullehrer gibt, die zwei Förderschwerpunkte studiert haben, gibt es nach Mitteilung der Schulleiterin keine Probleme. Die Kompetenz ist vor Ort vorhanden. Außerdem kommt bereits jetzt für den Förderbedarf, der durch die Förderschule nicht abgedeckt werden kann, ein Fachdienst ins Haus.

Auch darüber haben wir in den Ausschüssen diskutiert. Die Vertreter der Staatsregierung haben hier abgewiegelt und gesagt, das sei nur eine organisatorische Veränderung, für die Kinder würde sich nichts ändern. Dem kann ich, ehrlich gesagt, keinen Glauben schenken, denn ich befürchte, dass schulvorbereitende Einrichtungen letztendlich doch aufgelöst werden, wenn dieser Vorschlag gesetzlich verankert wird. Für das Land wäre das eine Katastrophe.

Als problematisch erachten wir auch die Regelung über den Übergang in die Förderschule. Nach den Vorstellungen der Staatsregierung stellt die Grundschule fest, dass die Voraussetzungen für eine Unterrichtung an einer Grundschule nicht gegeben sind. Jetzt soll die Staatsregierung dafür selber Vorgaben machen können. Hier bin ich sehr skeptisch, denn ich weiß nicht, welche Richtlinien die Staatsregierung erlassen wird. Grundsätzlich soll die Grundschule feststellen, dass die Voraussetzungen für eine Unterrichtung an der Grundschule nicht

gegeben sind. Es wird ein Gutachten erstellt, und stimmen dann die Erziehungsberechtigten der Aufnahme in eine Förderschule nicht zu, entscheidet das Schulamt.