Protocol of the Session on January 29, 2003

Meine Damen und Herren, das ist ein vernichtendes Urteil, das nicht aus der Sicht – wie Sie vielleicht vermuten oder sagen wollen – unserer parteipolitischen Brille gefällt wurde, sondern aus der Warte unabhängiger Beobachter. Das ist unsere tiefgreifende Meinungsverschiedenheit im Hinblick auf das Verhalten der Bundesregierung. Ein Bundeskanzler, der so weitreichende Fragen für die Zukunft unseres Landes auch in einer Sicherheitspartnerschaft und eine so weitreichende Frage für die Weltgemeinschaft dem Wahlkampfkalkül unterordnet, handelt verantwortungslos. Ich sage, er handelt skrupellos.

(Beifall bei der CSU)

Damit, Herr Maget, will ich mich Ihren Ausführungen und der Landespolitik zuwenden. Im „Münchner Merkur“ war am 28. Januar ein Zitat von Ihnen zu lesen: „Was soll der arme Sigmar denn machen?“ Vermutlich haben Sie innerlich gedacht: „Was soll der arme Franz denn machen?“

(Heiterkeit bei der CSU)

Mit Blick auf die Landespolitik ging es vielleicht auch um die Frage, wer von Ihnen beiden die Spitzenkandidatur übernehmen soll. Auch dafür gäbe es einen Ausweg: Schlagen Sie es Lafontaine vor; er hat wieder Ambitionen. Davon ist zwar Herr Hoderlein nicht sehr erbaut, aber Herr Stiegler sagt, einen erfolgreichen Kämpfer wie Lafontaine braucht die SPD.

Herr Maget, Sie müssen aufpassen, dass Sie nicht bald zum verschwindenden Rest von Menschen in Deutschland gehören, die die Politik von Schröder gut finden. Aus der heute veröffentlichten Analyse in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“:

Frage: Was glauben Sie, wie die meisten über die Politik von Gerhard Schröder denken? Sind die meisten Menschen bei uns in der Bundesrepublik mit der Politik von Gerhard Schröder einverstanden oder nicht? – Die meisten sind einverstanden: 5%. Herr Maget, Sie haben nicht mehr viel Gefolgschaft. Nicht einverstanden: 73%. Ähnlich eindeutig fällt auch das Ergebnis der Frage aus: Was glauben Sie, wie es weitergeht? Werden in Zukunft immer mehr Menschen für Bundeskanzler Schröder sein oder immer weniger oder wird sich da nichts ändern? – Immerhin 5% glauben, immer mehr werden für Bundeskanzler Schröder sein, immer weniger werden für ihn sein: 60%. Nun ist die SPD in Bayern gewohnt, bei Minderheiten dabei zu sein. Aber trotzdem, Herr Maget, so wie Sie hier die Politik darstellen – auch wenn Sie an einer Stelle sagen: „Wir kritisieren die Bundesregierung

ja auch, wenn es sein muss“, aber dann eine globale Verteidigung betreiben – sind Sie weit, weit, weit weg vom Lebensgefühl der Menschen in Deutschland.

(Beifall bei der CSU – Kaul (CSU): Die leben in einer virtuellen Welt!)

Ich will einige Stichworte aus Ihrer Rede in aller Kürze aufgreifen: Staatsfinanzen – mit Eichel hätte die Konsolidierung begonnen. Theo Waigel hat in der schwierigsten Phase der deutschen Staatsfinanzen, nämlich in dem Jahrzehnt, wo die Wiedervereinigung die größte Belastung für den Staatshaushalt war, die Stabilitätskriterien nie gefährdet. Es ist Eichel und Ihrer Politik vorbehalten geblieben, dass wir heute in Europa der Kranke sind, dass wir Rügen von der EU-Kommission bekommen, dass eine tiefe Besorgnis über die Zerrüttung der Staatsfinanzen in Deutschland vorhanden ist. Das hat es in Zeiten von Unionsregierungen in Deutschland nie gegeben. Das ist das Dramatische an der heutigen Situation.

(Beifall bei der CSU)

Rente: Wir haben den demografischen Faktor eingeführt – nach wie vor eine der wichtigsten Weichenstellungen im Hinblick auf eine neue Balance des Generationenvertrages in der Rentenversicherung. Sie haben 1998 einen skrupellosen Wahlkampf nach dem Motto „Soziale Kälte – das braucht es alles nicht“ geführt, haben dies sofort kassiert, genauso wie Sie in der Krankenversicherung eine Stabilisierung durch eine entsprechende Selbstbeteiligung bei denen, denen man es zumuten kann – 25% waren frei, untere Einkommensgruppen – verhindert haben. Sie haben im Wahlkampf polemisiert und leider damit Erfolg gehabt. Sie haben unsere Maßnahmen zunächst kassiert und anschließend die Rentenversicherung und die Krankenversicherung in chaotische Zustände geführt.

(Beifall bei der CSU)

Über die Fragen der Regionalpolitik haben wir uns hier auseinandergesetzt und werden uns auch immer wieder auseinandersetzen. Deswegen will ich die diversen Zahlen nicht noch einmal wiederholen. Nur eines ist bezogen auf Oberfranken ganz klar, Herr Hoderlein und andere – –

(Willi Müller (CSU): Der ist nie da, wenn es um Oberfranken geht!)

Der ist schon da, er führt gerade eine Schwabenkonferenz.

Herr Hoderlein, eines ist bei allen Problemen, die es in Oberfranken gibt, ganz klar: Ergebnisse der Kommunalwahlen und der Bundestagswahlen haben gezeigt, dass die Menschen dabei mehr auf die CSU setzen und schon gar nicht auf die SPD. Das ist eindeutig.

(Beifall bei der CSU)

Die Menschen in Oberfranken und in Bayern wissen:

(Zuruf des Abgeordneten Hoderlein (SPD))

Ja, schauen Sie sich einmal die Wahlergebnisse an.

Die Menschen in Oberfranken und in Bayern wissen: Wir versprechen nichts leichtfertig, aber wir tun das Mögliche und das schafft Glaubwürdigkeit. Das ist das, was sie bei Ihnen leider nicht mehr erwarten und auch gar nicht mehr vermuten.

(Beifall bei der CSU – Hoderlein (SPD): Herr Glück, da wäre ich mir nicht so sicher!)

Herr Maget, nur ein Wort zu Ihrer Kritik an der Aktion der Wirtschaft. Ich meine, das ist grundsätzlich deren Sache. Das ist Meinungsfreiheit. Warum soll der Wirtschaft und den Wirtschaftsverbänden nicht erlaubt sein, was den Gewerkschaften selbstverständlich erlaubt ist?

(Beifall bei der CSU – Maget (SPD): Man wird das bewerten dürfen!)

Wenn Sie sogar hier noch argumentieren, die hätten von der Steuerreform profitiert, die dürften nicht kritisieren: Erstens haben Sie das in der Vergangenheit immer geleugnet und zweitens: Was ist denn das für ein Politikverständnis, dass man sagt, wer von unserer Politik einmal Nutzen hat, der hat zu schweigen und zu klatschen und darf nicht mehr kritisieren? Wo kommen wir denn mit solchen Verhaltensweisen hin?

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen, was Sie zur Schule gesagt haben, ist schon sehr schwach. Bei Ihrer Klausurtagung in Irsee waren Sie ja ganz offensichtlich nicht in der Lage, ein schulpolitisches Konzept zu verabschieden.

(Maget (SPD): Das war auch nicht beabsichtigt!)

Wenn das, was Sie vortragen, die Quintessenz dessen ist – Sie sind gegen Sitzenbleiben und sind gegen zu viele Disziplinforderungen an der Schule –, dann ist das ein wirklich jämmerliches Konzept. Mehr war da leider nicht enthalten.

(Beifall bei der CSU)

Im Übrigen, was die Bundesmittel betrifft: Die Bundesregierung soll zunächst einmal ein konkretes Angebot machen. Es sind alles großspurige Angebote, aber eines ist völlig klar, dass wir uns nicht in die Ausgestaltung unserer Schulen hineinregieren lassen. Im Übrigen wäre es viel vernünftiger, wenn die Bundesregierung nicht vorher das Geld den Ländern und Kommunen wegnehmen würde, um dann Wahlkampfgeschenke zu machen. Genau so ist doch die Geschichte über die Steuerreform gelaufen.

Ihre Zahlen zur Kinderbetreuung waren gebetsmühlenartig wieder falsch, nach dem Motto Wiederholungen – wer nicht so genau Bescheid weiß, glaubt es vielleicht. Es stimmt schlicht und einfach nicht, dass wir an letzter Stelle wären.

(Zuruf des Abgeordneten Maget (SPD))

Auch die Zahl ist falsch.

(Abg. Maget (SPD): Die kommt aus Ihrem Hause!)

Nein, das stimmt nicht. Sie wiederholen das einfach gebetsmühlenartig.

Im Übrigen, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft: Nirgendwo in Deutschland ist die Frauenerwerbsquote so hoch wie in Bayern. Wir haben nicht nur den höchsten Beschäftigungsgrad insgesamt, wir haben auch den höchsten Beschäftigungsgrad bei Frauen. Wir wissen ganz genau, dass hier vieles zu tun ist. Aber wer so tut, als seien ausgerechnet und speziell in Bayern so ganz unerträgliche Verhältnisse, der hat keine Ahnung von der Wirklichkeit.

(Beifall bei der CSU)

Konnexität: Natürlich war das Konnexitätsprinzip in Bayern seit Jahren immer wieder ein Thema. Aber es war nie ein so zwingendes Anliegen der kommunalen Spitzenverbände. Das ist es erst geworden, als Entscheidungen der jetzigen Bundesregierung zum finanziellen Notstand bei den Kommunen geführt haben. Das ist das Schlüsselproblem, das jetzt für die Kommunen entstanden ist. Wir haben zu unserer Regierungszeit in Bonn gewiss den Kommunen immer wieder das eine oder andere zugemutet, aber wir haben ihnen nie Lasten aufgewälzt, wie Sie es gegenwärtig wieder tun, zum Beispiel mit der Grundsicherung.

(Beifall bei der CSU)

Fragen Sie einmal, wie die Situation bei vielen Landkreisen in Bezug auf die Antragstellung ist und wie sich das Thema bereits jetzt dramatisch auf die kommunalen Finanzen auswirkt.

Über eines gilt es auch zu reden, was Umweltpolitik und Klima betrifft: Herr Maget, es waren CSU-Bundestagsabgeordnete – das gilt es festzuhalten –, die das Einspeisungsgesetz für regenerative Energien in den Deutschen Bundestag eingebracht haben. Bayern hat seit jeher einen überdurchschnittlichen Anteil an regenerativer Energie. Nicht erst, seit es die Förderprogramme aus der heutigen Zeit gibt.

(Beifall bei der CSU)

Wir haben seit jeher vonseiten der Landespolitik regenerative Energien gefördert. Ich erinnere an die Regierungserklärung des Herrn Ministerpräsidenten im Zusammenhang mit der Hightech-Offensive, wo sehr ehrgeizige Ziele für den Anteil regenerativer Energien am Gesamtenergieaufkommen gesetzt worden sind, wie es sie so in keinem anderen Bundesland gibt. Ich möchte aber auch noch eines hinzufügen: Die Finanzierung der regenerativen Energieträger können wir uns nur leisten durch den Beitrag der traditionellen Energieträger für die Gesamtenergieversorgung. Das, was heute an Förderungen gegeben wird – sei es Wasserkraft, Photovoltaik, was immer da dazu kommt –, wird aus den Erträ

gen, die über die Kernenergie, über Kohle oder Öl kommen, finanziert.

(Kaul (CSU): Besonders Kernenergie!)

Sie kommen im Besonderen von der Kernenergie.

Weder Sie, Herr Maget, noch die Bundesregierung haben jemals eine Antwort darauf gegeben, wie die künftige Energieversorgung in Hinblick auf finanzierbar, umweltverträglich und verfügbar aussehen kann im Zusammenhang mit dem Ausstieg aus der Kernenergie, so lange andere Träger der regenerativen Energien nicht in anderer Weise zur Verfügung stehen. Deshalb ist es unsere Energiepolitik, die Alternativen zu fördern, wie wir das immer getan haben, und die Umweltverträglichkeit voranzutreiben, aber daraus keine Ideologie zu machen, die letztlich wiederum die Bevölkerung in dem täuscht, was tatsächlich geschieht und möglich ist.

Meine Damen und Herren, die zentralen Themen des Jahres 2003 sind Arbeit, solide Staatsfinanzen, zukunftsfähige soziale Sicherungssysteme und die Qualität unseres Bildungswesens. Es gäbe weitere Themen. Ich füge spontan die Familienpolitik hinzu. Wir werden auch die anderen Bereiche nicht vernachlässigen.

Wir werden aber angesichts der Situation der öffentliche Haushalte in einer bislang noch nie gekannten Konsequenz Prioritäten setzen müssen. Prioritäten zu setzen heißt immer, etwas anderes, was man auch gerne tun würde, nicht in dem Umfang tun zu können, wie man es gerne tun würde. Das Thema Nummer 1 für die weitere Entwicklung in Deutschland ist die Zukunft der Arbeit in Deutschland.