Wir werden aber angesichts der Situation der öffentliche Haushalte in einer bislang noch nie gekannten Konsequenz Prioritäten setzen müssen. Prioritäten zu setzen heißt immer, etwas anderes, was man auch gerne tun würde, nicht in dem Umfang tun zu können, wie man es gerne tun würde. Das Thema Nummer 1 für die weitere Entwicklung in Deutschland ist die Zukunft der Arbeit in Deutschland.
Deshalb, meine Damen und Herren, muss es in der Abwägung in allen Politikebenen – das gilt auch für die Landespolitik – eine ganz klare Priorität für Maßnahmen geben, die geeignet sind, die Rahmenbedingungen zu schaffen und Entwicklungen zu fördern für mehr Arbeit in Deutschland, für mehr Arbeit in Bayern und auch für mehr Arbeit in den jeweiligen Kommunen. Dabei geht es um die Rahmenbedingungen für die Gewerbeansiedlung vor Ort, um die Höhe der Gewerbesteuer und um vieles andere mehr.
Um die Prioritätensetzungen kommen wir nicht herum, denn eng mit der Arbeit verbunden ist die wirtschaftliche Entwicklung, damit wiederum die Situation der öffentlichen Haushalte und die Situation der Renten-, Krankenund Arbeitslosenversicherung. Noch nie hatte die CDA, die Arbeitnehmerorganisation der CDU eine, so richtige Formulierung für einen Kongress gewählt: „Sozial ist, was Arbeit schafft.“
Führen wir uns die diversen Diskussionen zu arbeitsmarktpolitischen Regelungen vor Augen. Herr Clement hat im Bundesrat die Erfahrung gemacht, dass die Union konstruktiv ist, obwohl das für uns eine zwiespältige Wirkung hat; denn aus unserem Wahlprogramm kamen die Vorschläge zu den Niedriglöhnen und zur Abschaffung von Bereichen, die total reglementiert waren wie zum
Beispiel geringfügige Beschäftigungsverhältnisse. Gelobt worden ist dafür in erster Linie Herr Clement. Trotzdem werden wir uns aus parteipolitischen Erfahrungen heraus den sinnvollen Dingen nicht verweigern. Die Reaktion der SPD-Landtagsfraktion in Irsee auf die Vorschläge von Clement oder auf die Vorschläge des Kanzleramtes hält einem vor Augen, dass es eine „Betonfraktion“ ist, mit der Veränderungen in Deutschland ganz bestimmt nicht möglich sind.
Wir sind für solche Veränderungen. Wir müssen aber mit dem Irrglauben aufhören, dass ein möglichst dichtes Netz von Schutzbestimmungen für die einzelnen Menschen immer gut wäre. Die Realität ist, dass der einzelne Arbeitgeber nicht mehr einstellt, weil er in die arbeitsrechtliche Regelung „einbetoniert“ ist, sodass er lieber den Weg über die Überstunden geht. Damit wird eine solche Absicherung kontraproduktiv.
Die Zukunftsfähigkeit der sozialen Sicherungssysteme wird eines der ganz großen Themen dieses Jahres sein, das die Landespolitik berührt. Ich denke dabei an die Gesundheitspolitik und die Auswirkungen auf die Situation in den Krankenhäusern und auf die ärztliche Versorgung in der Fläche. Deshalb werden wir uns selbstverständlich an dieser Thematik beteiligen.
Nun zur Qualität unseres Bildungswesens: Die Pisa-Studie sagt, Bayern sei auf dem richtigen Weg. Wir ziehen daraus auch Schlussfolgerungen.
Eine Reihe von Schlussfolgerungen hat der Ministerpräsident vorgetragen. Wir haben bei der Klausurtagung in Kreuth entsprechende Positionen formuliert. Wir werden diese bis Ostern im Lande zur Diskussion stellen. Das ist ein Stück neuer Politikstil, die Anträge nicht sofort im Landtag, sondern mit Interessierten, Beteiligten oder Betroffenen zu diskutieren.
Dann werden wir unsere Schlussfolgerungen im Hinblick auf das, was wir für notwendig halten, ziehen.
Die Menschen wären dankbar, wenn Sie etwas Vergleichbares anzubieten hätten, meine Damen und Herren von den GRÜNEN oder der SPD.
(Beifall bei der CSU – Frau Christine Stahl (BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben wir ausreichend! – Zuruf des Abgeordneten Dr. Dürr (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))
Das große und zentrale Thema des Jahres 2003 wird aber sein – und es wird sich durch alle Politikbereiche ziehen – wie viel Staat und wie viel Eigenverantwortung wir brauchen. Wir haben eine gemeinsame Quelle aller Probleme. Das ist der Trend: immer mehr Staat und
immer weniger Eigenverantwortung. Das ist auch der Trend: immer mehr Sozialstaat – Volumen und Organisation – und immer mehr soziale Kälte.
Ich will von diesem sehr umfangreichen und grundsätzlichen Thema nur einen Aspekt herausgreifen, mit dem wir uns in Kreuth befasst haben. Dieses Thema hat Herr Ministerpräsident Dr. Stoiber angesprochen, und er hat auch schon die Henzler-Kommisson berufen. Das ist der Problemkreis der Bürokratie.
Herr Maget, das Thema kann man nicht „kabarettmäßig“ abhandeln, wie Sie das versucht haben. Wir müssen uns gründlicher damit auseinandersetzen, warum wir trotz aller Abschaffungsbemühungen in Deutschland insgesamt – sicherlich auch in Bayern – letztlich einen ständigen Zuwachs an Regeln, Regulierungsdichte und damit verbundene Lähmungseffekte haben.
Meine Damen und Herren, es ist wichtig, mit der Bevölkerung darüber eine Debatte zu führen. Ich sehe im Wesentlichen drei Ursachen für dieses Problem: Anscheinend haben wir im internationalen Maßstab ein besonders ausgeprägtes Sicherheitsbedürfnis. Wenn es bei uns ein Problem gibt, muss es dafür eine Regelung geben. Wir haben zum Zweiten einen Hang zum Perfektionismus. Es ist nicht böswillig, wenn von den Fachverwaltungen noch eine neue Vorschrift oder noch eine neue Detailregelung kommt. Es hat aber auch damit zu tun, dass wir in der politischen Diskussion einen Prozess bekommen haben, den ich mit der „Skandalisierung der Politik“ bezeichnen möchte.
Die Skandalisierung der Politik nach dem Motto: Es gibt ein Problem, und am meisten Gehör findet, wer am lautesten „Skandal“ schreit. Daraus entwickelt sich eine Kopfjäger-Mentalität. Alles zusammen führt zu noch mehr Absicherungsmentalität – sei es bei den Menschen in der Verwaltung aber auch in der Politik.
Meine Damen und Herren, wir alle miteinander sind gefordert. Was passiert? – Schauen wir alle in den Spiegel. Wenn es ein Problem oder ein massives Fehlverhalten, einen Skandal in einer Biogasanlage gibt, entsteht der Druck, sofort alle Biogasanlagen in Bayern zu überprüfen und neue Regeln einzuführen. Dann klagen alle, dass das nicht finanzierbar sei.
Wir haben ein Problem in einem Pflegeheim. Daraus wird sofort ein politischer Skandal und man sagt, die Aufsicht habe versagt. Es entsteht also der Druck, die Regeln und das Netz der Kontrollen dichter zu machen. Anschließend klagen alle, dass man immer mehr Papierkram zu bearbeiten und weniger Zeit hat, sich dem Menschen zuzuwenden. Diejenigen, die tatsächlich bewusst
Regeln verletzen wollen, erreichen wir damit ohnehin nicht. Denn wer im Pflegeheim, Krankenhaus oder wo auch immer keine Skrupel hat, einen Menschen schlecht zu behandeln, der hat auch keine Skrupel, einen Fragebogen oder eine Zeittabelle falsch auszufüllen. Das sind nur zwei Beispiele, mit denen ich sensibilisieren möchte. Wir müssen aufhören, alle Bereiche, in denen es ein Problem gibt, sofort zu regeln.
Dann müssen wir aber auch zusammenstehen und denen in der Politik oder in der Verwaltung Rückendeckung geben, die den Missständen nachgehen, aber nicht gleich wieder neue Regelungen einführen. Wenn wir den Verantwortlichen keine Rückendeckung geben, wenn wir uns nicht insgesamt von den Scheinsicherheiten lösen, die uns suggerieren, dass die Sicherheiten desto größer wären, je mehr geregelt würde, und wenn wir dies mit der Bevölkerung nicht schaffen, dann werden wir aus dem Teufelskreis des Regelns, Reglementierens und Lähmens nicht herauskommen.
Es ist nicht so, Herr Maget, dass aus den Verwaltungen bisher nur überflüssige Regelungen gekommen wären. Wir müssen aber konsequenter als bisher fragen, ob die Regelungen tatsächlich unverzichtbar sind. Wir dürfen nicht fragen, ob sie richtig oder falsch, vertretbar oder nicht sind, sondern wir müssen fragen, ob die Regel unverzichtbar ist und ob gegebenenfalls ein Sicherheitsproblem oder ein Rechtsproblem entsteht. Wenn dem nicht so ist, dann sollten wir alle den Mut haben, auf eine Regelung zu verzichten. Ich hoffe, dass dann nicht wieder die Verwaltungsgerichte die Regelung übernehmen oder die Politik zum Handeln auffordern.
Die Regelungsdichte ist Ausdruck der inneren Verfassung unseres Landes. Ohne mentale Veränderungen sind die Probleme in Deutschland nicht zu lösen. Das ist unser Schlüsselproblem.
Ich glaube, das Grundproblem der SPD und der Regierung Schröder-Fischer besteht darin, dass sie keinen Kompass, kein Koordinatensystem und keine erkennbare verbindliche Grundorientierung für das politische Handeln haben. Die Regierung ist sprunghaft und opportunistisch. Schröder ist lange bewundert worden, weil er ein genialer Techniker der Macht sei. Genau daraus ist die Situation erwachsen, dass heute für viele Menschen in Deutschland diese Politik der Unberechenbarkeit ein Risikofaktor für die Lebensplanung geworden ist.
Dem stellen wir eine klare Alternative entgegen. Deshalb will ich, ohne auf Detailfragen einzugehen, einmal aus meiner Sicht beschreiben, worin die Grundorientierung des Regierungshandelns der Regierung Stoiber in Bayern besteht und was die Politik der CSU und der Staatsregierung prägt.
Erstens. Unsere Politik ist fest in der Grundorientierung der christlichen Wertetradition verankert, sie ist aber auch für die notwendigen geistigen Auseinandersetzungen unserer Zeit offen. Dazu gehört auch das bayerische
„Leben und leben lassen“, aber nicht die als Toleranz getarnte Beliebigkeit. Wichtig ist also die feste Grundorientierung.
Zweitens. In Bayern wird eine Politik gestaltet, die Innovation mit innerer Stabilität verbindet. Die Innovationskraft wird durch die Politik gefördert. Ich bin überzeugt, dass wir alle Voraussetzungen in unserem Land haben, dauerhaft in der Weltspitze zu bleiben, wenn die Politik ermöglicht, dass sich das Potenzial und die Kraft der Menschen entfalten können. In Bayern haben wir eine solche Politik gestaltet, und wir gestalten sie weiter, was sich auch in der Zahl der Patentanmeldungen oder in der Qualität unseres Bildungswesens ausdrückt. Wir sind aber keine blinden Modernisierer.
Innovation und Veränderung sind für uns kein Selbstzweck. Genauso wichtig ist für uns, die innere Stabilität in der Gesellschaft zu fördern. Dazu zählt ganz wesentlich die Verlässlichkeit der Politik, dazu zählt aber auch die entscheidende Qualität der inneren Sicherheit. Dazu zählen Werte, Traditionen und Gemeinschaftsleben. Wir haben es auch in der Formulierung „menschlich und modern“ ausgedrückt. Diese Kombination von Innovationskraft und innerer Stabilität wird unsere Politik auch weiter prägen.
Drittens. Das dritte prägende Merkmal der Politik der letzten zehn Jahre und der Politik, die wir weiter gestalten wollen, ist die Zukunftsorientierung und die Zukunftsverantwortung. Zukunftsorientierung heißt zunächst einmal, die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu erfassen, was sich zu verändern beginnt, um den Wandel zu gestalten. Es ist sicher eine wesentliche Erklärung für die außergewöhnliche Entwicklung Bayerns über die letzten 40 Jahre hinweg, dass die Verantwortlichen zu ihrer Zeit mehr als andere die Zeichen der Zeit erkannt und daraus Schlussfolgerungen gezogen haben. Das gilt für die Energiepolitik, die Bildungspolitik, die Agrarpolitik und die Entwicklung ländlicher Räume, die Hochschulpolitik und vieles mehr. Wir haben in den letzten Jahren vieles aufgegriffen, was sich in der Zukunftsoffensive, der Hightech-Offensive und ähnlichen Themen niedergeschlagen hat.
Ich nenne aber auch die Zukunftsverantwortung. Edmund Stoiber war einer der ersten Politiker der ersten Reihe, die das Thema der Nachhaltigkeit konsequent aufgegriffen haben. Er hat Nachhaltigkeit nicht nur auf die Umweltpolitik begrenzt, sondern sie auf einen neu zu gestaltenden Generationenvertrag ausgeweitet, der eine Folge der demographischen Entwicklung ist. Nachhaltigkeit übertrug er auch auf die Entwicklung der Haushalte. Für die umfassende Nachhaltigkeit wähle ich heute lieber den Begriff der Zukunftsverantwortung. Wir praktizieren sie und setzen dementsprechend Prioritäten in der Familienpolitik.
Viertens. CSU-Politik in Bayern verbindet ökonomisch kompetente und erfolgreiche Politik mit engagierter Politik für die sogenannten kleinen Leute und die Schwächeren. Das hat der SPD auch im Bundestagswahlkampf so zu schaffen gemacht, weil Edmund Stoiber neben dem Betreten von neuem Gelände durch Innovation immer in besonderer Weise ein Anwalt der kleinen Leute war, so
wie es die CSU als Ganzes ist. Nur so sind auch unsere Wahlergebnisse zu erklären. Das heißt aber auch, dass wir nicht gesellschaftliche Gruppen gegeneinander ausspielen. Ein wesentlicher Teil dieses konstruktiven Klimas in Bayern hat damit zu tun, dass wir eine geringere Klassenkampfmentalität haben.
Fünftens. Bayern stellt für die CSU eine besondere Aufgabe und Verantwortung dar, und zwar nicht nur im Rahmen der Landespolitik, sondern für die Partei als Ganzes. Wir sind auch in den Augen der Menschen die Partei, die die Interessen der Menschen und des Landes vertritt. Was Sie von der SPD auf Bundesebene diesbezüglich tun, ist allenfalls eine große Geheimsache. Die Menschen jedenfalls können es nicht erkennen.
Wir haben bewiesen, dass wir bayerische Interessen sowohl dann vertreten, wenn wir auf Bundesebene an der Regierung sind gibt, als auch in Zeiten der Opposition.
Demgegenüber sind die SPD und die GRÜNEN nur regionale Niederlassungen, die von Berlin aus gesteuert werden.
(Beifall bei der CSU – Zuruf der Frau Abgeordneten Christine Stahl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abgeordneten Kaul (CSU))
Herr Maget, Ihre heutige Rede war eine einzige Dokumentation dessen, dass Sie gegenüber Berlin keine bayerischen Interessen vertreten. In Ihrer ganzen Rede ist davon nichts vorgekommen.
(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Früher wurden wir von Moskau gesteuert. Das ist jetzt besser geworden!)