Protocol of the Session on January 29, 2003

(Zuruf von der CSU: Machen wir jetzt Bundespoli- tik?)

Das ist die Wahrheit, und zwar die ganze.

(Beifall bei der SPD)

Wer ordnungsgemäß bilanziert, muss immer die ganze Wahrheit vortragen.

Herr Stoiber unterschlägt auch, dass die Sozialversicherungsbeiträge 1998, als Sie von der Regierung abgewählt wurden, natürlich höher waren, als sie es heute sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN – Hoderlein (SPD): So ist es!)

Warum sagen Sie das nicht den Menschen und warum anerkennen Sie nicht diesen Fortschritt?

Sie sagen nicht, dass die Staatsquote, die Sie jetzt mit 48% beklagen, am Ende Ihrer Regierungszeit noch höher gewesen ist und dass es unsere Regierung war, die die Staatsquote endlich gesenkt hat.

(Hoderlein (SPD): So ist es!)

Sie haben lamentiert, wir haben gehandelt.

(Beifall bei der SPD)

Wenn zudem die so genannte Riester-Rente hier lapidar als gescheitert erklärt wird, so darf man nicht verschweigen, dass es der CDU/CSU in 16 Jahren Regierungszeit nicht ansatzweise gelungen ist, eine Reform der Rentenversicherung zustande zu bringen.

(Dr. Bernhard (CSU): Das ist eine Unverschämtheit!)

Erst dem früheren Arbeitsminister Riester ist es gelungen – nein, das ist die Wahrheit –,

(Dr. Bernhard (CSU): Ihr habt die Rentenreform rückgängig gemacht! Das ist die Wahrheit!)

zumindest einen Einstieg in eine weitere Säule der Altersversicherung, nämlich die private Vorsorge, durchzusetzen. Diesen Weg werden wir weitergehen, unterschiedliche Formen privater Altersvorsorge stärken und

insbesondere auch die Betriebsrente als wichtiges Element der Alterssicherung stärken.

Statt pauschaler Kritik und dem Verbreiten von Zerrbildern der Wirklichkeit hätte ich mir gewünscht, heute zumindest zu einem einzigen bundespolitischen Thema, das der Ministerpräsident aufgeworfen hat, konkrete Lösungsvorschläge zu hören. Welche Rezepte hat er für die Reform der gesetzlichen Alterssicherung? Welche Maßnahmen hat er zur Stabilisierung der Krankenversicherung? Welche hat er zur Verbesserung der Pflegeversicherung im Land? Leider muss man feststellen: Fehlanzeige auf der ganzen Linie. Nur schlechtreden ist aber zu wenig.

(Beifall bei der SPD und der Frau Abgeordneten Paulig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Meine sehr geehrten Damen und Herren, kommen wir nach Bayern. Mit der Erledigung der eigenen Aufgaben und der Erfüllung der eigenen Vorhaben ist es leider nicht soweit her, wie hier behauptet wird. 1996 hat Ministerpräsident Stoiber als Ziel des so genannten Beschäftigungspaktes entgegen den Warnungen und Bedenken der Gewerkschaften die Halbierung der Arbeitslosigkeit in Bayern als Ziel vorgegeben. Von diesem Ziel ist Herr Stoiber heute weiter entfernt denn je. Zu keinem Zeitpunkt seiner Regierungszeit in Bayern

(Hoderlein (SPD): Zehn Jahre!)

konnte die Arbeitslosigkeit in Bayern auch nur ein Jota gesenkt werden, zu keiner Zeit seiner zehnjährigen Regierungstätigkeit.

(Hoderlein (SPD): Hört, hört!)

Aus dem Traum der Halbierung der Arbeitslosigkeit ist ein Albtraum geworden. Im vergangenen Jahr lag Bayern Monat für Monat konstant bundesweit im Ländervergleich an der Spitze bei der Zunahme der Arbeitslosigkeit.

(Hoderlein (SPD): So ist es!)

In einem kürzlich bekannt gewordenen Gutachten, das die Unternehmensberatung McKinsey für die Staatsregierung erstellt hat, ist deutlich geworden, dass die wirtschaftliche Situation Bayerns alles andere als rosig ist. Leider stellt McKinsey fest, dass Bayern beim Wirtschaftswachstum im deutschen Ländervergleich nur noch einen Mittelplatz einnimmt, dass Bayern beim Anstieg der Arbeitslosigkeit besonders weit vorne liegt, dass in Bayern überdurchschnittlich viele Beschäftigte in Branchen tätig sind, die vom Arbeitsplatzabbau besonders betroffen sind, und dass schließlich Bayern das Land in Deutschland ist, das die größten regionalen Unterschiede, was Wachstum, was Arbeitsmarkt und Beschäftigung anlangt, darstellt. Eine solche Analyse sollte man besser nicht achtlos zur Seite legen und auf die leichte Schulter nehmen. Sie ist vielmehr ein Alarmzeichen, das allen Anlass zum Handeln für die Bayerische Staatsregierung bietet.

In dieser Situation hilft es auch nichts, die Schuld immer bei den anderen in Berlin zu suchen.

Ich anerkenne ausdrücklich, wenn in Bayern Dinge gut gemacht werden. Ich freue mich darüber, wenn an vielen Stellen Bayern besser da steht als andere Länder. Ich scheue mich auch nicht davor, Kritik zu üben, wenn ich glaube, dass die Bundesregierung Fehler begeht oder eine falsche Entscheidung trifft.

(Glück (CSU): Da sind wir jetzt gespannt!)

Aber nur so zu tun, als sei Bayern überall Weltmeister und als würde die Bundesregierung alles falsch machen, ist dann doch etwas zu primitiv.

(Beifall bei der SPD und beim BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN)

Bayern scheint ein wundersames Land zu sein. Alles, was gut läuft, hat die CSU gemacht; alle Probleme gehen auf das Konto von Rot-Grün. Haushaltspolitische und wirtschaftliche Schwierigkeiten des Freistaats liegen sowieso immer an den politischen Rahmenbedingungen aus Berlin. Die positiven Auswirkungen von Maßnahmen der Bundesregierung wirken sich in Bayern seltsamerweise aber niemals aus. Wundersam sind derartige Deutungsversuche. Die Benachteiligung Oberfrankens zum Beispiel wird von Herrn Glück und heute auch von Herrn Stoiber als Folge der Bundespolitik dargestellt,

(Hoderlein (SPD): Eine Lachnummer!)

obwohl der Rückstand in der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung in Oberfranken seit Jahrzehnten anhält.

(Hoderlein (SPD): So ist es!)

Was vor zehn Jahren schon gewesen ist, kann doch wohl schlecht auf das Konto einer Regierung gebucht werden, die gerade einmal fünf Jahre im Amt ist.

(Beifall bei der SPD)

Das nimmt Ihnen nun wirklich niemand mehr ab.

Offensichtlich haben Sie aber erkannt, dass die Lage dort prekär ist und dass die Menschen dort die jahrzehntelange Benachteiligung nicht mehr hinnehmen wollen. Konkrete Vorschläge zur Besserung haben Sie heute zwar nicht vorgetragen, aber Sie haben einen Staatsbesuch in Oberfranken angekündigt. Das ist, wie wenn Queen Mom einen Staatsbesuch in Schottland absolviert. Das sind symbolische Handlungen fernab von der Vorlage konkreter Strategien zur Lösung der Probleme.

(Beifall bei der SPD)

Unerhört ist Ihre Kritik an der Verkehrspolitik des Bundes.

(Zurufe von der SPD: Er hört nicht zu! Er soll einmal zuhören!)

Dasselbe gilt für das heute wieder vorgetragene Märchen von der angeblichen Benachteiligung Bayerns auf diesem Gebiet.

(Zuruf von der SPD: Wo ist denn der Ministerpräsi- dent?)

Die Wahrheit ist doch Folgende – Herr Stoiber kennt sie –: Noch nie zuvor sind so hohe Verkehrsinvestitionen des Bundes nach Bayern geflossen wie in den letzten Jahren.

(Beifall bei der SPD)

Der Bund hat die Verkehrsinvestitionen seit 1998 von 9,5 Milliarden auf 12 Milliarden gesteigert – das sind glatte 26%. Auf diese Weise konnte in den letzten Jahren in Bayern endlich auf der A 94 weitergebaut werden – das haben Sie liegengelassen. Weitergebaut werden konnte auch auf der A 8, zügig voran geht es auf der A 73, fast fertig sind wir auf der A 9 und bei der A 92. Keine Verzögerungen wird es bei der A 99 geben. Die A 6 und die A 3 werden ebenfalls bald in Angriff genommen, wenn endlich Baurecht gegeben ist. Noch nie zuvor wurden in Bayern so viele Ortsumgehungen mit Mitteln des Bundes gebaut wie in den zurückliegenden Jahren.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, als Sie noch an der Bundesregierung beteiligt waren, gab es kein Anti-Stau-Programm, sondern nur Stau.

(Beifall bei der SPD)

Kümmern Sie sich lieber um den Erhalt und die Verbesserung der bayerischen Staatsstraßen, für die Sie zuständig sind und die sich teilweise in bemitleidenswertem Zustand befinden.